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Glühende Landschaften

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Prof. Karl Hammer, der geniale Physiker, der vor einigen Jahren aus Europa-Mitte nach Weißrussland geflüchtet war, verbrachte jeden Tag mindestens 16 Stunden unter der Erde. Manchmal blieb er auch eine ganze Woche in seinem streng geheimen, unterirdischen Forschungszentrum, ohne überhaupt das Tageslicht zu sehen. Den etwa 300 anderen Forschern, Wissenschaftlern und Ingenieuren, die seinem Team inzwischen angehörten, erging es nicht anders, denn hier unten wurde niemals Pause gemacht und ununterbrochen gearbeitet, erfunden und geforscht.

Der mittlerweile erweiterte Forschungskomplex lag einige Hundert Kilometer nördlich von Tschistokjows Atombunker; ebenfalls am Fuße des Uralgebirges, irgendwo in den russischen Weiten. Es war der von der ADR am besten überwachte Ort im ganzen Nationenbund, vom atombombensicheren Hauptquartier der Staatsführung einmal abgesehen.

Heute war der Anführer der Rus noch einmal persönlich angereist, um sich von Prof. Hammer die neuartigen EMP-Geschütze zeigen zu lassen. Wilden und die übrige Führungsspitze der Freiheitsbewegung waren im Atombunker geblieben. Lediglich Tschistokjows schwer bewaffnete Leibwächter und Verteidigungsminister Lossov hatten den russischen Souverän nach Norden begleitet.

Nachdem das Oberhaupt des Nationenbundes mehrere Panzerschotts und elektrische Gatter passiert hatte und von einigen ADR-Wachen als „echter Tschistokjow“ bestätigt worden war, gelangte er nach einem langen Marsch durch halbdunkle Zugangskorridore in eine riesige Halle unter der Erde.

„Herr Präsident, es ist soweit!“, begrüßte ihn Prof. Hammer freudestrahlend auf Deutsch, wohl wissend, wie sehr sein prominenter Gast so etwas mochte.

„Ich bin hocherfreut!“, gab Tschistokjow zurück. „Sagt man das so, Herr Professor? Hocherfreut?“

„Ja, das kann man sagen …“, antwortete der weißhaarige Deutsche und lachte.

Nachdem sich alle Anwesenden gegenseitig begrüßt hatten, führten die Wissenschaftler den Präsidenten und seinen Verteidigungsminister zu einem fahrbaren Konstrukt, das einem mobilen Artilleriegeschütz ähnelte. Allerdings hatte die neuartige EMP-Waffe eine Vielzahl langer Rohre, die Erinnerungen an eine Kirchenorgel weckten.

Prof. Hammer grinste. „Nun, dies ist das erste einsatzbereite EMP-Geschütz. Die Peilgeschosse, die diese fahrbare Abschussvorrichtung abfeuert, haben die Aufgabe, heranfliegende Atomraketen zu orten, sie anzufliegen und schließlich in ihrer unmittelbaren Nähe einen elektromagnetischen Puls auszulösen. Dieser Puls soll das Zündungschip der gegnerischen Atombombe zerstören und diese damit unschädlich machen.“

„Aha?“, murmelte Tschistokjow, die Abschussvorrichtung nachdenklich musternd.

„Ein derartiges Geschütz kann auf einen Schlag etwa 10 zielsuchende Peilgeschosse abfeuern. Der Flugradius dieser Kleinraketen ist allerdings zunächst auf etwa 150 Kilometer beschränkt, aber wir werden uns bemühen, die Effektivität der Waffe so schnell es geht zu steigern“, fuhr Prof. Hammer fort.

„Ich kann nur hoffen, dass es funktionieren wird“, meinte Lossov.

„Es ist die wichtigste Waffe in diesem ganzen Krieg. Diese Erfindung kann kriegsentscheidend sein“, betonte Tschistokjow.

„Wir arbeiten weiterhin rund um die Uhr, Herr Präsident. Außerdem haben wir auch unsere gewöhnlichen Abwehrraketen mit einem neuartigen Ortungs- und Peilsystem verbessert, so dass auch diese die feindlichen Atombomben in Zukunft wesentlich erfolgreicher aufspüren und bereits in der Luft vernichten können“, erklärte der deutsche Wissenschaftler. Seine russischen Kollegen nickten.

Tschistokjow stellte sich vor ihn, sah ihm tief in die Augen. Dann sagte er: „Von Ihren Erfindungen hängen die Leben von Millionen Menschen ab, Herr Professor. Vergessen Sie das niemals. Wenn Ihre Arbeit erfolgreich ist, so wird das ganze Städte vor der Auslöschung bewahren.“

Der Physiker lächelte, um daraufhin zu erwidern: „Machen Sie sich keine Sorgen, Herr Präsident. Wir werden alles geben, um diese neuen Waffensysteme immer weiter zu verbessern. Hunderte von Wissenschaftlern arbeiten hier bis zur völligen Erschöpfung. Wir werden uns keine Pause gönnen. Darauf können Sie sich verlassen. Entschuldigen Sie, dass wir nicht früher Ergebnisse liefern konnten, aber wir …“

„Schon gut! Ich bin mehr als stolz auf Sie alle, meine Herren!“, stieß Tschistokjow freudig aus.

„Wann sollen wir mit der industriellen Produktion der EMP-Geschütze und Peilgeschosse beginnen?“, fragte Prof. Hammer erwartungsvoll.

„Wann?“, rief der Anführer der Rus mit ernstem Blick. „Sofort!“

Bis Ende August hatte die Volksarmee die Frontlinie an der Grenze zu Moldawien noch halten können, dann jedoch waren die in Massen anrückenden GCF-Truppen durchgebrochen. Inzwischen trieben sie ihre demoralisierten Gegner vor sich her. Etwa eine halbe Million Tote waren auf den Schlachtfeldern zwischen der Slowakei und der Küste des Schwarzen Meeres geblieben, doch Artur Tschistokjow befahl nach wie vor, dass kein Meter des Vaterlandes kampflos aufgegeben werden dürfe und ließ immer mehr junge Soldaten in die Ukraine bringen.

Schließlich erreichten die Armeen der Global Control Force am 17. September 2051 Kiew und begannen mit der Belagerung der Großstadt.

„Das große Kiew – Von den Rus gegründet! Von den Rus gehalten!“, schrieben die Presseorgane des Nationenbundes und Tschistokjows Kriegspropaganda wurde nicht müde, den „Heldengeist der alten Wikinger“ bei der Bevölkerung der ukrainischen Metropole zu erwecken.

Im Gegenzug verkündeten die Zeitungen und Fernsehsender des Weltverbundes, dass Artur Tschistokjow langsam der Atem ausgehe und er bald für das Verbrechen am englischen Volk, womit sie die Zerstörung Londons meinten, bezahlen würde.

Und während sich Millionen Soldaten in einem weltumspannenden Konflikt an unzähligen kleinen und großen Fronten mit allen Mitteln massakrierten und sich weitere Millionen junge Männer bereitmachten, zu den Schlachtfeldern gekarrt zu werden, leitete die Weltregierung den nächsten Atomschlag ein.

Diesmal sollte es die Japaner, die bereits im August 1945 den Schrecken der Atombombe erlebt hatten, treffen. Nach diesem nuklearen Angriff sollte endlich auch die zweite Landinvasion gegen das Inselreich erfolgen. Zuvor wollte man Japan allerdings erst einmal in Schutt und Asche legen, damit es sich nicht erneut gegen den Ansturm der GCF-Heere verteidigen konnte, wie in den Jahren 2031 bis 2033.

So beschoss die Pazifikflotte der GCF Tokio am 20. September 2051 mit fünf Atombomben. Drei weitere wurden auf Kawasaki, zwei auf die Industriestadt Yokohama abgefeuert. Das von Matsumotos Wissenschaftlern konstruierte Raketenabwehrschild konnte lediglich drei der zehn Kernwaffen außer Gefecht setzen, die anderen trafen ihre Ziele und brachten dem urbanen Herzen Japans eine apokalyptische Verwüstung. Tokios Innenstadt wurde vollkommen zerstört und insgesamt starben, trotz der vorher von Matsumoto durchgeführten Evakuierungsmaßnahmen, nicht weniger als 8 Millionen Menschen.

Doch das genügte den Logenbrüdern noch immer nicht. Einen Tag später ließen sie weitere sechs Atombomben auf Sapporo niedergehen; sie wurden exakt so platziert, dass nicht nur die Innenstadt der ihnen so verhassten Metropole, sondern auch sämtliche Außenbezirke vom atomaren Vernichtungsfeuer eingeäschert wurden. So gut wie alle Einwohner der Stadt, die Sapporo nicht schon vorher in weiser Voraussicht verlassen hatten, wurden bei diesem Angriff getötet. Insgesamt waren es fast zwei Millionen Menschen, die bei dem Atomschlag ihr Ende fanden.

Nur wenige Stunden später folgten die Städte Hiroshima und Nagasaki, die aufgrund ihrer symbolischen Bedeutung ausgewählt worden waren. Jeweils zwei Wasserstoffbomben machten sie dem Erdboden gleich. Am 22. September endete der Atomwaffenangriff auf Japan schließlich mit einem letzten Bombenabwurf auf Kagoshima im Süden der Inselgruppe.

„Ihr seid im Wald gewesen und habt Pilze gesammelt?“, fragte Frank schmunzelnd.

„Ja, und wir haben sogar ein paar leckere Steinpilze gefunden. Sieglinde ist noch ganz aufgeregt“, erklärte Bäumer.

„Und sonst, Alf?“

„Alles klar soweit – bis auf einen kleinen Weltkrieg.“

„Sehr witzig!“

„Ja, finde ich auch …“

„Aber es geht dir wieder gut, oder?“

„Alles bestens!“

„Super! Das freut mich, Alf!“

„Und bei dir?“

„Immer das Gleiche. In den letzten Tagen war es aber recht ruhig. Gott sei Dank.“

„Hör bloß auf, ich muss auch bald wieder raus.“

„An die Front?“

„Ja! Wohin sonst?“

„Kommst du zu uns?“

„Ich glaube eher, dass man mich an die Balkanfront schicken wird. Dort unten brennt es an jeder Ecke, Frank.“

„An die Balkanfront?“

„Ja, irgendwo da unten. Das Oberkommando plant scheinbar eine Gegenoffensive. Was weiß ich …“

„Fuck!“

„Das kannst du laut sagen!“

„Aber Svetlana und Sieglinde geht es gut?“

„Im Prinzip schon, aber wem geht es in diesen Tagen schon gut?“

„Niemandem!“

„So ist es.“

„Und was habt ihr so in den letzten Tagen gemacht, Alter?“

„Nicht viel! Ich verschlafe den halben Tag oder spaziere mit Frau und Kind durch Ivas. Die Glotze lasse ich grundsätzlich aus. Ich kann die ganze Scheiße nicht mehr sehen.“

„Du meinst Arturs zahlreiche Volksreden?“

„Alles eben! Diesen ganzen verdammten Krieg.“

„Geht mir auch so, mein Lieber. Ich bin froh, wenn sie mich alle in Ruhe lassen“, sagte Frank müde.

„Wir waren gestern bei Steffen de Vries. Das war total nett, ich soll dich übrigens grüßen.“

„Ach? Und wie geht es dem so?“

„Der macht halt sein Ding und hält sich raus. Sieglinde liebt seine Milchshakes und hat gestern …“

„Moment mal, Alf. Da kommt einer in den Unterstand!“, unterbrach Frank seinen Freund.

Ein hochgewachsener Offizier der Warägergarde salutierte und winkte Kohlhaas zu sich. „Verzeihen Sie die Störung, Herr General, aber es gibt schreckliche Neuigkeiten.“

„Ich rufe dich später wieder an. Bis dann!“, sagte Frank und legte auf.

„Ich habe keine schönen Nachrichten für Sie, Herr General. Haben Sie schon die neuesten E-Mails auf Ihrem DC-Stick gelesen?“

„Nein! Wenn ich ehrlich bin, habe ich seit drei Tagen nicht mehr in mein Postfach geschaut“, gestand Frank genervt.

„Seit drei Tagen? Herr General, Sie wissen doch, dass es Vorschrift ist, alle zwei Stunden die neuesten Meldungen …“, bemerkte der Offizier verstört.

„Scheiße! Ja! Was ist denn?“, knurrte Kohlhaas.

„Es hat die Japaner erwischt!“, erklärte der Russe, während Frank erschrocken die Augen aufriss.

Haruto Matsumoto blickte auf das grauenvolle Szenario vor seinen Augen und musste sich bemühen, nicht vor Entsetzen zusammenzubrechen. Der japanische Präsident hatte heute Morgen seinen Atombunker, der bei Akita mehrere Kilometer tief in den Fels gehauen worden war, mit seinem Führungsstab verlassen und war nach Tokio gefahren, um sich die Auswirkungen des Atomwaffenangriffes anzusehen.

Was seine mit Tränen gefüllten Augen erblickten, überstieg sämtliche Schreckensvisionen noch bei weitem. Dichter, schwarzer Qualm lag über dem Trümmermeer, das einst die stolze Hauptstadt Japans gewesen war. Wie von einer riesigen Dampfwalze waren ganze Straßenzüge zermalmt worden und oft ragten nur noch die zerfallenen, versengten Ruinen der großen Wolkenkratzer in den Himmel. Was die Japaner in den letzten Jahren mühsam aufgebaut hatten, war in der Zeit eines Wimpernschlages von ihren Feinden ausgelöscht worden.

Dass sie Japan eines Tages so massiv angreifen und eine solche Zerstörung bringen würden, hatte Matsumoto immer zu verdrängen versucht. Warum ihm seine Gegner seit Jahren mit einem derartigen Hass gegenüberstanden, konnte er sich noch immer nicht erklären. Er selbst wäre nicht einmal im Traum darauf gekommen, einem anderen Land so etwas anzutun.

„Warum haben sie Millionen Menschen vernichtet?“, fragte er sich immer wieder. „Weil sie unabhängig sein wollten? Weil sie die Wirtschaftsinteressen der Weltregierung behindert haben? Weil sie sich keine Scanchips implantieren lassen wollten?“

Er fand keine Antwort. Seinem alten Freund, dem japanischen Außenminister Akira Mori, erging es nicht anders.

„Ich gehe noch weiter …“, sagte Matsumoto und atmete schwer in seinem stickigen Schutzanzug.

„Bitte seien Sie vorsichtig, Herr Präsident! Wir wissen nicht, wie stark hier die Strahlung ist“, warnte einer seiner Berater.

„Wozu haben wir dann diese Anzüge?“, knurrte dieser und ging einige Hundert Meter in Richtung des gigantischen Ruinenmeeres vor sich.

„Das ist die Hölle auf Erden …“, hörte Matsumoto einen seiner Begleiter murmeln.

Die Innenstadt von Tokio lag noch mehrere Kilometer weiter östlich. Diese verbannte Einöde war lediglich ein Außenbezirk, der jedoch ebenfalls die volle Wucht einer atomaren Explosion abbekommen hatte.

Zwischen den rußgeschwärzten Wänden konnte Matsumoto mehrere verkohlte Leichen erkennen, die sich wie Säuglinge zusammengekrümmt hatten. Lediglich ihre weißen Zähne schauten gespenstisch aus dem Haufen gegrilltem Menschenfleisch hervor und der Präsident musste sich zusammenreißen, um sich nicht in seinen Strahlenschutzanzug zu übergeben.

Dennoch ging er weiter durch die zerstörten Straßen, vollkommen verstört und paralysiert. Dieses Grauen war zu viel für seinen Verstand und irgendwann war er froh, dass ihn seine ebenfalls vollkommen entsetzten Begleiter einfach anhielten und zurückschleifen wollten.

Am Ende begann Matsumoto leise zu wimmern und zu schluchzen. Leise brabbelte er einige Wortfetzen unter dem Visier seines Helmes vor sich hin. Man konnte ihn kaum verstehen, und seine Begleiter baten ihn, diesen höllischen Ort wieder so schnell wie möglich zu verlassen.

Der japanische Präsident konnte sich kaum noch auf den Beinen halten. Man hörte ihn angestrengt schnaufen, so sehr hatte ihn das Entsetzen getroffen.

„Komm schon, Haruto! Du hast genug gesehen …“, sagte Akira Mori leise und fasste seinen Freund an der Schulter.

„10 Millionen Tote! Oder noch mehr … in nur drei Tagen“, hörte der Außenminister den Präsidenten flüstern.

„Komm jetzt bitte, Haruto!“, bat Mori. Er zog Matsumoto mit sich.

Als die Männer in den Schutzanzügen durch die schreckliche Trümmerlandschaft zurück gingen, hörten sie auf einmal Schritte hinter sich. Sie drehten sich um und erblickten ein kleines Mädchen, dessen Gesicht schmutzig war.

Haruto Matsumoto starrte die Kleine entgeistert an und fragte sie: „Wo kommst du denn her?“

Sie aber antwortete nicht, sah ihn nur mit kalten, leeren Augen an, als wäre sie selbst auch schon tot. Nun fiel der japanische Präsident vor ihr auf die Knie und weinte. „Glaubst du mir, dass das hier nicht meine Schuld ist, Kind?“, stieß er aus.

Doch sie sagte nichts und starrte ihn nur mit ausdrucksloser Miene an.

„Es ist nicht meine Schuld, oder?“, schluchzte Matsumoto und griff nach ihrer verdreckten, kleinen Hand. „Sag mir doch bitte, dass ich nicht daran schuld bin!“

„Es ist gut, Haruto! Komm jetzt und lass sie in Ruhe“, sagte Akira Mori traurig.

In nächsten Augenblick lief die Kleine davon und ließ den weinenden Präsidenten zurück in dem endlosen Ruinenmeer, das von Tokio übrig geblieben war.

Mit Erleichterung blickte Frank auf den sich nähernden Zug, der ihn nach Osten bringen sollte. Das Oberkommando hatte ihm einen zwei Wochen langen Fronturlaub gewährt und er war überglücklich, endlich für ein paar Tage verschwinden zu können. Indes gingen die Kämpfe im Osten Deutschlands und an vielen anderen Fronten weiter. Doch seine Waräger würden auch ohne ihn auskommen, hoffte der General.

Der Zug hielt mit einem leisen Brummen an und eine Gruppe laut schwatzender Soldaten stieg ein. Frank folgte den Männern wortlos und ließ sich in einem der hinteren Abteile nieder, nachdem er sein Gepäck verstaut hatte.

Es ging zurück durch Polen in Richtung Weißrussland, dann weiter nach Litauen. Kohlhaas sinnierte kurz über die Frage, ob noch alle Gleise intakt waren, um sich daraufhin mit einem gequälten Stöhnen zurückfallen zu lassen und die Augen zu schließen. Er fühlte sich ausgelaugt und war vollkommen erschöpft.

Nachdem er für einen kurzen Moment eingenickt war, ließ ihn plötzlich das Piepen seines Handys aufschrecken. Mit einem leisen Fluchen kramte er es aus dem Seesack.

„Ja?“

„Ich bin es, Frank!“, sagte Julia. „Bist du schon unterwegs?“

„Bin eben eingestiegen. Jetzt geht es endlich wieder zurück nach Ivas. Mein Gott, bin ich fertig.“

„Bald kannst du dich wenigstens ein wenig ausruhen“, versuchte ihn seine Frau aufzuheitern.

„Was?“

„Ich sagte, bald kannst du dich ausruhen!“

„Ja! Das werde ich auch tun. Ich verstehe dich schlecht, dieser Zug ist ganz schön laut.“

„Kein Problem, ist ja nicht schlimm.“

„Jedenfalls habe ich erst mal zwei Wochen Ruhe.“

„Das mit Japan hast du sicherlich schon gehört, oder?“

„Wie?“

„Das mit Japan!“

„Was ist damit?“

„Mit den Atombomben!“

„Ja, ich weiß, Julia!“

„Und was kommt nun?“ Die junge Frau klang besorgt.

„Keine Ahnung! Vermutlich der Gegenschlag …“

„Ich habe solche Angst, Frank.“

„Wir reden darüber, wenn ich zu Hause bin.“

„Worüber?“

„Wir reden darüber – zu Hause!“

„In Ordnung!“

„Bis dann, mein Schatz.“

„Ich freue mich total auf dich, Frank!“

„Wie?“

„Ja, bis dann! Tschüß!“

Kohlhaas ließ das Handy in seiner Tasche verschwinden und legte sich schließlich lang auf den Sitz, den Kopf auf seinen Rucksack gestützt. Er wollte nur noch schlafen, hatte nicht einmal mehr die Kraft, sich wegen Japan oder dem Rest der Welt Sorgen zu machen. Sollte doch die ganze Menschheit zum Teufel gehen. Hauptsache, er hatte endlich einmal seine Ruhe.

Ratternd raste der Zug durch das trostlose Polen in Richtung Weißrussland und brachte Frank schließlich immer weiter nach Osten. Der General verschlief einen großen Teil der eintönigen Fahrt, jedes Geräusch und Gerede um sich herum ignorierend. Zwei Wochen! Ganze vierzehn Tage ohne Krieg! Das war großartig!

Während Frank seinen Fronturlaub antrat, versuchten Artur Tschistokjow und seine Berater irgendwie mit dem erneuten Atombombenangriff der Weltregierung umzugehen. Wilden, der den Atombunker am Fuße des Uralgebirges nunmehr seit Wochen nicht verlassen hatte, hatte heute Morgen Herrn Taishi, seinen alten Freund aus Japan, angerufen. Es ginge ihnen allen gut, hatte ihm der frühere Geschäftsmann berichtet. Das hatte Wildens Laune für einige Stunden merklich verbessert, auch wenn Herr Taishi mit „gut“ lediglich meinte, dass sie nicht im atomaren Feuersturm verbrannt waren.

Glücklicherweise hatte sich der in die Jahre gekommene Asiate mit seiner Frau und seiner Tochter bereits vor drei Wochen nach Aomori im Norden des Landes zurückgezogen. Hier, so hatte er gehofft, würden keine Atombomben einschlagen. Und er hatte Recht behalten, zumindest bisher. Allerdings hatte der massive Angriff des Weltverbundes deutlich gemacht, dass nun kaum noch ein Japaner vor Atomschlägen sicher war – auch nicht in Aomori oder an irgendeinem anderen Ort auf den Inseln.

Masaru Taishi, der bereits seinen Sohn im japanischen Krieg verloren hatte, war dennoch ebenso panisch und verunsichert wie seine Landsleute, denn es konnte jeden Tag so weit sein, dass erneut Atomraketen vom Himmel fielen. An den Taishis, so dachte sich Wilden, konnte man, so zynisch es auch war, eindrucksvoll sehen, wie wirksam dieser Terrorangriff gewesen war.

„Ganz Japan lebt nur noch in Angst!“, hatte der Japaner am Telefon gewimmert, während Wilden versucht hatte, ihn irgendwie zu beruhigen.

Derweil diskutierten Artur Tschistokjow und seine engsten Berater schon den halben Tag darüber, wie sie reagieren sollten. Der russische Staatschef, so entsetzt er auch im ersten Moment gewesen war, als er die Nachricht vom Atombombenangriff auf Japan gehört hatte, war schnell wieder zu seiner harten Linie zurückgekehrt. Das bedeutete für ihn, erneut mit gleichen Mitteln zurückzuschlagen.

„Auge um Auge!“, war wieder einmal seine Losung. Wilden, Verteidigungsminister Lossov und der größte Teil der anwesenden Generäle und Führungsköpfe der Freiheitsbewegung waren hingegen zutiefst verunsichert und wussten nicht, was sie Tschistokjow raten sollten.

Der EMP-Schutzschild war noch keineswegs technisch ausgereift und würde kaum in der Lage sein, einen flächendeckenden Atomwaffenangriff des Weltverbundes abzuhalten. Das wusste auch der Anführer der Rus, der trotz allem die Ansicht vertrat, dass man Gewalt mit Gewalt brechen müsse.

Letztendlich hatte man ihm auch die alleinige Entscheidungsgewalt übertragen, was allerdings nicht bedeutete, dass Tschistokjow die Einwände seiner Berater ignorierte. Am Ende blieb er jedoch erneut hart und erklärte, dass er nun von Matsumoto ein „entschlossenes Vorgehen“ erwartete. Das hieß nichts anderes, als dem Feind wiederum mit dem gleichen nuklearen Terror zu antworten, den er zuvor über Japan gebracht hatte.

Eine laute Fanfare schmetterte aus dem Fernseher und eine wehende Drachenkopffahne erfüllte den Bildschirm. Dann ertönte eine markige Stimme: „Gestern ist es den tapferen Soldaten der Volksarmee gelungen, den Feind südöstlich von Donezk mehrere Kilometer weit zurückzudrängen und durch die gegnerische Front zu stoßen. Dabei konnte eine große Anzahl von Geschützen erbeutet werden. Dieses heldenhafte Beispiel zeigt einmal mehr, dass die GCF trotz zahlenmäßiger Überlegenheit den Kampfgeist und den Opfermut unserer Soldaten nicht brechen kann.

Der junge Rekrut Nikolai Zhukov wird uns jetzt berichten, wie er im Zuge der Gegenoffensive ganz allein zwei feindliche Panzer durch seinen selbstlosen Einsatz ausgeschaltet hat!“

Daraufhin zeigte die Kamera einen kaum 20 Jahre alten Burschen, der den Zuschauern von seinem heroischen Einsatz berichtete und betonte, dass ihn selbst in Momenten größter Gefahr der Glaube an Artur Tschistokjow und die Liebe zum russischen Vaterland beflügelt hätten. Dann grinste er verlegen und grüßte noch seine Eltern.

„Derweil sind auch die Kämpfe um die Frontstadt Orsk an der Grenze zu Kasachstan mit unverminderter Härte weitergegangen!“, fuhr der Nachrichtensprecher fort. „Auch hier zeigen unsere Soldaten eine eisenharte Kampfentschlossenheit und lassen den Gegner nicht zur Ruhe kommen. Das 14. Pionierbataillon der Volksarmee hat es sogar geschafft …“

Frank stellte den Fernseher ab. Seufzend setzte er sich auf das Sofa, er lächelte gequält.

„Siege an allen Fronten! So wie in jeder Propagandasendung und in jedem Krieg!“, sagte er leise zu sich selbst.

„Wir lassen die verfluchte Glotze jetzt einfach aus“, schimpfte Julia und ließ sich neben Frank auf dem Sofa nieder; dann nahm sie ihn in den Arm.

„Das mit Japan hat mir den Rest gegeben. Jetzt werden wir zurückschlagen, dann die anderen – dann wieder wir und so weiter. Am Ende wird keine Seite mehr irgendwelche Hemmungen kennen und die ganze Welt wird brennen“, stöhnte Kohlhaas verzweifelt.

Julia fiel keine passende Antwort mehr ein, stattdessen begann sie leise zu weinen. Ihr hübsches, schmales Gesicht war inzwischen aufgedunsen und gerötet, da sie jeden Tag eine große Anzahl von Beruhigungs- und Schlafmitteln nehmen musste, um nicht vollkommen durchzudrehen. Die schreckliche Endzeitstimmung, die die gesamte Familie ergriffen hatte, war auch an Friedrich nicht spurlos vorübergegangen. Dieser verkroch sich oft tagelang in seinem Zimmer oder lag lediglich reglos im Bett.

Manchmal fragte sich Frank, wie viel Schrecken und Leid ein Mensch überhaupt ertragen konnte, bevor er endlich zerbrach. Mittlerweile kämpfte auch er wieder gegen Alpträume und böse Erinnerungen. Vor einigen Tagen hatte er erneut eine verstörende Vision gehabt, in der nicht Artur Tschistokjow, sondern „Herr Irrsinn“, sein imaginärer Freund aus der Holozelle, eine Rede an die Nation gehalten hatte.

Er hatte mit der Stimme des russischen Staatschefs gesprochen, in dessen Büro im Atombunker, mit der Drachenkopffahne im Hintergrund.

„Der Irrsinn konnte in den letzten Monaten um 26% gesteigert werden. Ich bin stolz auf mein Volk, doch wir werden ihn noch viel weiter ausdehnen. Wir müssen nur an den Irrsinn glauben! Felsenfest und unbeirrt!“, hatte „Herr Irrsinn“ erklärt. Schließlich hatte er seinen kahlen, bleichen Schädel aus der Fernsehkiste herausgeschoben und Frank zynisch angelächelt.

„Hallo, General Kohlhaas! Ich bin stolz auf Sie, denn Sie haben den Irrsinn an vorderster Front verbreitet. Wer hätte je gedacht, dass Sie mir eines Tages so viel Arbeit abnehmen?“

Frank war zusammengezuckt, sprachlos vor lauter Entsetzen, während „Herr Irrsinn“ weiter auf ihn eingeredet hatte.

„He, Franky! Achilles, großer Held, großer Mörder, großer Psychopath! Freust du dich denn nicht, deinen alten Freund wiederzusehen?“

Irgendwann war Frank mit einem Schrei aufgewacht und hatte sich wimmernd an Julia geklammert. Dieses Traumgesicht war so unheimlich wie verwirrend gewesen. Außerdem wusste Kohlhaas, dass „Herr Irrsinn“ niemals auftauchte, wenn es dafür nicht einen handfesten Grund gab.

Die über eine gut verschlüsselte Verbindung abgehaltene Telefonkonferenz dauerte nunmehr schon fast zwei Stunden. Sowohl Artur Tschistokjow als auch Präsident Matsumoto hatten es diesmal für zu gefährlich gehalten, ihre Atombunker noch für einen persönlichen Staatsbesuch zu verlassen. Das Risiko, in einem Flugzeug vom Feind erwischt und abgeschossen zu werden, egal wie geheim man alles gehalten hatte, war inzwischen viel zu groß. Vor allem Tschistokjow war in den letzten Wochen immer paranoider geworden und sah überall Verräter, Spione und Attentäter, die ihn vergiften oder in die Luft sprengen wollten. Zwar wurde er rund um die Uhr von ADR-Mitarbeitern und einer großen Anzahl Leibwächter bewacht, doch änderte das nichts an seiner wachsenden Angst vor Mordanschlägen. Allerdings waren seine Sorgen auch nicht unberechtigt, denn die GSA versuchte, seinen Führungsstab mit allen Mitteln zu infiltrieren. Das Gleiche galt auch für Matsumoto.

„Sie haben unfassbares Leid angerichtet. Ich kann diese Grausamkeit noch immer nicht nachvollziehen. Was soll aus Japan werden, wenn sie nicht mit derartigen Angriffen aufhören? Wir können uns kaum verstecken! Es ist ein Alptraum, Herr Tschistokjow!“, übersetzte Matsumotos Dolmetscher.

Tschistokjow starrte auf den großen Bildschirm an der Wand und ging in seinem Büro auf und ab. Wilden und einige hochrangige Funktionäre der Freiheitsbewegung betrachteten ihn schweigend.

„Nehmen Sie Ihre neu entwickelten Tenshi Bomber und schlagen Sie zurück, Herr Präsident. Sie müssen es sofort tun, damit sich unsere Feinde keinen falschen Hoffnungen hingeben“, knurrte Tschistokjow.

Wenige Minuten später erhielt er die Antwort. „Ich kann es nicht verantworten, diesen Atombombenwahnsinn weiter mitzumachen. Nein, ich kann das einfach nicht.“

Wilden versuchte, etwas zu sagen und auch Verteidigungsminister Lossov meldete sich zu Wort, doch Tschistokjow würgte die beiden ab.

„Sie müssen es tun, sonst werden die Logenbrüder Japan ganz in Schutt und Asche legen! Verstehen Sie das denn nicht? Wir dürfen uns nicht einschüchtern lassen. Unsere Feinde sind in einigen bestimmten Metropolen konzentriert und diese Metropolen müssen wir ihnen jetzt nehmen!“

Akira Moris kreidebleiches Gesicht erfüllte den Bildschirm. Der Japaner erwiderte: „Wir sind uns noch immer nicht sicher, ob wir diesmal selbst Atombomben werfen sollen. Außerdem haben wir noch nicht viele der neuartigen Tenshi Bomber bauen lassen.“

„Übersetzen Sie das!“, schrie Tschistokjow seinen Dolmetscher an und dieser zuckte vor Schreck zusammen. Dann entgegnete er: „Wenn Japan nicht reagiert, werden wir es tun. Ein Angriff auf Japan ist ein Angriff auf uns – und jetzt kommt die Antwort! Auge um Auge! Etwas anderes versteht diese Verbrecherbrut nicht!“

Schließlich überließ Matsumoto seinem Außenminister das Reden; er wirkte, als ob er kurz vor einem völligen Nervenzusammenbruch stände. Bald saß er klein und niedergeschlagen am unteren Rand des Bildschirms und hielt sich den Kopf.

„Wir können es nicht genau abschätzen, wie sich die Situation nach einem nuklearen Gegenschlag entwickeln wird. Ein entfesselter Atomkrieg würde das japanische Volk an den Rand der Vernichtung bringen“, sorgte sich Mori. „Wir sind auf unseren Inseln gefangen und können hier nicht weg. Das ist bei einem Land wie Russland vollkommen anders, denn sie können dem atomaren Feuer aufgrund der Größe des Territoriums viel leichter entfliehen als wir.“

„Und was heißt das nun?“, grollte Tschistokjow.

„Präsident Matsumoto hat in den letzten Tagen noch einmal darüber nachgedacht, die Weltregierung um Frieden zu bitten“, fügte Mori hinzu.

Die Gesichtsfarbe des russischen Staatschefs wechselte innerhalb einer halben Minute von weiß zu rot.

„Das werden Sie nicht tun, Mori! Die werden keinen Frieden annehmen! Die wollen uns vernichten! Und die werden uns vernichten, wenn wir uns nicht wehren! Haben Sie das verstanden?“

Wilden eilte zu Tschistokjow und überreichte ihm ein Glas Wasser.

„Vielleicht haben Sie Recht, aber wir …“, stotterte der japanische Dolmetscher, doch der Anführer der Rus donnerte dazwischen.

„Zögern Sie nicht länger! Machen Sie die Tenshi Bomber startklar und schlagen Sie endlich zurück, Herr Matsumoto! Wenn Sie es nicht tun, dann tun wir es! Ich schwöre es, so wahr ich Artur Tschistokjow heiße!“

„Bitte beruhigen Sie sich wieder, Herr Präsident …“, mischte sich einer der Generäle ein, doch sein Chef winkte ab.

Matsumoto und Mori schwiegen. Sie sahen sich mit betretenen Mienen an, während ihr Bündnispartner vor sich hin wetterte und immer wütender wurde.

„Ich habe die Ziele für den atomaren Gegenschlag bereits ausgewählt. Halten Sie sich an unsere Vereinbarungen! Wir weichen nicht zurück! Niemals!“, fauchte Tschistokjow und sein Dolmetscher wischte sich den Schweiß von der Stirn, um dann zu übersetzen.

Der Anführer der Rus hatte Haruto Matsumoto gegen Ende des Gespräches noch mehrfach eindringlich darauf hingewiesen, dass das russisch-japanische Bündnis dem Gegner seine Entschlossenheit zeigen müsse. Schließlich hatte sich dieser schweren Herzens dazu überreden lassen, nun ebenfalls Gleiches mit Gleichem zu vergelten.

Während die Kämpfe in der Mandschurei und auf See weiter tobten und mehrere Hunderttausend GCF-Soldaten mittlerweile im Süden Japans an Land gegangen waren, gab der japanische Präsident seinerseits den Befehl, Städte an der nordamerikanischen Westküste mit Atombomben zu beschießen. Als Ziele hatte Artur Tschistokjow Los Angeles und San Francisco vorgeschlagen. Matsumoto hatte ihm letztendlich zugestimmt.

So erhoben sich am 09. Oktober 2051 vier hoch technisierte Tenshi Tarnkappenbomber, die von feindlichen Radaranlagen nicht geortet werden konnten, von Kobe aus in die Lüfte, um den beiden amerikanischen Großstädten die schreckliche Rache zu bringen. Es dauerte nicht lange, da hatten sie die Küste erreicht und entluden ihre tödliche Fracht. Acht Atombomben gingen auf Los Angeles und die umliegenden Gebiete nieder, vier weitere auf San Francisco.

Aus der Höhe konnten die Piloten der Maschinen die grellen Explosionen der Massenvernichtungswaffen aufblitzen sehen und innerhalb weniger Minuten fraß sich eine höllische Feuersbrunst durch Beton, Stahl und Fleisch. Über 7 Millionen Menschen wurden bei diesem Bombenangriff getötet, was Präsident Matsumoto schwere Gewissensbisse bescherte.

Artur Tschistokjow reagierte hingegen mit grimmiger Genugtuung und bemerkte, dass die Amerikaner jetzt endlich wüssten, was Krieg ist. Seine Reaktion zeigte, wie verbittert er inzwischen war und was dieser Krieg bereits aus ihm gemacht hatte.

Der russische Souverän hatte einen nuklearen Schlagabtausch niemals gewollt, aber schon an dem Tag, als er sich dazu entschlossen hatte, in die Politik zu gehen, war ihm tief im Inneren klar gewesen, dass gegen einen Feind wie die Weltregierung eines Tages nur die brutalsten Mittel erfolgreich sein würden.

Das war der Unterschied zwischen ihm und Präsident Matsumoto. Letzterer war ein japanischer Patriot, der lediglich das Beste für sein Land wollte, während Artur Tschistokjow ein weltanschaulicher Glaubenskrieger war, der die Zerschlagung der Weltregierung als eine unumgängliche Notwendigkeit betrachtete, um sein Volk, Europa und auch die übrige Welt vor dem Untergang zu bewahren. Demnach war er, auch wenn es ihm äußerst schwer fiel, diese harte Linie durchzuhalten, eher bereit, notfalls die gleichen rücksichtslosen Kampfmittel wie seine durch und durch skrupellosen Gegner einzusetzen.

Und der Kampf wurde immer grausamer und schrecklicher. Die Volksarmee der Rus befand sich im Süden Russlands mittlerweile in einem verzweifelten Abwehrkampf und versuchte, die belagerte Stadt Kiew unter allen Umständen zu halten. Im Zuge einer verlustreichen Gegenoffensive gelang es Tschistokjows Truppen schließlich, den Feind Mitte Oktober wieder über die Wolga zurückzutreiben.

An der sich zwischen der Slowakei und der Küste des Schwarzen Meeres erstreckenden Front sah es hingegen weniger gut aus, denn die GCF eroberte am 14.10.2051 Bratislava und stieß über Moldawien bis in die Ukraine vor.

Ähnlich bedrückend hatte sich auch die Lage in Ostdeutschland entwickelt, denn frische Streitkräfte aus Süd- und Nordamerika waren in Frankreich eingetroffen und rückten auf deutschen Boden vor. Die Truppen der Global Control Force, die von den britischen Inseln gekommen waren, hatten sich inzwischen bis nach Mecklenburg-Vorpommern vorgearbeitet und die Frontlinie der Volksarmee weiter nach Osten geschoben.

Beutewelt VII: Weltenbrand

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