Читать книгу Berühmte Kriminalfälle   8. Band - Alexandre Dumas - Страница 6

Drittes Kapitel. Der Capitain von Beaudricourt

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Kaum hatte Johanna einige Schritte auf dem Wege gemacht, als die Vögel der Felder und Wälder, die durch den gefallenen Schnee seit dem vorigen Tage der Nahrung beraubt waren, um sie herum flatterten, als ob sie es gewusst hätten, dass Johanna ihnen Körnchen bringe. Das junge Mädchen erinnerte sich nun, dass dies ihre erste Absicht war, und sie säte, während sie ihres Weges ging, Getreide und Hanfsamen um sich her, wovon sie, wie Peter sagte, zu Hause Vorrat geholt hatte. So gelangte sie unter den Baum der Feen, der zu dieser Zeit seines schönen Laubwerkes beraubt war, immer noch von ihrer geflügelten Bedeckung begleitet, welche die Zweige des schönen Maibaumes bedeckte, und das Lob Gottes in einer Sprache zu singen begann, die, wenn auch den Menschen unverständlich, deshalb von, Gott nicht weniger verstanden wird.

In diesem Momente verkündete die Dorfglocke Mittag; Johanna hatte bemerkt, dass vorzüglich wenn die Glocken geläutet wurden, die Visionen sich bei ihr einzustellen pflegten. Sie kniete sich dann nieder, wie sie es zu tun gewohnt war, sobald sie diese eherne Stimme hörte, die zu den Menschen im Namen des Herrn spricht, und richte« voll Hoffnung und Vertrauen an die Heiligen und heiligen Frauen ihre gewöhnliche Bitte. Johanna hatte nicht vergebens geglaubt und gehofft. Kaum war das Gebet zu Ende, als die Vögel, welche die Zweige des Baumes bedeckten, verstummten, die Wolke herabschwebte, und ihre himmlischen Beschützer vor ihren Augen erschienen.

»Johanna,« sagten sie zu ihr, »Du hast Vertrauen auf Gott und uns gehabt; sei gesegnet! tu, was befohlen wurde, Kind; ziehe dahin, ohne Besorgnis, Dich zu verirren, und laß Dich durch eine erste Weigerung nicht abschrecken: der Herr und König des Himmels wird Dir die Überredung verleihen.«

»Aber soll ich so,« fragte Johanna, »auf den Wegen ganz allein der Gefahr mich aussetzen, oder mich in Städte wagen ohne sichtbaren Schutz, und wird man mich nicht für irgend ein entlaufenes Kind, oder irgend eine Abenteurerin von schlechtem Leben halten?«

»Der Schutz Gottes genügt dem, der an Gott glaubt, Johanna; aber weil Du einen Beschützer wünschest, so wird der Herr Dir, bevor Du wieder von Deinen Knien Dich erhoben hast, einen solchen senden. Also keinen Aufschub, keine Unschlüssigkeit mehr: auf, auf, Johanna, denn der Augenblick ist gekommen.«

»Der Wille des Herrn geschehe!« versetzte Johanna. »Ich bin nur die Demütigste unter seinen Mägden, und werde gehorchen.«

Kaum hatte Johanna diese Worte gesprochen, als die Wolke entschwebte, und die Vögel ihre Gesänge wieder begannen. Johanna vollendete ein innerliches Gebet, ein frommes und kindliches Gebet, worin sie ihre Eltern bat, ihr zu verzeihen, wenn sie so dieselben verließe, ohne ihnen Lebewohl zu sagen, und sie um ihren Segen zu bitten. Aber Johanna kannte ihren Vater: er war ein Mann von strengem Herzen und Geiste, und sie wusste, dass er ihr niemals erlauben würde, das Haus zu verlassen, um sich so mitten unter Kriegsleute und Schlachtfelder zu wagen.

Johanna lag noch auf den Knien, als sie hörte, dass man ihr rief. Zu gleicher Zeit flogen alle Vögel davon, die auf den Bäumen sangen. Johanna wendete sich um, und erblickte ihren Oheim Durand Haxart. Sie begriff, dass dies der Beschützer sei, welchen ihre Stimmen ihr verhießen, und sogleich sich erhebend, ging sie gerade auf ihn zu, voll Vertrauen und Heiterkeit, obwohl die unwillkürlichen Tränen des Scheidens noch in den Wimpern ihrer langen Augenlider zitterten.

»Du bist's, Hannchen?« sagte Meister Durand; »was machst Du denn da, mein Kind, während Dein Vater und Deine Mutter Dich überall suchen?«

»Ach! mein Oheim,« antwortete das junge Mädchen, traurig den Kopf schüttelnd, »sie werden mir noch lange so rufen, und mich suchen, denn ich habe sie so eben, vielleicht für immer, verlassen.« .

»Und wohin gehst Du denn, Hannchen?«

»Ich gehe, wohin mich Gott sendet, mein Oheim, und meine Stimmen sagten mir so eben, dass ich darauf zählen könnte, Ihr würdet mich dorthin begleiten, wohin ich gehe.«

»Höre, Hannchen,« versetzte Meister Durand, »hättest Du mir diesen Morgen einen solchen Antrag gemacht, so würde ich Dich bei dem Arme genommen, zu Deinem Vater zurückgeführt, und ihm geraten haben, Dich fortan besser zu hüten; als er es bisher tat; aber in Folge dessen, was ich mit meinen Augen sah und mit meinen Ohren hörte, fühle ich mich ganz geneigt, Dir beizustehen, wär's auch, um eine Torheit zu begehen. Erzähle mir also, was Dir begegnete, sprich, worin ich Dir nützen kann, und zähle auf mich.«

Johanna schlug mit ihrem Oheim den Weg nach Neuschâteau ein, wo er wohnte, und setzte ihn, den ganzen Weg entlang, von den Vorfällen in Kenntnis, die wir so eben selbst erzählten, so, dass durch die den ungläubigen Leuten so natürliche Gegenwirkung, Herr Durand Haxart, vor der Türe seines Hauses ankommend, Johanna ermutigte und tröstete. Dennoch hielt er es für passend, eine kleine Aenderung an dem von dem jungen Mädchen gewühlten Plane zu machen; dieser Plan bestand darin, ihr nach Vaucouleurs voranzugehen, und den Capitain Robert von Beaudricourt von dem Besuche in Kenntnis zu setzen, den er bekommen winde; da Johanna vorzüglich Anstand nahm, allein sich ihm vorzustellen, empfing sie das Anerbieten ihres Oheims mit Dankbarkeit.

Meister Durand brach am folgenden Tage auf; aber der Empfang von Seite des Capitains Beoudricourt war weit entfernt, seiner Erwartung zu entsprechen: es hatte bereits eine Frauenperson, Namens Marie Davignon, auf Merlins Weissagung sich stützend, dem Könige vorgestellt zu werden verlangt, behauptend, dass sie ihm wichtige Dinge zu offenbaren habe, aber als sie einmal vor ihm stand, ihm nur zu sagen gewusst, dass einst ein Engel ihr erschienen war, der ihr Waffen reichte, und bei dem Anblicke dieser Waffen eine so große Furcht sie befiel, dass der himmlische Abgesandte ihr zu sagen sich beeilte, diese Waffen seien nicht für sie bestimmt, sondern für eine andere Frauenperson, welcher es vorbehalten wäre, Frankreich zu retten. Nun aber antwortete der Capitain Beaudricourt, der mit irgend einer Abenteurerin vom nämlichen Schlage zu tun zu haben fürchtete, dem Meister Durand, dass seine Nichte eine Verrückte sei, und dass er ihm rate, sie nach tüchtiger Beohrfeigung zu ihrem Vater und ihrer Mutter zurück zuführen.

Meister Durand hinterbrachte diese Antwort seiner Nichte, die sogleich zu beten begann, die Stimme in den gewohnten Ausdrücken anstehend: diesmal, wie sonst erschienen der Erzengel und die Heiligen. Johanna befragte sie wegen des so eben stattgefundenen Misslingens, und die Stimme sagte zu ihr:

»Du hast gezweifelt, Johanna, während Gott glaubensvolle Herzen will; Gott befahl Dir, selbst hinzugehen, und Du sendetest einen Andern, und diesem Andern ist

es nicht gelungen, denn Dir allein verlieh Gott die Gabe der Überredung. Geh also, denn Alles kann noch wieder gut gemacht werden, indessen, wenn Du zauderst, Alles verloren sein wird.«

Johanna sah, dass sie nicht mehr zögern dürfe, und brach an dem Tage auf, welcher der Freitag nach dem Dreikönigsfeste, im Jahre der Gnade 1429 war; sie kam bei Nacht nach Vaucouleurs: ihr Oheim, der sie begleitete, klopfte an die Tür eines Wagners, der sie gastfreundlich aufnahm. Das Weib des Wagners wollte das eigene Bett mit Johanna teilen; aber Johanna lehnte es ab, schickte sich zum Gebete an, und betete, bis der Tag kam.

Dieses Gebet verlieh ihr eine so große Zuversicht, dass sie, als sie glaubte, dass die Stunde gekommen sei, bei dem Herrn von Beaudricourt zu erscheinen, den Beistand ihres Oheims mit der Bemerkung ablehnte, die Stimmen hätten ihr befohlen, allein hinzugehen; wirklich stellte sie sich gegen neun Uhr Morgens bei dem Capitain ein. Da es noch sehr früh war, ergötzte dieser Besuch die Reisigen sehr, welche sie sogleich zu ihrem Gebieter führten, obgleich er in diesem Augenblicke mit einem tapferen Ritter, Namens Johann von Novelompont, eine Unterredung pflog, der gerade von Chien, an der Loire, kam, und dem Herrn von Beaudricourt die Nachricht von dem Tode des Grafen von Salisbury brachte.

Johanna trat ein, näherte sich dem Capitain, und sagte zu ihm:

»Herr Robert, wisst, dass mein Gebieter mir seit langer Zeit befahl, zu dem edlen Dauphin zu gehen, welcher der einzige und wahre König von Frankreich sein soll, ist, und sein wird.«

»Und wer ist dieser Gebieter, meine Liebe?« fragte Herr von Beaudricourt lächelnd. ,

»Der König des Himmels,« antwortete Johanna.

»Und was wird geschehen, wenn Ihr bei dem Dauphin sein werdet?«

»dass der Dauphin mir Reisige geben wird; dass ich die Belagerung von Orleans aufheben, und nach ihrer Aufhebung ihn zur Salbung nach Rheims führen werde.«

Die beiden Rittet schauten sich an, und brachen in ein lautes Gelächter aus.

»Zweifelt nicht,« sprach Johanna mit der ihr eigentümlichen ernsten und ruhigen Miene, »denn, meiner Treue, ich sage Euch die genaue Wahrheit.«

»Aber es ist nicht das erste mal, dass ich Euch sehe, dünkt mir,« bemerkte Herr von Beaudricourt, Johanna anschauend.

»Ich bin's,« entgegnete das junge Mädchen, »die Euch am Dreikönigstage den Tod des Grafen von Salisbury verkündete, den dieser edle Ritter,« fügte sie bei, zu Johann von Novelompont sich wendend, »Euch so eben bestätigt hat.«

Der Ritter bebte, denn er war in der Nacht angekommen, und hatte mit Niemanden von der Nachricht gesprochen, die er brachte; selbst der Capitain wurde in seinem Zweifel erschüttert.

»Aber,« sagte er zu dem jungen Mädchen, »wenn Du früher, als irgend Jemand, den Tod des edlen Grafen wusstest, so musst Du auch wissen, auf welche Art er starb?«

»Ja, ohne Zweifel,« antwortete Johanna; »er stand bei einem Fenster in einem Türmchen, von wo aus er die gute und treue Stadt Orleans betrachtete, als der Herr, welcher die Menschen nach ihrem Verdienste kennt, behandelt und belohnt, zugab, dass er von einem Steinsplitter getroffen wurde, der ihm das Auge ausstach, und woran er zwei Tage nachher verschied.«

Die beiden Ritter schauten sich erstaunt an, denn alle diese Einzelheiten waren höchst genau. Da jedoch diese Offenbarungen eben sowohl aus der Hölle, als vom Himmel kommen konnten, so entließ Herr von Beaudricourt, um Zeit zur Überlegung zu erhalten, Johanna, ohne ihr etwas zu versprechen.

Johanna kehrte zum Wagner zurück, ohne noch von dem kalten Empfange, den sie gefunden, allzu sehr abgeschreckt zu sein, denn ihre Stimmen hatten ihr gesagt, dass man einige Zeit an ihr zweifeln, zuletzt aber Gott die Gabe der Überredung ihr verleihen würde. Dort hielt sie sich auf, so wenig Platz als möglich bei diesen guten Leuten einnehmend, um sie nicht zu beengen, brachte ihre Tage in der Kirche zu, beichtete unablässig, fastete und kommunizierte, und hörte nicht auf, zu wiederholen, dass man sie zu dem edlen Dauphin führen müsse, und dass sie, daselbst angekommen, nach Aufhebung der Belagerung von Orleans, ihn zur Salbung nach Rheims führen würde; sie war so jung, sie war so schön, so sanfte und so züchtige Worte stoßen von ihren Lippen, dass das arme Volk, immer zur Hoffnung geneigter, als es die Großen sind, weil man, je unglücklicher, desto gläubiger ist, sie mit ihren Gebeten geleitete, und sagte, dass sie wirklich eine fromme Frauenperson sei, und dass, wenn man sie Verstöße, die Missgeschicke, welche Frankreich bedrohten, zugleich auf jene fallen würden, die sie Verstoßen hätten.

Dieser allgemeine Einklang von Lobeserhebungen gelang zur Kunde des Herrn von Beaudricourt, der, selbst schon von dem Vorgefallenen ergriffen, den Pfarrer von Vaucouleurs besuchte, und ihm Alles erzählte, was er wusste. Der Pfarrer sann einen Augenblick nach, und sagte dann zu ihm, die Besorgnisse des Capitains hinsichtlich der Zauberei teilend, dass es nur ein Mittel gebe, sich zu überzeugen, ob ihr die Wahrsagerkunst von Gott oder vom Satan verliehen, und dass dieses Mittel die Teufelsbeschwörung sei. Herr von Beaudricourt nahm den Vorschlag an; der Pfarrer bekleidete sich wieder mit seiner Stole, nahm ein Kruzifix, und Beide machten sich auf den Weg nach dem Hause, worin Johanna wohnte.

Sie fanden Johanna im Gebete; der Pfarrer und der Capitain traten in ihr Zimmer, und öffneten die Tür, damit Jeder sehen konnte, Was geschehen würde; Johanna blieb im Gebete, wie man sie traf, und nun reichte ihr der Pfarrer das Kruzifix, und beschwor sie, im Falle sie böse wäre, sich von ihnen wegzuheben; aber im Gegenteil, Johanna rutschte auf ihren Knien zum Priester hin, küsste die beiden Enden der Stole, und die Wunden der Seite, der Hände und Füße Christi, Alles mit so viel Glauben und Inbrunst, dass der Pfarrer erklärte, sie könnte verrückt sein, sei aber sicher nicht besessen.

Herr Robert von Beaudricourt entfernte sich also, hinsichtlich des Punktes der Zauberei beruhigt; aber diese Zuversicht genügte nicht, ihn zu bestimmen, zu tun, was Johanna verlangte. Sie war freilich nicht besessen, konnte aber, wie der Pfarrer sagte, verrückt sein, und was würde man zudem von einem Krieger sagen, welcher Lanze und Schwert trug, und seinem Könige eine Frauenperson sendete, um ihn zu verteidigen? Johanna hatte sohin den Zweifel besiegt, aber es blieb ihr noch die Bekämpfung des Hochmutes übrig.

Am folgenden Morgen dieses Tages, als der Ruf ihrer Frömmigkeit von der Stadt Vaucouleurs bis zu den umliegenden Dörfern sich verbreitete, ließ René von Anjou, Herzog von Bar, der seit langer Zeit krank war, und den die Ärzte nicht heilen konnten, sie holen, um sie wegen seines Übels um Rat zu fragen. Johanna beeilte sich, zu ihm sich zu begeben, wie sie es bei jedem Leidenden tat, der sie rief, aber vor ihm erschienen erklärte sie ihm dass sie von Gott nur einen einzige Auftrag erhalten habe, nämlich die Belagerung von Orleans aufzuheben, und Karl VII. zur Salbung nach Rheims zu führen. Übrigens sagte sie zu ihm, er möge guten Mut fassen, und seinen Untertanen nicht mehr das Ärgernis geben, mit seiner Gemahlin in Feindschaft zu leben, wie er es tat; dann anempfahl sie ihm die Furcht Gottes, und verabschiedete sich von ihm mit dem Versprechen, für seine Heilung zu beten. Der Herzog schenkte ihr vier Francs, die sie, von ihm weggehend, unter die Atmen verteilte.

Als sie wieder nach Vaucouleurs kam, traf sie den Ritter Johann von Novelompont, der mit einem andern Ehrenmanne, Namens Bertrand von Poulangy, auf den Straßen spazieren ging. Johann von Novelompont, der sie erkannte, ging zu ihr, und da dieses junge Mädchen einen starken Eindruck auf ihn gemacht hatte, und täglich die traurigsten Nachrichten von der Belagerung einliefen, sagte er zu ihr:

»Ah! Johanna, wird es denn so weit mit uns kommen, den König aus Frankreich vertrieben, und uns genötigt zu sehen, Engländer zu werden!«

»Ah!« antwortete Johanna, »nichts von allem dem würde geschehen, wenn man mir glauben wollte; aber leider kümmert sich Herr von Beaudricourt weder um mich, noch um meine Worte, und entzieht uns dadurch eine kostbare Zeit; ich muss jedoch vor Mittefasten bei Monseigneur dem Dauphin sein, und müsste ich auch meine Beine bis zu den Knien abnützen, ich werde gwiß dort sein, denn Niemand auf der Welt, weder Kaiser noch König, noch Herzog, noch die Tochter des Königs, von Schottland, noch irgend ein Anderer, kann das Königreich Frankreich wieder erheben: es gibt keine Hilfe für ihn, als in mir. Und dennoch möchte ich lieber bei meiner armen Mutter bleiben und spinnen, denn dies ist keine Arbeit für mich, aber ich muss gehen und handeln, weil mein Herr es will.«

Nun schaute der Seigneur von Novelompont Johanna starr an, und sagte zu ihr, den Glauben und das Vertrauen erblickend, die in ihren Augen glänzten:

»Hört, Johanna, ich weiß nicht, woher es mir kommt, und wehe Euch, wenn's aus der Hölle, ist, aber ich fühle mich von der Wahrheit dessen überzeugt, was Ihr sagt: ich verpfände Euch mein Wort, Euch, wenn Beaudricourt fortfährt, in seiner Verhärtung zu bleiben, unter dem Geleite Gottes zum Könige zu führen.«

Und er legte die Hand in die ihrigen zum Zeichen der Verpfändung.

»O! tut dies, tut dies,« versetzte Johanna, diese loyale Hand drückend, »nur beeilt Euch, es zu tun; denn gerade heute hat der edle Dauphin bei Orleans einen sehr großen Nachtheil erlitten, und ist von einem noch weit größeren bedroht, wenn Ihr mich nicht eiligst zu ihm führt oder sendet.«

Herr Verstand von Poulangy, der das ganze Gespräch gehört hatte, fühlte sich zu gleicher Zeit, wie Herr Johann von Novelompont, von dem Glauben gerührt, und schwor, die Hand ausstreckend, der Johanna ebenfalls, dass er sie nicht mehr verlassen, und, wie sein Freund, überallhin begleiten würde, wohin es ihr zu gehen gefiele.

Johnnna dankte Beiden; sie war so freudig, dass sie ihnen die Knie geküsst hätte: sie wollte auf der Stelle abreisen, und ohne länger zu warten; aber sie antworteten ihr, dass sie aus Höflichkeit, um dieses Unternehmen auszuführen, Herrn Robert um Urlaub ersuchen müssten.

»Und wenn er ihn verweigert?« fragte das junge Mädchen zitternd.

»Wenn Robert ihn verweigert,« antworteten die beiden Ritter, »werden wir dennoch tun, was uns beliebt, allein wenigstens gehandelt haben, wie es unsere Pflicht war, zu handeln.«

»Lebt wohl also, und Gott behüte Euch!« sagte Johanna, und begann, zu ihrem Wirte, dem Wagner, heimgekehrt, ihrer harrend zu beten.

Wie gesagt, Herr Robert war bereits mehr als zur Hälfte überredet, aber durch die Besorgnis des Lächerlichen zurückgehalten; er war sohin entzückt, dass zwei so tapfere Ritter, wie Johann von Novelompont und Bertrand von Poulangy, ihre Verantwortlichkeit verpfändend, die seinige sicher stellten: er willigte also in Alles ein, und sagte zu ihnen, sie möchten ihm Johanna bringen, um miteinander alle Reisevorkehrungen zu ordnen.

Die beiden Ritter holten Johanna ab, die mit großer Freude vernahm, was so eben hinsichtlich ihrer war beschlossen worden; sie stand sogleich auf, und begleitete sie zu Herrn Robert von Beaudricourt. Der Capitain fragte sie dann, was sie nötig habe, um die Reise anzutreten. Johanna antwortete ihm, dass die Stimmen ihr geboten hätten, Mannskleidung anzuziehen, und sie alles Übrige ihm anheimstelle. Man ließ ihr sogleich ein solches Kleid machen, und am zweiten Tage war es fertig: Johanna zog es mit eben so großer Leichtigkeit und Ungezwungenheit an, wie wenn sie? all ihr Lebtage kein anderes getragen hätte, setzte ihre Mütze auf, legte ihre Stiefeletten an, und befestigte ihre Sporen. Herr Robert wollte ihr ein Schwert geben; sie lehnte es jedoch ab, indem sie sagte, dass nicht dieses das Schwert sei, dessen sie sich bedienen sollte, sondern ein anderes. Dann fragten sie die beiden Ritter, welchen Weg man nehmen müsste, um zum Könige zu kommen, der zu Chinon war.

»Den kürzesten,« antwortete Johanna.

»Aber auf dem kürzesten,« versetzten sie, »werden wir viele Engländer treffen, die uns den Durchzug versperren werden.«

»Im Namen Gottes,« rief Johanna aus, »tut, was ich sage! und sofern Ihr zu Monseigneur dem Dauphin mich führt, werden wir kein Hindernis auf dem Wege treffen.« . Die Ritter, durch diesen Ton der Zuversicht überzeugt, mochten keine Einwendung mehr, und folgten ihr voll Glauben und Vertrauen.

An der Tür angekommen, nahm sie Abschied von ihrem Oheim, den sie zärtlich umarmte, und bat, sie bei ihren Eltern zu entschuldigen, und ihnen zu sagen, dass sie mit völliger Freude abreisen würde, wenn sie mit ihrem Segen fortzöge, jedoch hoffe, es werde eine Zeit kommen, wo sie sie loben würden, dass sie dem Herrn gehorcht habe.

Ein von Herrn Robert gekaufter prächtiger Rappe harrte Johanna's; sie wollte ihn sogleich besteigen, aber das Pferd gebärdete sich so wild, dass es unmöglich war. Nun sagte Johanna:

»Führt es zu dem Kreuze, das vor der Kirche am Wege steht.«

Der Diener, welcher den Zügel hielt, gehorchte, und kaum stand der schöne Renner vor dem Kreuze, als er sanft wie ein Lamm wurde, und Johanna ohne irgend eine Schwierigkeit inmitten aller Einwohner ihn bestieg, welche, über das Selbstvertrauen und die Gewandtheit des jungen Mädchens verwundert, von allen Seiten ausriefen:

..Heil! Heil! . . .»

Hierauf empfing Herr von Beaudricourt den Schwur des Johann von Novelompont und des Bertrand von Poulangy, Johanna zum Könige zu führen, wendete sich, als dieser Schwur getan war, zu dem jungen Mädchen, grüßte sie zum letzten mal mit der Hand, und sagte zu ihr:

»Geh, und mag kommen, was da will.«

sogleich kehrte sich Johanna zu den Priestern und übrigen Geistlichen, die von den Stufen des Portales herab sie betrachteten, und sagte:

»Und Ihr, Priester und übrige Geistliche, haltet feierlichen Umgang, und betet zu Gott!«

Dann setzte sie ihrem Pferde die beiden Sporen ein, wie es der kühnste und gewandteste Reiter hätte tun können, und rief:

»Vorwärts! Vorwärts!«

Und sie trabte von dannen, von den beiden Rittern begleitet, und von deren Dienern gefolgt, einem Bogenschützen und einem Boten des Königs.

Berühmte Kriminalfälle   8. Band

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