Читать книгу Barlennan der Quantenfrosch - Alexander Ziro - Страница 6
ОглавлениеKapitel 2
Tetrapoda
Die sandige Uferzone ragte flach aus dem klaren Wasser auf und war gut zu erkennen. Barlennan paddelte gemächlich unter der Wasseroberfläche und grübelte. Er blickte sich vorsichtig um, doch das Monster war nirgends auszumachen, aber wer wusste schon, was hier im Wasser noch auf ihn lauerte.
»Die blaue Scheibe muss eine Art Portal gewesen sein und so wie das hier aussieht, ist es bestimmt nicht die Erde. Welches Sonnensystem mag das bloß sein?«
Barlennan beschleunigte. Ein Stoß mit seinen kräftigen Beinen und er schoss wie ein Pfeil durchs Wasser.
»Wahnsinn, die Kügelchen haben mich aufgeladen wie eine Batterie ... und die komischen Füße stören gar nicht.« Plötzlich sah im äußersten Rand seines Sichtfelds eine Bewegung. Er stoppte und schaute sich um, bereit zur Flucht. Weit unter ihm spürten seine Sinnesorgane kleinste Strömungsveränderungen. Barlennan dachte nicht lange nach und tauchte kopfüber in die Tiefe. Er bemerkte nicht, dass der Wasserdruck stetig zunahm, und rauschte schneller als ein Delfin, senkrecht nach unten.
Je tiefer er tauchte, desto intensiver schmeckte das Wasser nach Honig, dann sah er die Pflanzen, sie standen in auf.
Muschelförmigen Terrassen, die aussahen als seien sie an dem Hang gewachsen, sie erinnerte Barlennan an Korallen und hatten fast deren Farbe. Und da, zwischen den diffus leuchtenden Gewächsen bewegten sich ... Maschinen? Da erkannte er die Kügelchen, sie traten aus Löchern an den Stämmen der Pflanzen nach draußen, für Barlennan sahen sie aus wie Drachenhälse, lang und wie ein großes S gebogen, besetzt mit Dornen, so robust wie Wehranlagen einer Burg.
»Das sind wirklich Roboter und sie sammeln die Kugeln. Also gibt es hier andere Frösche.« Barlennan zog die Beine an und schlug sie fest zusammen, hinter ihm schäumte das Wasser wie in einem Quirl auf, und er manövrierte nach links, und weiter nach unten in den See hinab. Die Sicht verschlechterte sich zusehends, da das Sonnenlicht mehr und mehr gefiltert wurde, doch plötzlich schimmerte das Wasser. Barlennan hatte es erst für eine Spiegelung von oben gehalten, aber nein, es kam von unten. Es leuchtete in einem sanften Gelb und war erfüllt mit tausenden Lichtern, die verschwommen flackerten. Barlennan konnte es kaum fassen und legte noch einen Zahn zu. Und plötzlich erstreckte sich unter ihm eine riesenhafte Kuppel, dreieckige Glasscheiben zwischen glänzenden kupferfarbenen Streben, die das ganze Gebilde in einen gewaltigen Bienenstock verwandelten. Unter der sagenhaften Konstruktion waren Gebäude auszumachen.
Eine Stadt.
Ein Sechseck flackerte blassgrün im mittleren Teil der Konstruktion und Barlennan vermutete, dass es sich um eine Art Sperrfeld handelte, die dafür sorgte, das nichts in die Biosphäre eindrang. Es war das beeindruckendste, was er je gesehen hatte, und bemerkte nicht wie lange und tief er schon unter Wasser war, ohne auch nur einmal zu atmen. Panik stieg in ihm auf und er presste die Hände auf den Mund, wollte wie ein Ertrinkender nach Luft schnappen, und paddelte wild mit den Beinen. Er schloss die Augen und besann sich, spürte den Herzschlag, sanft und ruhig, und da wurde ihm seltsam bewusst, das er nicht Atmen musste. Aber er spürte, dass ihn jemand verfolgte.
Barlennan bremste abrupt und drehte sich um. Zwei Frösche in schweren silbernen Rüstungen stoben aus der Dunkelheit des Wassers näher, zogen an ihm vorbei und versperrten ihm mit überkreuzten Speeren den Weg.
»Halt, im Namen des Königs, nicht einen schwimm weiter.« Die Stimme drang bedrohlich verstärkt durch den wuchtigen Helm. »Was machst du hier draußen, ganz allein im Kushiro? Und wo ist dein«, der gepanzerte Frosch brauchte einen Moment, bis er kapierte, das Barlennan unbekleidet war. »Panzer, Froschpanzer, ohne kann man die Stadt ...« Er war völlig perplex und stammelte herum, ein nackter Frosch, bei dem Wasserdruck? Wie konnte das sein?
»Ich brauche scheinbar kein Froschdingsda.« Antwortete Barlennan frech und wunderte sich nicht, wieso er ihre Sprache auf Anhieb beherrschte. Es war einfach alles zu seltsam.
Der gepanzerte Frosch hatte sich wieder etwas gefangen und sagte, »Man braucht eine, ähm.«, Barlennan merkte sofort, dass er sich einen Vorwand aus den Flossen sog, dann als ihm endlich etwas Passendes eingefallen war, wirkte er erleichtert und sagte in überheblichem Tonfall,
»Eine Sondergenehmigung, ja genau, und die hast du sicher nicht. Also los, mitkommen, wir werden schon rauskriegen, was du hier verloren hast.«
Rechts und Linksfrosch, wie er sie insgeheim getauft hatte, schwammen los und eskortierten ihn mit bedrohlich erhobenen Speerspitzen zu beiden Seiten.
Jetzt hatte Barlennans eigenes Abenteuer begonnen, aber er machte sich keine Sorgen, und empfand auch keine Angst vor dem, was vielleicht auf ihn zukommen würde. Im Gegenteil, er war gespannt, was diese seltsame Welt, womöglich noch für ihn zu bieten hatte. Überhaupt hatte er sich seit seinem Sprung durch das Portal verändert. Er wusste Dinge, die er vor der Reise nicht wusste, fühlte sich stärker, ausdauernder und belastbarer, konnte scheinbar stundenlang tauchen, ohne zu atmen, und der enorme Druck interessierten ihn ebenso wenig.
Rasch näherten sie sich der Kuppel, denn seine Begleiter waren schnell und ihre motorbetriebenen Flossen pflügten eine Schneise durchs Wasser, aber er stellte mit Genugtuung fest, das er ohne Problem abhauen konnte, wenn es darauf ankommen sollte, und so spielte er ihr Spielchen mit. Und außerdem war er gespannt, was sie von ihm wollten.
Sie stoppten direkt vor dem Absperrfeld, das, wie er richtig vermutet hatte, den Eingang darstellte. Barlennan wagte nicht einmal, ihre Dimensionen zu schätzen, so gigantisch war die Konstruktion, und ihr Ende verschwand irgendwo im Dunst des Sees.
Eine Lanze fuchtelte drohend vor seinem Gesicht herum, als ob sie etwas aus seinem Gesicht vertreiben wolle.
»Los Eindringling, langsam durchschwimmen.« Sagte Rechtsfrosch grimmig.
Linksfrosch war scheinbar redefaul, vielleicht der Stratege des seltsamen Duos, schlussfolgerte Barlennan, die stillen Gemüter waren mitunter die schlaueren. Ohne ein Wort machte er auf, das Energiefeld zu durchqueren, und mit wild rudernden Armen driftete er durch den gewaltigen Zugang. Er landete unsanft auf allen vieren und schüttelte sich. Kein Wasser innerhalb der Kuppel, er hatte recht behalten. Sie befanden sich auf einer Landeplattform, die auf halber Höhe an der Kuppel angebracht war, silberne Fahrzeuge standen ordentlich geparkt, in Reih und Glied auf Bodenmarkierungen nebeneinander. Geschäftige Froschsoldaten in ebenfalls gepanzerten Anzügen werkelten an dem beeindruckenden Fuhrpark herum.
Das müssen die erwähnten Exo-Frog sein, äußerst schnittig fand Barlennan. Ihm fiel die Kinnlade runter, als er sich umdrehte, der Ausblick, der sich ihm bot, war einfach atemberaubend.
Dunkelgrüne Gebäude ragten gesäumt von Baumalleen und umgeben von großen Plätzen, aus der Stadt hervor, unzählige Schwebegleiter zogen ihre Bahn zwischen tiefen Häuserschluchten. Lichter und Neonbeleuchtung glühten von der Stadt aus herüber und vereinigten sich in der Ferne, zu einem gleißenden elektrischen Schein. Das Dach der Kuppel war eine dunkle Masse von Streben, ein paar hundert Meter weiter oben.
Barlennan blinzelte kurz, dann wurde grob an den Armen festgehalten und sein weiterhin stummer Begleiter Linksfrosch legte ihm zischend eine Energiefessel um die Handgelenke. Die Helme der beiden klappten nach hinten und enthüllten grimmige Gesichter.
Rechtsfrosch quakte, »Wir bringen dich zu General Kwembly, er entscheidet, was weiter mit dir geschieht ... und steh endlich auf, oder kann deine Spezies etwa nicht laufen?« Er knuffte Linksfrosch in die Seite und sie glucksten plump. Jetzt war klar, er hatte es mit zwei ausgemachten Deppen zu tun.
Barlennan drückte seine Oberschenkel durch und stand wackelig auf. Gar nicht so leicht, wenn man sich bisher nur hüpfend fortbewegt hatte, an den Händen gefesselt war, und zu allem Überfluss noch nie auf den eigenen Füßen gestanden hatte. Er fiel, platsch, auf die Nase. Seine Aufseher grölten noch lauter und schlugen sich auf die Panzer.
»Los jetzt kleiner Frosch, steh auf, wir haben noch was Wichtigeres zu tun als dir das Laufen beizubringen.« Sagte Rechtsfrosch unter dem ungeduldigen Blicken seines Partners, der daraufhin fast unmerklich den Kopf nickte.
Nun, das war interessant, Barlennan musterte die beiden kurz und stand auf, unsicher, aber immerhin aufrecht, und irgendwie fühlte es sich richtig an. Nur hatte Barlennan keine Zeit, lange zu üben, denn die beiden deuteten mit ihren Speeren in Richtung eines Aufgangs am hinteren Ende der Plattform. Barlennan stakste schwankend vorweg und musste sämtliche Konzentration aufbringen, um einen Schritt vor den anderen zu setzten.
Gehen gestaltete sich als äußerst schwierig.
Wortlos trieben sie ihn über ein Gewirr aus Treppen, Verbindungsstegen und sich überkreuzender Gänge, tiefer in die Stadt hinein. Sie überquerten einen Marktplatz und überall sah Barlennan emsiges Treiben und er fragte sich, wie viele Bewohner in diese Unterwasserstadt wohl lebten.
Er bestaunte die Prall gefüllte Auslagen, Stände und Läden, die allerhand eigenartigen Tand verkauften. Froschpuppen an Fäden aufgereiht, Tücher, Taschen, Masken und Figuren waren nur eine kleine Auswahl der hier feilgebotenen Waren. Dazwischen, überall Frösche in sonderbarer Kleidung, die munter um Preise feilschten oder Verrichtungen an Geräten nachgingen, die für Barlennan fremdartig waren.
Er drehte den Kopf in alle Himmelsrichtungen, während sie über den Platz gingen, und versuchte, alle Eindrücke auf einmal aufzunehmen. Die Geschäfte, ihre Auslagen hinter den Fenstern, die Frösche die hier einkauften.
Vor einem Bekleidungsgeschäft stand ein dicklicher, gut gekleideter Frosch, und als sie vorbeieilten, sagte er und schüttelte kopfschüttelnd, »Fünfundfünfzig Silber für ein Hemd, die müssen verrückt sein ...«
Aber auch fiel ihm auf, nicht alle Maschinen funktionierten noch, die meisten standen ungenutzt herum und wirkten, als sein sie Jahre nicht bewegt worden. Rostige Gelenke und fehlende Teile zeugten von ihrem Alter. Und noch etwas war auffällig, das Militär wurde hier offenkundig gefürchtet, denn ausnahmslos jeder Froschbürger machte seinen grobschlächtigen Aufpassern respektvoll Platz, und erst als sie passiert waren, drehten sich die Bürger der Stadt zu dem Neuankömmling um und probierten einen Blick auf ihn zu erhaschen. Sie tuschelten und kicherten, hielten die Hand vor die Münder und bedeckten die Augen der Jüngsten. Barlennan war die Sache äußerst unangenehm und er fragte sich, wieso alle mit dem Finger auf ihn zeigten.
Gedankenverloren blickte er an sich herab und wurde ihm schlagartig bewusst, dass er als einziger keine Kleidung trug. Oh nein, wie peinlich, Barlennan wurde rot und war nun doch froh, dass sie sich so beeilten.
Krampfhaft versuchte er, sich den Weg zu merken, links, rechts, rechts, links, durch die Mitte, links, rechts. - doch es war unmöglich, ein schier unlösbarer Knoten breiter Treppen und Terrassen, voller Leben und großer Geschäftigkeit. Sie überquerten eine breite Straße und wackelnde Karren kreuzten zuckelnd, und unmöglich hoch beladen, ihren Weg und Barlennan schaffte es gerade noch rechtzeitig, einen Schritt zur Seite zu machen.
»He, pass doch auf, steh nicht im Weg rum.« Rief ihm der Kutscher hinterher, der ihn eben fast auf die Hörner genommen hätte, er schien viel Zeit zu haben in der Gegend herumzuschauen, denn die Fahrzeuge fuhren wie von Zauberhand gesteuert zu ihrem jeweiligen Bestimmungsort. Andere fuhren noch, sahen aber aus, als würden sie jeden Augenblick in sich zusammenbrechen oder standen zur ewigen Nutzlosigkeit verdammt an den Straßen herum. Ihre rostigen Gesichter wirkten, als seien sie traurig darüber den Bewohnern nicht mehr bei ihrer Arbeit helfen zu können.
Ein paarmal hatte er freundlich versucht, Fragen zu stellen, die jedoch nur mit gezückten Speeren beantwortet wurden. Außerdem wurde er das Gefühl nicht los, das sie ihn ein paar Extrarunden drehen ließen.
Er hatte keine Zeit und Gelegenheit, sich ausführlich umzusehen und die Atmosphäre der Stadt auf sich wirken zu lassen. Er war ein Gefangener, und die beiden Aufseher trieben ihn ohne Pause weiter. Nach einer Gefühlten
Ewigkeit und endlosen Windungen später, hielten sie vor einer schlichten Metalltür, die völlig unscheinbar, am Ende eines langen Korridors in die Wand eingelassen war.
Barlennan beugte sich etwas vor, um sich die Architektur aus der Nähe anzusehen. Hier unten war der Stein dunkelgrün und mit Moos überwuchert, und ihm waren schon seit längerem keine Bürger mehr zu begegnet. Seine Begleitung strich mit der Hand über ein Bedienfeld, das Barlennan vorher nicht aufgefallen war, und die Tür öffnete sich. Ein Verlies, jetzt wurde ihm doch etwas flau im Magen. Sie führten Barlennan durch einen weiteren langen Gang, zu beiden Seiten Reihen von dicken Stahltüren.
Am Ende des Ganges erregte eine massive Goldtür sein Interesse, sie sah völlig anders aus als die Türen zuvor und schien irgendwie nicht zum Rest des übrigen Baustiles zu passen. Als sie endlich anhielten, kniff er angestrengt die Augen zusammen, konnte das Symbol darauf jedoch nicht erkennen. Er fragte sich, was wohl dahinter sei, und wie sie das Teil an Ort und Stelle bugsiert hatten, das mussten Tonnen sein. Währenddessen Barlennan noch mit offenem Mund staunte, hob Linksfrosch einen Arm und die ihnen am nächsten gelegen Tür öffnete sich.
»Da sind wir, und jetzt rein da, du kommst unter Arrest bis entschieden wurde, wie es mit dir weitergeht.« Sagte Rechtsfrosch und schubste Barlennan grob in die Zelle, und er kam erst an der gegenüberliegenden Wand wieder zum Stehen. Sie war feucht und unangenehm kalt.
»Wenn ich was zu sagen hätte, würdest du hier versauern.« Sagte Rechtsfrosch nachdringlich und schmetterte die Stahltür mit einem lauten Knall ins Schloss.
Barlennan war allein. Die Handfesseln leuchteten plötzlich hell auf und verschwanden einfach. Er massierte sich die schmerzenden Handgelenke, lies den Kopf hängen und trottete zu einer kleinen Pritsche. Die Ketten ächzten hörbar, als er sich stöhnend, der Länge nach, drauf fallen ließ. Die anfängliche Kraft schien, verflogen.
Die Augen zur Decke gerichtet zitterte er vor Kälte und sein Magen knurrte schrecklich, trotzdem war er so müde, dass er dieser Neuen Welt den Rücken kehrte, und vollkommen entkräftet einschlief.