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Vorwort

C. S. Lewis gehört zu den bekanntesten Autoren des 20. Jahrhunderts. Die teuren und aufwendigen Verfilmungen seiner Narnia-Chroniken haben seine Bücher einem ganz neuen und weltweiten Publikum nahegebracht. Aber schon lange vor diesen Filmen war Lewis prominent. Zu seinen Lebzeiten war er einer der gefeierten Experten für englische Literatur weltweit. Seine Vorlesungen in Oxford und Cambridge waren überfüllt mit Studenten, die eifrig jedes Wort mitschrieben.

Heute erinnert man sich vor allem aus zwei Gründen an Lewis. Erstens kennt man ihn als den Autor der siebenteiligen Romanreihe der Chroniken von Narnia. Diese Bücher gehören inzwischen zu den Klassikern der englischen Literatur – besonders gilt das für den ersten Band Der König von Narnia, sozusagen das Paradestück der Reihe. Die Narnia-Bücher lassen uns neu erleben, welche Macht in einer gut erzählten Geschichte steckt: Sie vermag unsere Vorstellungskraft zu fesseln und stellt zugleich die großen Fragen der menschlichen Existenz – zum Beispiel die, wie man ein guter Mensch wird oder wie man den Sinn des Lebens erkennt. Sie zieht uns hinein in eine reiche Fantasiewelt und hilft uns so, die großen Fragen nach Sinn und Wert in unserer eigenen Welt zu bedenken.

Das Zweite, wofür Lewis auch heute noch bekannt ist, sind seine Schriften zu Fragen des christlichen Glaubens. In seiner Jugend war Lewis ein wütender Atheist. Während des Ersten Weltkriegs diente er in der britischen Armee, und das Leid und die Zerstörung des Krieges veranlassten ihn, Glaube und Religion aus seinem Leben zu streichen. Später überdachte er seine Position und im Lauf mehrerer Jahre gelangte er zu der Überzeugung, dass die befriedigendste Sicht der Welt die ist, die auf dem Glauben an Gott aufbaut. Seinen Gesinnungswandel hat Lewis in einer Reihe von Bestsellern erläutert, am bekanntesten davon ist wohl Pardon, ich bin Christ.

Was soll dann also dieses Buch? Was bedeutet „Lunch mit Lewis“? Die Idee dazu kam mir in einem Gespräch mit Oxforder Studenten über Lewis. Ich hatte vor, einige Themen seiner Schriften zu entfalten – etwa seine tiefgründigen und nachdenkenswerten Gedanken zum Thema „Freude“. Aber meine Studenten hatten andere Interessen. Sie wollten nichts über Lewis lernen, sondern von ihm. Lewis war für sie schließlich ein großer Name und ein Vorbild, an dem sie sich orientieren wollten. Sie wollten wissen, wie er über die großen Fragen des Lebens dachte, und das, so sagten sie mir, würde ihnen helfen, eine eigene Position dazu zu gewinnen. Die Idee überzeugte mich. Also begannen wir danach zu fragen, was Lewis über den Sinn des Lebens zu sagen hat. Und das war ein Ansatz, der sich bewährte.

Wohl jeder würde gern von Menschen lernen, die sich als nachdenklich und deren Gedanken sich als hilfreich im Umgang mit den großen Lebensfragen erwiesen haben. Aus diesem Grund bitten wir so oft gute Freunde oder vertrauenswürdige Kollegen um ein wenig Zeit – und um ihren Rat. „Lass uns mal zusammen essen!“ – das ist keine Einladung zur bloßen gemeinsamen Nahrungsaufnahme; es ist eine Bitte, Zeit zusammen zu verbringen, einander besser kennenzulernen und über Gott und die Welt zu reden. Wir möchten hören, was Menschen zu sagen haben, die schwierige Situationen, wie wir sie gerade erleben, bereits gemeistert haben, und wir möchten erfahren, wie ihnen das gelang. Wir möchten von ihnen wissen, wie sie ihre Erfahrungen gedeutet und bewertet haben, damit uns das auch gelingt.

Das ist auch der Grund dafür, warum sich so viele Menschen einen „Mentor“ suchen – jemanden, der älter und lebenserfahrener ist als sie selbst und seine Weisheit weitergeben und durch sein Beispiel und Ermutigung helfen kann. Oder „kritische Freunde“ – Menschen, die auf unserer Seite stehen, aber sich nicht scheuen, uns auch unbequeme Wahrheiten zu sagen, die uns weiterbringen können. Oder „Coaches“ – Menschen, die uns helfen, unsere Ziele zu erreichen. Diese Menschen, denen wir Vertrauen und Respekt entgegenbringen, können uns begleiten und uns helfen, im Leben voranzukommen und das Beste daraus zu machen. Sie verfügen nicht nur über umfangreiche Kenntnisse und Fähigkeiten. Sie besitzen etwas weit Wichtigeres. Sie sind weise.

Es gibt ein beliebtes Spiel, bei dem Menschen gefragt werden, mit welchen drei Menschen sie gern einmal essen gehen würden. Und dann wird es spannend: Welche Namen werden jetzt genannt? Und warum? Und worüber würden sie dann gern reden? Meine Antwort ist: Ich säße gern mal mit C. S. Lewis beim Lunch – und die meisten Leute, die ich kenne, wären dem ebenfalls nicht abgeneigt! Es wäre wunderbar, zusammenzusitzen und mit ihm die großen Fragen des Lebens zu diskutieren – und das bei einem guten Tropfen und einem leckeren Essen. Schließlich hat Lewis selbst betont, dass es nur weniges gibt, das mehr Freude bereitet als die Gemeinschaft von Menschen bei einem guten Essen. Verstehen Sie also dieses Buch als meine Einladung an Sie, meine Leser, sich ebenfalls mit an den Tisch zu setzen und mit mir und Lewis über die bleibenden Fragen und Probleme zu reden, mit denen sich wohl jeder Mensch in diesem Leben auseinandersetzen muss.

Lewis ist einer der sehr wenigen Menschen, der aus den Herausforderungen seines Lebens nicht nur selber lernte, sondern auch in der Lage war, die erworbene Weisheit weiterzugeben, und das mit Niveau und mit Erfolg. Aus diesem Grund verkaufen sich seine Bücher heute besser als jemals zu seinen Lebzeiten. Ganz offensichtlich schätzen viele seine Gedanken als hilfreich, instruktiv und tiefgründig. Warum wählen wir ihn uns also nicht zum Mentor, kritischen Freund oder Coach? Lewis’ Schriften zeigen, dass er sehr gern diese Rollen gegenüber seinen Freunden übernommen hat. So hat er in einer umfangreichen Korrespondenz regelmäßig nicht nur Freunde, sondern auch eher Fremde von seiner Weisheit und seinem Rat profitieren lassen, und sein Buch Dienstanweisung für einen Unterteufel (1943) ist eines der originellsten Werke geistlicher Begleitung, die je geschrieben wurden.

Dieses Buch besteht aus einer Reihe solcher fiktiver Lunch-Begegnungen mit Lewis. Was hätte er einem Menschen gesagt, der gerade über einen erlittenen Verlust trauert? Oder jemandem, der sich fragt, wie er den christlichen Glauben einem atheistischen Freund am besten erklärt? Jemandem, der sich zum Guten verändern möchte? Oder einem Gesprächspartner, den die Frage quält, ob der eigene Glaube vielleicht nur eingebildet ist, eine Illusion, die es einem leichter macht, mit den Härten des Lebens zurechtzukommen? Dank Lewis’ eigenen Schriften und der umfangreichen Literatur über ihn wissen wir ziemlich genau, was er Menschen antworten würde, die Fragen dieser Art stellen. Und darum geht es in diesem Buch: Dass wir uns von Lewis in unserer eigenen Auseinandersetzung mit den großen Fragen und in unserem Versuch, uns positiv zu verändern, helfen lassen. Natürlich werden wir dabei feststellen, dass wir auch die Fragen nicht außer Acht lassen können, die er dann vielleicht an uns stellt.

Jeder, der den Film Shadowlands gesehen hat, mag sich fragen, ob eine solche Lunch-Begegnung mit Lewis – selbst wenn sie nur in der Vorstellung stattfindet – sehr inspirierend wäre. Anthony Hopkins’ Lewis wirkt ernst und wichtigtuerisch, ein eher ermüdender Mensch, der seine Tischgenossen vermutlich zu Tode langweilen würde. Glücklicherweise war C. S. Lewis selbst ganz anders. Seine Freunde – etwa George Sayer – erinnern sich an ihn als einen geistreichen Menschen mit einem „herrlichen Sinn für Humor“ und einem „ziemlich jungenhaften Sinn für Unfug“. Es war „eine Freude, ihm zu begegnen“ und er war ein „wunderbarer Gefährte“. Ein Lunch mit Lewis wäre ein Genuss gewesen. Er hätte seine Weisheit mit einem Lachen und einem Augenzwinkern weitergegeben.

Dass Lewis’ Gedanken oft scharfsinnig und lohnenswert sind, bedeutet nicht, dass wir allem, was er sagt, kritiklos zustimmen müssten. In der Zeit, in der ich eine Leitungsfunktion an der Universität in Oxford innehatte, musste ich einmal an einem Management-Kurs teilnehmen, der mir und anderen Kollegen helfen sollte, den Anforderungen dieser Position besser gerecht zu werden. Einer der Vorträge aus diesem Kurs steht mir noch lebhaft vor Augen. Es ging darum, dass man sich Freunde suchen sollte, die einem helfen könnten, die bestmöglichen Entscheidungen zu treffen. „Umgeben Sie sich nicht mit Menschen, die Ihre Klone sein könnten“, riet man uns. „Reden Sie mit Leuten, die Sie wirklich respektieren – auch wenn sie nicht Ihrer Meinung sind.“ Solche Menschen werden Ihnen nicht in allem zustimmen, aber sie werden Ihnen ernst zu nehmende Optionen anbieten. Und wie immer Sie am Ende entscheiden – Ihre Entscheidung wird begründeter sein, weil Sie gezwungen waren, über Möglichkeiten nachzudenken, die Sie vielleicht ablehnen, die sich am Ende aber als richtig herausstellen könnten.

Das ist die Haltung, in der dieses Buch erdacht und geschrieben wurde. C. S. Lewis wird unser Gesprächspartner sein. Das heißt nicht, dass er immer recht hat. Es heißt nur, dass es höchst interessant und lohnenswert ist, ihn anzuhören und seine Gedanken sehr ernst zu nehmen, auch wenn wir uns ihnen am Ende nicht anschließen.

C. S. Lewis starb 1963. Wie können wir ihm da zuhören? Ich könnte zum Beispiel einen imaginativen Dialog erfinden und ihm einfach Worte in den Mund legen. Aber das wäre nicht fair, weder Lewis noch meinen Lesern gegenüber. Um dem Leser einen Zugang zu seiner Gedankenwelt zu eröffnen, ist es weitaus besser, Lewis’ Gedanken möglichst genau zusammenzufassen und ihnen mit ein paar seiner markantesten Aussagen und Zitate ihren eigenen Geschmack zu verleihen. Wir werden also seine Gedanken entfalten, fragen, was sie für uns bedeuten könnten, und herauszufinden versuchen, wie wir sie für uns anwenden können.

Nehmen wir an, wir hätten die Absicht, uns regelmäßig mit Lewis zu unseren Gesprächen zu treffen. Die Struktur des akademischen Jahres an den beiden Universitäten, an denen er lehrte, liefert uns dazu einen guten Rahmen. Das akademische Jahr gliedert sich in drei Terms von je acht Wochen – um diese Acht-Wochen-Blöcke herum war Lewis’ Arbeitsleben organisiert. Nehmen wir also an, wir treffen ihn während eines Terms jede Woche einmal. Vielleicht finden diese Treffen in einem seiner Lieblings-Pubs statt – im Eagle and Child etwa, oder im benachbarten The Lamb & Flag. Die unternehmungslustigeren unter uns könnten ihn auch auf den Spaziergängen am Flussufer begleiten, die er so liebte, und die ihn durch Port Meadow in die umliegenden Dörfer und die dortigen Pubs führten – The Perch in Binsey oder The Trout in Wolvercote. Wie auch immer – sitzen wir erst einmal zusammen beim Lunch, können die wichtigen Fragen auf den Tisch kommen.

Jedes dieser acht Treffen wird im Wesentlichen die gleichen Elemente umfassen. Wir werden etwas von Lewis’ eigener Geschichte erfahren und uns Zeit nehmen, zu verstehen, wie oder warum eine bestimmte Frage oder Anliegen ihm wichtig geworden sind. (Für einen Überblick über Lewis’ Leben vgl. „C. S. Lewis – eine Einführung“ auf S. 171–179.) Dann werden wir uns damit befassen, wie er seine Antwort auf die jeweilige Frage anging. Was hat er getan? Was hat er gedacht? Manchmal werden wir seine eigenen Worte hören; dann wieder werde ich ihn paraphrasieren oder seine Gedanken mithilfe von Analogien oder Vorstellungen entfalten, die er selbst nicht gebraucht hat, die uns aber helfen können, zu verstehen, worum es ihm geht. Schließlich werden wir herauszufinden suchen, welchen Nutzen wir aus dem ziehen können, was wir erfahren haben. Wie könnte sein Rat uns in unserem Denken oder unserer Lebensgestaltung weiterhelfen?

Es ist immer hilfreich, wenn ein bedeutender Denker wie C. S. Lewis durch einen Menschen vorgestellt und eingeführt wird, der seine Schriften und Gedanken wirklich gut kennt und uns eine Hilfestellung geben kann, sie zu verstehen. Ich habe nun seit mehr als vierzig Jahren Lewis’ Schriften studiert und schätze seine Weisheit in vielfacher Hinsicht. Außerdem habe ich mich lange bemüht, Wege zu finden, ihn und sein Denken bestmöglich zu vermitteln und umzusetzen. Aber letzten Endes muss man ihn dann doch im Original lesen. Lewis schreibt in einem eleganten, eingängigen Stil, den so gut wie keiner seiner Kommentatoren – und ich schon gar nicht! – nachzuahmen vermag.

Sie könnten dieses Buch als eine Art Vorwort ansehen, bevor Sie Lewis selbst lesen – so wie Lewis ein vorzügliches Vorwort für die Lektüre von John Miltons klassischem Werk Das verlorene Paradies schrieb. Aus diesem Grund finden Sie im Anhang „Weiterführende Lektüre“ sehr spezifische Literaturvorschläge, zu welchem von Lewis’ Werken Sie greifen können, wenn Sie ein bestimmtes Thema dieses Buches weiterverfolgen möchten. Außerdem sind dort Titel anderer Autoren aufgeführt, die das jeweilige Thema vertiefen können. Die Ausgaben, auf die ich mich beziehe, sind in der Bibliografie im Anhang angegeben.

Also – wo sollen wir anfangen? Wo Lewis selbst einsteigen würde, darüber kann kaum ein Zweifel bestehen – gewiss mit seiner Entdeckung des christlichen Glaubens, der rasch zum moralischen und intellektuellen Kompass seiner Welt wurde. Machen wir uns also auf zu unserem ersten Lunch-Treffen, in dem wir C. S. Lewis nach dem Sinn des Lebens fragen.

Alister McGrath

London, September 2013

Lunch mit C. S. Lewis

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