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Oleg Moshkoliov stieg in eine Limousine, in der sich drei weitere Männer befanden. Bodyguards, wie ich vermutete. Orks, wenn mich nicht alles täuschte.

Tylo und ich folgten dem Wagen.

Dazu tauschten wir den Sportwagen gegen den unauffälligen Chevy, mit dem Clive und Orry zum Tatort gefahren waren.

Tylo setzte sich hinter das Steuer, ich nahm auf dem Beifahrersitz Platz.

Oleg fuhr mit seinen Männern zunächst kreuz und quer durch Brooklyn. Unterwegs nahmen wir telefonisch Kontakt mit dem Field Office auf, um einige Daten über Oleg abzufragen. Unseren Erkenntnissen nach hatte Alex Moshkoliov seinen Sohn ganz behutsam zum Nachfolger aufbauen wollen. Nach dem Geschmack des Juniors wohl etwas zu behutsam. Olegs eigene Geschäfte waren nicht besonders glücklich gewesen. Vor zwei Jahren hatte er wegen Schutzgelderpressung vor Gericht gestanden. Aber die Anwälte seines Vaters hatten dafür gesorgt, dass er glimpflich davongekommen war.

"Meinst du, Oleg hat etwas mit diesem Massaker zu tun?", fragte Tylo. "Ich meine, für ihn ist doch jetzt in Brooklyn die Bahn frei..."

Ich schüttelte den Kopf.

"Vielleicht hat Oleg seinen Vater insgeheim zur Hölle gewünscht..."

"...oder ins Altenheim, Jesse!"

"Ist das denn ein wesentlicher Unterschied?"

"In der Preisklasse, die Alex Moshkoliov sich hätte leisten können, ganz gewiss!"

"Wie auch immer. Diejenigen, die dieses Attentat zu verantworten haben, wollten die gesamte Organisation der Ukrainer von Brooklyn nicht nur enthaupten, sondern auslöschen."

"Also doch Rache der Rezzolotti-Familie!"

"Ja."

"Trotzdem... Jesse, dieser Oleg erschien mir wie jemand, der seine Gefühlsausbrüche nur vorspielt."

"Trauer zu heucheln ist noch kein Straftatbestand, Tylo!"

"Mag ja sein. Aber ich sag dir, mit dem Kerl ist irgendetwas faul!"

Wir folgten Oleg Moshkoliov in die Rowland Lane. Im Haus Nr. 345 bewohnte Oleg ein Loft. Die Erbauer des Hauses hatten versucht, den Cast Iron-Stil zu kopieren, wie man ihn vor allem in Greenwich Village fand. Wir parkten den Chevy in der Nähe und blieben im Wagen. Glücklicherweise war die Rowland Lane voll von kleinen Geschäften. Entsprechend zahlreich waren die Passanten, sodass wir nicht allzu sehr auffielen.

Eine Dreiviertelstunde blieb Oleg in seiner Wohnung.

Wir sprachen zwischendurch telefonisch mit Mister McKee.

"Ich werde versuchen, eine Telefonüberwachung von Mister Moshkoliovs Anschlüssen zu erwirken", erklärte unser Chef. "Allerdings dürfte das kompliziert werden. Es liegt bislang einfach zu wenig gegen den jungen Moshkoliov vor. Und was das Attentat auf seinen Vater und dessen Gefolge angeht, so stehen nun wirklich andere vor Oleg auf der Verdächtigenliste!"

Wir warteten geduldig.

Schließlich verließ Oleg wieder seine Wohnung.

Stets war er von seinen Männern flankiert.

Sein Jackett saß knapper als zuvor. Es sah aus, als hätte er ein paar Kilo zugenommen. Offenbar trug er jetzt eine Kevlar-Weste unter der Kleidung.

Gemeinsam mit seinen drei Bodyguards bestieg er seine Limousine.

Oleg nahm auf dem Beifahrersitz Platz.

Wir hängten uns an das Quartett dran.

Es ging Richtung Norden.

Etwa zehn Minuten später folgten wir Oleg und seinen Leuten über die Brooklyn Bridge.

Das Wasser des East River glitzerte in der Sonne. Am Manhattan-Ufer war der Fulton Fish Market Pier 18 zu sehen. Der Elevated Highway zog sich wie eine graue Linie am Ufer entlang. Dahinter ragten die Southbridge Towers und die Gouvernor Smith Houses hervor.

Olegs Limousine nahm eine Abfahrt.

Anders als ich erwartet hatte, fuhr er nicht zum Highway, sondern direkt in das Labyrinth der kleinen Nebenstraßen von Lower Manhattan hinein. Von der Frankfort Street ging es in die Water Street, der sie bis zur Ecke South Street folgten.

"Ich frage mich, was der Kerl jetzt auf dem Fulton Fish Market zu suchen hat!", sagte Tylo.

"Nach jemandem, der fast wahnsinnig vor Trauer über den Tod seines Vaters ist, klingt das nicht gerade!", musste ich Tylo Recht geben.

Die Limousine fuhr an den Straßenrand. Oleg und zwei seiner Männer stiegen aus. Nur der Fahrer blieb im Wagen.

Oleg drehte sich mehrmals um, ließ den Blick schweifen. Er sah auf die Uhr.

"Ich wette, der will sich mit jemandem treffen. Bleib hier und halt den Fahrer im Auge. Ich möchte nicht, dass mir der in den Rücken fällt!"

"Okay!"

Tylo fuhr den Chevy an die Seite und ich stieg aus. Der Fahrer der Limousine hatte das Seitenfenster herunter gedreht, beobachtete die Straße. Lieferwagen und Passanten drängten sich hier. Ein großer Kühlwagen versperrte die Einfahrt zur Graham Street. Ein so belebter Ort wie der Fulton Fish Market war ein idealer Ort, um sich unauffällig mit jemandem zu treffen.

Oleg ging mit schnellen, energischen Schritten.

Seine beiden Bodyguards flankierten ihn.

Ich folgte ihnen in einigem Abstand. Salzgeruch hing in der Luft. Das Ufer der East River wurde sichtbar. Pier 18 ragte wie eine breite Halbinsel in das Wasser hinein. An Dutzenden von Ständen wurde Fisch verkauft. Gabelstapler fuhren herum, um kistenweise Frischware für die Nobelrestaurants der Fifth Avenue auf Lastwagen zu laden.

Ecke South Street/Peck Slip blieben Oleg und seine Leute stehen.

Jemand wartete dort offenbar auf den Ukrainer.

Eine junge Frau. Eine Androidin, wie im Infrarot-Scan schnell sah. Sie trug eine Sonnenbrille, aber ich erkannte sie trotzdem.

Dort stand niemand anderes als Evita Jackson.

Ihr dunkles Haar trug sie zu einem Knoten zusammengefasst. Ihre Züge wirkten angestrengt. Sie gestikulierte stark. Oleg fasste sie bei den Schultern. Sie stieß ihn von sich. Zwischen den beiden schien ein heftiger Streit im Gang zu sein.

Ich versuchte, etwas näher heranzukommen.

Hinter dem Van eines Pizza-Service nahm ich kurz Deckung, verbarg mich dann in der Türnische eines fünfstöckigen Brownstone-Gebäudes.

Der Straßenlärm verhinderte allerdings, dass ich von dem Gespräch zwischen Oleg und Evita etwas mitbekam. So leistungsfähig, um das in diesem Fall herauszufiltern, waren nichtmal meine Richtmikros.

"Du glaubst nicht, mit wem sich Oleg gerade streitet..."

In knappen Worten fasste ich ihm die neue Lage zusammen.

"Was hast du vor?", fragte Tylo.

"Ich will mich an Evita dranhängen, sobald dieses Rendezvous beendet ist! Sie muss uns einiges erklären!"

"Scheint, als würden die Ukrainer vielleicht doch stärker in der Brooklyn-Bridge-Sache drinhängen, als du gedacht hast, was?"

"Zugegeben. Ruf Verstärkung. Oleg sollte auch weiter beschattet werden..."

"Übrigens, der Fahrer steigt jetzt gerade aus, Jesse."

"Behalte ihn im Auge!"

"Okay!"

Ich unterbrach die Verbindung.

Oleg Moshkoliov packte Evita grob am Kragen, versetzte ihr eine Ohrfeige. Aber Evita befreite sich mit einem heftigen Stoß. Sie schrie Oleg an. Ihr Gesicht war eine Maske. Dann ging sie davon. Sie überquerte den Peck Slip.

Olegs Bodyguards wollten ihr nachsetzen.

Oleg hielt die Männer zurück, schüttelte den Kopf. Der Elf machte eine wegwerfende Geste. Die blanke Wut war ihm anzusehen.

Das Trio machte sich auf den Rückweg zum Wagen. Sie gingen an mir vorbei, ohne auf mich zu achten.

Sobald sie hinter der nächsten Ecke verschwunden waren, machte ich mich daran, Evita Jackson zu verfolgen.

Auch sie hatte ein ziemlich großes Tempo drauf.

Ich folgte ihr hundert Meter weit den Peck Slip entlang, dann bog sie in die Font Street ein. Dort stand ihr Wagen, ein Porsche mit offenem Verdeck.

Sie stieg ein. Ich setzte zum Sprint an. Der Porsche-Motor heulte schon auf, als ich mit der ID-Card in der Hand vor der Motorhaube erschien.

"Warten Sie, Miss Jackson!"

Sie starrte mich mit offenem Mund an.

Ich setzte mich neben sie auf den Beifahrersitz.

Sie stellte den Motor wieder ab.

"Was soll das, Mister Ambalik?"

"Sie können mich ruhig Jesse nennen!"

“Ein Flirt unter Maschinen? Ich bitte Sie!”

“Hören Sie, ich...”

"Lassen Sie mich einfach in Frieden!"

"Sagen Sie, ist dies der Wagen, in dem Jack Rezzolotti starb?"

"Nein, das ist er nicht! Der ist noch in Ihren verdammten Labors, ohne dass etwas dabei herausgekommen wäre." Sie verzog das Gesicht. "Jack war so großzügig, mir einen baugleichen Wagen zu schenken."

"Dann fuhren Sie ja quasi im Partner-Look!"

"Ihr Humor gefällt mir nicht, G-man!"

"Schade."

"Was wollen Sie?"

"Ich habe gerade Ihre Unterhaltung mit Mister Oleg Moshkoliov mitbekommen."

Sie schluckte. Eine dunkle Röte überzog ihr Gesicht. "Sie haben mich beschattet?"

"Nicht Sie, sondern Ihren Freund Oleg. Sein Vater und ein Großteil der Leute, die unter seinem Kommando gestanden haben, wurden heute Nacht auf grausame Weise ermordet. Wir vermuten, dass die Rezzolotti-Familie dahintersteckt. Wie Sie sich vorstellen können, hat es mich etwas überrascht, dass Oleg in dieser Situation nichts besseres zu tun hat, als sich mit der Frau zu treffen, die neben Jack Rezzolotti im Wagen saß..."

"Habe ich mich irgendwie strafbar gemacht?"

"Vielleicht waren Sie ja bei der Sache auf der Brooklyn Bridge gar nicht das Opfer..."

Sie hob die Augenbrauen. "Sondern?"

"Mal vorausgesetzt, diese Roller-Skates-Oger handelten im Auftrag und das Ganze war eine gezielte Aktion..."

"Jetzt bin ich aber mal gespannt, wie viel Fantasie so ein G-man hat!" Ihre Stimme bekam jetzt einen scharfen Unterton.

"Sie könnten mit einem Funksignal dafür gesorgt haben, dass die Attentäter genau wussten, wo Jack Rezzolotti zu finden war!"

"Sie hätten Drehbuchautor werden sollen, Jesse!"

"Okay, wenn Sie das witzig finden, dann nehme ich Sie jetzt einfach fest und wir fahren zur Federal Plaza. Entweder mit Ihrem oder mit unserem Wagen, das ist mir gleichgültig. Aber vielleicht werden Sie ja doch noch vernünftig und packen jetzt endlich aus!"

Sie atmete tief durch, nahm die Sonnenbrille ab und klappte sie zusammen.

Anschließend drehte sie sich herum, so als hätte sie Angst beobachtet zu werden.

"Es ist nicht so, wie Sie denken."

"Nur zu, ich bin auf Ihre Version schon sehr gespannt!"

"Ich sage Ihnen alles. Aber nicht hier."

"Wo dann?"

"Zwei Straßen weiter ist eine Bar..."

“Mit guter Steckdose und Datenübertragung?”

“Ja. Für Maschinen.”

"Nichts dagegen."

"Außerdem ist dies eine Einbahnstraße. Es gibt sowieso keinen anderen Weg..."

Sie startete den Motor, der Porsche scherte aus der Parklücke. Ich ließ den Blick schweifen. Tylo meldete sich per Handy. "Ich habe den Fahrer verloren...", sagte er.

"Macht nichts", erwiderte ich. "Oleg und sein Gefolge sind auf dem Rückmarsch."

"Dann werden sie mir ja bald entgegenkommen. Kommst du allein klar, Jesse?"

Ich blickte kurz zu Evita hinüber.

“Ja.”

Tylo unterbrach die Verbindung. Mein Kollege hatte Recht. Jemand musste an Oleg Moshkoliov dranbleiben. Da lief etwas im Hintergrund ab, das uns vielleicht der Lösung des Falls näher brachte. Niemand im Field Office hätte mit einer Verbindung zwischen Evitas Jackson und Oleg Moshkoliov gerechnet. Ich war gespannt, was noch an verdeckten Verbindungen des Ukrainers ans Tageslicht kam.

Evitas Porsche bog in die Dover Street. Rechts befanden sich Brownstone-Bauten. Keines hatte mehr als drei oder vier Geschosse. Es gab viele Bars und Pubs hier. Rechts ragte die Brooklyn Bridge hoch empor. Erst einige hundert Meter weiter endete diese riesenhafte Brücke und teilte sich in Park Row und Police Plaza auf. Gewaltige Pfeiler hielten die bogenförmige Konstruktion aus Stahl und Beton. Ein paar Graffiti-Künstler hatten sich darauf verewigt.

Hinter einem dieser Pfeiler blitzte etwas auf.

Das Mündungsfeuer einer MPi.

Ein kleines rotes Loch befand sich plötzlich an Evitas Schläfe. Sie sackte zur Seite.

Ich handelte gemäß meiner Programmroutine und betätigte die Notfallbremse.

Ein weiterer Schuss zischte dicht über uns hinweg und ließ die Neonreklame einer Bar mit dem Namen "The Real Place" zersplittern.

Der Porsche schrammte mit quietschenden Reifen in die Reihe parkender Fahrzeuge hinein, stoppte schließlich.

Ich riss die SIG heraus, löste den Sicherheitsgurt.

Die leblose Evita war mit Kopf gegen das Armaturendisplay geschlagen. Der Killer hatte sie mit einem einzigen sehr präzisen Schuss getötet.

Ausgeschaltet.

Hauptprozessor im Eimer.

Da rettete niemand mehr irgendwelche Daten.

Ein Profi. Für Evita konnte ich nichts mehr tun. Ich sprang aus dem Porsche heraus, die SIG in der Faust. Zwischen den Betonpfeilern sah ich eine schattenhafte Gestalt davonlaufen.

Ich setzte zum Spurt an, überquerte die Dover Street.

Der flüchtende Killer feuerte in meine Richtung.

Der Schuss verfehlte mich knapp. Ich duckte mich, schoss mit meiner SIG zurück und ging dann hinter dem ersten Betonpfeiler in Deckung.

Ein schwarzer Volvo bog mit quietschenden Reifen um die Ecke. Ein Wagen dieses Typs war mir bereits aufgefallen, als ich in der Front Street in Evita Jacksons Porsche gestiegen war. Offenbar war er uns gefolgt. Ich hatte dem Volvo zuvor leider keine Bedeutung beigemessen.

Die Scheiben waren getönt.

Es war unmöglich, zu erkennen, wie viele Personen sich im Inneren befanden.

Eine der Scheiben senkte sich einen Spalt.

Etwas Metallenes ragte einige Zentimeter hinaus.

Zweifellos der Lauf einer Waffe.

Eine MPi knatterte in den nächsten Sekunden los.

Der Schütze feuerte in meine Richtung. Ich warf mich zu Boden, rollte mich dort herum. Die Schüsse gingen haarscharf an mir vorbei.

Der Volvo raste weiter.

Mit einem mörderischen Tempo schnellte er in Richtung der Auffahrt zur Brooklyn Bridge.

Ich riss die SIG herum, erwartete eigentlich von der anderen Seite ebenfalls unter Feuer genommen zu werden.

Aber der Killer, der Evita Jackson ausgeschaltet hatte, war verschwunden. Er hatte die Gunst des Augenblicks genutzt. Offenbar war er kein großer Nahkämpfer, sondern lauerte lieber in sicherer Entfernung auf sein Opfer, um es in aller Ruhe mit einem Spezialgewehr abschießen zu können. Ich rappelte mich auf, rannte weiter zwischen den Betonpfeilern hindurch. Von dem Killer sah ich keine Spur mehr.

Aber ich dachte nicht daran, so schnell aufzugeben.

Ich nahm Verbindung mit dem Field Office auf, um Verstärkung zu rufen.

Ganz in der Nähe, zwischen Police Plaza und Madison Avenue, befanden sich die Headquarters der City Police. Mit etwas Glück konnte das Gebiet um die Brooklyn Bridge und ihre verschiedenen Auffahrten schnell genug von NYPD-Einsatzkräften abgeriegelt werden.

Ich rannte weiter, musste dabei aber auf der Hut bleiben.

Schließlich konnte sich der Killer ja auch hinter einem der Betonpfeiler versteckt halten und auf mich lauern.

Der Verkehrslärm der Brooklyn Bridge war hier unten geradezu ohrenbetäubend. Das Areal unter der Brücke wirkte wie eine Art Klangkörper.

Schließlich erreichte ich eine grasbewachsene Böschung, die zu einer steil ansteigenden Straße hinaufführte. Es musste sich um die Avenue of the Finest handeln, eine auf Highway-Breite ausgebaute Auffahrt zur Brooklyn Bridge.

In letzter Sekunde sah ich den Killer oben hinter der Leitplanke lauern. Der Strahl des Laserpointers warnte mich. Ich warf mich zu Boden. Das Gras war hoch. Offenbar war die Böschung schon seit Monaten nicht mehr gemäht worden. Der erste Schuss verfehlte mich nur knapp. Der Zweite ging sehr viel deutlicher daneben.

Ich riss die SIG empor, feuerte zurück.

Der Killer zog sich zurück.

Ich rappelte mich auf, hetzte die Böschung empor.

Augenblicke später erreichte ich die Leitplanken, stieg hinüber. Ein schmaler Mehrzweckstreifen lag zwischen den Leitplanken und der Fahrbahn. Es herrschte nur mittleres Verkehrsaufkommen. Ein Versuch, als Fußgänger die Avenue of the Finest zu überqueren war dennoch selbstmörderisch.

Aber der flüchtige Killer setzte offenbar alles auf eine Karte.

Er stand mitten auf der Fahrbahn.

Zum ersten Mal sah ich deutlich sein Gesicht.

Der Kerl war Mitte dreißig, hatte gelocktes Haar und trug einen Drei-Tage-Bart.

Autofahrer hupten, Fahrzeuge wichen dem Kerl aus. Er drehte sich in meine Richtung, erblickte mich und legte augenblicklich sein Gewehr an. Ein Spezialsturmgewehr für Army-Scharfschützen vom Typ M77.

Sein Schuss war schlecht gezielt und verfehlte mich. Der Killer hatte mehr oder weniger aus der Hüfte gefeuert. Ich konnte nicht zurückschießen. Die Gefahr für die unbeteiligten Autofahrer wäre einfach zu groß gewesen.

Aus Richtung Police Plaza näherte sich ein Helikopter.

Sirenen waren aus der Ferne zu hören.

Der Killer feuerte noch einmal in meine Richtung. Ich duckte mich.

Die Seitenscheibe eines vorbeifahrenden Vans zersprang.

Der Killer rannte vorwärts.

Ein Geländewagen vom Typ Maverick raste heran, bremste. Die Reifen quietschten.

Der Killer wurde vom Kuhfänger erfasst und schreiend durch die Luft geschleudert.

Ein zweiter Wagen bremste, rutschte von hinten in den Maverick hinein. Ein Lastwagen stellte sich mit quietschenden Reifen quer.

Binnen weniger Sekunden kam der Verkehr zum erliegen. Hier und da gab es kleinere Auffahrunfälle.

Ich spurtete los, hatte den am Boden liegenden Killer nach wenigen Augenblicken erreicht.

Er lebte noch. Aber der Zusammenprall mit dem Kuhfänger des Maverick hatte ihn schwer verletzt.

Den linken Arm vermochte er offenbar nicht mehr zu bewegen. Die Kleidung war blutverschmiert. Das Sturmgewehr war ihm aus der Hand geschleudert worden, lag jetzt ein paar Meter von ihm entfernt auf dem Asphalt.

Der Killer drehte sich stöhnend in meine Richtung, griff unter seine Jacke.

"Stecken lassen!!", rief ich. "FBI! Keine Bewegung!"

Er riss eine großkalibrige Automatik aus dem Hosenbund.

Die Mündung zielte auf mich.

Sein Zeigefinger spannte sich um den Stecher, der Knöchel wurde weiß.

Über uns knatterte der NYPD-Helikopter. Er sank tiefer. Der Wind, der dadurch verursacht wurde, riss an den Kleidern.

Eine endlos lange Sekunde herrschte ein Patt zwischen dem Killer und mir. Dann senkte er die Waffe. Er sah offenbar ein, dass er keine Chance hatte, mich zu erschießen, bevor ich ihn mit meiner SIG erwischte.

Ich trat auf ihn zu, nahm ihm die Waffe ab und durchsuchte ihn. Er hatte einen Führerschein bei sich, der auf den Namen Michael DiAngelo ausgestellt war. Außerdem ein Prepaid-Handy. Es war eingeschaltet. Ich ging in das Menue. Dass ich dabei vielleicht Spuren vernichtete, die unsere Kollegen aus den SRD-Labors für wichtig hielten, nahm ich bewusst in Kauf.

Denn die Jagd war noch nicht beendet...

Nach kurzer Zeit hatte ich herausgefunden, dass Michael DiAngelo das letzte Gespräch erst vor wenigen Augenblicken geführt hatte. Die Nummer gehörte ebenfalls zu einem Mobiltelefon. Wahrscheinlich auch ein Gerät, das über eine im Voraus bezahlte Simcard lief, sodass der Benutzer nicht identifizierbar war.

Ich stellte eine Verbindung zu diesem Apparat her.

"Michael? Scheiße, was ist los?", fragte eine Männerstimme.

"Wo seid ihr?", fragte ich.

Einen Augenblick lang herrschte Schweigen. Ich hörte, wie jemand atmete, als wollte er etwas sagen. Aber es blieb still. Im Hintergrund war ein Motorengeräusch zu hören. Mit wem immer ich auch telefonierte, er befand sich in einem Wagen. Und ich hätte meine SIG dafür verwettet, dass es sich dabei um einen schwarzen Volvo handelte...

Die Verbindung wurde unterbrochen.

Ich hatte gehofft, dass der Unbekannte auf der anderen Seite der Verbindung auf meinen Trick hereinfiel. Eine menschliche Stimme ist bei einer schlechten Handyverbindung nicht so leicht zu identifizieren. Aber der Kerl hatte den Braten gerochen.

Ich wusste auch so, wo der oder die Unbekannten vermutlich zu finden waren. Michael DiAngelo hatte den Volvo-Fahrer wahrscheinlich auf die Avenue of the Finest lotsen wollen, um sich abholen zu lassen. Mit etwas Glück saß er jetzt in dem Stau fest, der sich dort gebildet hatte.

Ich steckte das Handy meines Gefangenen ein, nahm den eigenen Apparat ans Ohr und ließ mich mit der Einsatzzentrale des NYPD verbinden.

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