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Irgendwann war ich wieder ein Cop in New York.

Kein Androiden-Butler eines Bundeskanzlers. Kein Diamentenfänger. Kein Asteroidentreiber.

Ich musste mit jemandem darüber reden.

Und wenn es ein Zwerg war!

Aber so viele Personen, von denen ich behaupten könnten, mit ihnen auf eine Weise assoziiert zu sein, die man mit dem Begriff Freundschaft bezeichnen könnte, gibt es nicht.

“Tylo, ich muss mal mit dir reden”, sagte ich also.

“Okay.”

“Ist was Persönliches.”

“Ist auch okay.”

Wir gingen nach Dienstschluss in eine Bar. Da hier überwiegend organische Personen verkehrten, wurden Spuckschutz-Energiefelder aktiviert, die verhinderten, dass virenverseuchte Aerosole den persönlichen Nahbereich verließen. Den entsprechenden Emitter musste man die ganze Zeit über, in der man sich in der Bar aufhielt, bei sich tragen und hinterher wieder abgeben.

Was mich betraf, war das natürlich Unsinn.

Ich geben keine Aerosole ab.

Aber kann auch keine Flüssigkeiten verarbeiten und trinke deswegen nichts, wenn ich in so einer Bar bin. Ich bestelle trotzdem aus sozialen Gründen ein Getränk.

Das nennt man sozial angepasstes Verhalten.

Umgekehrt erwarte ich allerdings nicht von einer organischen Person, dass sie in einer Androidenbar den Finger in den Stecker steckt, um sich mit elektrischer Energie aufzuladen.

Tylo hörte mir zu. Und er hatte wirklich viel Geduld.

Ich erzählte ihm alles. Vor allem vom Neptun, aber auch vom Asteroidentrieb und von dem Erlebnis als Butler des Bundeskanzlers.

“Du schleppst das schon eine Weile mit dir herum, nicht wahr”, sagte er.

“Ja”, sagte ich.

“Ich mache mir Sorgen, Jesse.”

“Ich mir auch, sonst hätte ich es dir nicht erzählt.”

“Du wirst nicht darum herum kommen.”

“Wo drum herum kommen?”

“Es zu melden.”

“Ich ahne, dass du recht hast.”

“Macht dir das was aus?”

“Es sollte nicht.”

“Es macht dir aber was aus.”

“Ja.”

“Aber so kann es nicht bleiben, Jesse.”

“Ich weiß.”

“Es könnte ein ernstes Sicherheitsproblem mit deinem AKIS sein.”

“Das ist mir inzwischen auch klar, Tylo.”

*


Später war ich in meiner Wohnung. Ich ließ mir das Fernsehprogramm ins Bewusstsein projizieren. Einen Bildschirm brauche ich nicht.

Ich musste mich etwas ablenken.

Fernsehen ist Müll, sagt man. Aber das sagt man schon, seit es erfunden wurde.

Eine Sendung, die ich gerne verfolgte war die HÖR MAL WER DA SPRICHT SHOW.

In dieser Sendung wurden ungeborene Embryos interviewt.

Gehirnströme in Sprache zu übersetzen war schon lange möglich. Offenbar war die Kenntnis einer Sprache keineswegs eine Voraussetzung zur Kommunikationsfähigkeit, wie man lange geglaubt hatte. Gedanken ließen sich direkt in sprachliche Äußerungen übersetzen.

Zuerst profitieren sprachunfähige Behinderte davon.

Aber die Technik hatte sich verbessert.

In der Show führte Moderator Mike Muney Gespräche mit Embryos.

Seit die Show lief hatten inzwischen nahezu alle Bundesstaaten ihre Gesetzgebung im Hinblick auf Abtreibungen verschärft, weil sich die öffentliche Meinung dazu dramatisch verändert hatte. Muneys Sendung hatte dazu wohl maßgeblich beigetragen.

An diesem Abend hatte Mike Muney etwas besonderes für die Zuschauer seiner Show.

Er ging einen Schritt weiter.

Diesmal war es kein Embryo, den er interviewte und der in mehr oder minder kurzen Statements Auskunft darüber gab, wie wohl er sich fühlte und dass es ihn erschreckte, wenn seine Mutter einen Wecker an ihren Bauch hielt.

Diesmal interviewte Mike Muney ein anderes Wesen.

Ein Schwein, eine Woche vor der geplanten Schlachtung. Das Schwein war im übrigen noch einiges eloquenter als die meisten Embryos.

Ich weiß nicht, warum ich diese Show so mag.

Vielleicht deswegen, weil es da letztlich um Fragen geht, die auch mich betreffen.

Was ist ein Mensch?

Was ist eine Person?

Wen darf man töten?

Wen darf man abschalten?

Wem steht ein Recht auf Leben zu?

Zumindest bin ich froh, dass für mich als Androide die Frage, ob ich Vegetarier sein sollte, nicht relevant ist.

Und ja, ich bemühe mich darum, mich nur mit klimaneutral erzeugtem, fair gehandelten Strom aufzuladen.

Ich sehe meine Zimmerpflanzen an.

Ein paar habe ich.

Und ich pflege sie auch.

Ich frage mich, wann Mike Muney das erste Interview mit einer Pflanze führen wird und ob es Salat gefällt, dass er gegessen wird.

*


Am nächsten Morgen fuhren Tylo und ich zu Rezzolottis Penthouse in der Elizabeth Street. Zurzeit wohnte dort Evita Jackson 7788654 , die junge Frau, die sich während des Attentats neben Jack Rezzolotti auf dem Beifahrersitz befunden hatte.

Eine Androidin.

Die Kollegen der City Police hatten sie unmittelbar nach den Geschehnissen auf der Brooklyn Bridge vernommen und hatten ihren Speicher ausgelesen. Was den Tathergang anging, war sie eine der wichtigsten Zeugen für uns.

Möglicherweise konnte sie uns allerdings auch noch mehr über Rezzolottis persönliches Umfeld verraten.

Wir parkten den Sportwagen, den uns die Fahrbereitschaft des Field Office zur Verfügung stellte, in einer Nebenstraße und gingen die letzten fünfhundert Meter zu Fuß.

321 Elizabeth Street war ein zehnstöckiges Gebäude. In den unteren beiden Etagen fanden sich Geschäfte und Restaurants. Der Rest war mit Wohnungen der Luxusklasse belegt, deren Quadratmeterzahl den New Yorker Durchschnitt um mindestens das Doppelte übertraf. Die Sicherheitsvorkehrungen waren streng. Überall gab es Kameras. Eine Mannschaft aus gut bewaffneten Security Guards in schwarzen Uniformen bewachte das Haus.

Jack Rezzolotti schien bei der Auswahl seiner Residenz viel Wert auf Sicherheit gelegt zu haben.

Dafür gab es gute Gründe.

Wir fuhren mit dem Lift hinauf zum Penthouse.

Wenig später standen wir vor der Wohnungstür. Ich klingelte.

"Wer ist da?", meldete sich eine weibliche Stimme.

"Miss Evita Jackson?", fragte ich. "Hier spricht Special Agent Jesse Ambalik vom FBI. Ich möchte Ihnen ein paar Fragen stellen."

"Was für Fragen?" Evita Jacksons Stimme wirkte verschlafen. Das war natürlich nur Show. In Wahrheit brauchte sie keinen Schlaf. Nur Strom. "Ich habe doch schon alles Ihren Kollegen gesagt..."

"Sie möchten doch sicher auch, dass die Mörder von Mister Jack Rezzolotti gefasst werden, also helfen Sie uns bitte!"

Etwas knackte in der Leitung.

"Warten Sie einen Augenblick", säuselte Evita.

Wenig später öffnete sich die Tür einen Spaltbreit. Noch war sie durch eine Kette gesichert. "Geben Sie Ihren Dienstausweis herein!", forderte die junge Frau.

Ich reichte ihr meine ID-Card herein.

Einen Augenblick später erhielt ich sie zurück. Evita Jackson öffnete uns. Sie trug nichts weiter als einen Seidenkimono. Ihre wohlgerundeten Brüste zeichneten sich deutlich durch den fließenden Stoff ab. Das Haar war feucht. Offenbar hatte sie gerade geduscht.

Hygiene ist bei professionellen Sex-Androiden wichtig.

Auch als Prävention gegen Ansteckungen aller Art.

Wir traten ein.

Sie führte uns in das Wohnzimmer, das allein doppelt so groß wie eine durchschnittliche New Yorker Wohnung war. "Ich weiß nicht, was das ganze soll", meinte sie. "Ich habe Ihren Kollegen von der City Police ausführlich Rede und Antwort gestanden..."

"Die entsprechenden Protokolle haben wir gelesen", unterbrach ich sie.

"Ich fürchte, dass ich Ihnen nicht mehr sagen kann als dort drinsteht!" Sie atmete tief durch. Natürlich brauchte sie nicht zu atmen. Sie tat es aber trotzdem. Weil es gut aussah, wenn ihre Brüste sich dabei hoben und senkten. Sie verschränkte die Arme unter den Brüsten. "Ihre Leute haben hier alles auf den Kopf gestellt. Was glauben Sie, was ich für eine Arbeit hatte, hier wieder halbwegs Ordnung zu schaffen!", beschwerte sie sich.

"Eine Durchsuchung der Wohnung ist bei einem Mordopfer Routine", erklärte ich ihr.

Sie verzog das Gesicht, machte einen Schmollmund.

"Ich hoffe, es war der Mühe Wert und Sie haben auch etwas gefunden!", sagte sie mit einem bissigen Unterton. "Egal ob FBI oder NYPD - die Justiz hat immer nur versucht, Jack etwas am Zeug zu flicken. Und jetzt, da er tot ist..."

"...geben wir uns alle Mühe, seine Mörder dingfest zu machen", unterbrach ich sie ein zweites Mal.

Sie lachte bitter auf. "Und das soll ich Ihnen glauben?"

"Ein Mord ist ein Mord - selbst dann, wenn das Opfer vielleicht selbst ein Verbrecher gewesen ist!"

"Es gab kein einziges rechtskräftiges Urteil gegen Jack!", fuhr die Androidin mich an, und ich bereute meine Worte bereits. "Aber da sieht man es ja! Sie gehen davon aus, dass Jack ein Verbrecher war - wie Sie es nennen! Alles, was Sie interessiert ist, mit wem er in Verbindung stand und wo Sie sein Andenken noch nach dem Tode beschmutzen können! Oder Sie suchen einen Vorwand, um Jacks Vermögen gemäß des Rico Act einziehen zu können."

Der Rico Act war ein Gesetz, das es erlaubte, das Vermögen von Personen zu konfiszieren, die wegen Beteiligung am organisierten Verbrechen verurteilt worden waren.

"Ich weiß nicht, weshalb Sie sich Sorgen um Jack Rezzolottis Vermögen machen", mischte sich Tylo in das Gespräch ein.

"Einen Teil davon werde ich erben", erklärte Evita Jackson nach einem Augenblick des Zögerns. "Es gibt ein Testament, das mich zum Beispiel zur Eigentümerin dieses Penthouse macht. Und da mein Autonomes KI-System die nötige Komplexitätsstufe für volle Bürgerrechte besitzt...”

"Herzlichen Glückwunsch, Miss Jackson!", sagte Tylo. "Aber keine Sorge, wir wollen Ihnen nicht die Wohnung wegnehmen."

"Was wollen Sie dann?"

"Wann und wo haben Sie Jack Rezzolotti kennen gelernt?", fragte ich.

Sie stemmte die Arme in die Hüften. "Ich verstehe nicht, was..."

"Beantworten Sie einfach meine Frage."

“Sie haben meine Speicher ausgelesen!”

“Aber nicht Ihre kompletten Erinnerungen. Das dürften wir gar nicht.”

"Also gut. Wir lernten uns vor einem Jahr in einem Club in Miami kennen. Es war sozusagen Liebe auf den ersten Blick..."

"Seit wann leben Sie hier mit Mister Rezzolotti zusammen?"

"Zehn Monate."

"Hat Mister Rezzolotti mal über seinen Vater in Marokko gesprochen?"

"Er hat ihn mal erwähnt, ja. Aber mehr kann ich Ihnen dazu nicht sagen. Sein Vater, das war ein Thema über das er nicht gerne redete."

"Eigenartig."

"Wieso?"

"Ich dachte immer, für Italiener wäre die Familie das Wichtigste!"

Ihre Augen funkelten mich ärgerlich an. "Sind Sie wirklich nur gekommen, um mich diesen Mist zu fragen? Ich habe Jack geliebt. Wer sein Vater ist, war mir vollkommen gleichgültig!"

"Wie ist Ihr Verhältnis zu Ray Neverio?"

"Ich kenne ihn flüchtig. Ist irgendein Verwandter. Ein Cousin, glaube ich."

"Wir nehmen an, dass Ray Neverio die Geschäfte von Jack Rezzolotti weiter führen wird!"

"Fragen Sie ihn doch am besten selbst. Ich nehme an, dass er Fax und Telefon hat."

"Sie können uns da nicht weiterhelfen?", hakte ich nach.

"Tut mir leid. Ich kann Ihnen dazu nichts sagen. Jack und ich waren privat ein Paar - aber in seine Geschäfte hatte ich keinen Einblick. Da war Jack sehr konservativ. Mit Maschinen redete er aus Prinzip nicht über das Business. Auch nicht Maschinen, die menschlicher aussehen als viele Menschen.”

"Dass er so ein Maschinenverächter war, hat Sie nicht gestört?"

"Er war ein Gentleman. Ein wunderbarer Mann, der einer Frau jeden Wunsch von den Augen ablesen konnte!"

Das Timbre ihrer Stimme vibrierte leicht. Ihr Gesicht wirkte traurig. Aber meine Programmroutinen (Organische nennen das Instinkt) sagten mir, dass sie übertrieb.

Tylo ergriff das Wort. "Hat Jack Rezzolotti irgendwann einmal den Namen Alex Moshkoliov erwähnt?"

"Wer soll das sein?"

"Jemand, der geschäftliche Differenzen mit Jack Rezzolotti hatte", erklärte Tylo. "Wenn man es so ausdrücken will.

"Sie meinen, dieser Moshkoliov steckt hinter dem Anschlag?"

"Einige Mitglieder der Rezzolotti-Familie scheinen das anzunehmen. Und jetzt erzählen Sie mir nicht, dass Sie von der explodierten Villa auf den Brooklyn Heights nichts gehört haben! Die Nachrichten waren voll davon."

"Seit Jacks Tod habe ich den Fernseher nicht mehr eingeschaltet", murmelte Evita Jackson mit leiser, belegter Stimme. "All diese reißerischen Bilder von Gewalt, Tod und Verbrechen... Wissen Sie, wenn man selbst von davon betroffen ist, dann kann man sich so etwas einfach nicht mehr ansehen."

Sie schluchzte leise.

Tylo warf mir einen Blick zu. Ein Blick, der nichts anderes sagte als: "Es hat keinen Sinn, Jesse!"

Aber ich dachte noch nicht daran aufzugeben.

Ich projizierte ein paar Holo-Fotos. Sie zeigten den langen Westernmantel sowie das Kreuzamulett mit dem gehörnten Skelett, die die SRD-Kollegen auf dem untersten Deck des Parkhauses gefunden hatten.

"Auch, wenn es schwer fällt: Sie müssen sich noch einmal an den Augenblick des Überfalls erinnern..."

"Ich denke dauernd daran, Mister..."

"Ambalik."

"Diese Typen in ihren lächerlichen Mänteln stehen mir immer vor Augen. Das Grinsen in ihren Gesichtern. Man konnte nur die Mundpartie sehen, der Rest war bedeckt. Aber das habe ich alles schon ausgesagt und Sie haben die Aufnahmen meiner Augenkamera!”

“Die war nicht immer eingeschaltet.”

“Scheiß-Privatsphäre-Automatik.”

“Ich weiß. Daher meine Frage: Könnte das einer der Mäntel gewesen sein, die bei dem Attentat benutzt wurden? Eine kurze algorithmische Analyse reicht.”

Sie sah sich die Bilder an und nickte.

"Ja, schon möglich. Warten Sie..." Sie stockte, dann deutete sie auf einen Aufnäher, der sich in Höhe der Schulter befand. "Fuck U!!" stand darauf. "Daran erinnere ich mich. Ja, diesen Mantel hat der Typ getragen, der mich dazu zwang, Jack die Brieftasche abzunehmen, als er schon tot war..."

Wenn Evita Jacksons Aussage der Wahrheit entsprach, brachte uns das ein ganzes Stück weiter. Möglicherweise hatte Rico Jarmaine doch mehr mit der Sache zu tun, als er uns hatte glauben machen wollen.

"Gegenüber den Kollegen haben Sie nur erklärt, auf dem Helm des Haupttäters habe 'Wild Eagle' gestanden. Auf den Bildern Ihrer Augenkameras war das aber nicht zu sehen."

"Ja, das ist richtig. Aber das mit Aufnäher ist mir jetzt erst wieder eingefallen, als Sie mir das Foto gezeigt haben."

"Und was ist mit diesem Kreuz?", hakte Tylo nach. "Hat der Kerl so etwas vielleicht auch getragen."

"So etwas habe ich nie gesehen."

"Haben Sie eine Ahnung wer Los Santos sind?", fragte ich.

"Es ist Spanisch und bedeutet 'die Heiligen'."

"Sie sprechen Spanisch?"

"Ich bin standardmäßig mehrsprachig." Sie sah mich an. "Ich nehme, das haben wir gemeinsam, Mister Ambalik. Wer sind diese sogenannten Heiligen?"

"Eine Gang aus der Bronx, die mit dem Attentat in Zusammenhang steht."

"Wenn Sie schon so viel über die Hintergründe von Jacks Tod wissen, dann verstehe ich nicht, weshalb Sie Ihre Zeit hier bei mir verschwenden, G-man! Fahren Sie in die Bronx und nehmen Sie die Schuldigen fest. Ich hoffe, man gibt ihnen die Giftspritze! Oder man deaktiviert sie, falls es sich um Mechanische handelt.”

Ich reichte der jungen Frau eine Karte. "Hier, vielleicht fällt Ihnen ja noch etwas ein. Es könnte sein, dass wir noch einmal mit Ihnen sprechen müssen."

"Und ich hoffe, dass bei Ihrer Arbeit endlich etwas herauskommt!"

Planetenmonster : 9 Science Fiction Abenteuer Sammelband

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