Читать книгу Kugelhagel auf Sylt: Ein Kubinke Krimi - Alfred Bekker, Frank Rehfeld, Karl Plepelits - Страница 8

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Am Nachmittag saßen wir in einem für uns bereitgestellten Flieger nach Sylt.

Inzwischen wussten wir zumindest, dass es wohl so schnell keine Chance gab, an Engelmeyers Manuskript und vor allem an das zugrunde liegende Recherchematerial heranzukommen. Kriminaldirektor Hochs Telefonkonferenz hatte dazu ein paar sehr ernüchternde Erkenntnisse ergeben. Demnach hatte tatsächlich weder bei seinem Buchverlag noch in der Redaktion des Nachrichtenmagazins, mit dem er zusammenarbeitete, irgendeine Ahnung davon, wo sich dieses Material befinden mochte. Angeblich hatte Engelmeyer einen Cloudspeicher in einem sicheren Server benutzt, um seine Daten aufzubewahren. Und angeblich war dieser Speicher extrem gut gesichert. Aber letztlich war das alles nur Hörensagen, basierend auf Stellungnahmen, die Engelmeyer gegenüber seinen jeweiligen Geschäftspartnern angegeben hatte.

Was davon tatsächlich der Wahrheit entsprach und was nur Gerede war, das vielleicht auch den Sinn hatte, Verwirrung zu stiften oder dem Verlag plausibel zu machen, weshalb man erst im letztmöglichen Moment das Manuskript liefern konnte, würden wir selbst herausfinden müssen.

„Wenn Engelmeyer so offen über seine Sicherheitsmaßnahmen gesprochen hat, dann verstehe ich nicht, wieso der Täter den Laptop gestohlen hat”, meinte Rudi. „Er musste doch wissen, dass man damit nichts anfangen kann.”

„Vorausgesetzt, er hat auf dem Laptop nicht doch irgendetwas gespeichert”, gab ich zu bedenken.

„Dann wäre Engelmeyer extrem unvorsichtig gewesen.”

„Kann doch sein, dass er einfach nur nie damit gerechnet hat, dass es jemand schafft, in sein Anwesen einzudringen.”

„Und dieses Gerede vom Speicher in der Cloud war nur ein Manöver, um potenzielle Täter genau davon abzuhalten, Harry?”

„Können wir das wirklich ausschließen, Rudi?”

Rudi zuckte die Schultern.

„Das wiederum würde aber voraussetzen, dass jemand davon wusste und den Täter darüber informiert hat.”

„Es gibt immer jemanden, der für so einen Verrat in Frage kommt, Rudi.”

„Hausangestellte?”

„Ja, zum Beispiel. Es könne jemand im Haus etwas darüber mitbekommen haben und diese Information dann zu Geld gemacht haben.”

Rudi seufzte. „Bis jetzt ist das nichts als eine haltlose Theorie.”

„Eine Möglichkeit, Rudi. Keine Theorie. So weit sind wir nun wirklich noch nicht. Es ist genauso möglich, dass der Killer einfach nur schlecht informiert war.”

„Sicher.”

„Davon abgesehen, gibt es vielleicht selbst für den Fall, dass Engelmeyer tatsächlich immer nur in der Cloud gearbeitet und niemals auch nur ein einziges Kilobyte heruntergeladen hat, Möglichkeiten, nachzuvollziehen, was er mit seinem Rechner angestellt hat.”

„Das wäre wohl so etwas ähnliches wie Magie, Harry.”

„Wir beide haben schon erlebt, was alles möglich ist. Gelöschte Daten können rekonstruiert werden und selbst, wenn man sich wirklich große Mühe gibt, keine Spuren zu hinterlassen, mit denen irgendjemand etwas anfangen könnte, besteht doch immer die Möglichkeit, dass doch etwas zurückbleibt.”

„Klingt nach einem Auftrag für Lin-Tai.”

Dr. Lin-Tai Gansenbrink war die Mathematikerin und IT-Spezialistin unseres Ermittlungsteam Erkennungsdiensts in Quardenburg. Ich hatte bereits vor unserem Abflug versucht, Lin-Tai wegen dieser Sache anzurufen. Allerdings war sie erst am Abend von einem Flug nach Hamburg zurück. Dort war sie als Expertin für Datenschutz gewesen. Das Rechnersystem des Hamburger Polizeipräsidiums war so von Trojanern verseucht gewesen, dass man ohne externe Hilfe wohl nicht mehr weiter gewusst und sich an das BKA gewandt hatte.

„Wir müssen versuchen, so zu denken, wie es Engelmeyer getan hat”, meinte ich. „Dann haben wir vielleicht eine Chance, noch etwas mehr über die Hintergründe herauszufinden.”

„Der Killer - oder sein Auftraggeber - muss das getan haben”, meinte Rudi. Er hatte den bisherigen Flug dazu genutzt, sich das am Sylter Tatort gesicherte Material der Polizei genauer anzusehen und zog nun offenbar erste Schlüsse. Zu dem vorhandenen Material gehörte eine große Zahl von Fotos, die die Örtlichkeiten genauestens dokumentierten. Ein Übersichtsplan des Anwesens gab zudem eine genaue Vorstellung davon, welchen Weg der Täter mutmaßlich gegangen war.

Er war skrupellos gewesen. Nicht nur Raimund Engelmeyer, sondern auch zwei Leibwächter und ein mannscharfer Deutscher Schäferhund waren dem Unbekannten zum Opfer gefallen - allesamt mit sehr gut gezielten Schüssen niedergestreckt. Selbst den Hund hatte der Unbekannte mit nur einem Schuss niedergestreckt. Dass der Täter überhaupt auf das Gelände hatte gelangen können, hatte wohl mit seiner originellen Verkleidung zu tun. Er war nämlich als Gärtnergehilfe auf das Grundstück gelangt. Rudi hatte mir ein Überwachungsvideo gezeigt, auf dem zu sehen war, wie einer der Wachmänner, von denen sich Engelmeyer rund um die Uhr beschützen ließ, den angeblichen Gärtnergehilfen sogar nach Waffen durchsucht hatte.

Ziemlich gründlich sogar.

Trotzdem hatte er es geschafft, eine Waffe auf das Grundstück zu bringen. Die Vermutung lag nahe, dass er sie nicht am Körper getragen, sondern im Aufsitzrasenmäher versteckt hatte.

„Es gibt da noch eine Hausangestellte, Chantal Weber”, sagte Rudi. „Sie hat den Anschlag überlebt und war wohl gerade im Haus.”

„Wir werden mit ihr sprechen müssen. Gibt es ein Vernehmungsprotokoll?”

„War nicht bei den Unterlagen, die wir bekommen haben, Harry.” Ich zuckte mit den Schultern. Zu diesem frühen Zeitpunkt war es nicht ungewöhnlich, dass so etwas noch nicht vorlag. „Es gibt nur den Vermerk eines Kommissars, der am Tatort war, dass die Hausangestellte den Toten entdeckt und die Polizei gerufen hat. Ach ja, und dann bin ich über noch etwas anderes gestolpert, Harry.”

„Worüber?”

„Über einen toten Alligator, den der Bericht erwähnt.”

„Herr Engelmeyer scheint ein Freund exotischer Haustiere gewesen zu sein, Rudi.”

„Der Alligator hat mehr Schüsse abbekommen, als das eigentliche Opfer.”

„Also ich wäre an der Stelle des Killers auch vorsichtig gewesen, was diesen Alligator betrifft.”

„Darf man als Privatperson in Deutschland so ein Tier überhaupt halten?“

„Keine Ahnung, aber ich kann das ja mal im Internet recherchieren.“ Rudi tippte auf seinem Laptop herum. Dann sagte er: „Ja, da steht es. Das ist tatsächlich erlaubt. Man muss nachweisen, das Tier artgerecht zu halten, dann ist es kein Problem.“

„Also mir wäre schon ein Goldfisch zu anstrengend.“

Kugelhagel auf Sylt: Ein Kubinke Krimi

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