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Die Trickkiste von Jörg Haider

Johann Gudenus musste keinen seiner rhetorischen Kniffe selbst erfinden. Wie man Medien und Menschen beeinflusst, haben schon viele Politikerinnen und Politiker vor ihm ausgetestet. Einer, der das Spiel mit Rhetorik und Emotionen perfektioniert hatte, war Jörg Haider. Er hat die politische Kommunikation in Österreich maßgeblich beeinflusst, auch jene von Gudenus. Der einfachste und bewährteste Kniff von Haider war die konsequente Wiederholung.

Immer wieder wiederholen

Wiederholung schafft Wahrheit. Wenn ich etwas nur oft genug sage, dann brennt es sich in die Köpfe der Menschen ein. Johann Gudenus will Wahrheit schaffen, er muss sie schaffen, denn wenn er sie nicht schafft, ist sie vielfach nicht auf seiner Seite. Unzählige Male wiederholt Gudenus in seinen Aussendungen etwa den Satz „90 Prozent der Asylwerber sind Wirtschaftsflüchtlinge und illegal bei uns“. [7] Das Bild von den „90 Prozent Wirtschaftsflüchtlingen“, „90 Prozent Asylbetrügern“ und „90 Prozent in die soziale Hängematte Einwandernden“, wie Gudenus Asylwerber immer wieder nennt, [8] soll zu einem dominanten Bild werden, auch wenn es nicht der Realität entspricht. Wie weit diese Zahlenangabe von der Realität entfernt ist und wie Gudenus einmal plötzlich selbst ganz andere Zahlen verbreitete, werden wir später erläutern.

Zum Wiederholungs-Repertoire von Gudenus gehört auch der Satz: „Alle Rechte für Ausländer, alle Pflichten für Inländer.“ [9] Er weiß, dass viele Menschen das Gefühl haben, von den Regierenden nicht genug unterstützt oder gänzlich im Stich gelassen zu werden. Er will dieses Gefühl verstärken und lenken, indem er den Menschen erklärt, dass sich die Regierung um andere, nämlich um „die Ausländer“, kümmern würde, und zwar mehr als um „die Inländer“ und viel mehr als „diesen Fremden“ eigentlich zustünde. Aus einer Unzufriedenheit mit der eigenen Situation soll Unmut auf die „privilegierten Anderen“ und damit auch politisches Kleingeld für seine Partei werden.

Tag für Tag Dramatik

Johann Gudenus kann jedoch mehr als bloß wiederholen. Er weiß auch, was zu tun ist, damit publikumsstarke Medien seine Themen und Wortmeldungen übernehmen. Das Erfolgsgeheimnis: Er kopiert sie in ihrem Stil, um ihnen genau die Dramatik zu liefern, mit der sie tagtäglich ihre Leserinnen und Leser und deren Lust nach Aufregung bedienen.

Insbesondere das Schlechte in unserer Welt gibt fast immer eine gute Schlagzeile her. Gudenus interessiert sich jedoch nicht für alles Schlechte, sondern fast ausschließlich für das, was ihm bei der Beweisführung hilft, dass Migration Schaden anrichtet und Menschen unterschiedlicher ethnischer und religiöser Herkunft niemals in Frieden zusammenleben können. Er verarbeitet und kommentiert fast ausschließlich Verbrechen, Gewaltakte und sonstige üble Taten, die von Ausländern, Menschen mit Migrationshintergrund, Muslimen, etc. begangen wurden – also Personen, die Gruppen zugeordnet werden können, die auf seiner Feindbildliste stehen.

Apokalyptische Bilder und Untergangsszenarien spielen für die Medienarbeit von Gudenus eine tragende Rolle. Wer seine Aussendungen liest, will kaum mehr die Straße betreten und keinen Schritt mehr in öffentliche Verkehrsmittel setzen. „Gewalt bis hin zu Vergewaltigung und Messerstecherei sind in den Wiener U-Bahn-Stationen mittlerweile ebenso an der Tagesordnung wie ungenierter, offener Drogenhandel“, schreibt er etwa. [10] „Die U-Bahn und deren Stationen sind zu Zentren von Bettlern, Taschendieben, Schlägern, Drogenhändlern und auch von Schwerstkriminellen verkommen“, so das Bild, das er den Menschen einschärfen will. [11]

Gudenus ist sich im Klaren darüber, dass er Oberwasser gewinnt, wenn es ihm gelingt, Menschen in Angst und Unruhe zu versetzen. Angst und Unruhe sind die Grundlage dafür, dass er mit dem Finger auf diejenigen zeigen kann, die es zu bekämpfen und aus der Gesellschaft auszuschließen gilt, etwa die „Türken-Banden, die heimische Kinder und Jugendliche nieder prügeln“ oder die „Schwarzafrikaner, die unseren Nachwuchs vergiften“ oder die „sozialistisch-anarchistischen Randalierer, die durch die Gassen ziehen und dabei Wände beschmieren, Autos zerstören und Pflastersteine werfen“. [12]

Zahlen und Fakten spielen für die Bilder, die Gudenus zeichnet, meist nur eine untergeordnete Rolle. Die Kriminalitätsstatistik „streut allen Bürgern nur Sand in die Augen“, hielt Johann Gudenus einmal fest, als die Statistik seine Aussendungsschlagzeile „Sicherheitsfiasko in Wien“ nicht unterstützte. [13] Die Realität ist „viel dramatischer als die Zahlen“, so Gudenus, schließlich vergehe „kaum ein Tag, an dem man nicht von irgendeinem bewaffneten Raubüberfall oder einem brutalen Bandendelikt in Wien hört“. Darüber hinaus habe die „Dreistigkeit und Brutalität“ von „meist ausländischen Nachwuchsgangstern“ zugenommen, und das sei aus Statistiken eben nicht herauszulesen, so Gudenus. [14]

Den Wiener Bezirk Wieden, in dem er zur Schule gegangen und seit 2001 politisch verankert ist, erklärte Gudenus eines Tages zum „Mekka der Kriminellen“. „Die in Wien dramatisch ansteigende Armut und die Massenzuwanderung bringen auch ein Mehr an Kriminalität“, so Gudenus über seinen Bezirk. [15] Wie so oft, nannte er auch in diesem Fall keine Zahlen. Aus gutem Grund, denn die Unzufriedenheit mit der Kriminalitätsentwicklung in seinem Bezirk hätte er mit Statistiken nicht untermauern können. In keinem anderen Wiener Bezirk wurden im Zeitraum, als Gudenus seine Aussagen tätigte, weniger Anzeigen verzeichnet als auf der Wieden. Die 1.452 registrierten Anzeigen bedeuteten darüber hinaus einen Rückgang der Anzeigen gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres um fast ein Drittel.

Ein Fall genügt

Die Macht von Einzelfällen gehört mit zur stärksten Trumpfkarte von Gudenus. Ein einziger Verbrechensfall kann in der öffentlichen Wahrnehmung eine gut ausfallende Kriminalstatistik in den Hintergrund drängen, eine Verbrechensserie schlägt auch die allerbeste Statistik. Negative Vorkommnisse sind ein Stoff, der auch in guten Zeiten niemals ausgeht.

Johann Gudenus ist daher ständig auf der Lauer nach Vorkommnissen, die in sein Feindbildschema passen und die er nutzen und verallgemeinern kann. Es soll der Eindruck entstehen, als stünde jeder Fall für unzählige gleich gelagerte Fälle und für die tagtägliche Normalität. Damit lässt sich jedes Verbrechen als Beleg für den allgemeinen Verfall verarbeiten und jedes von einer ethnisch oder religiös zuordenbaren Person begangene Verbrechen als schlagenden Beweis für die Richtigkeit gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit verwenden.

Zwei Grenzlinien

Johann Gudenus zieht, wo immer er kann, zwei Grenzlinien: eine zwischen „unseren Leuten“ und „den Fremden“ und eine zwischen seiner Partei und allen anderen Parteien. Um seine Grenzlinien emotional aufzuladen, geht Gudenus jedoch noch einen Schritt weiter. Er dividiert nicht nur auseinander, er erklärt „seinen Leuten“ auch, dass sie gegenüber „den Fremden“ immer mehr ins Hintertreffen geraten. Schuld daran sei „die Inländerfeindlichkeit der anderen Parteien“, [16] die dafür sorgen würde, dass für „Fremde“ in Österreich „paradiesische Zustände“ [17] herrschen und ihnen das Geld „nachgeworfen“ [18] wird.

Gudenus tut damit das, was jeder Hassprediger tut, nämlich den Menschen, die er zu „seinen Leuten“ zählt, ein Gemeinschaftsgefühl gegen „die bedrohlichen und privilegierten Anderen“ anzubieten. Wer „seine Leute“ sind, sagt Gudenus nie genau. Er will möglichst viele ansprechen. Manchmal verwendet er zur Umschreibung den Begriff „autochthone Bevölkerung“, manchmal spricht er von „Inländern“, dann wiederum von „Einheimischen“. Die „Anderen“, das sind für Gudenus, je nach Situation einmal „die Ausländer“, dann „die Asylwerber“, ein andermal „Schwarzafrikaner“, dann wieder „Roma“, dann „die Menschen mit Migrationshintergrund“, dann „Muslime“, usw. Wien ist eine Stadt voller solcher „Anderer“.

Gudenus weiß zwar, dass er der Vielfalt einer Stadt wie Wien kein Ende setzen kann. Aber er kann dieser Stadt und den Menschen, die in ihr leben, die Suppe versalzen. Er kann die Stimmung aufheizen, zu Ausgrenzung beitragen, und er kann, im Falle, dass er an die Macht kommt, soziale Gräben vertiefen und ein gleichberechtigtes Zusammenleben torpedieren.

Ich bin immer das Opfer

Noch ein kommunikatives Prinzip hat sich Gudenus von Jörg Haider abgeschaut und gut eingeprägt. Egal, was er sagt, egal, wie sehr er austeilt und aufstachelt, er sieht sich immer in der Opferrolle. Die Täter, das sind Medien oder „Jagdgesellschaften“, die die von ihm vertretenen „Wahrheiten“ nicht aushalten, die ihm seine Erfolge nicht gönnen und die alles, was er sagt, heruntermachen.

Opferpolitiker wie Gudenus unterscheiden nicht zwischen Kritik und Hetze. Für sie ist es einerlei, ob konkrete Aussagen und Inhalte, die Personen vertreten, kritisiert werden oder ob Menschen für ihre Herkunft, Hautfarbe, Konfession oder sexuelle Orientierung angegriffen werden. Für einen Opferpolitiker ist klar, dass, wer ihn kritisiert, Hetze betreibt, dass, wer ihn nicht in eine Talkshow einlädt, etwas verbergen will, dass, wer nicht mit ihm koalieren will, undemokratisch ist und dass, wer ihm vorwirft, ein Hassprediger zu sein, selbst einer sein muss.

Es würde mich daher nicht wundern, wenn Johann Gudenus mich als Reaktion auf dieses Buch der Hetze bezichtigt und mich als Hassprediger bezeichnet. Er wird das nicht anhand konkreter Aussagen von mir belegen können, aber er wird versuchen, mit Angriffen auf meine Person von den in diesem Buch aufgezeigten Aussagen und Fakten abzulenken und den Hass, den er schürt, auf eine Ebene mit der Kritik, die ich übe, zu bringen.

Ich möchte Gudenus nun ausführlicher zu seinen Feindbildern zu Wort kommen lassen, unterbrochen von ein paar Fakten, Erklärungen und Analysen.

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