Читать книгу Die Fremde und der Ruhm - Alfred Samuel Lanz / saemulanz - Страница 5

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Prolog

Felsbrocken bahnen sich einen Weg durch den Bannwald. Masten von Hochspannungsleitungen knicken ein. Funken sprühen. Eine Flutwelle stürzt ins Tal. Apokalypse. Genesis. Die Wucht der Explosion ist gewaltig. Aus der Tunnelröhre auf der Alpennordseite ringt eine Feuerwalze nach Sauerstoff. – Bilder der Zerstörung in den Medien. Im Gotthardtunnel habe sich eine gewaltige Katastrophe ereignet. Es gebe noch keine näheren Informationen. Reisende in den Süden müssten auf eine der anderen Alpenquerungen, über den San Bernardino, den Simplon oder den Grossen Sankt Bernhard, ausweichen. Man werde laufend über die Entwicklung am Berg informieren. Die Stimme der Nachrichtensprecherin zittert.

Hätte Hitler die Schweiz angegriffen, hätten sich die Schweizer Soldaten ins Reduit, ins Gotthardmassiv, in die Alpen zurückgezogen.

Robert fährt mit seiner neuen schwarzen Limousine durch das Reusstal Richtung Gotthard-Nordportal. Mindestens einmal pro Jahr fährt er diese Strecke, um für ein paar erholsame Tage nach Italien zu gelangen.

Jedes Mal beim Queren der Alpen erinnert er sich an den Streik beim Bau des Eisenbahntunnels, an den alten Geschichtslehrer, einen treuen Verfechter der Schweizer Reduit-Strategie und der Neutralität der Schweiz im Zweiten Weltkrieg. Die Rolle des Gotthardtunnels der Schweiz bereitet Robert heute noch Mühe. Sich hinter der Neutralität zu verstecken, war feige. Wer neutral ist, entscheidet sich nicht für die Gerechtigkeit. Die Schweiz hatte sich im Zweiten Weltkrieg für Hitler entschieden. Deutsche Nachtzüge passierten mit Waffen, Munition und Rohstoffen den Gotthard. Die Frontisten hielten auf dem Estrich die Hakenkreuzflaggen zum Hissen bereit.

Bei der Gotthard-Raststätte hält Robert an. Er besucht den Ort der Besinnung. Der Damm entlang der Reuss führt ihn von der Raststätte zur Gedenkstätte, zum Betonkubus mit den sechsunddreissig quadratischen, regelmässig neben- und übereinanderliegenden Fenstern. Die Füllung aus gesammeltem Altglas, eine neue Interpretation von Glasmalerei. Auf den Betonwänden des Vorhofs mit einem schlichten Brunnen im Zentrum stehen in die Betonmauern eingegossene Glaubensbekenntnisse verschiedener Religionen. Ob gläubig oder ungläubig, ob Buddhist, Christ, Muslim, Hindu, Agnostiker oder Atheist: Alle sind hier willkommen, am ökumenischen Ort der Besinnung, der an die alten ehemaligen Wegkapellen entlang der Gotthardstrasse erinnert. Der Innenraum der Besinnungsstätte ist leer. Robert ist allein. Die Morgensonne zaubert mit dem Altglas der Fensterscheiben ein buntes Lichtspiel auf den kahlen Boden. Er setzt sich auf eine Bank, schliesst die Augen. Bilder der Vergangenheit werden zum Tagtraum, zum Alptraum.

Die Fremde und der Ruhm

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