Читать книгу Acht besondere Krimis: Roman-Koffer - Alfred Bekker - Страница 91
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Das Stern-Center war ein riesiger Komplex mit mehreren überdachten Einkaufspassagen, die wie eine Schichttorte übereinandergelegt zu sein schienen.
Der Atrium-Stil, in dem der Komplex gestaltet war, vermittelte den Eindruck von räumlicher Weite. Buchläden, Restaurants, Kneipen, Eisdielen, Blumenläden und Boutiquen existierten hier friedlich nebeneinander und kämpften um Kundschaft.
Moeller nagte an seinem Fischspieß herum und schob sich ab und zu mit der Linken eine Pommes frites herein.
"Ihnen hat noch nie jemand gesagt, dass Sie schreckliche Tischmanieren haben, woll?", meinte Barbara Wolf leicht angewidert.
"Nö", erwiderte Moeller. Er kaute und dann hatte er eine Gräte zwischen den Zähnen, obwohl in den Filetstücken am Spieß eigentlich gar keine Gräte hätte sein dürfen. Etwas umständlich fingerte Moeller in seinem Mund herum und dabei wünschte er sich, die Gräten möchten doch so sein wie Klaus Simitsch und sich immer an die Vorschriften halten. Und die Vorschrift hieß in diesem Fall schlicht und ergreifend: Keine Gräte hatte etwas im Filet zu suchen - auch wenn es nur tiefgekühlt war.
Barbara Wolf wandte den Blick ab.
"Nun erzählen Sie mal, warum Sie eigentlich zu mir wollten", meinte Moeller. Er sprach dabei etwas abgehackt, weil er zwischendurch immer wieder in den Zähnen herumbohrte.
Barbara Wolf wartete erst einmal, bis Moeller mit dieser Prozedur fertig war.
"Ich weiß nicht, vielleicht... Haben Sie schon was herausgefunden?"
Moeller sah sie mit großen Augen an. Das durfte doch nicht wahr sein? Deswegen stahl sie ihm den Feierabend? Um ihn das zu fragen! Womit habe ich das verdient, dachte Moeller.
Vielleicht damit, dass ich meine Heimat verrate und weder wo' noch woll sage?
"Wie lange kennen Sie Martin Feller schon?"
"Ja, ich weiß nicht, ich..."
Wenn ich das schon höre, ging es Moeller bei diesem Gestotter ärgerlich durch den Kopf. 'Ich weiß nicht...' Mein Gott, was weiß sie denn überhaupt?
Innerlich kochte Moeller. Er hasste Menschen, die ihm die Zeit stahlen, selbst wenn es bedauernswerte Witwen von Mordopfern waren. Aber äußerlich zwang er sich zur Gelassenheit.
"Hat Feller Sie vielleicht schon angerufen?"
"Weshalb?"
"Weil heute auf ihn geschossen wurde. Und zwar vermutlich von demselben Schützen, der Ihren Mann auf dem Gewissen hat."
Sie wurde blass.
Gut so, dachte Moeller. Er hatte seine Injektion gesetzt und sah nun zufrieden zu, wie zu wirken begann und ihr die Zunge lockerte.
Rede!, dachte er. Quatsch dich endlich aus! Stumme Fische gibt's genug in der Listertalsperre und dein Mann war einer von ihnen! Also, worauf wartest du?
"Also das mit Feller ist so: Ich kenne ihn gar nicht so gut. Wir haben zwar einen Urlaub mit den Fellers verbracht, aber das war's auch. Gut, wir haben uns hin und wieder gegenseitig eingeladen und Carola ist ja auch ganz nett... Norbert kannte Martin schon sehr lange. Woher genau, weiß ich nicht. Norbert hat auch nie viel darüber gesagt..."
"Wieso haben Sie Feller angerufen, als Ihr Mann verschwunden war?"
"Seit einiger Zeit bekamen wir seltsame Anrufe. Am anderen Ende der Leitung meldete sich niemand. Und dann die Briefe..."
"Briefe?", echote Moeller.
Barbara Wolf nickte.
"Ja. Zusammengeklebte Todesdrohungen, wie man das aus dem Fernsehen kennt."
"Können Sie mir einen dieser Briefe zeigen?"
"Mein Mann hat sie alle vernichtet. Er wandte sich an Martin Feller, aber die beiden haben immer dafür gesorgt, dass ich nicht mithören konnte."
"Wussten die beiden, wer hinter den Anrufen steckte?"
"Ich weiß es nicht. Mir haben sie gesagt, das sei ein Witzbold. Ich solle das alles nicht so ernst nehmen. Aber jetzt habe ich fast den Eindruck, dass die beiden zumindest ahnten, wer es auf sie abgesehen hatte."
"Warum haben Sie mir das alles nicht schon früher gesagt?"
"Martin meinte, dass das nicht günstig sei."
"Was?" Moeller glaubte, sich verhört zu haben. Die Leute vom Nachbartisch schauten schon herüber. Ein Kind sagte: "Guck mal, Mama, eine Frau mit Stoppelbart!" und zeigte dabei auf Moeller mit seinem Zopf. "Das kommt doch von einer Krankheit, woll?"
Moeller lehnte sich zurück.
Sein Blick fixierte Barbara Wolf.
"Das müssen Sie mir erklären!"
"Meine Güte, ich habe mir nichts dabei gedacht. Er meinte, dass Norbert vielleicht irgendwie in den Dörner-Betrug verwickelt sei. Und bevor wir das nicht genau wüssten, sollte ich mich zurückhalten."
"Wann hat er Ihnen das gesagt?"
"Kurz bevor Sie kamen. Ich hatte keine Zeit, ihn noch irgendwas zu fragen."
"Ich verstehe", sagte Moeller und kaute dabei auf einer letzten, schon kalten Pommes frites herum. "Und hinterher?"
"Er musste gleich weg."
"Wusste Feller bereits, dass Ihr Mann tot war, bevor ich es Ihnen sagte?"
"Nein, das glaube ich nicht. Obwohl, wenn Sie das jetzt so sagen." Sie nahm ihre Handtasche und kramte darin etwas hervor. Eine Mappe mit Kontoauszügen. "Das hier habe ich heute gefunden", sagte sie dann. "Norbert hat mich an diese Dinge nie herangelassen. Ich wusste niemals, wie es finanziell um uns stand. Ich meine, die anderen, die bei Dörner gearbeitet haben, hatten in letzter Zeit Schwierigkeiten, aber wir..."
"Sie nicht?"
"Nein. Und ich kann mir wohl ausrechnen, was ein Abteilungsleiter in einem Baumarkt verdient. Mir kam das immer schon seltsam vor, wie viel wir uns leisten konnten... Jetzt weiß ich, was dahintersteckte!"
Sie zeigte es Moeller.
Moeller blies die Luft aus seinem Mund heraus. Es gab einen schnarrenden Ton. Nicht ganz Coltrane, sondern eben Moeller. Auf den Auszügen war eindeutig zu sehen, dass Feller Norbert Wolf regelmäßig finanziell unterstützt hatte.
Mannomann, das muss ja eine Männerfreundschaft gewesen sein!, ging es Moeller durch den Kopf.
Oder das Ergebnis einer Erpressung!