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Brauche ich ein künstliches Gelenk?

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Trotz aller konservativen Therapiemaßnahmen leiden Sie immer noch unter Schmerzen und Funktionseinschränkungen? Dann stehen Sie vor der Entscheidung – künstliches Gelenk, ja oder nein? Diese Entscheidung will sorgfältig abgewogen werden. Ein künstlicher Gelenkersatz ist eine große Operation und verlangt eine konsequente Nachbehandlung. Dafür müssen Sie bereit sein. Auf der anderen Seite kann ein künstliches Gelenk für Sie der Schritt zu einem mobilen und schmerzfreien Leben sein, in dem Sie endlich wieder Ihren gewohnten Aktivitäten nachgehen können. Sie sollten die Entscheidung für oder gegen eine Operation nicht alleine treffen, aber Sie sollten Sie aktiv mit treffen – es geht um Ihr Gelenk und Ihr Leben mit dem künstlichen Gelenk. Besprechen Sie mit Ihrem Arzt intensiv alle Vor- und Nachteile eines künstlichen Gelenkersatzes, informieren Sie sich über mögliche Risiken. Entscheiden Sie nur, wenn alle Ihre Fragen beantwortet wurden und Unsicherheiten ausgeräumt sind. Sie sind es, der die Entscheidung trifft, nicht das Röntgenbild und nicht Ihr Arzt. Sie müssen abwägen, ob Ihre Beschwerden so groß sind, dass Sie diesen Schritt gehen wollen.

Die Entscheidung für oder gegen ein künstliches Gelenk basiert auf sehr individuellen Voraussetzungen. Die Entscheidung hängt wesentlich von Ihrer persönlichen körperlichen, emotionalen und sozialen Situation ab. Sie müssen abwägen, ob Ihre Schmerzen und Beschwerden so stark sind, dass sie Ihre täglichen Aktivitäten, Ihr Denken und Handeln massiv beeinträchtigen und Ihre Lebensqualität leidet.

Doch wie sollen Sie wissen, wann der richtige Zeitpunkt gekommen ist? Ich kann Ihnen aus meiner Praxiserfahrung versprechen: Sie werden es wissen, wenn es so weit ist. Voraussetzung hierfür ist aber, dass Sie objektiv informiert werden. Oft verhindern Ängste, falsche Vorstellungen oder mangelnde

Informationen die richtige Entscheidung. Ich möchte Ihnen hier die notwendigen Hintergrundinformationen rund um das Thema „Künstliches Gelenk“ geben, damit Sie in der Lage sind, eine objektive und fundierte Entscheidung zu treffen. Zögern Sie auch nicht zu lange mit Ihrer Entscheidung. Schreitet Ihr Krankheitsverlauf weiter voran, kann eine Operation schwieriger werden, Ihr körperlicher Zustand wird schlechter, je länger Sie warten. Insbesondere wenn Ihre Bewegungsmöglichkeiten sich immer weiter einschränken, wird auch Ihre Muskulatur verkümmern und der Rehabilitationsprozess wird aufwändiger und dauert länger.

Eine Operation ist ein ernsthafter Eingriff und auch die anschließende Rehabilitation verlangt großen Einsatz von Ihnen. Wenn Sie informiert sind über die Dinge, die auf Sie zukommen, werden Sie die Herausforderungen leichter bewältigen. Haben Sie dann noch einen Arzt und Chirurgen an Ihrer Seite, der alle Sorgen und Ängste offen mit Ihnen diskutiert und dem Sie voll vertrauen, wird Ihnen die Entscheidung leichter fallen.

Checkliste zur Entscheidung

Sie müssen für sich herausfinden, ob für Sie die Operation das richtige ist. Um Ihnen hierbei zu helfen, habe ich einige Fragen für Sie zusammengestellt, die Sie ehrlich beantworten sollten:

Fragen auf dem Weg zur Entscheidungsfindung:

 Kann ich meine aktuellen Schmerzen aushalten oder beeinträchtigen sie mein Leben nachhaltig?

 Habe ich die meisten mir wichtigen Aktivitäten wegen meiner Schmerzen oder anderer Beschwerden aufgeben müssen?

 Inwieweit beschränken die Schmerzen und Beschwerden mich in meiner alltäglichen Mobilität?

 Haben meine Schmerzen und Beschwerden in der vergangenen Zeit stetig zugenommen?

 Haben Medikamente, Übungen und andere Therapieverfahren keine ausreichende Beschwerdelinderung gebracht?

 Bin ich zunehmend auf die Hilfe anderer angewiesen?

 Bin ich bereit, im Rehabilitationsprozess intensiv mit zu arbeiten, inklusive Krankengymnastik und Bewegungstherapie?

 Inwieweit hilft die Operation bei meinen Beschwerden, welches realistisches Maß an Verbesserung erreiche ich durch die Operation?

 Habe ich die notwendige Zeit zur Regeneration nach der Operation?

 Habe ich Familie oder Freunde, die mir in der ersten Zeit helfen können?

Wenn diese Punkte auf Sie zutreffen, sollten Sie mit Ihrem Arzt über eine Operation sprechen. Er wird Ihr wichtigster Partner in der Entscheidung für eine Operation und selbstverständlich auch in der Zeit danach.

Der Arzt als wichtigster Helfer

Es ist wichtig, dass Sie einen Arzt haben, dem Sie voll vertrauen und der sich Zeit nimmt für Sie. Der perfekte Arzt an Ihrer Seite verfügt über einen hohen fachlichen Wissensstand – das ist wichtig, denn gerade auf dem Gebiet des künstlichen Gelenkersatzes tut sich sehr viel in der medizinischen Forschung. Mindestens genauso wichtig ist es, dass Ihr Arzt auf Ihre persönlichen Bedürfnisse eingeht und mit Ihnen zusammen arbeitet. Sie müssen ein Team werden.

Eine gute Arzt-Patientenbeziehung funktioniert nur, wenn Sie einen offenen Umgang haben und über alles reden können. Lassen Sie sich nicht durch Fachjargon abspeisen, sondern fragen Sie immer so lange nach, bis Sie wirklich alles verstanden haben. Auf der anderen Seite müssen Sie auch Ihrem Arzt helfen, in dem Sie ihm all Ihre Beschwerden und Veränderungen im Verlauf der Erkrankung, Ihre Ängste und Probleme schildern. Nur wenn beide Seiten umfassend informiert sind, kann die beste Behandlungsmethode gewählt werden – Sie sind gleichberechtigter Partner in Ihrem Behandlungsteam. In der Regel haben Sie hoffentlich bereits einen guten Arzt gefunden, denn Sie leiden nicht erst seit gestern unter Ihrer Erkrankung. Sollten Sie aber aus irgend einem Grund nicht zufrieden sein mit Ihrem Arzt, zögern Sie nicht, offen mit ihm über Ihre Zweifel zu sprechen und wechseln Sie den Arzt, wenn Sie sich nicht hundertprozentig gut bei ihm aufgehoben fühlen.

Im Idealfall haben Sie einen Arzt an Ihrer Seite, der Ihnen eine Therapie aus einer Hand bieten kann. Das bedeutet, dass er als ambulant tätiger Arzt auch über Belegbetten in einem Krankenhaus selbst chirurgisch tätig ist. Ist dies der Fall, können Sie sicher sein, dass Ihr Arzt Sie bestens kennt – ein großer Vorteil für Sie und den Arzt. Ihr Arzt muss zudem über sehr viel chirurgische Erfahrung auf diesem Gebiet verfügt, denn wie überall im Leben – Übung macht den Meister. Ihr behandelnder Arzt sollte auch die Anschlussheilbehandlung für Sie organisieren, damit ein reibungsloser Übergang gewährleistet wird. Sollten Ihr behandelnder Arzt und der Chirurgnicht eins sein, wird Ihnen Ihr ambulant behandelnder Arzt sicherlich einen Chirurgen empfehlen können. Dann ist es wichtig, dass diese beiden einen guten Kontakt pflegen.

Checkliste Arztauswahl Kriterien eines guten Arztes:

 Ein Arzt, der seine Patienten ernst nimmt

 Ein Arzt, bei dem Sie sich verstanden fühlen

 Ein Arzt, der auf Ihre Beschwerden eingeht

 Ein Arzt, der sich Zeit nimmt

 Ein Arzt, der immer auf dem neuesten Stand der medizinischen Entwicklung ist

 Ein Arzt, der nach dem Grundsatz handelt „so wenig wie möglich, so viel wie nötig (dies aber mit aller Konsequenz und frühzeitig)“

 Ein Arzt, der alle für Sie relevanten Behandlungsmöglichkeiten ausreizt auf der Basis der medizinischen Indikation und nicht der Kosten

 Im Optimalfall ein Orthopäde, der auch alle operativen Möglichkeiten zumindest kennt, möglichst aber sogar selbst chirurgisch tätig ist

oder

 Ein Arzt, der eine gute Zusammenarbeit mit einem chirurgisch tätigen Kollegen pflegt

 Ein Arzt, der viel Erfahrung auf dem Gebiet hat

 Ein Arzt, der sich auch um die Anschlussheilbehandlung kümmert

 Ein Arzt Ihres Vertrauens

Hinweise auf einen schlechten Arzt:

▪ Ein Arzt, der sich keine Zeit nimmt

▪ Ein Arzt, der die Behandlungseinleitung verzögert (Aussage „Da warten wir erst einmal ab“)

▪ Ein Arzt, der Kosten scheut

▪ Ein Arzt, der seine Grenzen nicht kennt

▪ Ein Arzt, der keine chirurgische Erfahrung hat bzw. wenn dies der Fall ist auf keinen eng kooperierenden Kollegen zurückgreifen kann

Hinweise auf einen schlechten Arzt:

▪ Ein Arzt, der sich keine Zeit nimmt

▪ Ein Arzt, der die Behandlungseinleitung verzögert (Aussage „Da warten wir erst einmal ab“)

▪ Ein Arzt, der Kosten scheut

▪ Ein Arzt, der seine Grenzen nicht kennt

▪ Ein Arzt, der keine chirurgische Erfahrung hat bzw. wenn dies der Fall ist auf keinen eng kooperierenden Kollegen zurückgreifen kann

Das Gespräch mit Ihrem Arzt

Sie haben einen Termin mit Ihrem Arzt vereinbart, um über Ihren weiteren Behandlungsverlauf zu sprechen. Damit dieser Termin keine Fragen offen lässt, sollten Sie ihn bereits im Vorfeld vorbereiten. Ihr Arzt kann fundierter mit Ihnen diskutieren, wenn Sie ihm detailliert Ihre Beschwerden, den Verlauf der Beschwerden und Ihre persönlichen Behandlungsziele schildern. Haben Sie einen Termin mit einem Arzt, der Sie nicht oder noch nicht so lange kennt, müssen Sie ihm zudem unbedingt die bisherigen Behandlungsversuche mitteilen. Es hat sich bewährt, wichtige Informationen für den Arzt im Vorfeld aufzuschreiben und zum Termin mitzubringen, dann können Sie sicher sein, dass Sie nichts vergessen.

Machen Sie sich bereits vorab Gedanken und Notizen zu folgenden Fragestellungen:

Wichtige Fakten, die Ihr Arzt wissen muss:

▪ Wie stark sind meine Schmerzen und welche anderen Beschwerden habe ich?

▪ Wie hat sich mein Schmerz- und Beschwerdebild in jüngster Zeit verändert?

▪ Wie sehr belasten die Schmerzen und Beschwerden meinen Alltag? Welche Aktivitäten kann ich noch ausführen, welche nicht?

▪ Wie lange leide ich bereits unter Schmerzen und Beschwerden?

▪ Wie fühlt sich mein Schmerz an? Versuchen Sie ihn möglichst detailliert zu beschreiben (dumpf, drückend, stechend, brennend, ziehend).

▪ Welche Bewegungen oder Aktivitäten lösen den Schmerz aus?

▪ Zu welchen Tageszeiten ist der Schmerz am schlimmsten, wie lange hält er in der Regel an?

▪ Welche Medikamente (verschreibungspflichtige und frei verkäufliche) nehme ich ein? Welche verschaffen mir Erleichterung, welche nicht?

▪ Welche anderen Behandlungsmöglichkeiten habe ich bereits ausprobiert?

▪ Welche haben gewirkt, welche nicht?

▪ Was ist für mich persönlich das wichtigste Ziel in der Behandlung? (Schmerzfreiheit, Mobilität, Unkomplizierte Behandlung, die Wiederaufnahme bestimmter Aktivitäten o.a.)

Ein guter Arzt nimmt sich Zeit für Sie. Trotzdem steht jeder Arzt täglich unter enormem zeitlichem Druck, denn viele Patienten benötigen seine Hilfe. Versuchen Sie deshalb, Ihren Arztbesuch möglichst gut vorzubereiten, damit Sie ihn optimal ausnutzen können. Neben den genannten Fakten, die Ihr Arzt für eine gute Beratung benötigt, sollten Sie sich daher auch überlegen, welche Fragen Sie konkret zu einer möglichen Operation haben. Ich habe Ihnen die gängigsten Fragen meiner Patienten zusammengestellt, damit Sie einen Anhaltspunkt haben, aber natürlich hat jeder Patient andere Fragen.

Häufig gestellte Fragen zur Operation:

▪ Bin ich ein geeigneter „Kandidat“ für eine Operation?

▪ Welche Risiken sind mit einer Operation verbunden?

▪ Gibt es für mich andere nicht-operative Behandlungsalternativen, die noch nicht versucht wurden?

▪ Welche meiner Beschwerden werden durch die Operation wie beeinflusst?

▪ Welche Probleme bleiben trotz Operation?

▪ Muss ich vor der Operation auf etwas achten?

▪ Wie lange muss ich im Krankenhaus liegen?

▪ Werde ich Schmerzen haben nach der Operation?

▪ Wann startet die Rehabilitation?

▪ Wie lange dauert der Rehabilitationsprozess?

▪ Kann ich die Rehabilitation zu Hause durchführen oder muss ich dafür in eine Rehabilitationsklinik?

▪ Was muss/muss ich in der Rehabilitationszeit getan werden/tun?

▪ Wie sieht mein Leben mit einem künstlichen Gelenk aus?

▪ Muss ich für Hilfe sorgen in der Zeit nach der Operation?

▪ Muss ich spezielle Hilfsmittel für zu Hause anschaffen?

▪ Muss ich Medikamente einnehmen nach der Operation?

▪ Welche Aktivitäten darf ich nach der Operation nicht durchführen? Wie lange?

▪ Wie oft muss ich zu Kontrolluntersuchungen?

Vorurteile rund um das künstliche Gelenk

Bei vielen Patienten verhindern falsche Vorstellungen eine objektive Entscheidung. Ich möchte daher an dieser Stelle die gängigsten Vorurteile aufdecken:

„Ich bin zu jung für ein künstliches Gelenk“

Dieser Irrglaube ist häufig und stammt aus der Vergangenheit. Ich habe viele Patienten in meiner Praxis, denen ein anderer Arzt gesagt hatte, sie seien zu jung, um sich jetzt schon ein künstliches Gelenk einsetzen zu lassen – „da müssen Sie noch ein paar Jahre Schmerzen ertragen“ (erinnern Sie sich bitte an die Kriterien eines guten Arztes). In der Vergangenheit hielten künstliche Gelenke höchstens 10 bis 15 Jahre, dann waren sie verschlissen oder lockerten aus. Zudem sind jüngere Patienten aktiver, so dass das künstliche Gelenk höheren Belastungen ausgesetzt wird. Deshalb waren die Ärzte in der Vergangenheit zurückhaltend, künstliche Gelenke auch bei jüngeren Patienten einzusetzen. Die Fortschritte in der Medizintechnik haben aber die Haltbarkeit künstlicher Gelenke deutlich erhöht – dank neuer Materialien und Operationsmethoden. So können heute auch jüngere Menschen von dieser Therapiemethode profitieren – und gerade für Jüngere mit ihrem aktiveren Lebensstil bedeutet dies ein erhebliches Plus an Lebensqualität.

„Ich bin zu alt für ein künstliches Gelenk“

Gerade ältere Menschen haben häufig Angst vor einer Operation und der Narkose. Auch die anschließende intensive Rehabilitation trauen sie sich oft nicht zu. Dabei gibt es viele ältere Menschen, die körperlich so rüstig sind, dass sie all diese Belastungen hervorragend tragen können. Zudem kann man bei älteren Patienten relativ sicher sein, dass keine erneute Operation aufgrund eines Verschleißes des künstlichen Gelenkes notwendig sein wird. Die Entscheidung für oder gegen eine Operation ist also keine Altersfrage, sondern hängt vom individuellen Gesundheitszustand und von den Lebenszielen jedes einzelnen Patienten ab.

„Die Operation wird meine Erkrankung heilen“

Da muss ich Sie leider enttäuschen. Der Einsatz eines künstlichen Gelenkes lindert die Symptome Ihrer Erkrankung, er heilt sie aber nicht. Sie müssen also auch nach der Operation alles dafür tun, um dem Verlauf ihrer Erkrankung entgegen zu wirken: also Bewegung, ein gesundes Körpergewicht und eventuell sogar weiter Medikamente.

„Nach der Operation stehe ich auf und fühle mich wie neu“

Auch hier muss ich Sie enttäuschen. Eine so schwere Operation wie die eines künstlichen Gelenkersatzes verlangt eine intensive Rehabilitation, in der Sie sehr aktiv mitarbeiten müssen. Sie werden täglich Übungen machen müssen, Zeit für die Physikalische Therapie aufbringen und ein insgesamt

„gelenkfreundliches“ (wir kommen noch darauf) Leben führen müssen. Das muss Ihnen wirklich bewusst sein und Sie sollten bereit dazu sein, sonst wird die Operation nicht den gewünschten Erfolg bringen.

Es gibt also viele Aspekte, die berücksichtigt werden wollen bei der Entscheidung für oder gegen ein künstliches Gelenk. Nehmen Sie sich Zeit für die Entscheidung und diskutieren Sie alle Punkte intensiv mit Ihrem Arzt. Nicht für jeden ist die Operation der richtige Weg, für manche aber der entscheidende für ein schmerzfreies und mobiles Leben.

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