Читать книгу Fire&Ice 13 - Alex Altera - Allie Kinsley - Страница 6
3 Wiedersehen 2.0
ОглавлениеCAT
Das Zimmertelefon klingelte und Cat hob, nachdem sie einige Sekunden verwirrt darauf gestarrt hatte, den Hörer ab.
"Black?", meldete sie sich. Nicht sicher, was sie erwartete. Wenn jemand sie zu erreichen versuchte, würde derjenige es doch auf ihrem Handy probieren.
"Susanne Friedrich von der Rezeption. Mr. Altera ist hier und möchte Sie sprechen."
Cats Magen krampfte sich zusammen. Woher wusste er, in welchem Hotel sie wohnte? Und vor allem, was wollte er von ihr?
Sie war noch nicht bereit, ihm schon wieder über den Weg zu laufen. Beim letzten Mal hatte sie sieben Jahre dafür gebraucht, sich stark genug für eine Auseinandersetzung zu fühlen … und war es dann doch nicht gewesen.
"Miss? Mr. Altera würde zu Ihnen kommen", sprach Frau Friedrich sie erneut an. Alex hier in diesem Zimmer? Niemals. Dann hatte sie keinen Ort mehr, an den sie sich notfalls zurückziehen konnte.
Seine hasserfüllten Worte hallten wieder und wieder durch ihren Kopf.
"Und es ist mir verdammt nochmal egal. Du bist mir egal. Du bist ein Nichts. Eine kleine Schlampe, mehr nicht!"
Gewaltsam riss sie sich von den Erinnerungen los und zwang sich zu antworten.
"Ich komme in die Bar. Er soll dort auf mich warten", antwortete sie der Empfangsdame.
"Ich werde es ausrichten."
Mit zitternden Händen legte sie das Telefon zurück in die Station.
Was wollte er von ihr? Konnte er es nicht einfach gut sein lassen? Er hatte seine Meinung doch deutlich genug kundgetan.
Sie war nichts für ihn. War nie mehr als die kleine, dumme Schlampe gewesen, die ihm den Aufenthalt in Boston versüßt hatte.
Sie zog sich den grauen Designer-Blazer, der zu ihrem Kostüm gehörte, über die weiße, enge Bluse und schlüpfte in die Valentinos.
Ein Business-Outfit. Ihre Rüstung im Kampf gegen ihre viel zu empfindlichen Gefühle.
Sie sah noch einmal in den Spiegel, betrachtete das mühsam aufgelegte Makeup, das sie extra sorgfältig für ihren Trip durch die Stadt aufgetragen hatte, damit man die Spuren ihrer durchweinten Nacht nicht sah.
Sie wollte gut aussehen, wenn sie sich schon nicht gut fühlte.
Kurzentschlossen steckte sie die langen, schwarzen Strähnen zu einem festen Knoten hoch.
Das ließ ihre Gesichtszüge noch strenger wirken und hielt ihn vielleicht davon ab, sie in aller Öffentlichkeit anzugreifen.
Dann hängte sie sich ihre Prada-Handtasche über die Schulter und verließ das Hotelzimmer.
Auf in den Kampf.
ALEX
Elf Uhr morgens. Er hatte in seinem ganzen Leben noch nie um diese Uhrzeit einen Drink zu sich genommen und doch saß er jetzt in der Bar des Marriott und trank einen Whisky, um seine Nerven zu beruhigen.
"Du weißt nichts. Du hast keine Ahnung, was ich durchgemacht habe."
Cats Worte gingen ihm einfach nicht mehr aus dem Kopf.
Es stimmte, er hatte keine Ahnung, was sie in den letzten sieben Jahren erlebt hatte. Es wäre ihm niemals in den Sinn gekommen, danach zu fragen. Sie hatte ihn so tief verletzt, dass er sie einfach nie hatte wiedersehen wollen.
Aber etwas hatte sie so sehr geprägt, dass aus der immer lächelnden jungen Frau eine eiskalte Diva geworden war.
Eine Frau, die jetzt in Designer-Klamotten und mit unbewegter Miene auf ihn zu gestöckelt kam. Ihre Züge wirkten so hart wie die einer Maske, nichts war von der Unsicherheit des letzten Abends zurückgeblieben.
Hatte er sich all das nur eingebildet?
"Du wolltest mich sprechen?", fragte sie, als sie sich ihm gegenüber auf dem Ledersofa niedergelassen hatte.
Selbst mit dieser strengen, kühlen Ausstrahlung sah sie noch immer unglaublich schön aus.
Das Funkeln in ihren ausdrucksstarken braunen Augen fehlte, aber der Rest war noch genauso perfekt wie vor sieben Jahren.
"Eigentlich wollte Ryan dich sprechen, hat dich aber nicht erreicht."
Sie presste die Kiefer zusammen. "Ich werde ihn später zurückrufen. Sonst noch was?"
Selbst mit zusammengepressten Lippen sah ihr Mund noch wunderschön und endlos weich aus.
CAT
Sein eindringlicher Blick machte ihr zu schaffen. Als wäre es nicht schon schlimm genug, dass jeder einzelne Zentimeter an ihm unerwünschte Erinnerungen in ihr weckte.
Sie spürte bereits, wie ihre Fassade zu bröckeln begann und dass sie dringend hier weg musste.
"Ich habe noch einen Termin, wenn du mich also bitte entschuldigen würdest", brachte sie in ihrem besten Geschäftston hervor.
Alex schnaubte.
"Was?", fragte sie und klang selbst in ihren eigenen Ohren ein wenig zu gereizt.
Alex' Verhalten zehrte an ihren Nerven. Jede einzelne Sekunde in seiner Nähe brachte mehr von der mühsam errichteten Schutzschicht zum Wanken.
Er nahm einen Schluck von seinem Whisky und funkelte sie dann wütend über den Rand des Glases hinweg an.
"Was wird das? Willst du mir all deine multiplen Persönlichkeiten zeigen? Ich kenne schon genug davon", sagte er.
Sie zog lediglich eine Augenbraue in die Höhe. "Du kennst mich nicht."
Harsch lachte er auf. "Natürlich kenne ich dich! Dein halbes Leben lang!"
Ruhig stand Cat auf und sah von oben auf ihn herab. "Die Cat, die du zu kennen glaubst, ist vor sieben Jahren gestorben. Du und Bastian …"
Sie schluckte, um den Schmerz in ihrer Stimme in den Griff zu bekommen.
"Ihr beide habt sie auf dem Gewissen. Damit werdet ihr leben müssen."
Dann drehte sie sich auf dem Absatz um und verließ das Hotel. Sie konnte ihm keine Sekunde länger in die Augen sehen. Sie war zu kurz davor zusammenzubrechen.
ALEX
Er konnte nichts anderes tun, als ihr hinterher zu sehen. Es war ihr voller Ernst. Aus irgendeinem Grund war sie der festen Überzeugung, dass er an allem schuld sei.
Dabei hatte er nichts getan, außer sie zu lieben.
Er erinnerte sich an jedes einzelne Wort, das sie in ihrem letzten Gespräch gewechselt hatten. Erinnerte sich daran, wie sie ihm gesagt hatte, dass sie ihn liebte, obwohl das von vorn bis hinten gelogen gewesen war.
Alex konnte sich noch an die Vorkommnisse danach erinnern, als wäre es gestern gewesen.
Sieben Jahre zuvor
Er war gerade für einen Auftrag in China und hatte zum ersten Mal die Gelegenheit gehabt, einen richtig großen Deal mit seinem Boss abzuwickeln.
An der Küste, an der er zusammen mit seinem damaligen Chef und Mentor das Projekt für einen millionenschweren Finanzmanager geplant hatte, gab es weder Handynetz noch Internet. Es war ein winziges, ruhiges und sehr rückständiges Dorf.
Wahrscheinlich hatte es sich der Manager genau deshalb ausgesucht. Ein Haus am Ende der Welt, wo alles noch etwas langsamer lief und man ganz zur Ruhe kommen konnte.
Für alle geschäftlichen Abwicklungen mussten sie in das nächstgrößere Dorf fahren.
Dort war von Zivilisation immer noch nichts zu sehen, aber zumindest gab es ein Kommunikationshäuschen, in dem es einen Festnetzapparat und einen Computer mit sehr trägem Internet gab.
Die ersten vier Wochen hatte sein Boss ihn nicht einmal mitgenommen.
Sie hatten sich voll und ganz auf das Projekt konzentriert, das schlussendlich Alex' Durchbruch in der Architektenbranche geworden war.
Das riesige Domizil hatte dafür gesorgt, dass sein Chef ausgesorgt hatte, und Alex die Möglichkeit gegeben, ein eigenes Architekturbüro zu eröffnen, mit dem er sofort in der Luxusklasse starten konnte.
Es war eine gute, aber verdammt stressige Zeit. Sie hatten nur sechs Wochen, um das gesamte Projekt zu planen, da es unbedingt vor dem Eintreten von örtlichen Gesetzesänderungen fertig werden musste.
In der fünften Woche hatte er schließlich Ryans knappe Mail gelesen, in der dieser sich darüber ausließ, dass Bastian, einer von Ryans engen Freunden, seine kleine Schwester geschwängert hätte und dass Ryan dem Mistkerl den Hals umdrehen würde.
***
Selbst in diesem Moment spürte Alex noch den Schmerz in seinem Herzen.
Der Unglaube und das Unverständnis hatten ihn wie benebelt vor dem Monitor zurückgelassen, bis sein Boss ihn dazu drängte, endlich in die Gänge zu kommen, damit sie zurückfahren konnten.
Er hatte Ryan nicht einmal auf seine E-Mail geantwortet. Weder ihm noch Cat irgendwelche Fragen gestellt.
Der Schmerz war allumfassend gewesen. Das Wissen, dass die Frau, die sein Herz besaß, ihn betrogen hatte, hatte sein Herz zerrissen.
Noch heute konnte er nicht verstehen, wie es sein konnte, dass er seine große Liebe in ihr gefunden hatte und sie ihn bereits nach wenigen Tagen gegen einen anderen ausgetauscht hatte.
Sein Herz fand dafür keine Erklärung.
CAT
Ein paar Straßen weiter hatte sie sich in ein kleines Café gesetzt und versuchte nun, ihren inneren Aufruhr unter Kontrolle zu bekommen.
Leichter gesagt als getan, weil ihr Körper ihr eindeutig mitteilte, dass sie lieber hyperventilieren sollte. Ihr Puls raste und ihre Atmung ging viel zu schnell.
Die wenigen Minuten mit Alex hatten ihr alles an Selbstbeherrschung und schauspielerischer Leistung abgerungen, was sie zu bieten hatte.
Mit zitternden Händen griff sie nach dem Wasserglas, das die Bedienung ihr auf ihre Bestellung hin gebracht hatte.
Als sie sich endlich wieder unter Kontrolle hatte, wählte sie Ryans Nummer. Sie lächelte, weil sie sich sicher war, dass er dieses Detail aus ihrer Stimme heraushören konnte.
"Cat?"
"Hey großer Bruder", sagte sie betont fröhlich.
"Na endlich! Ich hab dich nicht erreicht und mir Sorgen um dich gemacht!"
"Ich hatte nur das Handy lautlos, weil ich mich ein wenig entspannen wollte. Alex ist vorbeigekommen und hat mir gesagt, dass du auf einen Rückruf wartest."
Alex' Name schmeckte bitter wie Galle in ihrem Mund. Ihm zu vertrauen war damals schon ein riesiger Fehler gewesen, den sie bestimmt kein zweites Mal begehen würde. Auch wenn er heute viel ruhiger gewesen war als am Abend zuvor.
"Euer Gespräch … ist nicht so gut gelaufen?", hakte Ryan nach und die Vorsicht in seiner Stimme machte Cat misstrauisch.
"Naja, ich befürchte, er wird stur bleiben. Tut mir sehr leid, Ryan."
"Es ist nicht deine Schuld."
Ryan seufzte.
"Ich habe nie verstanden, was auf einmal sein Problem war. Diese ganze Geschichte mit seiner Arbeit kann nicht alles sein. Auch ich arbeite viel, schaffe es aber trotzdem, mal rauszukommen!"
"Seit Sky", sagte Cat. Diesmal war ihr Lächeln echt.
"Ja. Ich hoffe, du findest eines Tages auch so einen Menschen, Kleines."
"Bestimmt", antwortete sie, auch wenn sie eher vom Gegenteil überzeugt war.
Die Narben auf ihrer Seele waren zu groß, um noch Platz für eine große Liebe zu lassen.
Sie beendeten das Gespräch und Cat zog die Kopfhörer ihres Handys aus der Tasche, um ein wenig Musik zu hören.
Motivationsmusik, nur nichts mit Herzschmerz. Sie entschied sich für eine alte Playlist. Destiny's Child, Beyoncé, Pink. Powerfrauen, die alles völlig ohne fremde Hilfe schafften.
Geraume Zeit später spürte sie eine leichte Vibration des Tisches und öffnete die Augen. Ihr gegenüber saß Alex, der sich gerade für den Kaffee bei der Bedienung bedankte.
Cat richtete sich auf und riss sich die Kopfhörer aus den Ohren.
"Was machst du hier?", fragte sie und konnte mit dem Lächeln, das um seine Mundwinkel spielte, absolut nichts anfangen.
Vor allem weil es das erste Lächeln seit sieben Jahren war, das sie von ihm sah.
"Lass dich nur nicht bei deinem wichtigen Termin stören, ich trinke nur einen Kaffee auf dem Nachhauseweg."
"Sarkasmus steht dir nicht", antwortete Cat und hasste sich selbst, weil sie spürte, wie ihre Wangen heiß wurden.
Alex zuckte die Schultern. "Weglaufen steht dir nicht, und du machst es trotzdem."
Cat rieb sich emotional erschöpft über die Stirn. "Unser Gespräch gestern hat doch mehr als deutlich gezeigt, dass es keinen Sinn hat."
Er schwieg, was Cat dazu veranlasste aufzusehen. Unbewegt und durchdringend musterte er sie.
"Vielleicht bin ich jetzt geneigt, dir zuzuhören." Er beobachtete sie mit schräg gelegtem Kopf.
Diesmal war es an Cat zu schnauben. "Aus irgendeinem verrückten Grund scheinst du anzunehmen, dass ich hier die Böse bin!"
ALEX
Je länger er Cat um sich hatte, desto verwirrter war er. Ihre Art, ihre Aussagen, ihre Gefühlslagen … nichts passte so wirklich zusammen.
Aber das und die Tatsache, dass er sie seit sieben Jahren nicht aus seinem Kopf bekam, egal was er machte, veranlassten ihn dazu, sich mit ihr und diesem schmerzhaften Thema auseinanderzusetzen.
"Nachdem du es warst, die mich betrogen hat, gehe ich davon aus, dass du die Böse bist, ja."
Sie sah aus, als hätte er sie geschlagen, dabei hatte er einfach nur einmal ausgesprochen, was seit so langer Zeit zwischen ihnen stand.
Ganz langsam schüttelte sie den Kopf und wühlte dann in ihrer Handtasche.
Verwirrt und neugierig zugleich, beobachtete er sie schweigend dabei, wie sie ihren Geldbeutel hervorholte und fünf Euro unter ihr Wasserglas legte.
"Was hast du vor?", fragte er mit zusammengezogenen Augenbrauen.
"Ich gehe."
"Du kannst nicht jedes Mal abhauen, wenn es unangenehm wird, Cathrin!" In ihm brodelte es. Sie konnte ihn nicht einfach so anfüttern und dann im Regen stehen lassen.
"Alexander." Sie sprach seinen Namen aus wie ein Schimpfwort. "So lange du mir wahllos Beleidigungen an den Kopf wirfst, sehe ich keinen Grund, mich mit dir zu unterhalten."
Er lehnte sich nach vorn und stützte die Unterarme auf dem Tisch zwischen ihnen ab. "Was ist daran eine Beleidigung? Ich lege nur Fakten auf den Tisch. Du hast mit Bastian geschlafen, kaum dass ich ins Flugzeug gestiegen bin!"
Sämtliche Farbe wich aus ihrem Gesicht. "Wie zum Teufel kommst du nur auf diese Idee?"
Ihre Reaktion verwirrte ihn nur noch mehr. "Ryan hat es mir gesagt."
Sie schüttelte den Kopf und stand auf. "Wenn es das ist, was zwischen dir und einem Besuch bei deinem ältesten Freund steht, kann ich dich beruhigen. Es ist nicht wahr. Ich habe nie mit Bastian geschlafen … weder vor noch nach dir."
Alex fühlte sich wie vor den Kopf gestoßen. In ihrer Stimme lag kein Zögern, der Ausdruck in ihrem Gesicht war bitterernst.
Sie hatte keinen Grund, ihn jetzt noch zu belügen, oder? Sie würde nicht so reagieren, wenn es ihr nur um Ryan gehen würde.
Als er den Blick wieder hob, war sie schon am Ende der Straße angelangt. Sie ging einfach und ließ ihn mit seinen absolut chaotischen Gedanken zurück.
Er könnte ihr nachlaufen, aber er brauchte Zeit, um nachzudenken. Er wusste schließlich, wo er sie finden konnte, wenn er zu einem Entschluss gekommen war.
CAT
Ihre Gedanken rotierten, als sie sich auf den Rückweg zum Hotel machte.
Alex war felsenfest davon überzeugt gewesen, dass sie ihn mit Bastian betrogen hatte.
Aber machte das einen Unterschied? Er hatte sich schließlich schon weit vor dem Gespräch von Ryan und ihr nicht mehr bei ihr gemeldet.
Über vier Wochen Funkstille und dann sollte ihn diese Halbwahrheit, die sie Ryan aufgetischt hatte, so verletzt haben, dass er sieben Jahre später immer noch mit diesem Thema anfing?
Daran glaubte sie nicht.
Sie schüttelte den Gedanken ab. Es ging hier schließlich nicht um eine Versöhnung zwischen ihr und Alex, dafür war einfach zu viel passiert. Es ging rein darum, dass Mr. Altera sich wohl genug fühlte, um Ryan zu besuchen. Damit wäre Cats Job erledigt.
In der Zwischenzeit musste sie nur ihre eigenen aufgewühlten Gefühle irgendwie in den Griff bekommen. Alex weckte so viele Emotionen auf einmal in ihr, dass sie diese kaum noch verarbeiten konnte.
Wut, Begehren, Frust, Verlangen, Enttäuschung, Lust, Schmerz … die Liste ließe sich beinahe beliebig lang fortsetzen, was dem Durcheinander in ihr nicht gerade zuträglich war.
Müde zwickte sie sich in die Nasenwurzel und versuchte, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Heute schien es das erste Mal gewesen zu sein, dass sie durch seinen Panzer aus Wut gedrungen war.
Vielleicht würde sie am nächsten Tag die Kraft für eine vierte Runde im Kampf Alex gegen Cat finden.
Vielleicht. Im Moment fühlte sie sich nur zu einem ewigen Schlaf à la Dornröschen im Stande.
Mehr wollte ihr Körper nicht hergeben.
ALEX
Kritisch musterte er sich im Spiegel.
Das hellblaue Hemd saß gut und passte zu der schwarzen Anzughose. Es war bereits das dritte Hemd, das gut saß und dazu passte.
Deshalb ärgerte er sich umso mehr, dass er dauernd nur darüber nachdachte, ob es Cat wohl gefallen würde.
Es sollte ihm verdammt nochmal egal sein. Alles, was er wollte, war, die offenen Themen ihrer gemeinsamen Vergangenheit aus dem Weg zu räumen, damit er seine Freundschaft mit Ryan nicht gefährdete.
Am Abend hatte er Ryan angerufen, um sich bei ihm zu erkundigen, ob Cat sich gemeldet hatte.
Hatte sie. Auf das Fluchen, das Ryan daraufhin ausstieß, war Alex nicht vorbereitet gewesen.
"Sie hätte überhaupt nicht nach Deutschland fliegen sollen. Ich habe keine Ahnung, was die beiden sich dabei gedacht haben", hatte Ryan erneut gebrummt.
"Dass Cat mich davon überzeugen kann, euch zu besuchen."
Eine kurze Zeit lang hatte Ryan nichts gesagt. Der unerwartet kalte Ton, der Alex dann entgegengeschlagen war, hatte ein ungutes Gefühl in seinem Magen hinterlassen.
"Wenn man dich davon überzeugen muss, deinen Freund zu besuchen, ist es keine Freundschaft mehr, Alex. Eine Freundschaft ist keine Einbahnstraße. Und unsere wird daran zerbrechen, wenn alles immer nur von mir kommen muss."
Alex schluckte schwer, als er an Ryans Worte zurückdachte.
Er hatte recht. Eine Freundschaft funktioniert nur, wenn beide Parteien es wollen.
Deshalb hatte er sich dazu entschieden, Cat zum Frühstück abzuholen und alles so gut es ging mit ihr zu klären. So wie in den letzten sieben Jahren konnte es definitiv nicht weitergehen.
Eines musste er dabei nur unbedingt im Hinterkopf behalten: Es ging absolut nicht darum, wieder etwas mit Cat anzufangen.
Es reichte schließlich, dass er sich einmal die Finger verbrannt hatte.
Er legte die Rolex um sein Handgelenk. Bicolor, Daytona. Er hatte sie von seinem Vater geerbt, eines der wenigen Stücke, die er bis heute besaß.
Dann schlüpfte er in sein Jackett und die Schuhe, ehe er sich auf den Weg zum Marriott machte, das nur wenige Straßen entfernt lag.
Als er an dem Café vorbeikam, in dem er Cat hatte sitzen sehen, musste er lächeln.
Ein weiterer Beweis dafür, dass sie nicht halb so taff war, wie es den Anschein machte.
Der Maitag war recht warm und Alex konnte trotz des bevorstehenden Gesprächs nicht anders, als kurz stehenzubleiben und die Sonne zu genießen, die auf sein Gesicht schien.
Dann ging er durch die großen Glastüren des Hotels und steuerte direkt auf den Empfang zu.
"Alex Altera für Cathrin Black, bitte."
"Einen Moment, bitte", antwortete die junge Frau am Empfang, klickte dann auf ihrem Computer herum. "Guten Morgen, Miss Black, Mr. Altera ist hier, um Sie zu sprechen", flötete sie in ihr Headset.
Sie zog verwirrt die Brauen zusammen und wiederholte Cats Antwort für ihn.
"Miss Black lässt sich entschuldigen, sie meldet sich bei Ihnen, wenn sie Zeit hat."
Alex lächelte die junge Frau aufmunternd an. "Sagen Sie ihr, dass ich hier warte, bis sie soweit ist, damit wir zusammen frühstücken können."
Sichtlich verunsichert übersetzte sie Alex' Antwort für Cat, bedankte sich dann bei ihr und legte auf.
"Miss Black wird in einer Viertelstunde im Frühstücksraum zu Ihnen stoßen. Wissen Sie, wohin Sie gehen müssen?"
Alex nickte, er kannte das Hotel sehr gut. Viele seiner Kunden hatten hier bereits übernachtet.
"Vielen Dank."
Dann machte er sich auf den Weg.
Er wählte einen Tisch in einer ruhigen Ecke, damit sie sich ungestört unterhalten konnten.
Lange musste er nicht auf Cat warten. Wieder trug sie ein perfekt sitzendes Kleid, und diese Maske, die keine einzelne ihrer Gefühlsregungen ans Licht ließ.
Völlig automatisch stand er auf, um ihr den Stuhl zurecht zu schieben. Dabei redete er sich selbst ein, dass es lediglich seine guten Manieren waren, die ihn unweigerlich dazu trieben.
"Guten Morgen, Cat."
Sie zögerte einen Moment, antwortete dann aber: "Guten Morgen."
Sie vertiefte sich sofort in die Frühstückskarte. Die Stille, die dadurch entstand, war unangenehm.
Als der Keller schließlich kam, entschied Alex sich für das klassische Menü und Cat für das Vital-Frühstück, zu dem es viel Obst gab.
Es passte zu ihr. Cat war noch nie der Typ gewesen, der viel Wurst oder Käse frühstückte. Die unzähligen Male, die sie zusammen gefrühstückt hatten, hatte sie meist Ewigkeiten in ein und demselben Joghurt mit Früchten gestochert, während sie schier endlos über die Pläne gesprochen hatte, die sie für die Zukunft schmiedete.
"Wie war es in Neuseeland?", fragte er aus einem Impuls heraus. Er konnte die Stunden nicht zählen, in denen sie ihm Fotos im Internet gezeigt hatte.
Überrascht sah sie auf. "Ich war nie in Neuseeland."
"Aber du hattest es doch fest vor", antwortete Alex mit gerunzelter Stirn.
Cat lachte auf, aber hinter dem Lachen lag keinerlei Freude. "Kleinmädchen-Träume, Alex, mehr nicht."
Die Art, wie sie das sagte, behagte ihm gar nicht. All die Begeisterung, die sie damals für alles Mögliche empfunden hatte, schien wie weggeblasen.
"Ein rosa Pony ist ein Kleinmädchen-Traum. Diese Reise war mehr als das, Kätzchen. Es war ein Herzenswunsch."
"Nenn mich nicht so!" Ihre Augen waren kalt wie Eis und ihr Tonfall schneidend.
Müde rieb er sich über das Gesicht.
"Hör mal … du hast recht. Wir müssen das hier irgendwie hinter uns lassen. Es ist lange her und vergessen."
Vergessen sollte es zumindest sein, aber allein der Gedanke daran, was sie getan hatte, ließ Übelkeit ihn ihm aufsteigen.
"Woher kommt dieser Sinneswandel?"
Alex zuckte die Schultern. "Ich habe mit Ryan gesprochen. Ich will unsere Freundschaft nicht aufs Spiel setzen."
Zögerlich nickte sie, doch ehe sie antworten konnte, kam der Kellner und servierte ihr Frühstück.
Er hatte absolut keine Ahnung, wo er anfangen sollte, leider machte auch Cat keine Anstalten, das Wort zu ergreifen.
Gleich mit der Tür ins Haus zu fallen und sie mit ihrem Verrat zu konfrontieren, schien ihm keine gute Idee zu sein. Er wollte, dass dieses Gespräch funktionierte.
"Was hast du in den letzten Jahren gemacht, wenn du nicht in Neuseeland warst?", fragte er schließlich, nachdem Cat sich nur eingehend mit ihrem Kaffee beschäftigte.
Sie sah auf und musterte ihn neugierig. "Ich habe mein eigenes Hotel geleitet."
"Du warst sehr jung für so ein riesiges Projekt, findest du nicht?" Nach allem, was er mitbekommen hatte, war Cat erst 19 oder 20 gewesen, als Ryan das Hotel für sie gekauft hatte.
Cat zuckte mit den Schultern. "Ryan meinte, ich brauche etwas zu tun. Ich denke, er hatte wieder einmal recht behalten."
"Läuft es denn gut?", hakte er nach, um weiter auf ungefährlichem Terrain zu bleiben.
"Ich kann mich nicht beklagen. Es ist natürlich viel zu tun, aber die Arbeit macht mir Spaß und füllt mich aus." Sie hörte sich an, als würde sie ein Interview geben.
Aus irgendeinem Grund machte ihn das nahezu rasend. Er wollte diese Maske nicht sehen, wollte wissen, was wirklich in diesem hübschen Köpfchen vor sich ging.
"Und bei dir? Ich höre, du hast ein eigenes Architekturbüro?" Small Talk, höfliche Konversation, mehr nicht.
"Ja, der China-Auftrag war mein beruflicher Durchbruch. Ich hatte von Anfang an sehr viele, sehr gute Aufträge."
Cat widmete sich dem Obstsalat. "Was war das für ein China-Auftrag?"
Alex' gesamter Körper verkrampfte sich. Sie steuerten schneller auf die heiklen Themen zu, als er gedacht hatte.
"Eine Luxusvilla, ein ziemliches Hauruckprojekt … vor sieben Jahren."
Er beobachtete, wie ihre Gabel einem Moment über der Schüssel verharrte, und dann ziellos darin herum rührte.
Sie machte keine Anstalten zu antworten, und doch hing das Unausgesprochene zwischen ihnen in der Luft. "Der Auftrag, wegen dem ich damals direkt nach meiner Rückkehr nach Deutschland wieder meine Koffer packen musste. Erinnerst du dich?"
Mit zusammengezogenen Augenbrauen sah sie ihn an. "Woher sollte ich davon wissen?"
Alex musterte sie einen Moment lang. Wusste sie es wirklich nicht oder stellte sie sich nur dumm?
"Ich hatte dir noch in derselben Nacht auf die Mailbox gesprochen und Ryan wusste ebenfalls Bescheid."
Cat schüttelte den Kopf. "Ich habe noch nie eine Mailbox besessen, oder zumindest war sie nie aktiv. Ich hasse diese Dinger."
"Ich habe die Nummer genommen, die du mir damals gegeben hast."
Warum er sich dazu genötigt fühlte, sich zu rechtfertigen, wusste er nicht.
"Wie auch immer. Ich freue mich, dass es geklappt hat", gab sie mit einem Fake-Lächeln zurück.
Alex lehnte sich in seinem Stuhl zurück und trank einen Schluck von seinem schwarzen Kaffee.
"Wenn das dein Problem ist, Cat, sollten wir das vielleicht ausdiskutieren."
Sie schüttelte den Kopf. "Lass es gut sein, Alex. Im Endeffekt ist das alles längst vorbei und dieser angebliche Anruf nur ein Tropfen auf einem heißen Stein."
"Allein die Tatsache, dass du angeblich sagst, zeigt doch schon, dass es noch lange nicht vorbei ist. Wir wollten unsere Probleme regeln, also versuch jetzt keine Ausflüchte zu suchen."
Ein wenig zu energisch knallte sie ihre Gabel zurück auf den Tisch und funkelte ihn wütend an.
"Selbst wenn es diesen Anruf gegeben hat, Alex, ein Anruf in sieben Jahren ändert überhaupt nichts."
"Nachdem du mich so schnell ersetzt hattest, bin ich nicht davon ausgegangen, dass du auf weitere Anrufe scharf bist", knurrte er.
"Es reicht." Cat stand auf und wollte schon wieder vor ihm davonlaufen, aber diesmal würde er sie nirgendwo hingehen lassen.
Er sprang ebenfalls auf, packte sie am Oberarm und zog sie zu sich. "Oh nein, du rennst nicht schon wieder weg, wenn es schwierig wird!"
Wie wild geworden, zerrte sie an seinem Arm, kämpfte gegen seinen Griff. "Lass mich los, Alex. Ich habe genug davon, mich ständig von dir beleidigen zu lassen!"
Ihre Stimme klang so zerbrechlich, dass er stutzte. Er griff nach ihrem Kinn und drehte ihr Gesicht zu sich. In ihren Augen stand ein tiefer, alter Schmerz und sie schimmerten feucht.
Alex zog sie an sich, ignorierte ihre Gegenwehr und presste sie fest an seine Brust.
"Es tut mir leid, Kätzchen", flüsterte er und hielt sie fest, obwohl sie sich gegen ihn stemmte.
"Es tut mir leid, okay? Ich wollte das nicht."
Langsam erlahmte ihr Kampf.
"Schsch … komm schon. Ich wollte dir nicht wehtun", flüsterte er, schob eine Hand in ihren Nacken und massierte leicht die verspannten Muskeln.
"Du kannst mir nicht mehr wehtun", gab sie leise zurück, aber es war gelogen. Er hatte den Schmerz gesehen und spürte das kaum merkliche Zittern ihres Körpers an seinem.
Sie fühlte sich so verdammt gut in seinen Armen an. Genauso gut wie vor sieben Jahren. Sie passte zu ihm, als wäre sie nur für ihn gemacht.
Ihr Körper wurde weicher und für einen kurzen Moment ließ sie sich in die Umarmung fallen, ehe sie sich wieder versteifte, als wäre ihr eingefallen, an wen sie sich lehnte.
Alex' Kiefer verspannte sich automatisch und er lockerte widerwillig seinen Griff.
"Du kannst mich jetzt wieder loslassen", sagte sie schließlich, hob aber nicht ihren Blick, sondern starrte stur auf seine Brust.
"Ich weiß nicht, ich bin mir nicht sicher, ob du nicht gleich wieder wegläufst", sagte er nur halb im Scherz.
Dass er sie einfach gern noch einen Moment bei sich haben wollte, sagte er nicht. Er verbot sich sogar, das auch nur zu denken.
Mit dem Verlangen, sie berühren zu müssen, hatte alles begonnen und hatte schließlich in unendlichem Schmerz geendet.
Für sie beide, das wurde Alex langsam klar.
Als sie sich weiter von ihm wegschob, ließ er es zu, wartete, bis sie sich gesetzt hatte, und ließ sich schließlich ebenfalls zurück auf seinen Platz sinken.
Cat ließ er für keine Sekunde aus den Augen, beobachtete sie dabei, wie sie mit minimal zitternder Hand nach ihrem Cappuccino griff und alles daran setzte, seinen Blick zu meiden.
Es dauerte einige Minuten, dann atmete sie tief durch und hob ihren Kopf, um ihm fest und absolut entschlossen in die Augen zu sehen.
"Um dieses Thema ein für alle Mal abzuschließen. Ich habe dich niemals betrogen. Nicht mit Bastian und auch mit keinem anderen. Egal was Ryan gesagt hat, es gab niemanden."
Alex hatte noch eintausend Fragen dazu, aber er wusste genau, dass sie keine einzige davon in diesem Moment zulassen würde. Sie würde gehen und ihn nie wieder so nah an sich heranlassen.
Das Wichtigste war aber, dass er ihr glaubte. Seine Anschuldigung könnte sie niemals so sehr verletzen, wenn auch nur ein Fünkchen Wahrheit dahinterstecken würde.
Er nickte und zwang sich dann dazu, sich mit seinem Brötchen zu beschäftigen, um ihr genügend Zeit zu geben, sich wieder zu sammeln.
Sein Handy klingelte und schenkte ihm damit weitere wertvolle Minuten, die sie beide brauchen konnten, um sich zu beruhigen.
Der Blick aufs Display ließ ihn lächeln.
"Hey Kleines."
"Hey großer Bruder, melde mich zum wöchentlichen Appell."
"Lass mich nicht aussehen, wie einen Kontrollfreak. Wie geht es dir?"
"Alles bestens. Bin auch auf dem Sprung, wollte mich nur kurz melden."
Alex verdrehte die Augen. Amy war immer auf dem Sprung oder hatte sonst was Wichtiges vor.
"Okay. Melde dich wieder."
Sie lachte. "Wie jede Woche! Küsschen."
"Mhm. Bye", brummte er und hoffte inständig, dass er dieses eine Mal damit durchkommen würde.
"Nein, mhm und bye reicht auch diese Woche nicht. Gib mir auch ein Küsschen!" Er hasste es und seine kleine Schwester wusste das genau.
"Amy …"
"Alex! Was, wenn das unser letztes Telefonat ist, weil ich gleich beim Schwimmen ertrinke?"
"Mal den Teufel nicht an die Wand!"
Am liebsten würde er sie irgendwo einsperren, wo ihr nichts passieren konnte, aber Amy würde ihn dafür umbringen.
"Küsschen, Alex!", forderte sie noch einmal.
"Ich bin in Gesellschaft!"
Amy schwieg und wartete. Wie jedes verdammte Mal. Sie wusste haargenau, dass sie immer damit durchkam. Seine einzige Aufmunterung war, dass Cat nicht verstand, was er da gerade diskutierte.
Er seufzte genervt und sagte dann: "Küsschen, Kleines." Als er ihr vergnügtes Kichern hörte, legte er wortlos auf.
Er spürte Cats Blick auf sich ruhen und aus irgendeinem Grund fühlte er sich dazu veranlasst zu sagen: "Amy, meine kleine Schwester, falls du dich erinnerst."
"Ja."
Sie klang amüsiert, deshalb sah er doch auf. Tatsächlich umspielte ein kleines Lächeln ihre Mundwinkel.
"Was?"
"Küsschen?" Aus ihrem Mund klang es eher wie Kussken, aber es war klar, dass sie den Sinn des Wortes verstand.
"Du kannst kein deutsch", sagte er und hörte selbst, wie mürrisch er klang.
"Falsch, ich verstehe das meiste sehr wohl, will es nur nicht sprechen."
"Ryan hätte dir sinnvollere Dinge beibringen sollen", murrte er weiter und beschäftigte sich dabei intensiv mit seinem Frühstück.
Cat lachte laut auf. "Mein Gott, Alex. Du bist erwachsen, du solltest da drüber stehen."
Sollte er … aber dann würde der Spaß auch irgendwo verloren gehen.
Es war schon fast so etwas wie ein Ritual zwischen Amy und ihm geworden.
Aber er zuckte nur die Schultern und ließ Cat ihren Spaß. Er war froh, dass dieses kleine Telefonat die Stimmung so aufgebessert hatte.
CAT
Am Abend lag sie noch lange wach und dachte darüber nach, was sich an diesem Morgen alles geändert hatte.
Irgendwie war es Alex und ihr gelungen, ein Stückchen von ihrer damaligen Leichtigkeit im Umgang miteinander zurückzubekommen.
Es waren immer noch viele Punkte zwischen ihnen offen, aber vielleicht musste auch einfach nicht alles bis zum bitteren Ende diskutiert werden.
Ihm schien ihre Versicherung zu reichen, dass sie ihn nicht betrogen hatte. Cat selbst hatte ebenfalls ein wenig Frieden gefunden.
Gegen Ende des Frühstücks hatte Alex ihr erzählt, warum er sich nach der Nachricht auf ihrer Mailbox, die sie nie erhalten hatte, nicht mehr bei ihr gemeldet hatte. Dass er von China aus keine Möglichkeit gehabt hatte und nach Ryans Nachricht zu verletzt gewesen war.
Nun ja … verletzt hatte er nicht gesagt. Sein genauer Wortlaut war: "Warum hätte ich dich anrufen sollen, wenn du einen anderen hattest?"
Aber die Art, wie er es gesagt hatte, ließ wenig Platz für Spekulationen. Ryans Nachricht hatte ihm all die Jahre nachgehangen.
Ein klein wenig bereute sie, dass sie Ryan nie die ganze Wahrheit gesagt hatte. Vielleicht hätte sich dadurch sehr viel Schmerz vermeiden lassen.
Vielleicht … vielleicht hätte es aber auch nur zu einem Bruch zwischen Alex und Ryan geführt.
Im Endeffekt war es egal. Es war vorbei und es war viel zu viel geschehen.
Es gab keine zweite Chance für sie beide, nicht bei den Narben, die auf ihren Herzen lagen. Sie würden sich nur immer und immer wieder dieselben Dinge vorwerfen.
Nicht dass Cat überhaupt einen neuen Versuch starten wollte. Sie hatte sich schon vor langer Zeit damit abgefunden, dass sie allein bleiben und keine Familie gründen würde.
All den Ballast, den sie seit Jahren mit sich herumschleppte, konnte und vor allem wollte sie niemandem zumuten.
Außerdem hatte sie nicht vor, sich jemals wieder so angreifbar, so verletzlich zu machen, dass ein einziger weiterer Stoß sie umbringen würde.
Es war zu viel gewesen, zu unerträglich für ihre noch junge Seele.
Cat drehte sich auf die Seite und zog das kleine Bild aus ihrem Geldbeutel, das sie nach all den Jahren noch immer mit sich herumtrug. Dieses kleine Bildchen, das damals all ihre Ängste und Hoffnungen vereint hatte.
Dann schloss sie die Augen und versuchte, ein wenig Schlaf zu bekommen.