Читать книгу 1. Die Borgia - Alexandre Dumas d.Ä. - Страница 4
Prolog
ОглавлениеAm 8. April 1492, in einem Schlafzimmer des Palazzo Carneggi, etwa drei Meilen von Florenz, waren drei Männer um ein Bett gruppiert, worauf ein vierter im Sterben lag.
Der erste dieser drei Männer, saß am Fuße des Bettes, und war halb von den Goldbrokatvorhängen verdeckt, um seine Tränen zu verbergen. Es war Ermolao Barbaro, der Autor einer Abhandlung über den Zölibat, und von Studien zu Plinius. Im Jahr zuvor, als er in Rom im Amte des Botschafters der Republik Florenz war, wurde er von Innozenz VIII. zum Patriarchen von Aquileia ernannt.
Der zweite, knieend und eine Hand des Sterbenden zwischen seinen Händen haltend, war Angelo Poliziano, der Catull des fünfzehnten Jahrhunderts. Ein Klassiker der leichteren Art, der in seinen lateinischen Versen als Dichter der augusteischen Zeit hätte missverstanden werden können.
Der dritte, stehend und sich gegen eine der gedrechselten Säulen des Bettkopfes lehnend und mit tiefer Traurigkeit den Fortschritt der Krankheit verfolgend, die er im Gesicht seines dahinscheidenden Freundes las, war der berühmte Pico della Mirandola. Dieser konnte im Alter von zwanzig Jahren zweiundzwanzig Sprachen sprechen, und behauptete, in jeder dieser Sprachen alle siebenhundert Fragen, die ihm von den zwanzig gelehrtesten Männer in der ganzen Welt vorgebracht würden, beantworten zu können, wenn sie in Florenz versammelt werden könnten.
Der Mann auf dem Bett war Lorenzo der Prächtige, der zu Beginn des Jahres von einem schweren und tief sitzende Fieber angegriffen worden war, zu dem die Gicht hinzukam, einer Erbkrankheit in seiner Familie. Er hatte letztlich befunden, dass die Mixturen mit den aufgelösten Perlen, die der Quacksalber, Leoni di Spoleto, für ihn verschrieben hatte (als ob er sich wünschte, seine Heilmittel eher auf den Reichtum seiner Patienten, als auf seine Bedürfnisse anzupassen) nutzlos und vergeblich waren. So verstand er, dass er von seinen sanftzüngigen Frauen, diesen süßstimmigen Poeten, seinen Palästen und ihren reichen Wandbehängen scheiden musste. Daher hatte er, um ihm die Absolution für seine Sünden - die ein weniger hoch gestellter Mann Verbrechen genannt hätte - den Dominikaner Giralamo Francesco Savonarola gerufen.
Er war jedoch nicht ohne eine innere Angst, gegen die das Lob von seinen Freunden nichts half, mit der der Genießer und Usurpator den strengen und düsteren Prediger erwartete, dessen Worte alle Florentiner erregten und, an dessen Begnadigung fortan alle seine Hoffnung auf eine andere Welt hing.
Tatsächlich war Savonarola einer jener Männer aus Stein, wie die Figur des Commandante, an der Tür des Don Giovanni klopfend, um mitten in Fest und Orgie, zu verkünden, dass es jetzt an der Zeit sei, an den Himmel zu denken. Er war in Ferrara geboren, wohin seine Familie, eine der berühmtesten von Padua, von Niccolo, Marchese d'Este gerufen wurde, und im Alter von dreiundzwanzig Jahren, durch eine unwiderstehliche Berufung, aus seines Vaters Haus geflohen, und hatte die Gelübde im Kloster der Dominikanermönche in Florenz abgelegt. Dort, wo er von seinen Vorgesetzten beauftragt wurde, Unterricht in der Philosophie zu geben, hatte der junge Novize von der ersten Stunde an gegen die Eigenart seiner Stimme, die sowohl rau als auch schwach war, zu kämpfen und vor allem gegen die Verringerung seiner körperlichen Kräfte, erschöpft durch zu strenge Abstinenz.
Von da an verurteilte Savonarola sich selbst zu absoluter Abgeschiedenheit und verschwand in den Tiefen seines Klosters, als ob die Platte seiner Gruft bereits über ihn gefallen sei. Dort, knieend auf den Fliesen, unaufhörlich betend vor einem Holzkreuz, durch Mahnwachen und Bußen fiebernd, schwebte er bald von Kontemplation in Ekstase, und begann, in sich selbst das Gefühl zu erkennen, diesen inneren prophetischen Impuls, der ihn auffordertet, die Reformation der Kirche zu predigen. Nichtsdestoweniger ist die Reformation des Savonarola, ehrfurchtsvoller als Luthers, der etwa fünfundzwanzig Jahre später folgte, die Sache respektierend, den Menschen angreifend, hatte er zum Ziel, die Lehre zu ändern, der Mensch, nicht der Glaube, sei von Gott. Er wirkte nicht, wie der deutsche Mönch, durch Denken, sondern durch Begeisterung. Für ihn stand die Logik der Inspiration nach.
Er war kein Theologe, sondern ein Prophet. Doch obwohl er bis dahin sein Haupt vor der Autorität der Kirche gebeugt hatte, hatte er es bereits gegen die weltliche Macht erhoben. Für ihn erschienen Religion und Freiheit gleich zweier Jungfrauen, gleichermaßen heilig, sodass aus seiner Sicht, Lorenzos Unterwerfung der einen so schuldhaft war, wie die Entehrung der anderen durch Papst Innozenz VIII.
Das Ergebnis daraus war, dass, so lange Lorenzo in Reichtum, Glück und Pracht lebte, Savonarola nie bereit gewesen war, gleich wie viel gefleht wurde, durch seine Anwesenheit eine Macht zu sanktionieren, die er als illegitim ansah.
Aber Lorenzo schickte nach ihm auf seinem Sterbebett, und das war eine andere Sache. Der asketische Prediger machte sich unverzüglich auf den Weg, barhäuptig und barfuß, in der Hoffnung, nicht nur die Seele des Sterbenden, sondern auch die Freiheit der Republik zu retten.
Lorenzo, wie gesagt, erwartete die Ankunft von Savonarola mit einer Mischung aus Ungeduld und Unbehagen; sodass, als er das Geräusch seiner Schritte hörte, sein blasses Gesicht eine noch totenähnlichere Tönung annahm, während er sich gleichzeitig auf den Ellbogen stützte und seine drei Freunde fort befahl.
Sie gehorchten sofort, und kaum hatten sie durch die eine Tür das Gemach verlassen, als der Vorhang der anderen Tür erhoben wurde, und der Mönch, blass, unbeweglich, feierlich, auf der Schwelle erschien.
Als er ihn wahrnahm, auf dessen marmorner Stirn die Inflexibilität einer Statue lesend, fiel Lorenzo de’ Medici zurück auf sein Bett, einen so tiefen Seufzer atmend, dass man hätte meinen können, es wäre sein letzter.
Der Mönch sah sich im Zimmer um, als wollte er sich vergewissern, dass er wirklich allein mit dem Sterbenden war; dann ging er mit langsamem, feierlichem Schritt in Richtung Bett. Lorenzo sah sein Näherkommen mit Schrecken, dann, als er dicht neben ihm war, rief er:
„O mein Vater, ich war ein sehr großer Sünder!“
„Die Barmherzigkeit Gottes ist unendlich“, sagte der Mönch, „und ich kam zu dir, beladen mit der göttlichen Barmherzigkeit.“
„Du glaubst also, dass Gott meine Sünden vergeben wird?“, rief der Sterbende, seine Hoffnung erneuernd, als er von den Lippen des Mönchs solch unerwartete Worte hörte.
„Deine Sünden und auch deine Verbrechen, Gott wird sie alle vergeben“, antwortete Savonarola. „Gott wird deine Eitelkeiten, deine ehebrecherischen Vergnü-gungen, deine obszöne Festivitäten vergeben; so viel zu deinen Sünden. Gott wird dir vergeben für das Versprechen von zweitausend Florin Belohnung für den Mann, der dir den Kopf von Dietisalvi, Nerone Nigi, Angelo Antinori, Niccalo Soderini bringen sollte und das doppelte Geld, wenn sie lebend überbracht würden; Gott wird dir vergeben, dass du den Sohn Papi Orlandis, Francesco di Brisighella, Bernardo Nardi, Jacopo Frescobaldi, Amoretto Baldovinetti, Pietro Balducci, Bernardo di Banding, Francesco Frescobaldi und mehr als dreihundert andere, deren Namen Florenz nicht weniger lieb waren, weil sie weniger bekannt waren, zum Schafott oder den Galgen verdammt hast; so viel zu deinen Verbrechen“.
Und jeden dieser Namen, die Savonarola langsam ausgesprochen hatte, die Augen auf den Sterbenden fixiert, antwortete dieser mit einem Stöhnen, was zeigte, dass das Gedächtnis des Mönches sich als nur zu wahr erwies. Dann endlich, als er fertig war, fragte Lorenzo in zweifelndem Ton: „Dann glaubst du, mein Vater, dass Gott mir alles verzeiht, sowohl meine Sünden als auch meine Verbrechen?“
„Alles“, sagte Savonarola, „aber unter drei Bedingungen.“
„Welche sind dies?“ fragte der Sterbenden.
„Die erste“, sagte Savonarola, „ist, dass du vollständigen Glauben in die Macht und die Barmherzigkeit Gottes hast.“
„Mein Vater“, antwortete Lorenzo eifrig, „ich habe diesen Glauben in der Tiefe meines Herzens.“
„Die zweite“, sagte Savonarola, „ist, dass du das Eigentum der Anderen, das du zu Unrecht beschlagnahmt und behalten hast, zurück gibst.“
„Mein Vater, werde ich Zeit haben?“ fragte der Sterbenden.
„Gott wird sie dir geben“, antwortete der Mönch.
Lorenzo schloss die Augen, als wollte er seine Erleichterung zum Ausdruck bringen; dann, nach einem Moment des Schweigens, antwortete er:
„Ja, mein Vater, ich werde es tun.“
„Die dritte,“ nahm Savonarola seine Liste wieder auf, „ist, dass du der Republik ihre alte Unabhängigkeit und ihre ehemaligen Freiheiten wieder herstellst.“
Lorenzo setzte sich im Bett auf, geschüttelt von der krampfhaften Bewegung und seine Augen fragend auf die Augen des Dominikaners richtend, als wollte er herausfinden, ob er sich getäuscht und nicht recht gehört hatte. Savonarola wiederholte die gleichen Worte.
„Niemals! Nie!“ rief Lorenzo, auf sein Bett zurückfallend und den Kopf schüttelnd, - „Nie!“
Der Mönch, ohne ein einziges Wort zu antworten, machte einen Schritt zurück.
„Mein Vater, mein Vater“, sagte der Sterbende, „verlass mich nicht so, hab Erbarmen mit mir“.
„Habe Mitleid mit Florenz“, sagte der Mönch.
„Aber, mein Vater,“ rief Lorenzo, „Florenz ist frei, Florenz ist glücklich.“
„Florenz ist ein Sklave, Florenz ist arm“, rief Savonarola, „arm an Genialität, arm an Geld und arm an Mut; arm an Genialität, weil, nach dir, Lorenzo, dein Sohn Piero kommen wird, arm an Geld, denn mit den Mitteln der Republik hast du die Pracht deiner Familie und das Ansehen deiner Geschäftshäuser erhalten, arm an Mut, weil du die rechtmäßigen Magistrate ihrer Autorität beraubt hast, die verfassungsrechtlich ihnen gehörte, und die Bürger vom rechten Weg abgebracht hast im militärischen und zivilen Leben, obwohl sie, bevor sie von deinem Luxus entkräftet wurden, Tugenden der Alten gezeigt hatten; und daher, wird der Tag anbrechen, der nicht mehr weit entfernt ist“, fuhr der Mönch, seine Augen starr und glühenden, als ob er in der Zukunft lesen würde, „an dem die Barbaren von den Bergen herabsteigen, und die Mauern unserer Städte, wie die von Jericho, beim Schall ihrer Trompeten fallen werden.“
„Und du wünscht, dass ich auf meinem Sterbebett die Macht, die den Ruhm meines ganzen Lebens ausgemacht hat, aufgebe?“ rief Lorenzo de’ Medici.
„Ich bin es nicht, der es wünscht, es ist der Herr“, antwortete Savonarola kalt.
„Unmöglich, unmöglich!“ murmelte Lorenzo.
„Nun gut, dann stirb, wie du gelebt hast!“ rief der Mönch, „in der Mitte deiner Höflinge und Schmeichler; lasse sie deine Seele ruinieren, wie sie deinen Körper ruiniert haben!“
Und bei diesen Worten, verließ der strenge Dominikaner, ohne die Schreie des Sterbenden zu hören, das Zimmer wie er es betreten hatte, Gesicht und Schritt unverändert; weit über den menschlichen Dinge schien er zu schweben, ein Geist bereits von der Erde gelöst.
Beim Schrei, der aus Lorenzo de’ Medici brach, als er ihn verschwinden sah, kehrten Ermolao, Poliziano und Pico del Mirandola, die alles gehört hatten, in das Zimmer zurück und fanden ihren Freund ein herrliches Kruzifix krampfhaft mit seinen Armen umklammernd, das er gerade vom Kopf des Bettes genommen hatte. Vergeblich versuchten sie, ihn mit freundlichen Worten zu beruhigen. Lorenzo der Prächtige antwortete nur mit Schluchzen, und eine Stunde nach der Szene, die wir gerade verfolgt haben, seine Lippen an den Füßen des Christus klebend, hauchte er in den Armen der drei Männer seinen letzten Atemzug, von denen der glücklichste, wenn auch alle drei jung waren, nicht dazu bestimmt war, ihn um mehr als zwei Jahren zu überleben.
„Obwohl sein Tod viele Katastrophen bringen wird“, sagt Niccolo Machiavelli, „war es der Wille des Himmels ihn durch nur zu deutliche Vorzeichen zu zeigen. Die Kuppel der Kirche Santa Regarata wurde vom Blitz getroffen, und Rodrigo Borgia wurde zum Papst gewählt.“