Читать книгу Kugelhagel auf Sylt: Ein Kubinke Krimi - Alfred Bekker, Frank Rehfeld, Karl Plepelits - Страница 5
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Eine Villa mit fantastischem Blick auf die Nordsee - irgendwo in Strandnähe auf Sylt. Manchmal musste sich Raimund Engelmeyer kneifen, um wirklich glauben zu können, dass alles ihm gehörte. Und darüber hinaus schwamm er tatsächlich förmlich im Geld. Finanzielle Probleme kannte er nicht mehr, seit ein paar seiner etwas reißerischen journalistischen Enthüllungsbücher die Bestseller-Liste anführten. Skandale! Skandale! Skandale! Das war sein Lebenselixier. Geheime Machenschaft und Veschwörungen. Die Welt war eben schlecht, die Mächtigen sowieso und selbst der Polizei und den Behörden traute man besser nicht.
Außerdem war er zu einem gern gesehenen Dauergast in zahlreichen Talk-Shows geworden.
Ein Prominenter.
Aber das war gut so.
Prominenz zahlte sich aus.
Sie half dabei, Bücher zu verkaufen.
Engelmeyer nippte an seinem Getränk. Auf dem niedrigen Tisch befand sich ein aufgeklapptes Laptop. Engelmeyer drückte auf die Enter-Taste. Alles war sicher verschlüsselt in der Daten-Cloud. Niemand - wirklich niemand! - konnte unter normalen Umständen an die brisanten Einzelheiten seiner Recherchen heran. Dafür hatte er gesorgt. Niemand, außer Engelmeyer selbst.
Ein Geräusch ließ ihn jetzt plötzlich hochfahren.
Dann sah er den Alligator auf dem Rasen.
Das Maul war weit geöffnet.
So als würde er gähnen.
Das Reptil war ungefähr einen Meter lang und damit noch lange nicht ausgewachsen.
Raimund Engelmeyer atmete erleichtert auf.
“Du Ausreißer!”, murmelte er. Manche Bundesländer verlangten für die Haltung gefährlicher, giftiger und sehr kräftiger Tiere, die unter Umständen Menschen gefährden konnten, auch eine charakterliche und nicht nur eine fachliche Eignung. Hatte er diese charakterliche Eignung? Er musste bei dem Gedanken grinsen.
„Chantal?”, rief er. „Chantal, ich habe Ihnen doch gesagt, dass sie darauf achten müssen, dass Gehege richtig zu schließen, nachdem sie das Biest gefüttert haben! Chantal ...?” Keine Antwort. Engelmeyer seufzte, stand auf und ging die Treppe der Veranda herunter auf den Alligator zu.
‘Das Biest’ - so hatte Engelmeyers Ehefrau das Tier getauft. Als sie sich kennengelernt hatten, war ‘das Biest’ kaum so lang wie Engelmeyers Unterarm gewesen. Inzwischen war es beträchtlich gewachsen. Das Haustier eines Exzentrikers und gleichzeitig eine Art Maskottchen. Engelmeyer hatte sich in den Boulevardmedien des Öfteren mit dem ‘Biest’ abbilden lassen. Schlagzeile: „Ich beiße zu wie ein Alligator - ohne Rücksicht darauf, wem das wehtut!” oder: „Engelmeyer hat keine Angst vor großen Tieren.”
Ein Werbegag.
Engelmeyer hatte früher mal eine Zeitlang in einer Werbe-Agentur in Hamburg gearbeitet und da das Public Relations-Handwerk von der Pieke auf gelernt. Und das kam ihm jetzt zugute.
In Erinnerung bleiben. Darum ging es. Wer den Leuten nicht in Erinnerung blieb, konnte nichts verkaufen: Weder ein Waschmittel, noch eine gute Idee, ein sensationelles Enthüllungsbuch oder die schmierige Wahrheit über Leute, die eigentlich dafür sorgen sollten, dass Recht und Gesetz eingehalten, anstatt mit Füßen getreten wurden.
Raimund Engelmeyer blickte zur Seite. Der Gärtnergehilfe bog mit seinem Aufsitzrasenmäher hinter einer Gruppe von Büschen hervor. Das Geräusch war Raimund Engelmeyer schon seit einer halben Stunde immer wieder auf die Nerven gegangen und hatte ihn in seiner Konzentration gestört. Der Aufsitzrasenmäher fuhr jetzt in einer geraden Linie genau auf ihn zu.
Der Alligator drehte sich jetzt zu dem Rasenmäher-Mann um und riss nun das Maul auf. Nur wenige Meter entfernt hielt dann der Rasenmäher. Der Mann auf dem Sitz zog nun eine Pistole mit Schalldämpfer hervor. Das Schussgeräusch klang dann wie ein leichtes Niesen und wurde nun vom Motor übertönt. Die ersten beiden Projektile trafen Raimund Engelmeyer. Ein Treffer in den Kopf, dann der zweite in die Brust, genau in Herzhöhe. Das weiße Hemd, das Engelmeyer trug, verfärbte sich nun blutrot. Er sackte in sich zusammen und blieb regungslos liegen. Das nächste halbe Dutzend Kugeln traf den Alligator, der inzwischen zum Angriff übergegangen war. Der Körper des Reptils zuckte unter den Treffern. Der Killer hörte erst auf zu schießen, als sich das Tier nicht mehr bewegte. Dann stellte er den Motor des Aufsitzrasenmähers aus und stieg ab. Er ging auf die Veranda zu, stieg die Stufen hoch und stand dann neben dem Tisch, auf dem sich Engelmeyers Laptop befand.
Eine Bewegung an der Tür lenkte jetzt den Killer ab. Er riss nun die Waffe hoch. Eine junge Frau mit dunklen, zu einem Knoten zusammengebundenem Haar stand ihm gegenüber und sah mit großen, angstgeweiteten Augen in die Mündung des Schalldämpfers.