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Unsere Gelenke – Wunderwerke der Natur
ОглавлениеUnsere Gelenke sind eine faszinierende und komplizierte Konstruktion. Sie verbinden die Knochen miteinander und ermöglichen uns Bewegungsfreiheit und Mobilität. Funktionieren sie reibungslos, denken wir nicht darüber nach. Erst wenn Bewegungen anfangen zu schmerzen, wird uns bewusst, in welch hohem Maß unser Wohlbefinden von der einwandfreien Funktion der Gelenke abhängt - das werden Sie bereits am eigenen Leibe erfahren haben. Ich möchte Ihnen hier den Aufbau und die Funktionsweise unserer Gelenke erläutern, denn dann können Sie die Ursachen Ihrer Beschwerden besser verstehen. Ich werde auch einige Fachbegriffe verwenden. Sie müssen sich diese nicht merken, aber es hilft Ihnen, diese Begriffe schon einmal gehört zu haben, wenn Sie einen Befund verstehen möchten oder wenn Ihr Arzt diese Bezeichnungen verwendet.
Gelenke finden sich in unserem gesamten Körper: Unsere Knie, Hüften, Finger, Zehen, Fuß- und Handgelenke, Schultern und Ellbogen, sie alle sind Gelenke. Über 100 Gelenke besitzt der menschliche Körper, die unsere insgesamt über 200 Knochen miteinander verbinden – sie ermöglichen uns gemeinsam mit der
Muskulatur, den Bändern und Sehnen Bewegung und Mobilität. Gelenke sind die beweglichen Verbindungsstellen zwischen den Knochen.
Gelenke sorgen auf der einen Seite für eine ausreichende Bewegungsfreiheit und auf der anderen Seite für die notwendige Stabilität – ein schwieriger, weil entgegen gesetzter Zusammenschluss. Man unterscheidet unechte und echte Gelenke. Bei unechten Gelenken sind die Knochen über ein Füllmaterial - Bindegewebe, Knorpel oder Knochengewebe - verbunden, das nur wenig Bewegungsfreiheit zulässt. Echte Gelenke sind dagegen durch einen Gelenkspalt gekennzeichnet, der die Knochen voneinander trennt und somit Bewegungen zulässt. Auf die echten Gelenke wollen wir uns nun konzentrieren:
Unsere Gelenke haben einen charakteristischen Aufbau, auch wenn nicht alle Gelenke gleich sind. Sie bestehen aus:
einem Gelenkkopf und einer Gelenkpfanne, die (mehr oder weniger gut) ineinander passen (= Kongruenz). Das Schultergelenk besitzt beispielsweise eine schwache Kongruenz, das Hüftgelenk eine starke.
den Gelenkflächen, die die Oberflächen der verbindenden (= artikulierenden) Gelenkpartner darstellen
einem Gelenkspalt, der die artikulierenden Gelenkflächen trennt
dem glatten, weißen, wenige Millimeter dicken Gelenkknorpel, der die Gelenkflächen überzieht und für eine reibungslose Bewegung und eine Dämpfung sorgt
einer Gelenkkapsel, die das Gelenk umschließt und das Gelenk schützt und ihm Halt gibt
der Gelenkinnenhaut (= Synovia), die die Gelenkschmiere (= Synoviale Flüssigkeit) produziert, die für die Ernährung des Gelenkknorpels und für eine reibungslose Bewegung verantwortlich ist
Schleimbeuteln (Bursae synoviales), die einem besseren Gleiten zwischen Sehnen und Knochengewebe dienen
einer große Zahl von weiteren Strukturen des Bewegungsapparates, die die aktive Bewegung des Gelenkes ermöglichen und die Gelenke schützen und stützen: die Muskulatur, Bänder zur Verstärkung der bindegewebigen Kapsel, zur Führung und Hemmung von Bewegungen; Binnenbänder im Innern des Gelenkes; Zwischenscheiben (= Disci u. Menisci articulares), die wie verschiebbare Gelenkflächen wirken, die als Puffer dienen und inkongruente Gelenkflächen ausgleichen.
Unsere Gelenke unterscheiden sich in ihrer Form, je nachdem, welche Funktion sie haben. Die Natur hat für jedes Körperteil die optimale Gelenkform geschaffen, welche die notwendigen Bewegungen erlaubt, aber Bewegungen, die überflüssig oder sogar schädlich sind, verhindert. Probieren Sie die verschiedenen Bewegungsmöglichkeiten Ihrer Gelenke doch einmal aus. Wir unterscheiden:
Scharniergelenke: z. B. Ellenbogen-, Knie- oder Finger- und Zehengelenke. Scharniergelenke erlauben die Bewegung nur um eine Achse, wie bei einem Scharnier in der Tür. Mit Scharniergelenken können wir Streck- und Beugebewegungen durchführen.
Zapfen- oder Radgelenke: z. B. Kopfgelenk. Zapfen- oder Radgelenke sind eine Sonderform der Scharniergelenke, bei denen sich ein zylinderförmiger Zapfen in einer Art Ring bewegt. Dadurch ist nur eine Rotation in alle Richtungen möglich, was im Beispiel des Kopfgelenkes für die Orientierung sehr wichtig ist.
Flache Gelenke: z. B. Hand- und Fußwurzel. Flache Gelenke erlauben aufgrund ihrer Form eine Bewegung in alle Richtungen.
Eigelenke: z. B. Fingergrundgelenke. Eigelenke sind ellipsenartig aufgebaut mit einer konkaven und einer konvexen Gelenkfläche. Damit sind vier Bewegungsrichtungen in zwei Achsen möglich, nämlich Streckung (= Extension) und Beugung (= Flexion) und Seit- zu Seitbewegungen.
Sattelgelenke: z. B. Daumengelenk. Das Sattelgelenk hat seinen Namen, da es aussieht wie ein Pferdesattel. Es besitzt zwei konkav geformte Gelenkflächen, die wie beim Eigelenk vier Bewegungen in zwei Achsen erlauben; die Vorwärts- und Rückwärtsbewegung und eine Seit- zu Seitbewegung.
Kugelgelenke: z. B. Hüft- oder Schultergelenk. Kugelgelenke erlauben die größtmögliche Bewegungsfreiheit. Ihr Name ergibt sich aus der Form des Gelenkkopfes, der wie eine Kugel aussieht. Dadurch kann er sich in der dafür passenden Pfanne in praktisch alle möglichen Richtungen bewegen: Kugelgelenke können eine Beugung (= Flexion) und Streckung (= Extension), Abspreizung (= Abduktion) und Heranführung (= Adduktion) sowie eine Drehung (= Rotation) durchführen.
Auch wenn die Grundstruktur bei allen Gelenken gleich ist, unterscheiden sich doch die einzelnen Gelenke je nach ihrer Lokalität in ihrer Form und damit Bewegungsfunktion. Schauen wir uns die Gelenke etwas genauer an, die am häufigsten durch ein künstliches Gelenk ersetzt werden. Wenn Sie den Aufbau der einzelnen Gelenke kennen, werden Sie sich vorstellen können, wie Schädigungen an den Gelenken entstehen, was Ihnen gut tut und was nicht und vor allem, wie ein künstliches Gelenk aufgebaut sein muss und welche vielfältigen Funktionen es erfüllen muss.
Das Hüftgelenk
© Bildquelle: Finsbury
Ob Sie gehen, sich drehen oder beugen, unser Hüftgelenk (= Articulatiocoxae) unterstützt nahezu alle Bewegungen und ist hohen Belastungen ausgesetzt.
Das Hüftgelenk verbindet den Rumpf mit den Beinen über zwei Knochen – dem Beckenknochen und dem Oberschenkel. Als Kugelgelenk bietet das Hüftgelenk große Bewegungsfreiheit in sechs verschiedene Richtungen entlang dreier Achsen. Versuchen Sie es doch mal:
Schwingen Sie Ihr Bein vor und zurück (Flexion, Extension)
Spreizen Sie Ihr Bein ab und führen Sie es wieder heran (Ab- u. Adduktion)
Drehen Sie es nach links oder rechts (Rotation)
Alle Bewegungen werden durch die nach unten, nach außen und nach vorn offene Hüftpfanne (= Acetabulum) möglich, die vom Becken gebildet wird – der Name ist gerechtfertigt, sie sieht wirklich aus wie eine Pfanne. In die Hüftpfanne passt der kugelige Oberschenkelkopf (= Caput femoris, auch Hüftkopf genannt), der am Ende des Oberschenkelknochens (= Femur) sitzt. Allerdings umschließt die Hüftpfanne den Hüftkopf nicht vollständig. So ist zwar eine große Bewegungsfreiheit möglich, es ist aber auch eine gewisse knöcherne Instabilität gegeben. Stabilisiert wird diese sehr bewegliche Verbindung zwischen Kopf und Pfanne daher durch zahlreiche kräftige Bänder das wichtigste ist das Hüftgelenkband (= Lig. Capitis femoris) -, Muskeln und der Gelenkkapsel. Die Gelenkkapsel ist an der Innenseite mit einer feinen Gelenkinnenhaut ausgekleidet, die die Gelenkflüssigkeit bildet. Diese füllt den Gelenkspalt zwischen den beiden Gelenkpartnern und gewährleistet somit eine
reibungslose Bewegung, sie wird deshalb auch Gelenkschmiere (= Synoviale Flüssigkeit) genannt.
Ob wir sitzen, stehen oder gehen, das Hüftgelenk ist immer einer Belastung ausgesetzt. Diese ist auch abhängig vom Körpergewicht, denn das ganze Rumpfgewicht lastet schließlich auf dem Hüftgelenk. Bei einem 70 kg schweren Menschen beträgt der Druck auf einzelne Zonen der Hüfte beim Gehen erstaunliche 225 kg pro cm², pro zusätzlichem Pfund versechsfacht sich die Belastung. Eine gesunde Hüfte hat mit solchen Belastungen keine Probleme. Sie hat einen intakten glatten Knorpel, der sowohl Hüftpfanne als auch Hüftkopf überzieht und für eine reibungslose Bewegung sorgt und wie ein Stoßdämpfer wirkt. Ist der Knorpel aber beschädigt, kann dies schwerwiegende Konsequenzen für Ihr Gelenk haben, denn dann fehlt die schützende Schicht, die Ihre Gelenkknochen vor Unheil bewahrt.
Das Hüftgelenk ist eines der Gelenke, die eine relativ einfache Konstruktion haben. Deshalb ist es auch das Gelenk, das als erstes durch ein künstliches ersetzt werden konnte und mittlerweile ist der künstliche Ersatz des Hüftgelenks ein Routineeingriff geworden.
Das Kniegelenk
Wussten Sie, dass unser Kniegelenk (= Articulatio genus) das größte Gelenk in unserem Körper ist? Es kann bis zu anderthalb Tonnen Last stützen und muss sich im Laufe unseres Lebens millionenfach beugen und strecken. Wenn Sie von einem Stuhl aufstehen, können auf den Gelenkknorpel des Kniegelenks Kräfte von etwa 10 Zentnern einwirken.
Es ist wirklich erstaunlich, wie belastbar und ausgeklügelt die Natur unsere Gelenke geschaffen hat. Lassen Sie uns nun das Kniegelenk näher anschauen, das eine hochkomplexe Struktur hat.
Im Kniegelenk wird der Oberschenkelknochen (= Femur) mit dem Unterschenkelknochen, dem Schienbein (= Tibia) verbunden. Es ist in ihrer Grundstruktur ein klassisches Scharniergelenk, das hauptsächlich beugende und streckende Bewegungen erlaubt, aber noch ein wenig Bewegungsspielraum für geringe Drehungen des Unterschenkels gegen den Oberschenkel erlaubt. Allerdings ist die Bewegung beim Beugen und Strecken des Knies keine reine Scharnierbewegung, sondern eine komplizierte Rollgleitbewegung des Oberschenkelkopfes auf dem Schienbeinkopf, womit ein größeres Bewegungsausmaß erreicht wird. Ermöglicht wird diese Rollgleitbewegung durch den besonderen Aufbau der beiden Gelenkpartner: die Gelenkflächen des Oberschenkelknochens bestehen aus einer inneren und einer äußeren Gelenkrolle (= Kondyle), die nach außen gewölbt ist. Die Gelenkflächen des Unterschenkelknochens sind dagegen etwas eingemuldet, so dass Ober- und Unterschenkel in der Beugung und Streckung übereinander
„hinwegrollen“ können. Die Oberschenkelknochen haben jedoch eine andere knöcherne Formgebung als der Schienbeinkopf. Damit die beiden Gelenkpartner trotzdem gut aufeinander passen, liegen zwischen ihnen die Menisci, wobei es einen inneren (an der Innenseite des Kniegelenks) und einen äußeren Meniskus (an der Außenseite des Kniegelenks) gibt. Die Menisci sind keilartige halbmondförmige Knorpelscheiben, die für die Bewegung des Kniegelenks eine entscheidende Funktion haben: Sie fangen die auftretenden Kräfte zwischen Oberschenkelrolle und Schienbeinkopf ab und stabilisieren das Knie in der Rotation. Sie sind zudem für den Gleitanteil der Rollgleitbewegung zuständig, in dem sie in der Kniebeugung leicht hin und her gleiten können und somit den größeren Bewegungsspielraum ermöglichen. Menisci sind häufig von Verletzungen betroffen. Bei falschen Bewegungen oder heftigen Stößen können sie leicht einreißen und verlieren dann ihre wichtige Schutz- und Bewegungsfunktion.
In dieses komplexe Gefüge des Kniegelenkes kommt noch ein dritter knöcherner Partner hinzu – die Kniescheibe (= Patella). Diese sitzt vor Ober- und Schienbeinkopf und bildet im Prinzip ein weiteres Gelenk. Bei jeder Bewegung des Ober- und Unterschenkels in die Beugung oder Streckung gleitet die Patella nach oben und unten – Sie können das spüren und sogar sehen. Die Kniescheibe gewährleistet dem Kniegelenk Führung und Stabilität. An ihr setzt über die Patellasehne der kräftige Oberschenkelmuskel (= M. Quadrizeps femoris) an, der für die Streckung des Knies verantwortlich ist, in dem er den Unterschenkel nach oben zieht.
Ober- und Unterschenkelknochen und Kniescheibe bilden somit das Knochengerüst im Knie. Sie alle sind an den Knochenenden mit Knorpel überzogen, der wie bei allen Gelenken von der Gelenkflüssigkeit aus der Gelenkinnenhaut der Gelenkkapsel ernährt wird. Die Gelenkkapsel des Kniegelenks ist äußerst straff und bietet Schutz und Stabilität.
Zusätzliche Stabilität und Führung erhält das Kniegelenk durch einen komplexen Bandapparat. Innerhalb des Kniegelenkes laufen das vordere und hintere Kreuzband (= Lig. cruciatum anterius und posterius), die, wie der Name schon sagt, gekreuzt verlaufen. Dadurch geben sie vor allem für die Rotation Stabilität. Die Kreuzbänder gelten als die Grundpfeiler des Kniegelenkes und werden sehr häufig im Sport verletzt. Das innere und äußere Seitenband (= Lig. collaterale fibulare und tibiale), die seitlich außerhalb der Gelenkkapsel verlaufen, bieten eine exakte Führung in der Beugung und Streckung. Im Zusammenspiel mit der Muskulatur können so die erheblichen Belastungen und Bewegungsmöglichkeiten des Kniegelenks sicher und gelenkschonend durchgeführt werden.
Zur besseren Orientierung wird das Kniegelenk in drei Gelenkabschnitte eingeteilt. Diese Einteilung ist auch für die Endoprothetik (=Wissenschaft vom Bau innerer Kunstglieder) relevant, da bei Erkrankung nur eines Gelenkanteils auch nur dieser durch ein Kunstgelenk ersetzt werden muss.
Der innere Gelenkabschnitt liegt zwischen der inneren Oberschenkelrolle und dem inneren Schienbeinkopf mit dem Innenmeniskus
Der äußere Gelenkabschnitt liegt zwischen äußerer Oberschenkelrolle und äußerem Schienbeinkopf mit dem Außenmeniskus
Der vordere Gelenkabschnitt liegt zwischen der Rückseite der Kniescheibe und dem Gleitlager am Oberschenkel
Sie sehen, das Kniegelenk ist ein komplexes Gefüge. Trotzdem ist es mittlerweile gelungen, künstliche Kniegelenke zu konstruieren, die dem ausgeklügelten „Modell“ aus der Natur sehr nahe kommen. Das Kniegelenk ist das Gelenk, das nach dem Hüftgelenk am häufigsten ersetzt wird - und dies mit großem Erfolg.
Das Schultergelenk
Unser Schultergelenk (= Articulatio humeri) ist eines der beweglichsten Gelenke überhaupt. Das ist auch gut so, denn nur so können wir in alle Richtungen greifen und agieren. Die große Beweglichkeit hat aber auch Risiken, denn die Stabilität des Schultergelenkes ist damit relativ schlecht und die Verletzungsgefahr groß. Auch die Schulter ist ein überaus komplexes Gebilde. Funktionell besteht sie eigentlich aus vier verschiedenen Gelenken:
Das Hauptgelenk besteht aus dem Oberarmkopf (= Humerus) und dem Schulterblatt (= Scapula) und heißt Glenohumeralgelenk (das Glenoid ist im Prinzip die Gelenkpfanne, die sich aus dem Schulterblatt bildet)
Ein weiteres Gelenk bildet sich aus dem Schlüsselbein (= Klavicula) und der Schulterhöhe (= Akromium), dem äußeren Ende des Schulterblattes, und heißt Akromioklavikulargelenk
Das dritte Gelenk wird gebildet aus dem Brustbein (= Sternum) und dem Schlüsselbein (= Klavicula) und heißt Sternoklavikulargelenk
Zusätzlich existiert noch eine Verschiebeschicht (= scapulothorakales Gelenk) zwischen dem Schulterblatt (= Scapula) und der hinteren Brustkorbwand (= Thorax)
Erst in der Kombination dieser vier Gelenke sind die maximalen Bewegungsmöglichkeiten in allen Richtungen im Schultergelenk möglich.
Bisher kann nur das Glenohumeralgelenk ersetzt werden, so dass wir uns auch nur diesem widmen wollen. Aber Sie sehen, wie komplex die Schulter aufgebaut ist. Eine Störung in einer Struktur hat immer auch Konsequenzen auf die anderen Strukturen und verändert das Funktionsgefüge nachhaltig. Man kann sich also vorstellen, dass auch die Schulter sehr anfällig für Verletzungen und Schädigungen ist.
Das Schultergelenk, hiermit ist im Folgenden das Glenohumeralgelenk gemeint, ist wie das Hüftgelenk ein Kugelgelenk und kann sich wie das Hüftgelenk auch in sechs verschiedenen Richtungen entlang dreier Achsen bewegen. Im Gegensatz zum Hüftgelenk ist die Gelenkpfanne des Schultergelenkes sehr klein, während der Gelenkkopf relativ groß ist. Beim Hüftgelenk ist die Gelenkkugel wesentlich tiefer in die Gelenkpfanne eingebettet. Damit ist sie zwar in der Bewegung eingeschränkter, aber auch mechanisch stabiler als das Schultergelenk, bei dem die Gelenkpfanne sehr flach ist. Die kleine und flache Gelenkpfanne wird durch eine faserknorpelige Knorpellippe erweitert, die den kugelförmigen Oberarmkopf vor dem Ausgleiten schützt - wie eine Untertasse eine Tasse vor dem Verrutschen - und damit das Gelenk stabilisiert. Da diese Knorpellippe aber nicht so stabil ist wie Knochen, kann man sich leicht vorstellen, dass es bei Gewalteinwirkungen, aber auch schon bei extremen Bewegungen zu einem Ausreißen der Knorpellippe kommen kann und das Schultergelenk auskugelt. Es gibt Menschen, die von Geburt her eine sehr kleine Gelenkpfanne besitzen und die auch ohne größere Gewalteinwirkungen häufig unter einer Auskugelung der Schulter leiden.
Die große Beweglichkeit des Schultergelenkes und die geringe knöcherne Führung bedarf einer guten muskulären Stabilisierung. Wie bei keinem anderen Gelenk hat die Muskulatur um das Schultergelenk eine herausragende Stabilisierungs- und Führungsfunktion.
Die Muskeln des Schultergelenkes verlaufen von der Innen- und Außenseite des Schulterblattes durch den knöchernen Kanal des Schulterblattes und der Schulterhöhe (= subakrominaler Gleitraum) und umfassen wie eine Hand einen kleinen Ball den Oberarmkopf. Diese manschettenartig verlaufende Muskulatur sorgt dafür, dass wir den Arm nach innen oder außen drehen oder auch rotieren können und heißt deshalb "Rotatorenmanschette".
Noch ein weiterer Muskel zieht mit seiner langen Sehne direkt durch das Schultergelenk (= intraartikulär) und ist damit störanfällig: der vordere Oberarmmuskel (= M. Biceps brachii), der für die Beugung des Ellenbogengelenkes zuständig ist und sehr hohe Kräfte entwickeln kann.
Das Schultergelenk ist aufgrund seiner besonderen anatomischen Eigenschaften sehr verletzungs- und störanfällig. Verletzungen und Schädigungen werden begünstigt durch:
den maximalen Bewegungsumfang durch die Kombination der vier Gelenke
die geringe knöcherne Führung mit der sehr flachen und kleinen Gelenkpfanne
die Vereinigung der rotatorisch wirkenden Muskeln zur Rotatorenmanschette
die Enge des subakrominalen Gleitraums
den intraartikuläre Verlauf der Bizepssehne
Es ist wichtig, sich bewusst zu machen, mit welch hochkomplexen Gebilden wir es zu tun haben. Es sind Meisterwerke der Natur, die entsprechend ihrer Funktion und Bauweise behandelt werden sollten. Und es ist eine große Leistung der Medizin, diese Wunderwerke durch künstliche Gelenke zu ersetzen.
Arthrose – die schleichende Krankheit
Nun wollen wir uns der Gelenkerkrankung widmen, die am häufigsten zu einem künstlichen Gelenk führt – der Arthrose. Die Arthrose ist eine Verschleißerscheinung des Knorpels. Sie können sich vorstellen, was es für das Gelenk bedeutet, wenn der schützende Knorpel verloren geht. Ich werde hier nicht in aller Ausführlichkeit auf die Arthrose eingehen. Hier möchte ich Sie auf mein EBook „Gut leben mit Arthrose“ hinweisen, das dazu umfassende Informationen enthält. Auch andere Gründe können einen künstlichen Gelenkersatz notwendig machen wie z. B. massive Verletzungen oder Tumore. Diese sind aber sehr selten, so dass wir hier nicht näher darauf eingehen wollen.
Die Arthrose ist eine chronisch-degenerative Krankheit, bei der es zu einem langsam fortschreitenden Verschleiß (= Degeneration) des Gelenkknorpels kommt. Sie ist eine der häufigsten Erkrankungen überhaupt, rund acht Millionen Menschen in Deutschland leiden an einer Arthrose – eine echte Volkskrankheit. Warum ist das so? Die Ursachen für eine Arthose können vielfältig sein. Entgegen der weit verbreiteten Meinung sind nicht nur ältere Menschen von einer Arthrose betroffen, sondern auch jüngere und sogar Kinder. Es ist noch nicht umfassend erklärt, warum manche Menschen bis ins hohe Alter mit gesunden Gelenken leben können und warum bei anderen eine Arthrose frühzeitig einsetzt.
Wann immer aber eine Arthrose eintritt, geschieht dies aus einem Missverhältnis aus Belastung und Belastbarkeit des Gelenkes. Der Knorpel muss einiges ertragen: Stöße, hohe Kräfte und Druck, extreme Drehbewegungen. Ist er gesund, kann er solche Belastungen tolerieren. Setzen Sie Ihren Knorpel aber dauernd Spitzenbelastungen aus, kann er dem nicht mehr standhalten. Er reißt ein und wird immer dünner und dünner. Zudem verliert der Knorpel im zunehmenden Alter an Elastizität und die Anfälligkeit für Schäden wird größer. Es ist daher wichtig, sorgsam mit seinen Gelenken umzugehen – Ihr Knorpel wird es ihnen danken.
Die Ursachenforschung zur Arthrose ist noch nicht abgeschlossen. Bei der primären oder auch ideopathischen genannten Arthrose sind die Ursachen noch nicht vollständig bekannt. Es spielen biologische und konstitutionelle Faktoren eine Rolle, wie angeborene Fehlstellungen der Gelenke z. B. X- oder O-Beine, und auch die Gene scheinen einen Einfluss zu nehmen.
Meist lässt sich aber eine spezifische Ursache für die Knorpelzerstörung identifizieren, dann spricht man von einer sekundären Arthrose. Hier lassen sich zahlreiche Auslösefaktoren und Risikofaktoren nennen, die von Verletzungen, Über- und Fehlbelastungen, bestimmten Grunderkrankungen wie
z. B. Rheuma bis hin zu Bewegungsmangel und Übergewicht reichen.
Faktoren für die Entstehung einer Arthrose:
Alter: Die Elastizität des Knorpels nimmt mit dem Alter ab. Bereits ab dem 35. Lebensjahr kann man bei jedem zweiten Menschen erste Verschleißerscheinungen des Knorpels nachweisen. Ab dem 70. Lebensjahr hat praktisch jeder Mensch Einbußen am Knorpel hinzunehmen. Diese sind aber nicht immer mit der Krankheit Arthrose gleichzusetzen, da die wenigsten sichtbaren Veränderungen auch zu Symptomen führen.
Angeborene Fehlstellungen von Gelenken: Angeborene Fehlstellungen wie X- oder O-Beine (= Genu valgum, Genu varum), Hüftgelenksdysplasie (eine Fehlstellung der Hüfte), starke Beinlängenunterschiede oder auch Wirbelsäulenverkrümmungen und Fußdeformitäten verändern die Belastungsverhältnisse für den Knorpel. Unser Körper ist so meisterhaft konstruiert, dass unsere Gelenke bei richtigem Gebrauch gleichmäßig belastet werden. Damit verteilt sich der Druck auf die Gesamtfläche des Knorpels. Liegt eine Fehlstellung vor, ändert sich dies: die Gelenke werden nicht mehr axial belastet und es entstehen in Teilbereichen des Knorpels Spitzenbelastungen. Das führt auf die Dauer zwangsläufig zu Schädigungen. Fehlstellungen sollten deshalb frühzeitig korrigiert werden. Dies kann durch orthopädische Hilfsmittel oder auch bei schweren Fehlstellungen durch eine Operation erreicht werden.
Über- und Fehlbelastungen der Gelenke durch Beruf, Alltag oder Sport: Auch Über- und Fehlbelastungen der Gelenke durch Beruf, Alltag oder Sport können zu einem frühzeitigen Knorpelverschleiß führen. So leiden häufig Leistungssportler an einer Arthrose, da sie konstant hohen und oft einseitigen Belastungen ausgesetzt sind. Aber auch im normalen Alltag können wir unseren Gelenken schaden, wenn wir dauerhaft in falscher Haltung verweilen. Eine korrekte Haltung, ergonomische Arbeitsbedingungen und ein gesunder Wechsel von Be- und Entlastung sind daher Voraussetzung für lebenslang gesunde Gelenke.
Bewegungsmangel: Unser Knorpel wird nicht wie viele andere Organe über das Blutsystem ernährt. Die Nahrung erhält der Knorpel aus der Gelenkschmiere. Diese gelangt nur dann in den Knorpel, wenn wir uns bewegen - man kann sich das vorstellen wie beim Einwalken von Zutaten in einen Teig. Bewegen wir uns zu wenig, hungert der Knorpel langsam aus, wird immer poröser und damit verletzungsanfälliger. „Wer rastet, der rostet“ – der bekannte Spruch trifft zu. Will man seinen Gelenken also etwas Gutes tun, sollte man sich ausreichend bewegen, ohne dabei aber die Gelenke zu überlasten.
Übergewicht: Es ist einleuchtend, dass Übergewicht eine erhebliche Mehrbelastung für die Gelenke bedeutet. So erhöht jedes Pfund, das Sie zunehmen, den Druck auf die Kniegelenke um drei Pfund, an der Hüfte vervielfältigt sich die Belastung sogar um das Sechsfache. Will man also einer Arthrose vorbeugen oder den Verlauf verlangsamen, ist ein gesundes Körpergewicht hilfreich.
Rheumatische Erkrankungen: hierbei handelt es sich um eine ganze Gruppe entzündlicher Gelenkerkrankungen (= Rheumatoide Arthritis), die zu einer Arthrose führen können. Die bedeutendste Form der rheumatischen Erkrankungen für die Entwicklung einer Arthrose ist die Polyarthritis, eine
entzündliche Erkrankung gleich mehrerer Gelenke. Bei der Polyarthritis handelt es sich um eine Erkrankung, die auf einer Autoimmunreaktion basiert, d. h. es entstehen Abwehrmechanismen gegen den eigenen Körper. Dadurch kommt es zu teilweise massiven Entzündungsreaktionen und Schwellungen, die den Knorpel angreifen und zu Verformungen der Gelenke führen.
Verletzungen und Frakturen: Bei einem Bruch der gelenkbildenden Knochenanteile (=Gelenkfraktur) wird zwangsläufig oft der Knorpel gequetscht und zerrissen, das Gelenk geschädigt und eine Arthose begünstigt. Es können sich Unregelmäßigkeiten bilden, die das Gelenk nicht mehr reibungslos ineinander gleiten lassen und einen degenerativen Prozess auslösen. Kleine Knorpelstückchen können abreißen und wirken dann wie „Sand im Getriebe“. Auch biochemische Prozesse werden in Gang gesetzt, die zu einer Gelenkentzündung führen können. Bei einer Meniskusverletzung müssen oft abgerissene Meniskusteile operativ entfernt werden (=Meniskusresektion). Manche Knochenbrüche wie z.B. Frakturen des Oberarmkopfes oder des Oberschenkelknochen (Oberschenkelhalsbruch) führen zu schweren Beschädigungen des Gelenkes. Insbesondere bei älteren Menschen zählen Oberschenkelhalsbrüche zu den häufigsten Verletzungen. Werden bei einem Oberschenkelhalsbruch die den Hüftkopf versorgenden Blutgefäße zerstört, geht in einigen Fällen der knöcherne Hüftkopf zugrunde (= Hüftkopfnekrose)und wird vollständig zerstört. Eine derartige Nekrose führt zu einer deutlichen Arthrose, so dass oft sofort ein künstlicher Gelenkersatz eingesetzt wird.
Vererbung: Auch die Gene spielen eine Rolle bei der Entwicklung der Arthrose. Eine familiäre Disposition erhöht das Risiko, eine Arthrose zu bekommen, es ist aber kein zwangsläufiges Schicksal.
Viele Menschen leben viele Jahre mit einer Arthrose, ohne Beschwerden zu haben. Die Arthrose ist ein schleichender Prozess, der sich meist
beschwerdefrei über viele Jahre hinzieht. Beschwerden werden in der Regel erst dann verspürt, wenn die Schäden am Knorpel bereits massiv sind. Dies ist problematisch, da ein möglichst frühzeitiger Behandlungsbeginn die Prognose für den Verlauf der Erkrankung entscheidend verbessert. Zwar kann man die Arthrose bisher noch nicht heilen, es gibt aber mittlerweile sehr gute Therapien, die den Prozess aufhalten können und vor allem die Symptome Schmerz, Bewegungseinschränkungen und Schwellungen entscheidend lindern, wenn nicht sogar völlig nehmen können.
Diese Therapiemöglichkeiten sollten Sie vollständig ausgeschöpft haben, bevor Sie sich für einen künstlichen Gelenkersatz entscheiden. Der künstliche Gelenkersatz ist die letzte Option. Da künstliche Gelenke immer noch nur begrenzt halten, sollten Sie versuchen, die Operation so weit wie möglich hinauszuschieben (aber auch nicht zu lange).
Wir wollen uns nun den möglichen Therapien zuwenden, die Sie versucht haben sollten, bevor Sie sich für einen künstlichen Ersatz Ihres Gelenkes entscheiden.
Therapien der Arthrose
Ein künstliches Gelenk ist wirklich die letzte Stufe im Kampf gegen die Arthrose
– wenn auch eine sehr wirkungsvolle. Gehen Sie mit Ihrem Arzt alle Möglichkeiten durch und überlegen Sie gemeinsam, welche für Sie geeignet sind, und ob Sie wirklich alles versucht haben. Arthrose bedeutet nicht, mit Schmerzen und Bewegungseinschränkungen leben zu müssen. Es gibt mittlerweile sehr wirksame Therapien, die die Symptome nachhaltig lindern und den fortschreitenden Verlauf aufhalten können. Ihr Arzt wird mit Ihnen gemeinsam ein individuelles Behandlungskonzept entwickeln, das auf Ihr individuelles Krankheitsbild und Ihre Bedürfnisse zugeschnitten ist.
Nicht-medikamentöse Maßnahmen: Die nicht-medikamentöse Therapie spielt eine bedeutende Rolle in der Arthrosetherapie. Dazu zählen:
Allgemeine Maßnahmen der Lebensführung
die Physiotherapie und Physikalische Therapie
Orthopädische Hilfsmittel/Schuhwerk
Komplementäre alternative Behandlungsmethoden
Allgemeine Maßnahmen der Lebensführung: Sie selbst können viel dazu beitragen, Ihre Gelenke zu pflegen und zu schonen. Speziell im Anfangsstadium der Arthrose können mit nur einigen kleinen Umstellungen im Leben weit reichende positive Konsequenzen erreicht werden, die Ihre Symptome lindern und den Verlauf der Erkrankung verlangsamen können. Aber auch in späteren Phasen der Erkrankung und sogar mit einem neuen Gelenk sollten Sie diese Grundregeln berücksichtigen. Eine gute „Gelenkpflege“ umfasst:
Bewegung
Reduktion von Übergewicht
Vermeidung von Fehlbelastung
Vermeidung von Überlastung
Vernünftige Ernährung
Mit Sport den Knorpel „füttern“. Bewegung sorgt für einen gesunden Knorpel. Durch vermehrte sportliche Betätigung im Kindes- und Jugendalter nimmt die Dicke des Knorpels zu. Dieser Effekt hält allerdings nur an, wenn man weiter sportlich aktiv bleibt. Der Knorpel ist also trainierbar wie unsere Muskeln auch. Wir können damit der Entwicklung einer Arthrose schon frühzeitig vorbeugen, indem wir sportlich aktiv sind und bleiben!
Bei vorhandener Arthrose: Bewegen, aber nicht belasten. Auch der Arthrosepatient kann und sollte aktiv bleiben. Haben Sie keine Angst davor, dass Bewegung Ihren Knorpel zusätzlich schädigt oder Sie mehr Schmerzen haben werden. Solange Sie keine Bewegungen unter großer Belastung durchführen, hilft die Bewegung, Ihre Gelenke mobil und schmerzfrei zu erhalten. Hören Sie aber immer auf die Signale Ihres Körpers. Ihr Körper hat ein sehr gesundes Warnsignal – den Schmerz. Sie sollten sich auf keinen Fall über den Schmerz hinaus bewegen. Eine Ausnahme bildet der für die Arthrose typische „Anlaufschmerz“. Dieser Schmerz tritt zu Beginn der Bewegung auf, wenn wir lange gesessen oder gelegen haben. Er verschwindet in der Regel, wenn wir uns eine Weile bewegt haben.
Grundsätzlich gilt, dass Bewegungen wie leichte gymnastische Übungen, Walken, Schwimmen oder Radfahren unproblematisch sind.
Halten Sie ein gesundes Körpergewicht. Ein gesundes Körpergewicht ist ein wichtiger Faktor, um die Belastung der Gelenke und Schmerzen zu reduzieren. Ausreichende Bewegung und eine gesunde Ernährung werden nicht nur Ihr allgemeines Wohlbefinden erhöhen; diese beiden Maßnahmen werden Ihnen auch helfen, ein gesundes Körpergewicht zu halten oder zu erhalten. Jedes Pfund, das Sie nicht zu viel haben, reduziert den Stress für Ihre Gelenke. Sind Sie übergewichtig, reduziert jedes Pfund, dass Sie verlieren, das Risiko Arthrosebedingter Einschränkungen. Auch die Lebensdauer Ihres implantierten Kunstgelenkes wird sich durch ein adäquates Körpergewicht verlängern.
Vermeiden Sie Fehlbelastungen. Fehlbelastung der Gelenke entstehen durch körperbaubedingte Faktoren wie Achsenfehlstellung oder Beinlängendifferenzen oder durch Umweltfaktoren wie z. B. unergonomische Arbeitsplätze. Maßnahmen zur Vermeidung solcher schädlichen Faktoren hängen natürlich stark vom jeweiligen Gelenk ab. Zunächst ist es aber wichtig, diese Faktoren zu identifizieren. Körperbaubedingte Fehlstellungen kann Ihr Arzt durch eine genaue körperliche Untersuchung diagnostizieren und geeignete Maßnahmen
wie z. B. Schuhzurichtungen, Krankengymnastik oder achsenkorrigierende Operationen einleiten. Eine Analyse des Arbeitsplatzes wird durch verschiedene Institutionen angeboten und viele Arbeitgeber sind bereit, eine solche Analyse durchführen zu lassen.
Vermeiden Sie Überlastung. Setzen Sie Ihre Gelenke dauerhaft über viele Jahre hohen oder einseitigen Belastungen im Beruf oder Sport aus, verschleißen diese schneller. Am besten ist es natürlich, solche Belastungen zu vermeiden. Sollte dies nicht möglich sein, kann ein kräftiges Muskelkorsett die Gelenke entlasten und schützen. Bei vorhandenen Fehlstellungen oder auch Instabilitäten der Gelenke können auch orthopädische Hilfsmittel einen Gelenkschutz darstellen.
Nehmen Sie sich Ihre Pausen. Achten Sie auf ausreichende Entlastungszeiten. Sie sollen zwar aktiv und mobil bleiben, müssen Ihren Gelenken aber auch Zeit zur Regeneration gönnen. Besonders wichtig ist dies, wenn Sie einem Beruf nachgehen, in dem die Gelenke kontinuierlich belastet werden, z. B. wenn Sie viel tragen müssen, auf den Knien arbeiten, viel sitzen müssen oder anderen einseitigen Belastungen ausgesetzt sind. Nehmen Sie sich regelmäßig einige Minuten, in denen Sie Ihren Gelenken Entlastung und Ausgleich ermöglichen.
Nutzen Sie Gelatine als „Kraftnahrung“ für den Knorpel. Gelatine ist das Nahrungsmittel mit dem größten Anteil an Kollagenfasern. Kollagen ist ein wesentlicher Bestandteil des Knorpels, aber auch von Haut, Haaren und Nägeln. Die Kosmetikindustrie hat die Wirksamkeit des Kollagens für schöne Fingernägel, straffe Haut und feste Haare lange entdeckt. Mittlerweile konnte in Tierversuchen auch nachgewiesen werden, dass durch die Aufnahme von Gelatine Kollagen tatsächlich auch im Knorpel angelagert wird. Viele Hochleistungssportler, die ihre Gelenke in hohem Maße beanspruchen, setzen deshalb auf den präventiven Effekt der Gelatine. Bei einem langfristigen und regelmäßigen Verzehr von einer empfohlenen Tagesdosis von 10 g Gelatine pro Tag kann die Stabilität und mechanische Belastbarkeit des Knorpels verbessert werden.
Physiotherapie: Die Physiotherapie oder auch Krankengymnastik ist eine ärztlich angeordnete Bewegungstherapie. Mit aktiven und passiven Bewegungen und Techniken werden Funktionsstörungen des Bewegungsapparates behoben und Symptome wie Schmerz und Entzündung bekämpft. Die Physiotherapie zielt auf die (Wieder-)Herstellung von Funktion und Mobilität. Auch Schonhaltungen können durch die krankengymnastische Behandlung korrigiert werden und somit der Teufelskreis der Gelenkzerstörung unterbrochen werden. Der Krankengymnast ist neben Ihrem Arzt ein wichtiger Partner in der Behandlung von Gelenkkrankheiten. Die Physiotherapie ist einer der wesentlichen Bausteine in Ihrem Therapiekonzept. Mit ihr können nicht nur Symptome wie Schmerzen, Verspannungen und Bewegungseinschränkungen verbessert werden, sondern auch ein Fortschreiten des Krankheitsprozesses verhindert oder zumindest verlangsamt werden. Der zielgerichtete Muskelaufbau und die Erhaltung bzw. Verbesserung der Beweglichkeit des Gelenkes tragen wesentlich zum Schutz des Knorpels bei und ernähren ihn zugleich.
Erfolge durch die Physiotherapie:
Verbesserte Knorpelernährung
Verbesserte Gelenkbeweglichkeit
Verbesserte Muskelkraft und damit Gelenkstabilität
Verbesserte Koordination mit Bewegungs- und Haltungsschulung und damit geringere Knorpelbelastung
Druckentlastung
Weniger Schmerzen durch entspanntere Muskeln
Erlernen von gelenkschonenden und gelenkschützenden Übungen für zu Hause
Wiederaufbau der Funktion nach operativen Eingriffen
(Postoperative Behandlung)
Physikalische Therapie: Auch diese Therapie wird von einem Krankengymnasten durchgeführt. Im Gegensatz zur Physiotherapie handelt es sich um passive Maßnahmen wie Wärme- und Kälteanwendungen, verschiedene elektrotherapeutische Verfahren, Massagen und Bäder. Ziel ist, Schmerzen zu lindern, die Entzündung zu hemmen, die Durchblutung zu fördern und die Muskulatur zu lockern. Welche Maßnahmen aus der großen Palette physikalischer Maßnahmen zum Einsatz kommen, hängt vom individuellen Krankheitsfall und Krankheitsstadium ab.
Besonderes Augenmerk möchte ich hier auf ein elektrotherapeutisches Verfahren lenken, das eine arthrosespezifische Therapie darstellt und das ich sehr erfolgreich in meiner Praxis einsetze – die Pulsierende Signaltherapie (PST). Das ist ein Verfahren, das über elektromagnetische Felder die Selbstheilungskräfte im Körper anregt und die Regeneration von Knorpelgewebe stimuliert. Studien geben Hinweise, dass die Produktion von gesunder Knorpelmatrix durch die Pulsierende Signaltherapie aktiviert werden kann und deutliche Verbesserungen hinsichtlich Schmerz, Morgensteifigkeit und Funktion erreicht werden können. Die PST wird nicht von allen Ärzten angeboten. Leider wird die Therapie auch nur von den privaten Krankenversicherungen übernommen, so dass gesetzlich Versicherte die Therapie meist selbst zahlen müssen. Ich persönlich habe bei vielen meiner Patienten gute Erfahrungen mit dieser Methode gemacht.
Orthopädische Hilfsmittel: Orthopädische Hilfsmittel wie Orthesen (= Schienen, Korsetts), Einlagen und spezielle Schuhzurichtungen oder Gehhilfen entlasten, stabilisieren und schützen das Gelenk und können die Gelenkstellung leicht korrigieren. Bei O- und X-Beinen ergibt oft die Schuhzurichtung mit einseitiger Sohlenerhöhung eine Verbesserung der Tragachse des Beines.
Der Gehstock kann ein betroffenes Gelenk bis zu 50 Prozent entlasten. Scheuen Sie sich deshalb nicht, diese Hilfsmittel zum Wohl Ihrer Gesundheit auch zu nutzen. Die Orthopädietechnik stellt heutzutage eine Fülle von Hilfsmitteln zur Verfügung, die den Lebensalltag vereinfachen können. Besprechen Sie mit Ihrem Arzt, welche Hilfsmittel Ihnen das Leben erleichtern können.
Komplementäre "alternative" Therapien: Komplementäre Therapien stellen eine wertvolle Ergänzung zur klassischen Schulmedizin dar, können diese aber nur in wenigen Fällen vollständig ersetzen – der Begriff der alternativen Medizin ist daher nicht ganz korrekt. Sehr viele komplementäre Therapien sind wirksam, aber nicht alle. Im Gegensatz zur traditionellen Schulmedizin unterstehen sie keiner Regulation, so dass man bei der Auswahl der Verfahren kritisch sein muss und nicht immer auf die Aussagen der Anbieter vertrauen kann. Noch dazu müssen Sie für diese Maßnahmen in der Regel selbst aufkommen, so dass Sie vermeiden sollten, unnötig Geld für nicht-wirksame Verfahren zu investieren. Als wirksame komplementäre Therapie ist hier die Akupunktur zu nennen oder auch die schon genannte Gelatine und begrenzt auch einige Vitamine (Vitamin C, D, E).
Die medikamentöse Therapie: Neben der Physio- und Physikalischen Therapie ist die medikamentöse Therapie der zweite tragende Baustein in der Arthrosetherapie, besonders in akuten Stadien, wenn die Gelenke entzündet sind. Sie ist eine weitgehend symptomgeleitete Therapie, die Ihre Schmerzen lindert, Entzündungen beseitigt und damit Ihre Funktionsfähigkeit verbessert. Schmerzlinderung und Entzündungshemmung stehen im Vordergrund der medikamentösen Therapie (= Pharmakotherapie).
Ihr Arzt wird nach Art des Schmerzes und Nebenwirkungen entscheiden, welche dieser so genannten symptommodifizierenden Medikamente am besten verschrieben werden. Es können reine Schmerzmittel (= Analgetika), entzündungshemmende Medikamente mit zusätzlich schmerzlindernder Wirksamkeit (Nichtsteroidale Antirheumatika = NSAR) oder Kortisonpräparate (= Glukokortikoide), die direkt in das Gelenk gespritzt werden, sowie Phytopharmaka wie Teufelskrallen- oder Weidenrindenextrakt ausgewählt werden.
Es gibt daneben Medikamente, die Anlass zur Hoffnung geben, dass sie die Struktur des Knorpels und die Gelenkschmiere verbessern – sogenannte Knorpelschutzpräparate (= Chondroprotektiva). Der Effekt dieser strukturmodifizierenden Medikamente ist zwar noch nicht endgültig wissenschaftlich belegt, doch sie haben das Potential einer knorpel- regenerierenden und – schützenden Wirkung. Diese Knorpelschutzpräparate (Hyaluronsäure, Glykosamonglykane und Interleukin-1-Rezeptorantagonisten) wirken auch sehr gut symptomatisch, so dass ich sie bei meinen Patienten gerne einsetze. Für diese Medikamente gibt es jedoch noch keine allgemeingültigen Richtlinien. Leider sind sie auch sehr teuer, deshalb muss ihr Einsatz sorgfältig abgewogen werden.
Operative gelenkerhaltende Verfahren: Wenn alle konservativen Therapien ausgereizt sind und Sie weiterhin Beschwerden haben, sollten Sie sich mit Ihrem Arzt über operative Verfahren beraten, die das Gelenk erhalten und den Verlauf der Arthrose verzögern und Symptome lindern können. Das künstliche Gelenk ist erst der letzte Schritt in der Behandlungskette, wenn auch diese operativen Verfahren keine ausreichende Beschwerdelinderung erzielen können. Die Medizin hat enorme Fortschritte in der operativen Arthrosetherapie gemacht; auch wenn es bisher nicht gelungen ist, Knorpel adäquat nachwachsen zu lassen, haben neue Operationsmethoden dazu geführt, dass bei einigen Patienten ein künstlicher Gelenkersatz um Jahre hinausgeschoben werden kann. Ich möchte Ihnen im Folgenden die wichtigsten operativen Verfahren in Kürze erklären.
Minimalinvasive Verfahren /Arthroskopie: Sie kennen sicher die Gelenkspiegelung (= Arthroskopie) als diagnostisches Verfahren, es kann aber auch therapeutisch genutzt werden. Durch die "Schlüsselloch"- Operationstechnik können über kleine Schnitte etwa bleistiftdicke Geräte eingeführt und das Gelenk untersucht und behandelt werden. Während des Eingriffs wird das Gelenk mit einer wässrigen Spülflüssigkeit aufgeblasen und das Instrument kann wie ein U-Boot im Gelenk "herumfahren" und kleine Knorpelschäden beheben; kleine Unebenheiten werden per Laser oder Knorpelshaving (shaving = rasieren) geglättet. Das Gelenk wird ausgespült, um freiliegende Knorpelstückchen zu entfernen, die zu Beschwerden führen und Ursache von Entzündungen sein können. Diesen Vorgang nennt man daher auch sehr anschaulich "Gelenktoilette". Bei sehr begrenzten Knorpelschäden besteht in einem arthroskopischen Eingriff auch die Möglichkeit, einen etwa pfenniggroßen Knorpel-Knochen-Zylinder aus einer weniger belasteten Region an die Schadenstelle zu verpflanzen. Es dürfen aber wirklich nur sehr kleine Knorpelschäden vorhanden sein und der Knorpel muss völlig intakt sein, so dass es sich hierbei eher um eine Arthrose-verhindernde Therapie handelt.
Auch wenn der Knorpel schon weitestgehend zerstört ist (Knorpelglatze), kann Patienten mit den Methoden des Microfracturing und der Abrasion geholfen werden. Bei diesen beiden Methoden werden so genannte Bioprothesen entwickelt, die so heißen, weil der Körper angeregt wird, selbst knorpelähnliches Material zu bilden, das den geschädigten Knorpel ersetzt. Beim Microfracturing werden mit kleinen Spitzhaken (= Chondropics) kontrolliert kleine Löcher bis in die blutführenden Schichten der Gelenkoberfläche geschlagen, bei der Abrasion wird großflächig gefräst, bis der unter dem Defekt liegende noch gesunde Knochen anfängt zu bluten. Bei beiden Methoden wird also das Gewebe zum Bluten gebracht, um die Bildung von Narbengewebe anzuregen. Dieses Narbengewebe hat zwar nicht die Qualität eines Knorpels, kann aber zumindest teilweise die Funktion des gesunden Knorpels übernehmen. Die Methode ist sehr erfolgreich, speziell bei jungen und sportlichen Menschen, allerdings dauert die Rehabilitation mit einem intensiven Aufbautraining sehr lange.
Autologe Chondrozyten-Transplantation (= ACT): Ein einmal geschädigter Knorpel heilt nur sehr bedingt wieder. Trotzdem ist man in den letzten Jahren dem Traum vom „neuen“ Knorpel ein Stück näher gekommen. So versucht man, den Gelenkknorpel durch eine Art „Anzüchtung“ wieder wachsen zu lassen. Es ist bisher nicht gelungen, den Knorpel in seiner ursprünglichen Qualität im Gelenk selbst wieder nachwachsen zu lassen (daran arbeitet die Forschung allerdings intensiv). Allerdings kann mittlerweile Knorpelgewebe außerhalb des menschlichen Körpers angezüchtet werden, um dieses so genannte „Tissue-Engineering-Produkt“ (= Gewebekultivierung) wieder zurückzuverpflanzen. Das ist ein echter Durchbruch in der Arthrose-Therapie, auch wenn die Methode noch nicht vollständig ausgereift ist und man einen Operateur finden muss, der Erfahrung auf diesem Gebiet hat. Die Operation ist zudem nur für Patienten unter 45 Jahren geeignet und es muss ausreichend gesundes Knorpelmaterial zur Verfügung stehen.
Achsenkorrigierende Maßnahmen (= Osteotomie): Achsenkorrigierende Maßnahmen werden vor allem bei angeborenen und erworbenen Fehlstellungen an Knien und Hüften durchgeführt. Wie Sie bereits erfahren haben, sind Fehlstellungen wie z.B. X- oder O-Beine ein Risikofaktor für Gelenkerkrankungen. In der Osteotomie wird das Bein begradigt, so dass das Gelenk wieder gleichmäßig belastet wird und das Gelenk erhalten werden kann. Dieser Eingriff ist immer eine große Operation mit langer Rehabilitationszeit und wird heute wegen der immer besser endoprothetischen Versorgungsmöglichkeiten nicht mehr so oft durchgeführt.
Ich wiederhole mich: erst wenn alle diese Möglichkeiten der konservativen und gelenkerhaltenden Therapie ausgeschöpft sind, sollten Sie über einen künstlichen Gelenkersatz nachdenken. Dann aber sollten Sie diesen Eingriff nicht zu lange hinauszögern – er ist umso einfacher, je rechtzeitiger Sie ihn durchführen lassen.