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Hauptmann Lynhardt, Ritter von Brachtal, kaufte in der Nähe des bischöflichen Palais ein Haus, in dem seine Mutter Katerina lebte. Sie hatte ihm selbst nach dem Tod des Erzbischofs Willigis nie verraten, dass der sein leiblicher Vater war. Katerina war nun schon hochbetagt, dabei aber immer noch sehr rege.

Handarbeiten waren nicht ihre Lieblingsbeschäftigungen, trotzdem stickte sie oft zierliche Muster, wenn sie bei mildem Wetter einen der Fensterrahmen mit der dünn geschabten Pergamenthaut herausnehmen konnte und bei vollem Tageslicht dort saß und das Treiben auf der Straße beobachtete.

Wesentlich lieber betrieb sie das Schreiben, das ihr einst Willigis beigebracht hatte. Sie wurde in jungen Jahren aus ihrem Dorf an der Elbe geraubt und an einen alten Mann verkauft, der wenig später starb. Zurückgekehrt in das Hurenhaus und ständig dem fürchterlichen Leben unter dem Zorn des narbigen Söldners Contz und dem Frauenwirt Ludger ausgesetzt, gelang ihr die Flucht aus dem Haus. Mathes, der enge Vertraute des Erzbischofs, nahm sie unter seinen Schutz und brachte sie vorerst in das bischöfliche Palais, wo sie Willigis vorgestellt wurde.

Der Erzbischof verliebte sich in Katerina, aber ihre Liebe musste geheim gehalten werden. Auch wenn es den Geistlichen nicht untersagt war, eine Ehe einzugehen, so erwartete man dennoch, dass sie ohne Frauen lebten und ihre ganze Kraft der Mutter Kirche widmeten. Zudem befürchtete man, dass die Bischöfe ihre Würde erblich machen wollten, um die Pfründe für ihre Nachkommen zu sichern. Willigis musste sich vor den Anfeindungen zahlreicher Neider wahren und traf sich nur heimlich mit Katerina.

Als dann Lynhardt geboren wurde, kümmerte sich der Erzbischof nach seinen Möglichkeiten um das Kind. Das bedeutete, dass der Junge eine gute Erziehung bekam und schließlich einem Ritter als Knappe zur Ausbildung übergeben wurde. Den Ritterschlag übernahm auf Bitten des mächtigen zweiten Mannes im Reich, Erzbischof Willigis, der Kaiser dann selbst.

Lynhardt erhielt ein Gut und führte fortan den Beinamen „von Brachtal“.

Auf dem Schlachtfeld im Gefolge des Kaisers bewährte sich der junge Ritter sehr schnell und stieg auf diese Weise in der Gunst Kaiser Ottos III. schnell auf. Nach dem Tod des Erzbischofs gelang es Lynhardt, sein Gut zu erhalten und sich auch beim neuen Erzbischof als Hauptmann der Leibgarde Verdienste zu erwerben. Dass seine Mutter Katerina sich eines Tages neu verlieben und sogar heiraten würde, wäre ihm nie in den Sinn gekommen.

Der Medicus Anthenius wurde zu seinem Stiefvater, und Kylion schließlich sein Halbbruder – mit einem Unterschied von zwanzig Jahren. Die beiden ungleichen Männer kamen nie gut miteinander aus, denn Lynhardt gefiel dessen ungestümes Verhalten nicht. Als dann Kylion den Kirchendienst wählte und als Mönch in ein Kloster eintrat, kamen die beiden langsam besser zurecht, auch wenn es immer wieder Streitigkeiten gab.

Hauptmann Lynhardt gefiel es überhaupt nicht, dass der Mönch Kylion regelmäßig auf den im Jahre 1036 vollendeten Turm des neuen Domes stieg und dort Stunden mit der Wetterbeobachtung verbrachte und zudem astrologische Studien betrieb. Er hätte es lieber gesehen, wenn sein Halbbruder im Kloster blieb und dort seinen Pflichten nachkam. Aber Kylion ließ sich durch nichts von seinem Vorhaben abhalten.

Lynhardt hatte im Jahre 1015 Anna Berenger geheiratet, die Schwester von Affra, und mit ihr die Söhne Erkenbert, der schon in seinem ersten Lebensjahr, 1020, verstarb, sowie den ein Jahr später geborenen Donatus. Der Zweitgeborene wuchs heran und wurde von seinem Vater in die gleiche Richtung gewiesen, die auch sein Leben bestimmt hatte – er wurde Knappe und heiratete nach dem Ritterschlag im Jahre 1051 Abelke, die Tochter einer gutbürgerlichen Tuchhändlerfamilie.

Am heutigen Tag besuchte der alte Lynhardt das benachbarte Haus, das von Donatus und Abelke bewohnt wurde.

Donatus empfing den Vater in nervöser Stimmung.

„Ein Vater weiß durchaus, wie man sich in dieser Situation fühlt, Donatus. Ist deine Großmutter im Haus?“

„Ja, sie kommt schon zur frühen Morgenstunde und weicht meiner lieben Abelke nicht mehr von der Seite. Auch die Hebamme hat schon mehrfach nach ihr gesehen und ist fest davon überzeugt, dass die Geburt nicht vor dem Ablauf der nächsten zwei, drei Tage erfolgt.“

„Und der Stadtarzt?“, erkundigte sich Lynhardt besorgt.

„Auch der Medicus war schon heute Morgen hier und hat versprochen, die nächsten Tage zur selben Stunde hereinzuschauen. Es ist also alles guter Ordnung. Kann ich dir einen Becher Wein anbieten, Vater?“

Lynhardt richtete sich zu seiner vollen Größe auf, strich sich den Waffenrock stramm, den er noch immer am liebsten von allen Bekleidungsstücken trug, und nickte. Er war stolz darauf, dass ihn der Bischof noch immer bei Beratungen hinzuzog, auch wenn er mit dreiundsechzig Jahren ein Alter erreicht hatte, in dem niemand mehr einen Schwertkampf von ihm erwartete. Doch sein Scharfblick und seine Erfahrung waren wertvolle Eigenschaften, die kein Herrschender – und schon gar nicht der Bischof von Mogontiacum – unbeachtet gelassen hätten.

„Das wäre mir jetzt sehr recht, Donatus. Ich hatte den Morgen schon viel Lauferei.“

Donatus trat kurz auf den Flur hinaus und gab einer der Mägde die Anweisung, ihnen den Wein zu bringen, bevor er wieder zum Vater in das große Zimmer eintrat.

„Dein Onkel ist ja frohen Mutes, was diese Geburt betrifft!“, bemerkte Lynhardt nach einem kräftigen Schluck aus dem gereichten Becher.

„Was bringt ihn dazu, Vater?“

Der alte Lynhardt lächelte ein wenig herablassend.

„Nun, Bruder Kylion studiert die Gestirne und spricht davon, dass wir den Stern bald wieder erblicken können. Das wäre ein Zeichen des Himmels und würde für alle Menschen großes Glück verheißen“, erklärte Lynhardt. Der Tonfall, in dem er das tat, zeigte Donatus deutlich, wie wenig er von den Sterndeutungen seines Bruders hielt.

„Stern? Welcher Stern ist damit gemeint, Vater?“

Der griff zum Krug, schenkte sich noch einmal ein und erklärte dann: „Na, der Stern von Bethlehem natürlich.“

Donatus riss seine Augen weit auf.

„Das ist nicht sein Ernst, Vater, oder?“

„Doch, natürlich. Du kannst ihn ja einmal aufsuchen und selbst befragen. Wenn du dich sputest, wirst du ihn noch auf seinem Kirchturm sitzen sehen. Um diese Zeit beobachtet er zumeist den Stand der Sonne, die Richtung der Winde, und was weiß ich noch alles. Vielleicht prüft er auch die Düfte, die ein Straßenköter von sich gibt.“

Der junge Offizier schüttelte heftig den Kopf.

„Weißt du, was ich denke, Vater? Bei einem solchen Ereignis kann nur der von Glück sprechen, der sich nach dem Paradies sehnt.“

„Das verstehe ich wiederum nicht. Was meinst du, Donatus?“

„Also – der Stern stand damals über dem Stall, als Jesus Christus, unser Herr und Heiland, geboren wurde. Das war für viele das Zeichen seiner Ankunft. Erst kamen die Hirten vom Feld, später die Weisen aus dem Morgenland. Wenn der Stern jetzt also erneut zu sehen ist, dann kann das für einen Gläubigen nur bedeuten: Der Herr kommt zurück, um Gericht zu halten. Der Jüngste Tag ist nicht mehr fern.“

Jetzt sah Lynhardt seinen Sohn doch etwas betroffen an.

„So habe ich das noch gar nicht betrachtet. Du meinst also, wir sollten uns bereit machen? Das Ende ist nahe?“

Donatus zuckte die Schultern.

„Gib mir eine andere Erklärung, und ich werde mit Freuden darüber jubeln, Vater!“

Aber der alte Lynhardt blieb ihm die Antwort schuldig. Nachdenklich starrte er in seinen Weinbecher. Dann gab er sich einen Ruck, griff zum Krug und füllte ihn erneut.

„Der Jüngste Tag also!“, murmelte er dabei leise vor sich hin. „Und mein Enkel wird rechtzeitig geboren, um mit ihm in das Reich des Herrn einzugehen. Irgendwie eine Vorstellung, die mir nicht sonderlich gefällt, wenn ich aufrichtig bin.“

„Was sagt denn nun dein Bruder über das bevorstehende Ereignis?“, drängte Donatus.

„Ich mag das Wort Bruder nicht im Zusammenhang mit Kylion, es sei denn, du meinst den Mönch damit. Wir waren uns nie sonderlich nah, und ich nenne ihn nur einen Halbbruder, bestenfalls. Am liebsten aber nenne ich ihn nur den Mönch!“, erwiderte Lynhardt verbittert.

„Für mich ist es mein Onkel, Vater, das solltest du nicht vergessen. Gut, ich denke, ich werde in der nächsten Stunde nicht im Haus gebraucht und werde mal hinüber zum Dom gehen. Was machst du? Begleitest du mich?“

Lynhardt schaute geradezu erschrocken auf.

„Ich soll mich mit Kylion treffen? Nein danke, lieber unterhalte ich mich noch eine Weile mit deinem Wein. Ausgezeichneter Tropfen, übrigens.“

„Denk dabei auch an deine Frau, Vater! Mutter ist sicher nicht sehr erfreut, wenn du trunken durch das Zimmer stolperst, während deine Schwiegertochter dein Enkelkind auf die Welt bringt!“

„Donatus, ich ermahne dich zur Disziplin! Hast du jemals deinen Vater betrunken gesehen?“

„Nein, glücklicherweise nicht. Ich weiß, dass dich dreißig Jahre im Dienste der Leibwache standfest gemacht haben. Wer so lange Zeit Soldat ist, verträgt einen ordentlichen Humpen. Bis später, Vater, ich will sehen, ob ich meinen Onkel antreffe!“

Damit lächelte er seinem Vater freundlich zu und verließ den Raum, um sich auf den Weg zum Dom zu machen. Die wildesten Gedanken wirbelten ihm durch den Kopf. Das Jüngste Gericht!, dachte er dabei immer wieder. Natürlich muss ein gläubiger Christ dessen immer gegenwärtig sein. Dieser Tag könnte an jedem Morgen anbrechen. Und doch wehrt man sich gegen den Gedanken, weil er nicht sein darf. Und mein ungeborenes Kind! Wird es ein Trost sein, weil es schuldlos und kaum geboren wieder sterben wird und somit direkt ins Paradies einziehen kann? Nein, dagegen wehre ich mich!

Von diesen und ähnlichen Gedanken beflügelt, eilte er förmlich im Laufschritt zu dem mächtigen Dom und bemühte sich verzweifelt, etwas auf dem Turm auszumachen, das die Anwesenheit seines Onkels signalisierte. Einen Moment lang überlegte er, die vielen Stufen hinaufzueilen, aber das Schicksal meinte es gut mit ihm. Als er noch unschlüssig vor dem Aufgang stand, öffnete sich die kleine, hölzerne Tür, und ein Mönch trat heraus.

„Onkel Kylion, wunderbar, dass ich Euch hier antreffe!“, sprudelte es ein wenig atemlos aus Donatus heraus.

„Mein lieber Donatus, du scheinst mir ein wenig aus der Puste zu sein, was ist geschehen – kann man gratulieren?“

„Wie? Nein, verstehe – das Kind ist noch nicht geboren. Aber dein ... mein Vater erzählte etwas von einem Stern, von dessen Ankunft du berichtet hast. Ist das ... ist das der Stern von Bethlehem?“

Unwillkürlich griff Donatus nach der Hand seines Onkels und drückte sie, als wolle er ihn um seinen Beistand bitten.

Kylion war der Typ eines Asketen.

Das Habit der Benediktiner schien um seine hagere Gestalt zu flattern, und die Haut über seinen Wangenknochen spannte sich straff. Auch die Augen lagen tief in ihren Höhlen, so dass sein vollständig rasierter Kopf auf den ersten Blick wie ein Totenschädel wirkte.

Wer allerdings längere Zeit mit Kylion zu tun hatte, wusste, dass diese Augenhöhlen plötzlich zu leuchten schienen, wenn der Mönch eines seiner Lieblingsthemen erklärte. Das war zumeist die Astrologie, gelegentlich auch eine Meinung über das Wetter.

„Mein lieber Neffe, ich beobachte nun schon seit vielen Jahren die Gestirne und schreibe meine Beobachtungen auf. Es gibt viele Wunder dort oben zu bestaunen, und eines davon ist gewiss der Stern, den wir in den nächsten Tagen sehen werden. Ob es sich dabei um den Stern von Bethlehem handelt, der einst über dem Stall stehen blieb, in dem unser Herr Jesus Christus geboren wurde, vermag ich nicht zu sagen. Hinweise auf die Wiederkehr dieses Sternes gibt es nicht nur in der Bibel, sondern in vielen Schriften von Sternendeutern aus dem Morgenland wie aus anderen, uns fernen und unbekannten Ländern. Seefahrer haben uns diese Berichte überliefert. Ob sie allerdings wahr sind, vermag ich nicht zu beurteilen.“

„Ja, aber ...“

Donatus hob ein wenig hilflos die Schultern.

„Ich verstehe deine Sorgen, Neffe“, erklärte Kylion lächelnd und legte dem jungen Offizier eine Hand auf die Schulter. „Du befürchtest, mit dem Stern kehrt auch unser Herr auf die Erde zurück und wird Gericht halten. Und du bist in Sorge um dein ungeborenes Kind. Wenn es dich beruhigt, Donatus – bei Matthäus lesen wir die Worte Jesu: Lasset die Kindlein zu mir kommen und wehret ihnen nicht, denn solcher ist das Reich Gottes. Aber ich kann mir vorstellen, dass sich ein Vater wünscht, sein Kind aufwachsen zu sehen. Niemand von uns kennt die unerschöpfliche Weisheit des Herrn. Wenn er kommt, um Gericht zu halten, müssen wir bereit sein. Andererseits habe ich mich auch mit dieser Frage lange beschäftigt, Donatus. Die Bibel legt sich da nicht fest, aber wenn wir an die Offenbarung des Johannes denken und dazu im Buch Daniel nachlesen, dann allerdings wird das Jüngste Gericht nach tausend Jahren der Herrschaft des Messias eintreten.“

Donatus senkte bei diesen Worten den Kopf.

Tausend Jahre! Aber die sind doch schon vorüber, wir schreiben das Jahr 1054! Was aber, wenn sich die Zeitrechnung verschoben hat, wenn seit der Geburt des Herrn die tausend Jahre doch gerade erst vergangen sind? Er schrak aus seinen Überlegungen auf, als ihm der Mönch jetzt auch die Hand wie segnend auf den Kopf legte.

„Lass dich davon nicht entmutigen, Donatus. Ich vertraue auf den Herrn und glaube, dass die Wiederkehr des Sterns von Bethlehem ein Glück verheißendes Zeichen ist. Gott der Herr will uns ein Signal geben, dass er uns liebt und wir uns nicht zu fürchten brauchen. So wie damals die ängstlichen Hirten auf dem Feld durch den Engel des Herrn getröstet wurden.“

„Ihr meint also ... so wie damals den Hirten die Angst genommen wurde, weil Jesus zu uns kam ... so auch diesmal? Kein Gericht, keine Abrechnung?“

Der Mönch verstärkte kurz den Druck seiner Hand auf dem Kopf seines Neffen, dann nahm er sie fort und antwortete: „Fürchtet euch nicht, denn ich verkünde euch eine große Freude, die dem ganzen Volk zuteil werden soll, das waren die Worte des Engels. Etwas anderes kann ich dir nicht mit auf den Weg geben. Du solltest in den Herrn vertrauen. Ich jedenfalls bin frohen Mutes!“

Damit drehte er sich ab und ging den Hügel hinunter. Donatus blieb voller Zweifel zurück, blickte zum Himmel, als würde er von dort direkt eine Antwort erhalten, und kehrte schließlich mit sehr gemischten Gefühlen zurück in sein Haus.

„Donatus? Wo bist du gewesen?“

Als der Hauptmann der bischöflichen Leibwache sein Haus wieder betrat, stand seine Großmutter auf der Treppe zum Obergeschoss. Ihr Gesicht war zwar altersbedingt von zahlreichen Falten durchzogen, wirkte aber noch immer auf eine ganz sonderbare Weise. Dazu trug auch ihre ganze Erscheinung bei. Katerina hatte ihre inzwischen schneeweiß verfärbten Haare lang wachsen lassen und in zwei Zöpfe gebunden, die ihr über die Schulter hingen. Dazu trug sie ein knöchellanges Gewand aus weißem Wollstoff, sehr aufwändig mit gewebten Streifen am Saum eingefasst.

Donatus hatte sie einmal den Engel der Familie genannt, als er sie nach der Rückkehr von einer längeren Reise im bischöflichen Gefolge wiedersah. Und ein Engel war sie sehr häufig für ihre kleine Familie, denn das alte Geheimnis ihrer Herkunft und der Verbindung zum seinerzeit mächtigsten Mann nach dem Kaiser weckte noch immer den Neid einiger missgünstiger Bürger der Stadt. Jedermann konnte sehen, dass es ihr gut ging, obwohl niemand wusste, woher dieser Wohlstand stammte. Das Gut, das Lynhardt zum Ritterschlag zugesprochen bekam, warf zwar einiges an Lehen ab, und die Häuser, die der Familie gehörten, waren nicht sonderlich prunkvoll gebaut, sondern mit soliden Mauerwerk im Untergeschoss und ausgesuchtem Holz für die Aufbauten. Dennoch hielten sich in Mogontiacum immer noch Gerüchte, dass diese Katerina schon vor ihrer Hochzeit mit dem Medicus Anthenius ein Kind von einem unbekannten Vater hatte und in einem Haus lebte, das ihr geschenkt wurde. Woher diese ständig durch Gerüchte wieder verbreiteten Geschichten eigentlich kamen, wer sie immer wieder in die Erinnerung der Bürger brachte, war nicht recht zu verstehen.

Viele Gedanken dieser Art zuckten Donatus in diesem Augenblick durch den Kopf, als seine Großmutter wie ein überirdischer Bote auf der Treppe stand und ihre noch immer herrlich blauen Augen auf ihn richtete.

So muss der Engel den Hirten erschienen sein!, dachte er, dann ermahnte er sich und antwortete:

„Ich war bei meinem Onkel und habe ihn nach seinen Beobachtungen befragt. Er bestellt dir Grüße und hofft, dass es dir gut geht, liebe Ahni!“

Katerina kam die letzten Stufen herunter, sehr aufrecht und würdevoll, ihr Gesicht mit einem Lächeln beim Anblick ihres Enkels, das die Liebe zu ihm deutlich spiegelte.

„Und was musstest du ihn so Wichtiges fragen, dass du selbst das Haus verlässt, wo deine Abelke euer erstes Kind erwartet?“, sagte sie leise mit einem vorwurfsvollen Ton.

„Aber – sie ist doch noch ...“

„Keine Sorge, Donatus!“, unterbrach ihn lächelnd die Greisin und hob ihre rechte Hand. „Es ist noch nicht so weit. Also, erzähle mir doch bitte, was dir Kylion berichten konnte.“

„Ich hörte, dass ein Sterndeuter dem reichen Joachim von Amönesburg etwas von der Ankunft eines gewaltigen Sternes berichtete. Das hat für ihn eine besondere Bedeutung, weil er genau am Jahrestag eines Raubüberfalles auf ihn zu sehen sein soll. Und ich wollte gern mehr darüber erfahren, denn eine solche Ankündigung kurz vor der Geburt meines ersten Kindes versetzte mich in Unruhe.“

Katerina griff seine Hand und ging mit ihm in das große Zimmer, in dem die Familie für gewöhnlich das Essen einnahm und am Abend zusammen saß, etwas trank, dabei erzählte, und die Frauen sich mit einer Handarbeit beschäftigten. Hier saß in einem der bequemen Stühle Lynhardt, den Kopf weit nach hinten gelegt, den Mund weit geöffnet – und schnarchend.

Lächelnd schritt seine Mutter zu ihm, beugte sich über ihn und küsste ihn liebevoll auf die Stirn.

„Mutter?“, sagt er verwirrt beim Erwachen. „Ich muss eingeschlafen sein! Wolltest du nicht zum Dom eilen, Donatus?“

„Ich bin zurück, Vater!“, antwortete der und warf einen prüfenden Blick in den Steinkrug. „Kann ich dir etwas bringen lassen, Ahni?“

„Danke dir, ich benötige nichts. Lass uns hinaufgehen und nach Abelke sehen. Sie hat schon mehrfach nach dir gefragt und wird nun die Haustür gehört haben.“

„Was hast du nun über den Stern von diesem ... Mönch erfahren?“, erkundigte sich Lynhardt, dem es ein wenig unangenehm war, hier schlafend getroffen zu werden.

„Er ist der Meinung, dass es durchaus der Stern von Bethlehem sein könnte. Aber er sieht es nicht als Zeichen des Jüngsten Gerichts, sondern glaubt, dass die Wiederkehr dieses besonderen Sterns für uns alle Glück verheißt.“

„Amen!“, brummte Lynhardt und ging den anderen voraus.

Die Erben des Bischofs: Tore aus Bronze 2

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