Читать книгу Delicious 2 - Catch me | Erotischer Roman - Alice White - Страница 6

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Hendrik weckte mich am nächsten Morgen liebevoll. Ein wohltuender Duft stieg mir in die Nase.

»Du bringst mir tatsächlich Frühstück ans Bett?« Ich richtete mich verschlafen auf und blickte auf ein kleines, gedecktes Tablett auf dem Nachtschrank.

»War das nicht abgemacht?« Er setzte sich zu mir auf die Bettkante und reichte mir den Kaffeebecher. »Guten Morgen«, flüsterte er und küsste mich.

»Hi.« Ich nahm einen Schluck Kaffee und grinste verlegen. Ich hatte noch nie Frühstück ans Bett bekommen. Ist das süß. »Seit wann bist du schon wach? Ich hab den Wecker gar nicht gehört.«

»Du hast ja auch geschlafen wie ein Stein.« Ja, wenn ich schlafe, dann schlafe ich. Ich würde sogar die Apokalypse verpassen.

»Frühstück also. Hatten wir uns nicht auf ’nen Quickie geeinigt?«, sagte ich neckisch und schlürfte noch mal an meinem Becher.

»Hatten wir das?«

»Mir war so, ja.«

»Nun, ich weiß nicht, wann du morgens immer aufstehst, wenn du zur Arbeit musst, aber ich stehe sehr pünktlich auf. Sehr, sehr pünktlich.« Ja, das ist bei mir bekanntlich anders.

»Soll heißen?«

»Soll heißen …« Er grinste mich frech an, küsste mich noch mal flüchtig und verschwand dann unter der Bettdecke.

»Dann geht natürlich beides«, sagte ich mehr zu mir als zu ihm und trank unbeirrt weiter. Ich zuckte, als er seine Hände an meinem nackten Körper hinaufschob, und verschüttete beinah den Kaffee auf der Bettdecke. »Vielleicht nicht unbedingt gleichzeitig«, hauchte ich und stellte den Becher weg. Ich lehnte mich entspannt in die Kissen zurück und ließ Hendrik bereitwillig gewähren. Kaffee und Sex zum Frühstück – was will Frau mehr?

Hendriks Zunge kreiste zärtlich an meinem Oberschenkel, während seine Hände auf meinem Bauch ruhten. Immer wieder setzte er seine Lippen auf meine Schenkel, saugte und küsste daran. Jedoch meilenweit von meinem Intimbereich entfernt. Meine Beine kribbelten unruhig, ungeduldig. Als ich es kaum noch aushielt, hob er die Decke an. Seine Augen funkelten. Er schlug den Stoff beiseite und küsste sich meinen Bauch hinauf. Seine unsagbar zarten, weichen Lippen wanderten über meine Haut. Ein Kuss landete oberhalb meines Bauchnabels, ein weiterer auf meiner Brust. Die Haut zog sich binnen Sekunden zusammen. Ein leises Stöhnen entglitt mir, als er meine steife Brustwarze mit der Zunge berührte. Eine Hand ruhte auf meinem Oberschenkel. Ich spürte die Wärme seiner Handfläche. Ungeduldig lag ich auf dem seidigen Laken und wartete gespannt auf seine nächste Bewegung. Doch diese kam nicht. Offenbar hatte er die zeitliche Begrenzung eines Quickies nicht verstanden, oder wollte es nicht. Ich war hin- und hergerissen. Zwischen Warten, Aushalten und dem Impuls, ihn umzuschmeißen und schnell und ungestüm zu besteigen. Der Genuss siegte. Ich schloss meine Augen und ließ ihn einfach machen. Ganz langsam setzte sich die Hand an meinem Schenkel in Bewegung. Vorsichtig, Millimeter nur, schob sie sich vorwärts. Ich griff behutsam danach und strich über den Handrücken. Ich wollte ihn dazu bewegen, etwas tiefer zu streichen.

»Noch nicht«, flüsterte er mir ins Ohr und küsste meinen Hals. »Ich will, dass du dich auf mein Gesicht hockst.« Bitte was? Ich war gerade im stillen Genuss eingetaucht gewesen, da kam er mit so ’nem Spruch. Ich öffnete meine Augen und schaute ihm mit hochgezogenen Brauen an.

»Wirklich?« Er antwortete nicht. Stattdessen küsste er erneut meinen Hals. Dann, ohne Vorwarnung, presste er seine Hand in meinen Schritt. Ich zuckte am ganzen Körper zusammen.

Vor Erregung und Überraschung gleichermaßen.

»Setz dich auf meine Lippen, Alex. Ich will mich an deinem Arsch festkrallen, während ich dich lecke.« Mir blieb fast die Luft weg. Wenn der erst mal loslegt … Bevor ich etwas sagen konnte, begann er, seine Finger zu bewegen. Ich stöhnte auf, als er mit einem in mich eindrang. Doch er brachte es nicht zu Ende. Reizen, loslassen. Reizen, loslassen. Vor und zurück.

»Also?«

»Überzeugt«, keuchte ich Minuten später. Hendrik legte sich neben mich auf den Rücken. Ich krabbelte vorsichtig über seinen Brustkorb. Aus dieser Perspektive war ich noch nie oral befriedigt worden. Aber warum nicht? Ist mal was Neues. Und ich mag neue Sachen. Ganz langsam rutschte ich nach vorn. Ich wollte ihn ja nicht zerquetschen. Doch Hendrik ging das Ganze scheinbar nicht schnell genug. Auf einmal wollte er doch Tempo aufnehmen. Er packte mich an meinem Hintern und riss mich förmlich an seine Lippen heran. Ich fiel beinah vornüber, so stürmisch war er.

»So bekommt der Spruch Ich könnte dich fressen ja gleich eine ganz neue Bedeutung«, hauchte ich. Hendriks Zunge spielte so gekonnt an mir, als hätte sie noch nie etwas anderes gemacht und nur darauf gewartet, in mir zu verschwinden. Meinen Arsch hielt er fest in seinen Händen. Dennoch hatte ich in diesem Augenblick den Eindruck, ihn völlig kontrollieren zu können. Meine Knie ruhten dicht an seinen Kopf gedrückt. Dicht genug, um ihn jederzeit wie in einem Schraubstock festzurren und ihm meine Schamlippen auf den Mund drücken zu können. Allein der Gedanke, dies in die Tat umzusetzen und meine Befriedigung über alles andere zu stellen, reizte mich sehr. Das Spiel mit der Dominanz, wer führte, wer nachgab, hatte bei Hendrik und mir schon von Anfang an mit am Tisch gesessen. Heute einmal mehr.

Ich presste meine Hand fest gegen die Wand, als ich kam und laut aufstöhnte. Als ich wieder atmen konnte, stieg ich vorsichtig von Hendrik herunter und ließ mich auf das Laken fallen. Er drehte sich zu mir um und küsste mich zufrieden auf den Hals. Doch anstatt weiterzumachen und zu Runde zwei anzusetzen, stand er auf.

»Wo willst du hin?«, fragte ich ihn, noch immer schwer atmend.

»Dein Kaffee ist inzwischen kalt. Ich hol dir ’nen neuen. Wir müssen bald los.« Ich schaute auf die Uhr. Oh Gott, er hat recht. Aber waren wir denn jetzt fertig?

»Und was ist mit dir?« Ich drehte mich auf den Bauch, hob die Unterschenkel an und ließ sie spielerisch auf und ab wippen. Hendrik fasste sich an den Mund. Ganz langsam fuhr er mit den Fingern über seine Unterlippe.

»Ich würde dich jetzt so gern ficken.«

»Tu es«, forderte ich.

»Ich mache jetzt Kaffee und du ziehst dich an.« Schade. Doch es bereitete mir große Freude, zu sehen, wie er mit sich haderte. Zu sehen, wie schwer es ihm fiel, Nein zu sagen, schmeichelte mir sehr. Aber gut, Hendrik kam nicht zu spät. Niemals. Also raffte ich mich auf und folgte seinem Zeitplan. Ich versuchte es zumindest.

Als er mit dem frischen Kaffee zurückkam, hatte ich es gerade mal geschafft, mich an die Bettkante zu setzen.

»Du bist ja immer noch nackt. Hier, dein Kaffee.« Er stand direkt vor mir und schaute auf mich herab.

»In der Tat.« Ich nahm ihm die Tasse ab und stellte sie beiseite. Meine Hände legte ich an seinen Hintern und krallte mich am Stoff seiner Hose fest.

»Was soll das werden?«

»Wonach sieht es denn aus?« Ich konnte einfach nicht anders. Ich nackt, er vor mir nur in Jeans und mit bloßem Oberkörper. Diese Kombination war einfach zu verlockend, um sie verstreichen zu lassen.

»Alex, wenn du jetzt nicht die Finger von mir lässt, kommen wir definitiv zu spät. Du weißt, ich hasse Unpünktlichkeit.«

»Ja, ich weiß.« Ich machte unbeirrt weiter und knöpfte ihm die Hose auf.

»Einen dritten Kaffee mach ich dir nicht«, sagte er schmunzelnd und schubste mich ruckartig auf die Matratze.

»Ruhig jetzt. Wir haben keine Zeit zum Reden. Sonst komme ich doch zu spät«, witzelte ich.

»Du gefällst mir gerade noch besser, als du es ohnehin schon tust, Alex.«

»Hör auf, zu reden«, mahnte ich und zog ihn ganz fest an mich heran.

***

Wir kamen fast vierzig Minuten zu spät am Restaurant an. Dort herrschte hektisches Treiben. Hendrik grüßte flüchtig und küsste mich dann zum Abschied. Ihm schien es deutlich unangenehmer zu sein als mir, dass ich unpünktlich war, und er wollte scheinbar schnell wieder verschwinden.

»Das war ein unvergesslicher Abend, eine unvergessliche Nacht …«

»Und eine verdammt gute Art, den Tag anzufangen«, beendete ich seinen Satz.

»Du nimmst mir das Wort aus dem Mund.« Er küsste mich noch mal und verschwand dann durch die Seitentür. Ich schaute ihm verträumt hinterher, bis ich Marlon sah, der wutentbrannt auf mich zukam.

»Verdammt noch mal, Alex, du bist schon wieder zu spät.«

»Dir auch einen Guten Morgen«, patzte ich zurück.

»So langsam geht mir deine Unpünktlichkeit tierisch auf die Nerven. Wir sind hier echt am Schwimmen. Und anstatt uns unter die Arme zu greifen, turtelst du seelenruhig mit deinem Freund rum.«

»Hey, jetzt mach mal ’nen Punkt. Tut mir leid, dass ich zu spät bin. Aber hör gefälligst auf, den Platzhirsch zu markieren. Das ist wirklich unnötig. Und mein Freund, ist auch dein Freund und er heißt Hendrik. Tu nicht so, als ob du es vergessen hättest.« Mann, war ich sauer. Ich konnte mich nicht daran erinnern, jemals in diesem Ton mit Marlon gesprochen zu haben. Geschweige denn, dass er jemals so mit mir geredet hatte.

»Geh einfach an die Arbeit«, maulte er und flog wieder an mir vorbei in den Speisesaal. Die vierzigköpfige Geburtstagsrunde vom Vorabend nahm gerade ihr Frühstück ein. Natürlich gab es viel zu tun. Aber musste er so raubeinig reagieren? Okay, ich bin nicht die pünktlichste Angestellte und er ist nun mal mein Boss.

»Jawohl, Chef«, murmelte ich daher kleinlaut. Dahin war meine Entspannung. Dahin war dieser großartige Start in den Tag. So ein Arsch.

***

Die Anspannung löste sich auch am restlichen Tag nicht mehr. Dieser Schlagabtausch mit Marlon tat weh. Es tat sogar verdammt weh. Aber vielleicht war das auch mal nötig gewesen. Vielleicht war es genau das gewesen, was ich gebraucht hatte, um ihn aus meinem Kopf zu bekommen. Heute war er nicht mein Freund. Heute war er nur mein Chef. Und ein Arsch. Doch auch wenn ich in Arbeit fast ertrank, ließ mich Marlon nicht los. Am späten Nachmittag hatte ich die Gelegenheit, ihn mir zu schnappen. Ich hätte es auch einfach auf sich beruhen lassen können, aber nö. Strammen Schrittes ging ich auf sein Büro zu. Ich wollte das klären.

»Kann ich reinkommen?«, fragte ich vorsichtig durch den Türspalt hindurch. Marlon saß an seinem Schreibtisch und rieb sich müde übers Gesicht.

»Sicher, nimm Platz.« Ich schloss hinter mir die Tür und setzte mich ihm gegenüber.

»Du siehst scheiße aus.« War vielleicht keine so gute Idee gewesen, das zu sagen. Immerhin wollte ich mich ja nicht gleich wieder streiten. Aber seine Aggressionen, wo auch immer sie hergekommen waren, schienen verschwunden zu sein.

»Ich weiß. Also, was gibt’s?« Er kramte fahrig auf seinem Schreibtisch herum, heftete Papiere ab, kritzelte irgendwas auf einen Notizblock und schaffte es nicht mal, mich anzugucken.

»Was war das heute Morgen? Marlon, mal ganz ehrlich, so kenne ich dich nicht. Wenn du immer noch sauer bist, weil ich dich neulich zurückgewiesen habe …« Ich verstummte, als er kurz zu mir aufblickte, und erschrak. Er sah vollkommen niedergeschlagen aus. »Großer Gott, was ist passiert?«

»Ist nicht wichtig«, beteuerte er und wandte seinen Blick wieder ab. Ich hatte den Impuls, zu ihm rüberzugehen und ihn in den Arm zu nehmen. Ihm nah zu sein. Doch ich bemerkte meine innere Warnlichtlampe und hörte auf das kleine Stimmchen, welches mir befahl, sitzen zu bleiben.

»Kann ich irgendwas tun, ich meine, was ist denn los?«

»Püppi, ich kann wirklich nicht mit dir darüber reden. Belassen wir es dabei, dass ich einfach überarbeitet bin und es an dir ausgelassen habe. In Ordnung?«

»Sicher.« Ich wartete einen Augenblick, für den Fall, dass er doch etwas hätte sagen wollen. Doch er vergrub sich wieder in seinen Papieren. Also stand ich auf und wandte mich von ihm ab.

»Entschuldige wegen heute Morgen.«

»Schon vergessen«, meinte ich noch und schloss die Tür hinter mir. Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch verließ ich sein Büro. Es schien ihm ernsthaft schlecht zu gehen, und dass ich nicht wusste, warum, zerrte an mir. Ich wollte nicht, dass es mir naheging, zumal ich ja gar nicht wusste, was Sache war. Aber es sah nicht danach aus, als hätte ihm bloß jemand den Seitenspiegel vom Auto abgebrochen. Es sah eher nach schlechten Nachrichten aus – privater Natur.

Ich beendete meine Schicht und fuhr erschöpft, aber vor allem mit gedrückter Stimmung nach Hause. Ich war den ganzen Tag so wütend auf Marlon gewesen und im Bruchteil einer Sekunde war meine Wut verflogen gewesen und hatte sich in Sorge umgekehrt. Verdammter Mist. Ich machte mir sonst wirklich selten um jemanden Sorgen. Da oben wollte es mir einer wohl richtig schwer machen, mich von Marlon fernzuhalten.

***

»Na, Feierabend?« Bea kam mir auf der Treppe im Hausflur entgegen.

»Japp.«

»Ich schmeiß nur eben eine Maschine Wäsche an. Willst du noch auf ein Bierchen und Pizza rüberkommen? Ich hab vor zehn Minuten eine bestellt, die reicht bestimmt auch für uns zwei.« Ich hatte tatsächlich den ganzen Tag über noch nichts gegessen. Pizza klang super.

Zwanzig Minuten später saßen wir auf Beas Couch und aßen.

»Tut das gut.« Ich biss genussvoll in mein Pizzastück. Bea hatte bei meinem Lieblingslieferanten bestellt. Es schmeckte wie immer köstlich.

Es wurde ein Abend, wie er entspannter nicht hätte sein können. Wir feixten, tranken und ließen es uns einfach nur gut gehen. Bea gab eine haarsträubende Anekdote nach der anderen über Herrn von und zu Heinemann zum Besten, während ich von Hendrik und mir schwärmte und dabei kein nacktes Detail ausließ. Immer wieder stieß Bea ein lautes Plüsch aus und klatschte begeistert in die Hände. Ich freute mich etwas weniger plüschig, ließ mich aber von ihrer ansteckenden Art einfach mitreißen.

»Wollt ihr zwei vielleicht nächste Woche zum Konzert kommen? Das wäre doch ein super Date. Dann könntest du Herrn von und zu Heinemann auch direkt mal in seiner heimischen Umgebung begutachten. Na, wäre das was?« Ich überlegte. Es sprach eigentlich nichts dagegen. Beas letztes Konzert hatte mir sehr gefallen. Ob Hendrik sich dafür begeistern könnte, wusste ich nicht, aber die Gelegenheit, diesen aufgeblasenen Staubwedel mal aus der Nähe zu betrachten, das klang mehr als spaßig.

»Ich frage ihn und gucke, ob ich eventuell mit jemandem meine Schicht tauschen kann.« Sie nickte zufrieden.

»Erwartest du jemanden?«, fragte Bea einen Augenblick später.

»Wieso?«

»Ich glaube, bei dir klingelt jemand.« Wir wurden ganz still und lauschten.

»Tatsächlich. Erwarten tue ich niemanden. Vor allem nicht um diese Uhrzeit. Das kann eigentlich nur André sein. Ich kenne keinen, der sonst so spät bei mir auftauchen würde. Bin gleich wieder da.« Doch Bea hatte die Neugier gepackt und sie folgte mir in meine Wohnung. Ich hob den Hörer der Gegensprechanlage ab und horchte. »Ja?«

»Püppi, bist du wach?«

»Püppi? Wer nennt dich denn so?«, fragte Bea etwas belustigt.

»Das ist Marlon.«

»Der hört sich aber nicht mehr ganz nüchtern an. Was will der denn von dir?« Ich zuckte mit den Schultern. Dann fiel mir seine gedrückte Stimmung vom Nachmittag wieder ein.

»Lässt du mich rein? Püppi, bitte, ich brauche dich.« Ich schmolz fast dahin. Bea fasste sich gerührt ans Herz. Dass Marlon schon beträchtlich lallte, überhörten wir bewusst.

»Der war den ganzen Tag schon so komisch. Irgendwas stimmt nicht.«

»Na, dann lass ihn doch rein. Du wirst doch wohl noch männliche Freunde haben dürfen«, fügte sie hinzu. In diesem Moment hatte sie sicher recht. Dennoch zögerte ich. »Jetzt lass ihn schon rein.« Sie drückte einfach auf den Türöffner.

»Bea, was tust du denn?«

»Dir helfen, ein guter Freund zu sein.« Im Hausflur hörte ich Marlons Schritte hallen. In den wenigen Sekunden, die es dauerte, bis er oben ankam, fühlte ich einen dicken Kloß im Hals heranwachsen.

»Püppi, ich bin so froh, dich zu … Oh, du bist nicht allein.« Marlon stand vor meiner Tür und fasste sich verlegen ins Gesicht. Er schwankte. Ich konnte mich nicht erinnern, ihn jemals betrunken erlebt zu haben. Er stützte sich an der Wand ab.

»Du erinnerst dich an Bea?«

»Hi, Marlon«, begrüßte sie ihn knapp.

»Püppi, es tut mir leid. Das war eine ganz dumme Idee. Ich gehe besser wieder.« Bevor ich etwas sagen konnte, lief er wackelig die Treppe hinunter und ich ließ ihn. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Bea verschränkte die Arme und schaute mich tadelnd an.

»Los doch. Hinterher. So kannst du Marlon nicht gehen lassen. Dem passiert ja sonst noch was.« Sie hatte recht. Schon wieder. Ich schaute ihm geistesabwesend nach.

»Na schön, ich bekomme das hin.«

»Du weißt ja, wo du mich findest, wenn du Hilfe brauchst.« Bea drückte mir ein Küsschen auf die Wange und verschwand in ihrer Wohnung. Ich huschte Marlon nach. Der hatte es nicht mal bis zur Haustür geschafft und sich unten auf die Treppe gesetzt. Ich ging zu ihm hinunter und kniete mich vor ihm hin.

»Glaub nicht, dass ich hier sitze, weil ich nicht mehr laufen kann. So schlimm ist es nicht.« Er wollte sich scheinbar einen Rest Stolz bewahren.

»Also schön, was ist los? Du wolltest mit mir reden, hier bin ich.«

»Püppi, ich … ich will nicht reden.« Ich hatte befürchtet, dass er so etwas sagen würde.

»Was ist los, Marlon?« Ich setzte mich vorsichtig an seine Seite.

»Ich will nicht reden, Püppi.«

»Nenn mich nicht immer so.«

»Ich kann nicht anders. Du bist meine Püppi, daran hat sich nichts geändert. Ich, ach …« Er legte resignierend die Hände aufs Gesicht. Wir schwiegen. Was hätte ich dafür gegeben, ihn jetzt trösten zu dürfen. Ich wollte nicht mal wissen, weswegen. Ich wollte ihm einfach nur das geben, was er brauchte. Jedoch war der Wunsch nicht stark genug, um es tatsächlich zu tun.

»Warte kurz hier.« Marlon nickte. Er war schon zu benebelt, um mich zu fragen, wo ich hinging. So schwer es mir auch fiel, wusste ich, dass es jetzt nur einen gab, den ich anrufen konnte. Ich lief ins Wohnzimmer und holte mein Telefon.

»Alex? Ist alles in Ordnung?«, fragte Hendrik am anderen Ende der Leitung.

»Bei mir schon, aber bei Marlon nicht.« Ich erklärte kurz die Lage. Hendrik antwortete sehr einsilbig, versprach, sich sofort anzuziehen, und legte auf.

Ich setzte mich wieder zu Marlon und harrte der Dinge.

»Willst du mir nicht vielleicht doch erzählen, was los ist?« Er schüttelte den Kopf.

»Püppi, ich will nicht reden. Ich will dich küssen. Dich in meine Arme nehmen und …« Ich legte ihm die Hand auf den Mund. Ich wollte nicht, dass er etwas sagte, was er später bereuen könnte. Zumal ich nicht abschätzen konnte, wie viel Alkohol gerade aus ihm sprach. Außerdem war ich mir nicht sicher, ob ich wirklich imstande gewesen wäre, Nein zu sagen, würde er mich küssen wollen. Er verstummte und gab auch kein weiteres Wort von sich, bis es an der Tür klingelte. Das Läuten hatte er nicht mal registriert.

»Hey, komm rein. Ich weiß nicht, was bei ihm los ist. Er war schon den ganzen Tag so komisch.« Hendrik beugte sich zu Marlon hinab und klopfte ihm auf die Schulter.

»Na, Kumpel, alles klar?«

»Hendrik? Was machst du denn hier?« Marlon schaute skeptisch nach oben. Mit ihm hatte er augenscheinlich nicht gerechnet.

»Was erwartest du denn, wenn du nachts bei meiner Freundin auftauchst?«

»Richtig. Deine Freundin.« Marlon verzog kaum merklich das Gesicht. Dennoch war es mir nicht entgangen.

»Na komm, wir bringen dich mal nach Hause.« Hendrik griff Marlon unter die Arme und bugsierte ihn zur Tür. Mir war die ganze Situation sehr unangenehm. Innerlich war ich bereits darauf gefasst gewesen, einen wunden Nerv getroffen zu haben. Ich versuchte, Hendrik so diplomatisch wie möglich den Wind aus den Segeln zu nehmen und einem eventuellen Streit vorzubeugen. Ich hatte keine Ahnung, wie die zwei auseinandergegangen waren, nachdem ich mich für Hendrik entschieden hatte. Ob sie überhaupt noch miteinander sprachen.

»Ich weiß nicht genau, wie ihr momentan zueinandersteht, aber ich wusste wirklich nicht, wen ich sonst hätte anrufen können.«

»Alex, ganz ruhig. Es ist okay, dass du angerufen hast. Auch wenn ich verdammt angefressen bin, dass er so bei dir aufgetaucht ist. Aber da kannst du ja nichts für.« Wow, konnte der Mann erwachsen sein, wenn er es wollte.

»Ich wusste es doch, du bist einer von den Guten«, sagte ich gerührt und küsste ihn, bevor Marlon wieder bedrohlich ins Schwanken geriet.

»Schick mir eine Nachricht, wenn du ihn heil abgesetzt hast.«

»Alex macht sich Sorgen. Gott, kannst du süß sein.« Ich ließ den Kommentar ohne Erwiderung in der Luft schweben, schloss die Tür hinter den beiden und ging nach oben.

***

Am nächsten Morgen rief mich Hendrik an.

»Hey. Wie geht’s ihm?«

»Verkatert, peinlich berührt, aber den Umständen entsprechend gut.«

»Hat er gesagt, was los war?« Ich hatte die halbe Nacht darüber nachgedacht. Mich unruhig hin und her gewälzt, ohne einen klaren Gedanken fassen zu können. Marlon beschäftigte mich deutlich mehr, als mir lieb war. Ich wollte mir keine Sorgen machen. Doch das tat ich. Und das nicht gerade wenig.

»Sein Paps ist im Krankenhaus.« Scheiße, ich wusste es. Ich wurde ganz still. »Er wurde gestern operiert und ist jetzt wohl über den Berg. Was genau war, weiß ich nicht. Marlon war ziemlich kurz angebunden.«

»Kennst du seinen Vater?«

»Ziemlich gut sogar. Hat mich auch etwas geschockt. Wir fahren heute zusammen hin und ich hab ihm geraten, erst mal zu Hause zu bleiben.« Ich nickte. »Bist du noch dran?«

»Ich habe genickt«, sagte ich lediglich.

»Wird schon wieder. Ich glaube, die Schmach, dass er so sturzbetrunken bei dir aufgetaucht ist, sitzt deutlich tiefer als die Sorge um seinen Paps.«

»Okay. Kümmere dich um deinen Freund. Ich kläre das im Restaurant.« Mehr konnte ich ohnehin nicht machen. Wir legten auf und ich trat unter die heiße Dusche. Diese Nachricht musste ich erst mal verdauen.

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