Читать книгу Mördertränen: Thriller - Alfred Bekker, Frank Rehfeld, Karl Plepelits - Страница 8
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Meine Frau liegt im Koma. Ob sie je wieder aufwacht, weiß ich nicht. Ob sie überhaupt schläft, weiß ich nicht. Es kann durchaus sein, dass sie alles mitbekommt.
Also komme ich zu ihr, so oft es geht und spreche mit ihr.
Ich habe immer alles mit ihr besprochen.
Also habe ich einfach nicht damit aufgehört.
Ich könnte sagen, dass ich es ihretwegen tue. Denn wenn man sich vorstellt, in einem Bett zu liegen, sich nicht bewegen zu können und alles mitzubekommen und dann niemand einen zur Kenntnis nimmt, niemand mit einem spricht, das muss schrecklich sein.
Aber die Wahrheit ist, ich tue es nicht nur ihretwegen.
Ich tue es auch meinetwegen.
Denn ich brauche das. Dieses Gegenüber, dem ich alles sagen, alles erzählen kann.
Wenn ich einen schwierigen Fall habe.
Wenn irgendwas nicht so läuft, wie es sollte.
Es ist die ganz große Liebe.
Immer noch.
Ich sage: “Ich denke oft daran, wie uns kennengelernt haben. Damals. Wir waren sechzehn und in der High School. Es war im Französisch-Unterricht. Ich saß in der Reihe vor dir - neben einem anderen Mädchen, mit dem ich lange und sehr gut befreundet gewesen bin. Ich drehte mich zu dir um. Unsere Blicke trafen sich. Ich weiß noch, wie du mich angesehen hast. Das war war wie eine Naturgewalt. Die Lehrerin musste mich ermahnen, jetzt aufzupassen. Ich glaube, sowas nennt man ein klassisches Teenager-Drama. Diese Faszination hat nie nachgelassen.”
Ich stelle mir vor, dass sie antwortet.
Wenn ich bei ihr sitze, höre ich sie reden.
So, wie sie es immer getan hat.
Ich höre ihre samtene Stimme und, die mich vom ersten Moment an in ihren Bann gezogen hat.
Und dann zucke ich zusammen, denn ich sehe einen Schatten, links von mir.
Ich greife zur Dienstwaffe, reiße sie raus.
“Keine Bewegung! FBI!”, rufe ich.
Der Mann hat einen dunklen Bart.
Er starrt mich mit großen Augen an.
Seine Bewegung ist erstarrt.
Er wirkt wie schockgefroren.
Ich brauche einen Moment, bis ich begreife, dass er die Kleidung der Krankenpfleger trägt.
Aber das muss nichts heißen.
“Ich bin die Nachtschicht”, sagt er, etwas verstört. “Mister Dorkin, Sie waren offenbar so vertieft in Ihr...Gespräch, dass Sie nicht gemerkt haben, wie ich hereinkam.”
Jetzt erkenne ich ihn wieder.
Wir sind uns tatsächlich schon öfter begegnet. Kann trotzdem sein, dass er einer von Valentinas Bluthunden ist. Jeder könnte das sein.
Und jeder könnte das werden. Für ein paar Dollar oder für einen Koffer voll davon. Für Valentina spielt das keine Rolle. Sie weiß, dass jeder käuflich ist. Sie war schließlich mal eine Hure. Wer sollte das besser wissen als sie?
Ich senke die Waffe.
“Entschuldigen Sie”, sage ich.
“Ich habe einen ganz schönen Schreck bekommen, Mister Dvorkin.”
“Es tut mir wirklich sehr Leid.”
“Schon gut.”
“Ich war vielleicht einfach etwas... überreizt.”
“Ja, vielleicht...”
Ich stecke die Waffe zurück ins Holster.
Für einen Moment denke ich darüber nach, dass dieser Krankenpfleger einen Teil dessen mitbekommen hat, was ich gesagt habe.
Einen Teil des Gesprächs mit meiner Frau, das, wie ich leider zugeben muss, für einen unabhängigen Betrachter wohl etwas einseitig wirken muss.
Aber das alles war mir ein paar Augenblicke später bereits ziemlich egal.