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In der örtlichen Polizeidirektion brachte Tanja uns dann in das Büro von Hauptkommissar Thorben Jansen, einem hemdsärmeligen, untersetzten Mann mit etwas ungeordnet herumstehendem grauen Haar. Die Krawatte hing ihm wie ein Strick um den Hals und der Händedruck signalisierte, dass er zupacken konnte. „Wir haben Sie schon erwartet”, sagte Hauptkommissar Jansen. „Der Polizeipräsident wollte Sie eigentlich auch unbedingt sprechen, aber der ist zurzeit unabkömmlich.”

„Ich verstehe”, sagte ich.

„Nein, das verstehen Sie nicht, Herr Kubinke. Das versteht ehrlich gesagt niemand. Unser aller Chef ist nämlich zurzeit im Rathaus und wissen Sie, worum es dabei geht?” Er wischte sich mit der Hand über das Gesicht und schüttelte dann den Kopf, während er seinen Schreibtisch umrundete, um sich auf seinen Platz zu setzen. „Es ist kaum zu fassen, aber es geht um ein so wichtiges Thema wie unsere Homepage! Das Problem ist nämlich: Die Polizeidirektion hat keine eigene Homepage, sondern unsere Seiten sind auf der Internetpräsenz unserer Stadt versteckt. Dadurch werden wir relativ häufig mit der Polizeidienststelle von Wilhelmshaven verwechselt - denn die haben zwar gerade mal 300 Beamte, aber dafür eine sehr auffällige Internetpräsenz, die man vor allem viel leichter findet, wenn man danach sucht. Und unsere Bürger hier wundern sich dann, wenn die Kollegen aus unserer Direktion ihre Anfragen nicht kompetent beantworten können, geschweige denn, dass sie nicht mal wegen irgendeinem Kneipenstreit von dort aus ausrücken, wenn man ihnen eine Mail schreibt!”

„Ich bin überzeugt davon, dass wir ohne den Chef zurecht kommen”, sagte ich. „Hat sich unser Kollege, unser Verbindungsmann, schon hier gemeldet?”

„Kommissar Pedersen? Ziemlich unruhig der Kerl. Ich kann Ihnen nicht genau sagen, wo er jetzt ist, aber er wühlt bereits kräftig in der Sache herum. Wissen Sie, weder Pedersen noch ich können wirklich verstehen, wieso dieser Stecher noch immer frei herumläuft und seinem mörderischen Business quasi ungehindert nachgehen kann.”

„Sie haben vor fünf Jahren im Mordfall Daniel Rodenbach ermittelt”, stellte ich fest.

Thorben Jansen hob erstaunt die Augenbrauen.

„Ich merke, Sie haben Ihre Hausaufgaben gemacht”, meinte er dann.

„Das tun wir alle.”

„Sie haben schon recht. Ich meine, dieser Daniel Rodenbach war alles andere als ein sympathischer Typ. Wahrscheinlich war er einer der am meisten unterschätzten Gangster, mit denen ich je zu tun hatte. Einer, der immer dafür sorgt, dass die weiße Weste nicht beschmutzt wird und der von sich selbst glaubt, dass kein Blut an seinen Händen klebt, nur weil er selbst den Teil der Arbeit macht, bei dem kein Blut fließt.”

„Was glauben Sie, wer damals hinter dem Mord an Rodenbach steckte?”, fragte ich.

„Jendrik Martini und die Hannover-Konföderation, wer sonst”, lautete Thorben Jansens schnelle Antwort. Er machte eine wegwerfende Handbewegung. Eine Menge Wut lag in dieser Geste, das konnte ich ziemlich deutlich spüren. Und ich konnte ihn sogar ganz gut verstehen. Es gehörte leider zu unserem Alltag, dass wir über bestimmte Personen zwar jede Menge Informationen haben und ziemlich genau wissen, was sie auf dem Kerbholz haben, aber das alles nicht ausreicht, um den Betreffenden auch vor Gericht bringen zu können.

„An diesem Martini perlt alles ab wie an Teflon. Der sitzt in seinem Büro im obersten Geschoss eines Kastens aus Glas und Beton, blickt auf seine Stadt und grinst nur, wenn er an uns und unsere Kollegen denkt.”

„Warum denken Sie, dass Martini und die Hannover-Konföderation dahintersteckte?”, hakte jetzt Rudi nach.

„Rodenbach war ein genialer Geldwäscher. Jemand, durch dessen Hände Unsummen gingen und der immer wichtiger für die Organisation wurde. Wahrscheinlich zu wichtig. Wir wissen, dass Rodenbach sich damals mit Oleg Kruschnow, einem Mittelsmann der Russenmafia getroffen hat. Leider waren weder unsere Ohren noch unsere Mikrofone dabei, aber für Martini und die Konföderation ist allein die Tatsache, dass dieses Treffen stattgefunden hat, schon so etwas wie ein vollendeter Verrat, wenn Sie verstehen, was ich meine.”

„Durchaus.”

„Aber Kommissar Pedersen kann Ihnen darüber vielleicht noch etwas mehr sagen. Ich bin ja nicht viel mehr als ein kleiner Dorfsheriff, verglichen mit euch Kollegen ... Aber wissen Sie, manchmal sieht man die Dinge von unten auch etwas klarer.”

„Da kann ich nur zustimmen”, sagte ich.

Thorben Jansens Blick fiel auf einen Zettel, der an prominenter Stelle auf seinem Schreibtisch lag und in krakeliger, wohl nur für den Verfasser selbst leserlichen Handschrift beschrieben war.

„Ach, diese Neuigkeit wird Sie interessieren”, glaubte er. „Es gibt Zeugen, die einen LKW im Katastrophengebiet gesehen haben wollen - und zwar kurz nachdem sich der Sturm gelegt hatte”, erklärte er. „Der LKW soll bei dem Haus gehalten haben, in dem die unbekannte Leiche zusammen mit den Bewohnern entdeckt wurde.”

Ich wechselte einen kurzen Blick mit Rudi, der genauso aufgemerkt hatte wie ich.

„Sie denken, dass die Leiche von Herrn Unbekannt mit diesem LKW an ihren Fundort gelangte”, meinte ich.

„Es ist zumindest ein konkreter Hinweis. Konkreter, als alles, was wir bisher haben.” Hauptkommissar Jansen wischte sich mit der Hand über das Gesicht. „Tatsache ist, dass dort zu diesem Zeitpunkt einfach dieser LKW nicht hingehörte, und allein das macht den Hinweis schon interessant.”

„Ich nehme an, es gab Polizeikontrollen rund um das betroffene Gebiet”, schloss Rudi.

„Natürlich.”

„Ist denen der LKW nicht aufgefallen? Entweder als er in das Gebiet hinein fuhr oder später?”

„Das versuchen wir gerade herauszufinden, Herr Meier”, sagte Thorben Jansen etwas säuerlich. „Ihr Kollege Pedersen ist übrigens zurzeit in der Gegend unterwegs. Sie können ihn ja mal anrufen. Vielleicht hat er ja schon herausgekriegt, was es mit dem mysteriösen LKW auf sich hat.”

Kubinke und der Sturm: Kriminalroman

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