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Ein Todesfall

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»Opa ist verunglückt! Ich glaube, er ist tot!« Mit diesen Worten stürmte ein schlanker junger Mann atemlos ins Zimmer. Die Worte galten einer älteren korpulenten Person hinter einem Schreibtisch. Der Mann erhob sich trotz seiner Körperfülle so schwungvoll, dass der Bürostuhl an die Wand knallte, stützte sich mit beiden Händen auf der Tischplatte ab und schaute den jungen Mann entsetzt an.

»Wie? … Wo? … Was ist passiert?«, stammelte er dann irritiert.

»Ich habe ihn im untersten Gewölbekeller gefunden. Er muss die Treppe hinuntergestürzt sein.«

»Hast du die Rettung gerufen?«

Aufgeregt nickte der junge Mann. »Ja, ja, selbstverständlich.«

Eilig kam der Ältere hinter dem Schreibtisch hervor. »Warte du im Hof, bis die Rettungskräfte kommen, und zeige ihnen den Weg, ich werde nach Vater sehen.«

Bei den beiden Männern handelte es sich um den derzeitigen Chef des bekannten Iphöfer Weingutes Birkner, Hermann Birkner, und seinen Sohn Stefan, der die schreckliche Nachricht überbracht hatte. Der Siebenundfünfzigjährige mit dem spärlichen Haarkranz und dem stattlichen Bauchumfang hastete aus dem Zimmer, gefolgt von seinem Sohn. Beide stürzten aus dem Haus und wandten sich nach verschiedenen Richtungen. Hermann rannte, so schnell es sein Alter und sein Körpergewicht zuließen, auf die Hallen zu und Stefan zur Hofeinfahrt, um das Sanitätsauto und den Notarzt in Empfang zu nehmen.

Mit Schwung riss Hermann Birkner die Hallentür auf und lief an einer Weinpresse, gestapelten Holzkisten, Behältern und Bottichen vorbei zum Treppenabgang, der in die zwei Stockwerke tiefen Gewölbekeller führte. Sich krampfhaft am eisernen Geländer festhaltend nahm er hin und wieder zwei Stufen auf einmal. Feuchtkalte Luft schlug ihm entgegen, als er sich abwärtsbewegte. Er beachtete weder die Edelstahltanks noch die im Weg stehende Filteranlage oder die Schläuche, die sich an den Tanks entlangschlängelten. Hier unten waren die Vorbereitungen für den Ausbau der Jungweine im Gange. Die einen Sorten lagerten in hochmodernen Tanks aus Edelstahl, andere in traditionellen Holzfässern. Birkner erreichte die Treppe, die in die zweite Gewölbeetage führte, und sah schon von oben seinen Vater liegen. Die verdrehte Körper- und Kopfhaltung ließ nichts Gutes erahnen. Hastig stieg er hinab. Laut keuchend erreichte er das untere Gewölbe und beugte sich über seinen Vater. Mit Zeige- und Mittelfinger suchte er dessen Schlagader am Hals zu ertasten, so wie er es vor Jahren mal in einem Rotkreuz-Kurs gelernt hatte, aber er konnte nichts erfühlen. Betroffen von der Tatsache, dass sein Vater vermutlich nicht mehr lebte, erhob er sich und atmete heftig aus. Viel Zeit zum Nachdenken blieb ihm nicht, als er von oben Stimmen und eilige Schritte hörte. Stefan Birkner tauchte auf, hinter ihm der Notarzt und zwei Sanitäter. Hermann und sein Sohn sahen sich schweigend an, während sich die Rettungskräfte um den Verunglückten kümmerten.

»Weiß es Mutter schon?«, fragte Hermann Birkner schließlich.

Stefan schüttelte den Kopf. »Vermutlich nicht, sie bereitet eine Weinprobe vor. Aber dass etwas passiert ist, war wegen der Sirene und dem Blaulicht nicht zu überhören.«

»Dann geh und informiere sie.«

Im selben Moment vernahm man Schritte von hochhackigen Schuhen im Gewölbe darüber. Das pausbackige Gesicht einer Frau, umrahmt von dunkelblonden schulterlangen Haaren, tauchte an der Treppe auf. »Was ist denn …? Ach herrje, Karl!«, rief sie entsetzt, nachdem sie die Situation erkannt hatte. »Ist er …?«

Bevor jemand antworten konnte, hob der Notarzt seinen Kopf und sah in die Runde. »Tut mir leid, da ist nichts mehr zu machen. Wahrscheinlich Genickbruch. Er muss sofort tot gewesen sein.«

Eine Etage höher ertönte ein Aufstöhnen. Schwiegertochter Waltraud lehnte mit kreidebleichem Gesicht an der Mauer, ihr Mann und ihr Sohn standen stumm und betroffen neben dem Leichnam.

»Wie ist es passiert, war jemand dabei?«, fragte der Notarzt.

Die beiden Männer sahen sich an und schüttelten einstimmig den Kopf.

»Als ich ihn fand, war weit und breit niemand zu sehen«, antwortete der junge Birkner.

»Ich habe auch keine Ahnung, was er so früh hier unten alleine wollte«, sagte Hermann Birkner.

Hermann stieg die Treppe hinauf und wollte seine Frau in den Arm nehmen, doch sie entzog sich seiner Umarmung und blickte ihren Mann vorwurfsvoll an.

»Ich sage die ganze Zeit schon, dein Vater gehört nicht mehr hier in den Betrieb. Außerdem hat er manchmal unsicher und verwirrt gewirkt. Es musste ja mal so kommen.«

»Quatsch!«, unterbrach ihr Mann sie. »Papa war fit. Der Betrieb war sein Ein und Alles und die Kellerführungen sein Steckenpferd. Das hätte ich ihm nicht nehmen können.«

»Aber vielleicht würde er dann noch leben«, entgegnete sie vorwurfsvoll und stutzte dann. »Wieso Kellerführung? Ich denke, er war alleine?«

»Scheinbar schon.« Hermann zuckte mit den Schultern. »Aber er hat gestern Abend etwas von einer Kellerführung gebrummt. Leider habe ich nicht genau zugehört, da ich ein Telefonat hatte.«

Hermanns Sohn mischte sich ein. »Es kann aber doch niemand dabei gewesen sein, sonst wäre derjenige oder diejenigen doch da. Ich glaube kaum, dass jemand Opa alleine gelassen hätte.«

Nachdenklich nickte Stefans Vater. »Eigentlich hat er die Treppe auch nur noch genutzt, wenn er Besucher dabeihatte, ansonsten hat er den Aufzug genommen.« Schon vor rund 100 Jahren hatte der Großvater des jetzt verunglückten Karl Birkner nachträglich einen Lastenaufzug einbauen lassen. Damit wurden die Arbeit im Keller und der Transport schwerer Teile wesentlich erleichtert. Gerade in der zweiten Gewölbeetage lagerten die edlen Tropfen. Dort in der untersten Etage reiften besondere Weine, in der Hauptsache Rotweine in Eichenfässern, und andere alkoholische Getränke, wie Schnäpse, Brände und Liköre, heran. Ein Teil davon flaschenweise einzeln in Regalen aufgereiht oder in Kisten gestapelt, der Rest im Keller nebenan in Weinballons oder Holzfässern. Nicht umsonst war dieser Bereich Karl Birkners ganzer Stolz.

»Ich denke nicht, dass es heute Morgen passiert ist«, unterbrach der Notarzt die Diskussion zwischen Vater und Sohn.

»Wann denn dann?«

»Der Tod dürfte schon vor Stunden eingetreten sein.«

»Vor Stunden?«, fragte Hermann Birkner ungläubig. »Was bedeutet das?«

»Womöglich liegt Ihr Vater schon seit gestern Abend hier, aber Genaueres kann nur ein Rechtsmediziner feststellen. Ich werde die Polizei verständigen.«

»Warum denn Polizei? Ist das notwendig? Das hier war doch ein Unfall, oder nicht?« Hermann Birkner dachte an das Aufsehen, wenn heute Uniformierte auf dem Anwesen hier auftauchten. Jeden ersten Samstag im Monat veranstaltete Birkner den »Markttag im Weingut« mit Weinproben, Kellerführungen und dem Verkauf seiner eigenen und anderer regionaler Produkte. Heute war dieser Tag und im Dezember war es nochmal etwas Besonderes, da sich der Markttag jedes Jahr an dem Adventswochenende in einen kleinen Weihnachtsmarkt verwandelte. Ab zehn Uhr sollten Tür und Tor geöffnet werden. Hermann sah auf die Uhr, noch nicht mal mehr eine Stunde bis dorthin.

Der Notarzt schüttelte nur den Kopf. »Tut mir leid, aber das ist meines Empfindens nach ein ungeklärter Todesfall und da sind wir angehalten, die Polizei hinzuzuziehen.«

*

Es war so ein trüber grauer Samstagvormittag, der gar nicht zu der vorweihnachtlichen Stimmung passen wollte und an dem man am besten im Bett blieb. Genau das plante Kommissar Rautner auch zu tun. Mit seiner neuesten weiblichen Eroberung unter der Bettdecke würde es bestimmt nicht langweilig werden. Das hatte Julianna, die brasilianische Studentin, in der Nacht schon eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Chris sah zuerst auf die schlafende Bettnachbarin und dann auf seinen Chronometer. Es war zwar erst kurz nach acht Uhr in der Frühe, aber der Hunger hatte ihn wach werden lassen und für seine weiteren Vorhaben brauchte er neue Energie, so seine kurze Schlussfolgerung. Vorsichtig, um die junge Frau nicht zu wecken, erhob er sich und entschloss sich, den Tag mit einem ausgiebigen Frühstück im Bett zu beginnen. Eine halbe Stunde später kam er mit einem vollen Serviertablett ins Schlafzimmer. Er hatte sich richtig Mühe gegeben und alles aufgefahren, was sein Kühlschrank so zu bieten hatte. Gott sei Dank hatte er unter der Woche noch – auf Anraten und mit Hilfe seiner Mutter – mal wieder seine Vorräte aufgefüllt. Leider hatte er keine Ahnung, was eine Brasilianerin so aß, so konnte er nur hoffen, dass auch was Essbares für sie dabei sein würde. Auf dem Tablett dampften zwei Tassen frisch gebrühter Kaffee, ein Teller voll Rühreier mit Speck, mehrere Scheiben Toastbrot, alternativ hatte er Käse, Marmelade, Müsli und Obst anzubieten. Kaffee- und Speckgeruch ließen die dunkelhäutige Schönheit erwachen. Aus tiefbraunen, fast schwarzen, halbverschlafenen Augen sah sie Chris erwartungsvoll an. Bei diesem Blick und dem Anblick des perfekten textilfreien Körpers konnte er sich nur schwer auf sein Frühstückstablett konzentrieren, das er mitten im Bett platzierte. Ein betörendes Lächeln, ein heißer Kuss und dann machte sich Julianna über die Rühreier her, sodass Chris sich beeilen musste, seinen Anteil zu bekommen. Nach den Eiern vertilgten sie den Käse und zum Schluss folgte noch ein Marmeladenbrot.

Gerade hatte Chris das Tablett auf den Fußboden gestellt, um sich wieder den »äußerst angenehmen Dingen« – wie Chris es nannte – zuzuwenden, als es an der Tür Sturm klingelte. Sein erster Gedanke war, das Läuten zu ignorieren, aber der Ton war penetrant und wollte nicht enden. »Wehe, es ist nichts Wichtiges«, fauchte er genervt, stand auf und zog sich etwas über. In Unterhose und Shirt ging er zur Wohnungstür. Sein Blick durch den Spion ließ ihn erkennen, wer der Störenfried war.

»Hallo Christoph, komme ich ungelegen?«, erkundigte sich eine weibliche Stimme mit unverschämtem Grinsen, als er die Tür öffnete. Die junge Frau drängte sich durch die Tür in den Flur. »Du gehst nicht an dein Handy und dein Telefon hörst du auch nicht. Scheinst ja wieder ein ereignisreiches Wochenende anzupeilen.« Der provokante Kommentar kam von seiner Kollegin Jasmin Blume, die ihn dabei von oben bis unten musterte. Immer wenn die Kommissarin ihren Kollegen ärgern wollte nannte sie seinen korrekten Vornamen, was dieser nicht ausstehen konnte, da ihn alle Welt nur als ›Chris‹ kannte und er auch so angesprochen werden wollte.

»Oh tatsächlich, ich habe vermutlich beides stumm gestellt«, brummte Rautner daraufhin missmutig, »aber so wie es aussieht, nützt mir das auch nichts.« Jasmin wollte weitergehen, aber Rautner versperrte ihr demonstrativ den Weg und knurrte gereizt: »Ich habe Besuch, wenn du verstehst, was ich meine.«

Mit gespieltem Bedauern meinte sie: »Ach, das ist aber ärgerlich.« Jasmins Aufmerksamkeit wurde abgelenkt. Chris’ Besuch bewegte sich nackt mit aufreizender Gelassenheit vom Schlafzimmer ins Bad. »Dein privates Vergnügen musst du jetzt leider abbrechen, wir haben Arbeit«, eröffnete sie ihm mit einem spöttischen Tonfall in der Stimme.

Ein leises »Sch… « war sein einziger Kommentar, dann wurde er sachlich. »Was ist passiert?«

»Ein Todesfall in Iphofen. Die Sachlage ist nicht ganz klar und so hat der Notarzt die Polizei verständigt.«

»Ich mach mich fertig. Bin sofort zurück.«

Chris verschwand im Bad, wie kurz zuvor sein weiblicher Übernachtungsgast auch. Er wollte retten, was noch zu retten war. »Sorry, mein Job ruft mich. Bist du noch da, wenn ich zurückkomme?«, erkundigte er sich mit einem Kuss in Juliannas Nacken.

»Wann du zurück?«, fragte sie in gebrochenem Deutsch.

Er zuckte hilflos mit den Schultern. »Kann ich nicht sagen.« Während er sich anzog, fragte sie: »Glaube nicht, was ohne dich hier alleine? Besser nachhause.«

»Okay, ich rufe dich wieder an.« Chris nickte und betrachtete sich im Spiegel. Er strich mit den Fingern durchs Haar und begutachtete seinen Drei-Tage-Bart, der auf eine Rasur noch warten musste. »Mach bitte die Tür hinter dir richtig zu, wenn du gehst.« Ein letzter sehnsüchtiger Blick auf Juliannas Körper, die sich anschickte unter die Dusche zu gehen, dann verließ er fluchtartig das Badezimmer.

Verdammt, verdammt, verdammt, fluchte er in sich hinein. Bei solchen Gelegenheiten überkam ihn immer mal wieder die Überlegung, seinen Job zu wechseln, etwas mit geregelter Arbeitszeit anzustreben, aber nichtsdestotrotz liebte er seinen Beruf und die damit verbundenen Aufgaben. Seufzend ergab er sich in sein Schicksal und das hieß eben, Opfer zu bringen.

Seine Kollegin stand immer noch wartend im Flur und grinste breit beim Anblick seines Gesichtsausdruckes. Sie wusste genau um Rautners Stimmungslage. Irgendwie konnte sie ihn ja auch verstehen. Ihr würde es sicherlich ähnlich ergehen, wenn Jan da wäre und sie zum Dienst müsste.

»Dienstwagen oder Mini?«, fragte Chris im Treppenhaus. Das einzige Dienstfahrzeug für ihre Abteilung wurde fast ausschließlich von Rautner benutzt. In Zeiten von Sparmaßnahmen und Etatkürzungen hatte auch die Abteilung der Würzburger Mordkommission unter Fahrzeugmangel zu leiden. Daher hatten sich ihr Chef, Hauptkommissar Habich, und die Kommissare Blume und Rautner darauf geeinigt, dass Rautner den Dienstwagen nutzte und er sowie Jasmin ihre Privatwagen.

»Den Mini, ich stehe eh im Halteverbot.«

»Nichts Neues bei dir! Weiß Theo schon Bescheid?«

Jasmin sah in nachdenklich von der Seite an. »Irgendwie bist du verplant. Liegt das an deiner neuen Flamme?«

»Was ist los mit dir, bist du neidisch?«, konterte Chris.

»Nee, weiß Gott nicht, aber wenn du noch nicht mal mehr weißt, dass Theo dieses Wochenende in seiner alten Heimat ist, dann mache ich mir schon so meine Gedanken.«

»Ach, stimmt ja. Da war doch etwas mit Geburtstag.« Rautner kratzte sich am Kopf.

Der, von dem sie sprachen, war ihr Chef, Hauptkommissar Theo Habich, der Leiter des Teams. Ein ehemaliger Halbschwergewichtsboxer aus Frankfurt am Main, der durch seinen Sport und seinen Beruf nach Würzburg gekommen war und sich in die Stadt und die Region verliebt hatte. Seit dieser Zeit zog es ihn, wenn überhaupt, nur noch zu besonderen familiären Anlässen in die hessische Metropole.

»Genau! Sein Onkel, ich glaube, es ist der Bruder seiner Mutter, wird 80 Jahre alt.«

»Dann bin ich ja als Dienstältester sein Stellvertreter«, grinste Rautner, »und dir weisungsbefugt.«

»Bilde dir bloß nichts ein«, entgegnete Jasmin, die drei Schritte vor ihm lief und die Außentür vor seiner Nase zufallen ließ.

»Hat nichts mit Einbildung zu tun«, belehrte sie ihr Kollege und ignorierte die Provokation mit der Tür, »Ordnung muss sein und Rangordnung eben auch.«

Kommissarin Blume öffnete mit der Fernbedienung ihren Wagen, setzte sich hinters Steuer und rief. »Also gut. Komm endlich ins Auto … Chefchen!«

Demonstrativ stöhnend zwängte sich Rautner in den kleinen Wagen und Jasmin gab Gas. Der Wagen schoss von der schraffierten Fläche auf die Fahrbahn.

Chris hielt sich mit der rechten Hand am Haltegriff fest und fragte: »Wissen wir schon Näheres über den Todesfall?« Eine Bemerkung über Jasmins Fahrstil verkniff er sich, es hätte nur wieder zu einer unnötigen Diskussion geführt und nichts an ihrer Fahrweise geändert.

»Wenn ich es richtig verstanden habe, geht es um einen Treppensturz mit Todesfolge in einem Weingut, aber mehr weiß ich auch nicht.«

Der Rest der Fahrt verlief schweigsam. Jasmin konzentrierte sich auf den Verkehr und Chris trauerte dem ganz anders geplanten Wochenende nach.

Gut zwanzig Minuten später passierte Jasmins Mini die beiden geschmückten Tannenbäume an der Zufahrt zu Iphofens Altstadt, die Einheimische und Besucher an das bevorstehende Weihnachtsfest erinnern sollten, und rumpelte anschließend über das Kopfsteinpflaster. Sie fuhren stadteinwärts, vorbei am Hotel Zehntkeller, einem historischen Gebäude, das seit Mitte des 16. Jahrhunderts als Gerichtsgebäude – das sogenannte »Zentgericht« – gedient hatte, bevor es dann irgendwann später seine jetzige Bestimmung erlangte.

»Jetzt müssen wir hier abbiegen«, bemerkte Jasmins Beifahrer, als ein Gotteshaus ins Blickfeld kam, die Kirche »zum Heiligen Blut«. Ein durchaus geschichtsträchtiges Gebäude, dessen Ursprung – basierend auf einem Blutwunder nach einer Hostienschändung – um 1300 als Kapelle »zum Heiligen Grab« begann und die bald darauf Ziel zahlreicher Wallfahrten wurde. Der von den Einheimischen nur liebevoll genannten »Blutskirche« schenkten die Kommissare aber nur wenig Beachtung. Chris vergewisserte sich stattdessen anhand der Handynavigation, dass sie richtig waren. »Genau hier am Julius-Echter-Platz rechts fahren«, gab er Anweisung.

»Das ist aber ein allerliebstes Städtchen«, meinte die junge Kommissarin. Ihr Blick hing an den farbenprächtigen Fassaden der teils jahrhundertealten Fachwerkhäuser. Viele neu renoviert und die meisten anderen gut erhalten. »Ich muss mir mal die Zeit nehmen und privat hierherkommen.«

»Kannst ja mal einen Gang außen um die Stadtmauer herum am Herrengraben entlang machen. Soll echt erholsam und sehenswert sein. Die Befestigungsanlage ist noch ziemlich gut erhalten und sehr imposant«, brummte Jasmins Kollege.

»Du redest schon wie ein Stadtführer. Woher weißt du das?«

»Ich kenne Iphofen von einem früheren Fall her«, bemerkte Chris. Der fragende Blickseiner Kollegin nötigte ihn zu einer weiteren Erklärung. »Das ist schon über vier Jahre her, also vor deiner Zeit. Hatte auch irgendwie mit einem Weingut zu tun.« Etwas mürrisch meinte er: »Es scheint hier vieles mit Wein in Verbindung zu stehen. Na ja, wenn man sich umsieht, gibt es ja auch reichlich Weinberge ringsherum. Wenn man Theo glauben darf, sind die Weine hier sehr gut. Also ich bin jetzt nicht so der Kenner, aber unser Chef schon«, hob Rautner abwehrend die Hände.

»Ich frag jetzt lieber nicht, was du gerne so trinkst.«

»Ist auch besser so«, gab Chris kurz angebunden zurück.

Das Weingut Birkner lag im Kern des Altstadtbereiches, nur einen Steinwurf vom Museum und vom Benefizium entfernt – einem ehemaligen Besitztum der katholischen Kirche und zuletzt Unterkunft von Klosterschwestern –, das ein privater Investor vor nicht allzu langer Zeit zu neuem Leben erweckt hatte. Zwei Polizeiautos auf der Straße bestätigten Jasmin, dass sie an der angegebenen Adresse richtig war. Trotz des mausgrauen Himmels und nasskalter einstelliger Temperaturen waren schon am Vormittag reichlich Menschen in Iphofen unterwegs. Viele strebten zu dem Weingut, dessen beide Torflügel weit geöffnet waren. Neugierig schielten die Besucher zu den Uniformierten. Es bildeten sich Grüppchen, deren Getuschel sich in der Hauptsache um Vermutungen über die Anwesenheit der Polizei drehte. Die ratlosen Blicke der Umherstehenden ließ vermuten, dass niemand genau wusste, was passiert war.

Angesichts des Andranges waren Parkplätze rund um den Birknerhof Mangelware. Ohne Rücksicht auf die Verkehrssituation und die Tatsache, dass sie in der schmalen Gasse zum Hindernis wurde, stellte Jasmin ihren Wagen ab. Chris hatte es schon längst aufgegeben, ihr diesbezüglich Ratschläge zu geben. Weder Jasmins Fahrstil noch ihr Parkverhalten hatten Rautners Zustimmung, aber er schwieg ergeben.

»Was ist denn hier los?«, fragte Rautner überrascht mit einem Blick in den riesigen Innenhof des Weingutes. Was er meinte, waren die zahlreichen Verkaufsstände, die sich dicht an dicht drängten, und eine immer größer werdende Schar aus Neugierigen und Interessierten, die in das Anwesen strömte.

»Hier ist heute Markttag«, antwortete ein Polizist, der die beiden in Empfang nahm und Rautners Frage mitbekommen hatte.

»Sieht mir eher wie ein Weihnachtsmarkt aus«, bemerkte Jasmin, deren Blick an dem großen geschmückten Tannenbaum in der Mitte des Hofinneren hängen blieb.

»Und wo ist der Tote, um den es geht?«, fragte Rautner und ignorierte Jasmins Äußerung.

»Unten im Weinkeller.«

»Können Sie mir auch sagen, wie wir da hinkommen, oder muss ich mich erst durchfragen?« Die Stimmung des Kommissars hatte sich nicht wesentlich gebessert.

»Ganz hinten rechts, dort, wo mein Kollege steht, durch die Tür und dann die Treppen hinunter«, stotterte der junge Uniformierte verlegen, »der Tatort liegt im zweiten Untergeschoss.«

»Mensch, Chris, lass deine schlechte Laune nicht an Unschuldigen aus.«

Der Angesprochene brummte etwas Schwerverständliches wie: »Hab keine schlechte Laune«, und folgte der Wegbeschreibung des Kollegen. Jasmin versuchte nicht den Anschluss zu verlieren.

Die beiden Kommissare überquerten den weitläufigen Hof, vorbei an Ständen mit Honig und Marmelade, Wurst und Käse, Eiern und Nudeln, süßen und deftigen Backwaren, Obst und Gemüse sowie Spezialitäten, die es nur zur Weihnachtszeit gab. Ihnen stieg der Duft von Gegrilltem in die Nase. Es konnte probiert, gekauft und auch gleich verzehrt werden. Natürlich sollte der Schwerpunkt des Verkaufes auf dem Wein und dem hochprozentigen Angebot des Weingutes liegen. Bisher war Birkners Konzept ganz gut aufgegangen. Neben Einheimischen und Kunden aus den umliegenden Ortschaften, die den Markt als Einkauf für frische regionale Produkte nutzten, war er auch ein Magnet für Touristen, die in der Region Urlaub machten oder als Tagesausflügler mit dem Zug aus den mittelfränkischen Metropolen Nürnberg oder Fürth anreisten.

Angesichts von Rautners griesgrämigem Gesichtsausdruck öffnete der Uniformierte dienstbeflissen die Tür und zeigte mit dem ausgestreckten Arm zum Treppenabgang. Ohne sich großartig umzublicken, stiegen Rautner und Blume die Stufen hinab. Die neue Rechtsmedizinerin, Frau Doktor Wollner, beendete gerade ihre erste Begutachtung der Leiche und erhob sich. Sie streifte die Gummihandschuhe von den Händen und wandte sich von dem Toten ab.

»Na, Frau Doktor, wie sieht es aus?«

Chris hatte das Ende der Treppe erreicht und warf einen Blick auf den Verstorbenen, der immer noch so dalag, wie ihn sein Enkel vor Stunden gefunden hatte.

»Der Tote hat einen Genickbruch erlitten, aber ich bin mir nicht sicher, ob das die Todesursache war. Darüber werden Sie mehr erfahren, wenn ich den Mann auf meinem Tisch liegen hatte. Im Moment kann ich Fremdeinwirkung nicht ausschließen.« Dorothea Wollner sah sich um. »Wo haben Sie denn Hauptkommissar Habich gelassen?«

Beinahe wäre Chris die Frage herausgerutscht, ob sie ihn vermisse, aber er konnte sich gerade noch zügeln. Jasmin kam ihm mit einer Antwort zuvor. »Unser Chef ist auf Familienfeier. Sie müssen mit uns vorliebnehmen.«

»Ach ja, ich glaube, er erwähnte so etwas«, sagte Frau Doktor. »Es war von einem Geburtstag die Rede.«

»Fremdeinwirkung?«, fragte Rautner kurz angebunden und unterbrach damit die Unterhaltung der zwei Frauen.

»Ich habe Spuren am Toten gefunden«, gab die Rechtsmedizinerin Auskunft und fügte gleichzeitig hinzu: »Aber sicher bin ich mir nicht. Dazu später mehr.«

»Übrigens, wer ist überhaupt der tote Mann? Weiß jemand, was er hier wollte?« Chris sah sich um. Seine Augen erfassten Holzfässer und Flaschen, die sich im schummrigen Licht des Gewölbes verloren. Alles typische Behälter und Utensilien, die ein Weingut eben so zu bieten hatte, sonst gab es vor Ort nichts Besonderes, war Rautners Fazit.

Der uniformierte Polizeibeamte, der bisher schweigsam dabeigestanden hatte, gab Auskunft. Er zeigte auf den Leichnam und erklärte den beiden Kommissaren: »Das ist Karl Birkner, der Senior des Weingutes. Es konnte uns niemand sagen, was er hier unten wollte. Scheinbar gibt es keine Zeugen des Unglücks.«

»Okay. Mit wem von der Familie können wir reden? Wer ist jetzt verantwortlich?«

»Hermann Birkner, der Sohn des Toten, leitet das Weingut. Dessen Sohn hat seinen Opa gefunden.«

»Danke.« Rautner nickte dem Beamten zu. »Wo können wir die Herrschaften finden?«

»Oben, irgendwo im Haus.«

Ohne sich weiter um die zwei Frauen zu kümmern, stieg Rautner die Treppe hinauf. Die Gerichtsmedizinerin und Jasmin sahen sich überrascht an, zuckten die Schultern und zogen die Mundwinkel hoch.

»Chefallüren«, murmelte Jasmin, nur für Frau Doktor hörbar, die daraufhin verständnisvoll lächelte.

»Sie hören von mir, wenn ich Ergebnisse habe«, rief sie Rautner laut hinterher. Der Angesprochene zeigte keine Reaktion. An Jasmin gewandt meinte sie: »Also, ich melde mich«, nahm ihre Tasche in die Hand und machte sich ebenfalls auf den Weg nach oben. Auf halber Höhe drehte sich Dorothea Wollner noch einmal um. »Vor morgen Abend wird das aber nichts mit einem Ergebnis. Ich habe noch mehr ›Kundschaft‹, die im Kühlfach der Gerichtsmedizin auf mich wartet.«

Nachdem Kommissarin Blume den uniformierten Kollegen gebeten hatte, so lange zu bleiben, bis die Leiche abtransportiert worden war, folgte sie den beiden hinauf.

Jasmin trat aus der Halle ins Freie und nahm gerade noch wahr, wie Rautner im Haus schräg gegenüber verschwand. Der Hof hatte sich inzwischen deutlich mit Menschen gefüllt, die von Stand zu Stand wanderten. Viele begutachteten zuerst die angebotenen Waren oder taten sich an kleinen Kostproben gütlich, bevor sie sich entschieden, wo und was sie kaufen wollten. Eilig folgte Jasmin ihrem Kollegen ins Haus. Sie schloss die Haustür hinter sich und plötzlich wurde es ganz still. Jegliches Stimmengewirr und die Marktgeräusche waren auf einmal wie erloschen. Jasmin blieb stehen, um sich zu orientieren. Dann vernahm sie Wortfetzen aus einem der angrenzenden Räume. Sie ging in Richtung der Stimme, als sie in einem der vorderen Zimmer eine Frau sprechen hörte. Sie schien zu telefonieren. Obwohl die Tür leicht geöffnet war, konnte Jasmin ihre Worte nicht verstehen. Durch den Spalt erkannte sie einen Büroraum und eine gut proportionierte dunkelblonde Frau, deren Tonfall erregt klang. Die Neugier der Kommissarin war geweckt. Sie trat näher an die Tür heran und lauschte.

»Glaubst du, wir haben nicht aufgepasst?«, klang es empört. »Schwiegervater hat schon immer das gemacht, was ›er‹ wollte. Aus der Ferne lässt sich leicht reden. Du warst ja nicht jeden Tag da und musstest dich mit ihm auseinandersetzen.« Es wurde still im Zimmer. Vermutlich redete gerade derjenige oder diejenige am anderen Ende der Leitung. Dann erfolgte die Antwort. »Das kannst du halten, wie du willst. Ich muss jetzt Schluss machen, wir haben die Polizei im Haus und es ist Markttag.«

Kaum hatte sich Jasmin einige Schritte von der Tür entfernt, als diese sich öffnete und die Dunkelblonde heraustrat. Beim Anblick der jungen Frau stutzte sie. »Was machen Sie hier? Kann ich Ihnen helfen?«, fragte sie etwas ungehalten. Man merkte ihr ihre Erregtheit an, die Jasmin als Auswirkungen des Telefonates interpretierte. Vermutlich glaubte die Frau ihr gegenüber im ersten Moment, dass sich einer der Marktbesucher ins Haus verirrt habe.

»Entschuldigen Sie, ich suche meinen Kollegen«, antwortete Jasmin und zückte ihren Dienstausweis.

»Oh, jaja, kommen Sie, er ist dort hinten.« Sie warf nur einen flüchtigen Blick auf den Ausweis und zeigte den Gang entlang auf eine Glastür, an der das Schild »Privat« stand.

»Und wer sind Sie, wenn ich fragen darf?«

»Ich bin Waltraud Birkner, die Frau von Hermann Birkner, der das Weingut leitet.« Während der Erklärung ging sie voraus. »Muss denn dieser Aufwand wirklich sein? Ich meine … also, ist das denn kein … kein natürlicher Tod … gibt es da etwa Zweifel?«, druckste Frau Birkner herum.

»Nun ja, da niemand dabei war und gesehen hat, wie es passierte … « Jasmin ließ den Rest ihrer Andeutung offen. »Wollen Sie nicht auch wissen, ob Fremdeinwirkung im Spiel war? Die Obduktion wird uns Gewissheit liefern.«

Die beiden Frauen betraten den privaten Bereich der Familie Birkner. Von der Diele aus hörten sie jemand reden. Auf der rechten Seite stand die erste Tür zur Hälfte offen, von dort drang eine Stimme zu den Frauen heraus.

»Das ist das Wohnzimmer, gehen Sie ruhig hinein«, forderte Frau Birkner Jasmin auf und deutete auf die Tür.

Als die Kommissarin eintrat, vernahm sie gerade Rautners Worte: »Sie haben keinerlei Vorstellung, was Ihr Vater da unten zu suchen hatte?«

In dem Zimmer erblickte Jasmin fünf Personen. Drei davon saßen verteilt auf Sesseln und Sofa, ein junger Mann lehnte an der Fensterbank. Mit dem Rücken zum Eingang stand ihr Kollege mitten im Raum und führte seine Befragung durch.

»Nein! Niemand von uns hatte eine Ahnung, dass Vater gestern Abend in den Keller wollte.« Hermann Birkner schüttelte den Kopf.

Ein zweiter Mann, mit ähnlichen Gesichtszügen wie die des korpulenten Weingutchefs, meinte nachdenklich: »Ich kann mir nur vorstellen, dass er ganz einfach noch mal eine Kontrollrunde machen wollte, da heute Vormittag eine Kellerführung geplant ist.« Der Sprecher war Andreas Birkner, der jüngere Bruder von Hermann. Von der Statur her bedeutend schlanker als sein Bruder, konnte er im Gegensatz zu diesem nur mit einem leicht angedeuteten Bauchansatz aufwarten und besaß noch sein volles dunkelbraunes Haar. Er war im Weingut für die Kellerarbeiten und den Weinausbau verantwortlich. Das dunkelhaarige weibliche Wesen neben ihm entpuppte sich als seine Ehefrau Cornelia, die schweigend das Geschehen verfolgte.

»Sie haben gestern Abend niemand Fremdes im Anwesen gesehen, der mit der Sache in Verbindung stehen könnte?«, hakte Rautner nach.

Jetzt mischte sich der junge Mann am Fenster ein. Stefan, der Sohn von Hermann Birkner, meinte etwas ungläubig: »Sie wissen aber schon, wo Sie hier sind? Dies ist ein Weingut, in dem Kundschaft ein und aus geht, um unseren Wein zu kaufen. Natürlich waren gestern Fremde da. Wir hatten ab spätem Nachmittag eine Weinprobe mit fünfzehn Personen und zusätzlich auch noch weitere Kunden. Das ging alles bis …?« Sein fragender Blick richtete sich auf seine Mutter, die hinter Jasmin das Zimmer betreten hatte.

»Meine Weinprobe war erst nach 20 Uhr beendet. Einige wollten etwas mitnehmen«, überlegte sie laut. »Ich musste die Bestellungen fertig machen und abkassieren. So gegen 20.30 Uhr waren alle gegangen. Danach habe ich Feierabend gemacht. Nein, stimmt gar nicht«, korrigierte Waltraud Birkner sich mit einem Blick auf ihre Schwägerin, »ich habe Cornelia noch geholfen. Es muss schon nach 21 Uhr gewesen sein, als wir fertig waren.«

»Und wer von Ihnen war gestern sonst noch da?«, wollte Rautner wissen.

Hermann Birkner antwortete: »Alle, die wir hier sind, außerdem Stefans Frau Diana und noch zwei Angestellte.«

Jasmin legte ihrem Kollegen die Hand auf den Arm und raunte ihm zu: »Chris, sollten wir nicht abwarten, was die Obduktion ergibt? Vielleicht stellt sich alles als ein tragischer Unglücksfall dar und … « Die Kommissarin ließ offen, dass diese Aktion jetzt und hier völlig sinnlos und hinfällig war, falls sich die Sache als Unglück herausstellen sollte.

Kommissar Rautner zögerte kurz und nickte dann wortlos. Er brach die Befragung mit dem Hinweis ab, dass die Unglücksstelle abgesperrt sei und so lange von niemand betreten werden dürfte, bis man Klarheit über den Tod von Karl Birkner habe.

Draußen auf dem Hof knurrte er missmutig: »Warum sind wir dann eigentlich gerufen worden, wenn wir noch nicht ermitteln können? Es hätte doch gereicht, uns zu verständigen, wenn Frau Doktor Wollner ein entsprechendes Ergebnis hat.« Immer noch hatte Chris nicht ganz verkraftet, dass sich der Samstag anders gestaltete, als er es sich frühmorgens ausgemalt hatte.

»Da war wohl jemand etwas zu diensteifrig«, antwortete Jasmin mit einem verständnisvollen und leicht amüsierten Seitenblick auf ihren Kollegen. Grillduft stieg ihr in die Nase und ihr knurrender Magen erinnerte sie daran, heute noch keine feste Nahrung zu sich genommen zu haben. Mit demonstrativ tiefen Atemzügen sog sie den Geruch ein. »Es riecht so verlockend, wollen wir nicht das Beste daraus machen und etwas Gegrilltes genießen?«, fragte Jasmin und versuchte damit Chris auf andere Gedanken zu bringen.

»Keinen Hunger«, war dessen kurze Antwort.

»Aber ich! So ’ne leckere fränkische Bratwurst geht immer«, entschied Jasmin und steuerte auf den Essensstand zu.

»Ich mag jetzt außerdem kein Fleisch«, brummelte Chris weiter und dachte wehmütig an sein opulentes Frühstück und das, was danach eigentlich hätte passieren sollen.

»Dann iss halt ’ne Tüte Pommes«, sagte Jasmin zu ihm, wie zu einem Kind, das sich nicht entscheiden kann.

»Schau mal die ganzen Leute vor dem Grill. Dauert ewig, bis du da etwas hast.«

»Ach Quatsch, das geht schnell«, ließ sie sich nicht beirren und reihte sich in die Schlange der Wartenden ein.

Jasmin sollte Recht behalten. Nur wenige Minuten später tauchte sie mit einem Bratwurstbrötchen wieder auf. Inzwischen hatte sich Chris näher angeschaut, was an dem einen oder anderen Stand so geboten wurde. Kauend kam Jasmin auf ihn zu und hielt ihm ihr Essen unter die Nase. »Willst du mal probieren?« Mit einem »Nein, danke« drehte er den Kopf weg, schob sich durch die Menschen Richtung Ausgang und verschwand zwischen den Besuchern. »Dann eben nicht«, war Jasmins Reaktion. Gemächlich schlenderte sie hinterher, die Blicke abwechselnd nach links und rechts auf die Stände gerichtet.

Ungeduldig wartete Rautner schon an ihrem Wagen. »Auch wenn ›du‹ Zeit hast, ich habe noch etwas vor«, maulte er seine Kollegin an.

»Es wird schon nicht auf zehn Minuten ankommen oder brennt es irgendwo?«, entgegnete sie gelassen.

Ohne darauf zu antworten, nahm Chris sein Handy zur Hand und rief eine Nummer aus seinen Kontakten an. Ungeduldig trommelte er mit den Fingern seiner freien Hand auf den Oberschenkel, während er auf Verbindung wartete. Scheinbar hob niemand ab, da er mehrmals die Wahlwiederholung drückte. Nach endlos dauernden Minuten gab er seine Versuche auf, nicht ohne eine Nachricht auf der Mailbox zu hinterlassen. »Hi, hier ist Chris, wenn du das hörst, melde dich bitte, wir können am Wochenende doch noch etwas unternehmen.«

»Deine neue Flamme?«

»Meine Wochenendbeschäftigung, die mir durch diesen Blödsinn hier versaut wurde«, ließ Chris weiter Dampf ab. »Warum mussten wir dort erscheinen, obwohl noch gar nicht feststeht, ob es ein Fall für uns ist?«

»Weil jemand die Polizei informiert hat und die Angelegenheit ist bei uns gelandet. Unser Chef hat mich angerufen und mich gebeten, dass wir uns der Sache annehmen.«

»Was, Theo?«

»Nein, Schössler. Du kannst ihm gerne dein Ärgernis schildern.«

Der, von dem Jasmin sprach, war Kriminaloberrat Hans Schössler, Leiter der Würzburger Mordkommission und der übergeordnete Chef ihres Teams, das aus Hauptkommissar Habich und den Kommissaren Blume und Rautner bestand.

»Nein, danke! Der alte Sauertopf hätte sicherlich kein Verständnis für meine Wochenendbelange.«

»Er wird seine Gründe dafür gehabt haben«, nahm Jasmin ihren Chef in Schutz. Sie wechselte das Thema. »Was hältst du von der Sache?«, fragte Jasmin mit einem Seitenblick auf ihren Beifahrer. »Ich meine, was auf dem Weingut passiert ist.«

»Schwer zu sagen, ich tippe auf Unglücksfall. Wie das in dem Alter so gehen kann; unsicher auf den Beinen … bisschen schwindelig … falscher Tritt … mit den Gedanken woanders … dazu das schummrige Licht und bumms, liegt man unten.«

»Und die Druckstellen?«

Zuerst war Rautners Antwort nur ein Schulterzucken, dann bequemte er sich zu einer Antwort: »Vielleicht eine ganz andere logische Erklärung. Abwarten, was die Wollner dazu sagt.«

Jasmin setzte ihren Kollegen vor dessen Haustür ab. Sie war froh, nicht weiter die schlechte Laune ihres Kollegen ertragen zu müssen. Sie selbst fuhr anschließend weiter ins Büro. Es ging aufs Jahresende zu und da wollte sie alle Unterlagen auf dem neuesten Stand haben. Wie so oft blieb die Büroarbeit an ihr hängen, da beide Herren Kommissare im Bezug auf Schriftlichkeiten, Statistiken und den anderen Papierkram etwas nachlässig waren. Außerdem hoffte sie, ab nächsten Freitag ein verlängertes Wochenende in Nürnberg bei ihrem Freund verbringen zu können. Sie stand in einer engeren Beziehung zu Jan-Niklas Berbakowski, einem Hauptkommissar beim Landeskriminalamt, und der hatte sie als seine Begleitung zu einer Hochzeit eingeladen. Berbakowskis Bruder heiratete an Weihnachten und wie üblich bei Frauen hatte Jasmin nichts Passendes zum Anziehen. Also war ein ausgiebiges Shopping-Weekend geplant. Aus diesem Grund hoffte sie inständig, dass sich der Iphöfer Treppensturz als Unglück herausstellte und in der folgenden Woche auch keine weiteren »ungeklärten Todesfälle« auftauchten.

Draußen begann es zu dämmern und Jasmin dachte so langsam an Feierabend, als ihr Handy klingelte. Auf dem Display erschien ein ihr bekannter Name und sie nahm den Anruf entgegen.

»Was ist denn mit dir los, schon wieder Heimweh? Ich denke, du bist am Feiern?«, fragte sie erstaunt.

Der Anrufer war kein anderer als Hauptkommissar Habich. »Das ist keine Feier, das ist eine Mastveranstaltung, üppiges Mittagsbuffet, dann Kaffee und Kuchen und jetzt kommt noch ein Abendessen, obwohl nichts mehr reingeht«, hörte Jasmin ihren Chef stöhnen. »Verwandtschaftstreffen sind anstrengender als jeder Dienst.«

Jasmin lachte: »Dann kannst du dich ja die Woche über wieder erholen.«

»Was hat sich bei euch ergeben?«

»Was meinst du?«, fragte die Kommissarin überrascht.

»Na, mit der Sache in Iphofen.«

»Woher weißt du schon wieder davon?«

»Das kommt davon, wenn man sein Handy nicht ausschaltet und Kollegen nicht auf den Dienstplan schauen.« Was Habich damit meinte, war die Regelung der Rufbereitschaft am Wochenende, die festgelegt war und auf deren Liste Jasmin Blume stand und nicht er, den man irrtümlich angerufen hatte.

»Und wer hat dann den Kriminaloberrat informiert?«

»Keine Ahnung, vermutlich irgendein Kollege, der keinen Plan hatte und nicht wusste, dass du zum Wochenenddienst eingeteilt warst. Ist ja auch egal, jetzt erzähl mal, was los war.«

Unverzüglich kam Jasmin der Aufforderung des Hauptkommissars nach und setzte ihn ins Bild. Sie schloss ihren Bericht mit den Worten ab: »Wir müssen die Obduktion abwarten, bis wir wissen, ob wir überhaupt ermitteln müssen, und die erfolgt, laut unserer Gerichtsmedizinerin, frühestens morgen Nachmittag.«

*

»Hallo, Frau Doktor!« Die Stimme ertönte von der halb geöffneten Tür her. »Bin ich zu früh oder können Sie schon etwas sagen?«

Die Angesprochene blickte von ihrer Arbeit auf und schaute erstaunt den Besucher an. Im weißen Kittel mit Einweghandschuhen stand sie an einem der beiden Seziertische über einen Toten gebeugt. Ihr gegenüber beschäftigte sich ein weiterer Kollege mit der Leiche. Im Hintergrund waren zwei Sektionsassistenten dabei, den zweiten Tisch zu räumen. Der dortige Tote – ein Unfallopfer – wanderte gerade in einen Leichensack. »Ach, der Herr Hauptkommissar!«, stellte sie verwundert fest. »Schon wieder zurück aus dem Schoß der Familie? Es ist doch erst Sonntagmittag vorbei. Sie haben es aber nicht allzu lange ausgehalten.«

Tatsächlich hatte Habich nach dem sonntäglichen Frühstück bei seinem Bruder, bei dem er auch übernachtet hatte, wieder die Heimfahrt angetreten. Schnell noch ein paar kurze Abschiedsworte an den Jubilar und die noch anwesenden Verwandten und dann nichts wie ab. Die Feier am Samstag mit Begrüßungen, Umarmungen, Händeschütteln und Fragen über Fragen hatten ihm gereicht. Theo hier und Theo da, wie ein verlorener Sohn war er herumgereicht worden, dabei hätte doch eigentlich sein Onkel die Hauptperson sein sollen. Da er sich aber bei Familienfesten oft rarmachte, hatte er an dem Wochenende im Mittelpunkt gestanden, was ihm gar nicht behagt hatte.

Habich winkte ab. »Das mit der Familie wird überbewertet. Ist nicht so mein Ding. Außerdem hätte ein längerer Aufenthalt meiner Taille noch mehr geschadet«, lächelte er und strich sich über den Bauch.

Auf den letzten Teil von Habichs Erklärung ging Dorothea Wollner gar nicht ein. »Sie sind kein Familienmensch?«

Verlegen druckste Hauptkommissar Habich herum. »Nun, was meine Verwandtschaft betrifft eher nicht, und Familie …, na ja, für eine eigene ist es schon ein bisschen zu spät.«

»Es ist nie zu spät.« Die blonde Rechtsmedizinerin schüttelte den Kopf und fixierte ihn aus ihren blauen Augen. »Aber lassen wir das, deswegen sind Sie sicherlich nicht gekommen. Wir sind gerade bei der inneren Leichenschau.« Sie deutete auf den nackten Leichnam, der dort mit geöffneter Bauchdecke auf dem kalten Edelstahltisch lag. Der Hauptkommissar zeigte keine Reaktion, er war solche Anblicke gewöhnt. »Karl Birkner ist nicht alleine durch Genickbruch gestorben … Nein, anders ausgedrückt, er hätte auch ohne den Sturz nicht mehr lange gelebt … «

»Und warum?«

»Weil es bei dem alten Birkner gleich mehrere mögliche Todesursachen gibt«, bemerkte die Gerichtsmedizinerin ungerührt, so als wenn das alltäglich wäre.

»Wie geht denn so etwas?«

»Es gibt einerseits Anzeichen für einen Herzinfarkt, dann haben wir den Genickbruch und außerdem noch eine weitere Verletzung … «

»Wie definiert sich ›weitere Verletzung‹ genau?«

Nach Habichs Frage entstand eine kleine Pause. Frau Doktor Wollner atmete hörbar aus. »Bei der äußeren Leichenschau haben wir Hämatome im Bauchbereich entdeckt … «

»Verursacht durch was?«

»Kann ich noch nicht genau sagen.«

»Was vermuten Sie aufgrund Ihrer bisherigen Diagnose?«

Jetzt wiegte die Medizinerin den Kopf hin und her. »Vermutungen gebe ich eigentlich nicht gerne ab … «

»Na ja, soll ja nichts Offizielles sein, nur mal so unter uns … rein spekulativ.«

Nach einer weiteren kurzen Denkpause meinte Dorothea Wollner: »Also, die Druckstellen an den Oberarmen haben sich bestätigt. Davon ausgehend ist das wahrscheinlichste Szenario: Birkner wurde bedroht und an den Armen gepackt. Er bekam Angst oder Panik, das wiederum löste einen Infarkt aus. Zum einen durch seinen hohen Blutdruck und seinen Diabetes, zum anderen durch Nikotin und Übergewicht – gegen die ersten beiden Beschwerden nahm er auch Medikamente. Damit gehörte er sowieso zur absoluten Infarkt-Risikogruppe. Gleichzeitig oder ziemlich zeitnah erhielt er möglicherweise Schläge oder Tritte in den Bauch. Vielleicht wurde er auch mit Wucht gegen irgendwas geschleudert oder gedrückt«, überlegte die Medizinerin. »Dadurch entstanden innere Verletzungen und es kam zu Blutungen im Bauchraum. Kurz danach muss er dann gestürzt sein und brach sich zusätzlich das Genick.«

»Die Gewaltanwendung konnte vor Ort nicht festgestellt werden?«

»Nein, weil ich durch seine Kleidung nichts bemerkt habe und andere äußerliche Anzeichen gab es nicht. Der Notarzt hat Genickbruch diagnostiziert und die Bauchverletzung ebenfalls nicht festgestellt, geschweige denn den Infarkt. Somit habe ich die anderen möglichen Todesumstände erst im entkleideten Zustand und bei der Obduktion heute früh erkannt.«

»Also kein natürlicher Tod?«

»Das möchte ich bezweifeln! Wenn er sich die Hämatome nicht selbst zugefügt hat oder diese sonst durch einen Unfall passierten, dann wahrscheinlich nicht«, meinte die Rechtsmedizinerin etwas ironisch.

»Selbst zugefügt … Unfall …?« Habich runzelte die Stirn, »Wie wäre das möglich?«

»Eigentlich gar nicht.« Nach kurzem Überlegen fuhr Frau Doktor fort: »Gestolpert und mit dem Bauch gegen etwas gestoßen oder auf etwas gefallen. Mehr kann ich Ihnen vielleicht nach meinen weiteren Untersuchungen sagen. Der Infarkt ›könnte‹ natürliche Auslöser haben, die Druckstellen an den Armen dagegen eher nicht oder er hätte sie sich selbst zugefügt.« Auch jetzt schien der Hauptkommissar die leichte Ironie in Wollners Stimme nicht zu bemerken.

»Die Kriminaltechnik soll sich vor Ort mal umschauen, ob sie dort Dinge findet, an denen man sich so eine Verletzung zuziehen kann.«

»Warten Sie, bis ich weiß, um was es sich handeln könnte oder es zumindest näher eingrenzen kann.«

»Wann sind Sie so weit?«

»Geben Sie mir bis zum späten Nachmittag Zeit. Ich rufe Sie an und dann bekommen Sie auch umgehend meinen Bericht.«

»Sagen Sie, wie lange hätte es bei dieser Verletzung im Bauchraum gedauert, bis man stirbt?«

»Je nach Schwere der Verletzung schätze ich mal, so drei bis vier, maximal zehn Minuten.«

»Können Sie mir schon etwas über die Todeszeit sagen?«

Frau Doktor Wollner beugte sich wieder dem Toten zu und meinte beiläufig: »Auch hierüber Genaueres später.« Habich verstand dies als Aufforderung zu gehen. Er hatte gerade die Hand am Türgriff, als er in seinem Rücken die Worte vernahm: »Wann darf ich mich mal bei Ihnen revanchieren?« Überrascht drehte sich Habich noch einmal um und sah die Rechtsmedizinerin schmunzeln. »Inzwischen habe ich meine neue Küche«, schickte sie als Erklärung hinterher.

Der Hauptkommissar hatte Dorothea Wollner mehrmals zum Essen ausgeführt, nachdem sie ihn nach Empfehlungen, in Würzburg und Umgebung gut Essen zu gehen, gefragt hatte. Sie war erst vor wenigen Monaten wegen ihres neuen Postens als Gerichtsmedizinerin in die Stadt am Main gezogen und musste ewig auf die Lieferung ihrer bestellten Küche warten. Da man vom Hauptkommissar wusste, dass er ein kleiner Gourmet in Sachen fränkische Küche und fränkischer Wein war, hatte man Frau Doktor Wollner an ihn verwiesen. Als Single mit gescheiterten Beziehungen war Habich der Weiblichkeit gegenüber ein wenig zurückhaltend, aber die hübsche Blondine hatte ihn wieder wach gerüttelt und Empfindungen in ihm geweckt. Trotzdem wusste er den privaten Kontakt mit der neuen Gerichtsmedizinerin noch nicht richtig einzuordnen. Er spürte, dass da von seiner Seite aus etwas war, aber er war auch ein gebranntes Kind und sie erst kürzlich mit einer Scheidung behaftet gewesen.

»Jederzeit«, antwortete Habich. »Schade, ich wollte Ihnen noch einige gute Lokale zeigen.«

»Das dürfen Sie gerne, aber jetzt bin ich erst mal dran. Wie wäre es mit nächstem Samstag bei mir?«

»Soll mir recht sein.«

»Dann erwarte ich Sie um 19 Uhr. – Kleiderordnung bitte völlig leger und zwanglos«, rief sie ihm hinterher.

Ach herrje, jetzt war es passiert. Die bedeutungsvollen Blicke und das leichte Grinsen von Wollners Mitarbeitern ließ erahnen, was gedanklich hinter deren Stirn vor sich ging. Es konnte nicht lange dauern und der »Buschfunk« würde das Date mit allen Vermutungen und Mutmaßungen in den Büros verbreiten.

Theo hatte noch nicht den Ausgang erreicht, als ihm ein Gedanke durch den Kopf schoss. Für die Einladung brauchte er ein Mitbringsel, dabei kannte er weder Dorothea Wollners Wohnung noch ihren Geschmack oder woran sie Gefallen finden würde. Hier stand er vor einem echten Problem. In solchen Dingen war er nicht bewandert und auf Beratung angewiesen.

Der Anruf von Frau Doktor Wollner erreichte Hauptkommissar Habich im Büro. Draußen war es schon dunkel, aber Habich hatte keine Lust gehabt, nach Hause zu gehen. Plötzlich war ihm seine Wohnung einsam und leer vorgekommen und so hatte er sich auf der Dienststelle in Arbeit vertieft. »Hallo Herr Hauptkommissar, hier ist die Gerichtsmedizin. Den Abschlussbericht müssten Sie in Ihrem Postfach finden, ich habe ihn an Ihre dienstliche Mailadresse geschickt.«

»Was können Sie mir vorab sagen?«

»Also, es war auf jeden Fall kein natürlicher Tod. Meine Vermutungen haben sich insoweit bestätigt, wie ich es Ihnen heute Mittag schon geschildert habe. Ob es ein Unglück oder Mord war, müssen Sie jetzt herausfinden.«

»Wie sieht es mit dem Todeszeitpunkt aus?«

»Die Annahme des Notarztes, der Tote habe dort schon die ganze Nacht über gelegen, war zutreffend. Aufgrund der niedrigen Temperatur in dem Gewölbe kann ich die Zeit maximal auf eine Stunde eingrenzen. Damit komme ich auf etwa 19 bis 20 Uhr.«

»Danke! Ich werde mir den Bericht gleich zu Gemüte führen.«

»Sind Sie im Büro?«, fragte Dorothea Wollner überrascht.

»Ja, zuhause war es mir zu langweilig.«

»Na gut, ich hatte einen langen Tag und mache jetzt Feierabend. Morgen kann ich Gott sei Dank mal ausschlafen.« Mit den Worten »Wir sehen uns spätestens Samstagabend« beendete sie das Gespräch, bevor Habich weitere Fragen stellen konnte.

Habich suchte und fand die Mail der Gerichtsmedizinerin. Mit Ruhe, den Kopf in die Hand gestützt, las er, was Frau Doktor bei der Obduktion alles festgestellt hatte. Das, was sie ihm schon zum größten Teil als Vermutung mitgeteilt hatte, wurde nun hiermit offiziell bestätigt. Eine halbe Stunde später schaltete der Hauptkommissar das Licht aus und machte sich auf den Heimweg.

Unheilvolle Vergangenheit

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