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PROLOG

Die spätherbstliche Nachmittagssonne bündelte ihre letzten Strahlen und reflektierte ein warmes Licht durch die Wohnzimmerfenster unseres Einfamilienhauses. Ich liebte diese Lichtstimmung und genoss die Wärme der neuen Ölheizung. Es war still, nur das Ticken der Schrankuhr und das regelmäßige Klicken von Stricknadeln konnte ich hören. Meine Mutter saß in ihrem Sessel am Fenster und strickte an einem Pullover. Lang ausgestreckt lag ich auf dem Sofa und starrte gebannt in ein Buch, von dessen Foto ich mich nicht lösen konnte. Die Ruhe hatte etwas Andächtiges, meine Mutter summte leise ein Lied vor sich hin, wie immer, wenn sie den Text vergaß. Sie sah nicht einmal hoch, denn sie wusste welches Buch ich in den Händen hielt und welches Bild ich mit meinem Blick fixierte. Ich hatte mir die Schwarzweißaufnahme schon mehrmals angesehen und meine Mutter jedes Mal aufs Neue gefragt, ob der Hund wirklich tot sei, oder ob er nur schlief. Das Foto zeigte einen Jungen der mit der mit offener Hand sein schmerzverzerrtes Gesicht verdeckte, er weinte. Auf seinem Schoß lag ein Hund mit einem leicht geöffneten Maul, seine Augen blickten seltsam verdreht nach oben. Jedes Mal vergaß ich zu atmen, ich fühlte mich, als säße ich direkt daneben. Insgeheim hoffte ich dass der Hund wieder lebendig wird. Und wieder kämpfte ich mit den Tränen. Meine Mutter sah mich an und sagte nur: „Och Muckel!“


Foto: Roger Wrenn

Der Junge schien in etwa so alt wie ich damals, fünf Jahre. Dieses Foto berührte mich ungemein. Es war so prägend dass ich es mir wie heute detailgetreu vor Augen führen kann. Der Name des Fotografen sagte mir nichts, es zählte nur die Kraft des Bildes, die Wucht seiner auslösenden Emotion. Nach dem Tod meiner Eltern, nahm ich diesen Bildband aus dem Bücherregal mit. Kein anderes Fotobuch hat mich jemals wieder so berührt, wie das 1958 erschienene “Kinder aus aller Welt” und keines hat mich visuell dermaßen geprägt. Es waren aus dem Leben gegriffene Aufnahmen. Bilder die so real waren wie die Momente in denen sie entstanden. Darin lag für mich die Faszination dieses Buches, ich konnte mich in das Gesehene hinein versetzen und mich mit dem Jungen identifizieren. Sicher beeinflusste dieser Fotoband meine visuelle Wahrnehmung und prägte den späteren Bildstil. Und ganz be–stimmt entwickelte sich daraus meine Liebe zur Fotografie – explizit meine Vorliebe für die Schwarzweiß-Fotografie.


1967 – Meine. Eltern an der französischen Atlanikküste

Die Lichtschreiberin

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