Читать книгу Deutschland und die Deutschen: Ein Geschichtsbuch aus dem Jahre 1823 - Alois Wilhelm Schreiber - Страница 5
Kriegsfahrten der ältesten Deutschen:
ОглавлениеDas Land der Gallen war fruchtbarer und blühender, als das wald- und sumpfreiche Land der Germanen.
Darum beschlossen einige Deutsche Stämme, über den Rhein zu gehen, und sich in den Sitzen ihrer Nachbarn niederzulassen. Sie taten sich in einen Bund zusammen, der zuerst Heermannei und später Arimannei genannt wurde, wählten einen Anführer, und bemächtigten sich des belgischen Galliens.
Dies geschah lange vor der christlichen Zeitrechnung, und ungefähr 150 Jahre früher, als Cajus Julius Cäsar an den Rhein kam.
Da dieses Unternehmen geglückt war, so verbreitete sich die Kunde davon durch alle germanische Gauen, und viele Völkerschaften rüsteten sich zu ähnlichen Heerzügen und Wanderungen. Unter andern taten dies auch die Kimbern (ein germanischer Volksstamm, der mutmaßlich aus dem nördlichen Jütland stammte) und Teutonen (ein germanisches Volk der Antike, das ebenfalls im heutigen Jütland lebte).
Sie wussten wenig von Gesetz und Ordnung, und verließen sich auf ihres Armes Stärke. Ihr Weg ging gegen die Donau nach Illyrien. Mit Schrecken vernahmen die Römer die Nachricht von dem Anzuge dieser wilden, streitlustigen Horden, denn sie selbst waren weichlich geworden, nachdem sie die Schätze der übrigen Völker geplündert hatten, und mit den Tugenden ihrer Väter war auch der Mut und die hohe Vaterlandsliebe derselben von ihnen gewichen.
Unter Roms vornehmen Geschlechtern fand sich auch nicht ein Mann, der zum Heerführer taugte, und das Reich der Welteroberer wäre schon damals zusammengestürzt, hätte nicht Cajus Marius gelebt: Ein Mann aus dem Volke, aber tapfer, klug, und von großer Kriegserfahrenheit.
Furchtbare Gerüchte hatten die Zahl der anrückenden Feinde als unermesslich angegeben; wirklich soll sich dieselbe auch – ohne Weiber und Kinder – auf 300.000 rüstige Männer und Jünglinge belaufen haben. Der römische Senat sandte eiligst den Konsul Papirius Karbo gegen sie ab. Bei Noreia (Noreia war ein antiker Ort im östlichen Alpenraum), in der heutigen Steiermark unter den Judenburger Alpen trafen die Kimbern und Römer zusammen.
Die Teutonen hatten einen andern Weg genommen, und sich anfänglich gegen den Rhein gewendet, um dort neue Wohnsitze zu suchen.
Der Anblick der wilden Riesengestalten, ihre blitzenden Augen und seltsamen Waffen brachten unter den römischen Legionen die größte Bestürzung hervor, und diese wurde noch vermehrt durch den grässlichen Schlachtruf, in welchen sich das Getön der Schilder und Schwerter mischte.
Die Römer wurden nach kurzem Widerstand besiegt, aber die Kimbern verfolgten den Feind nicht; sie plünderten und zerstörten Noreia. Hierauf zogen sie den Teutonen entgegen, vereinigten sich mit ihnen, verheerten Gallien, Belgien und die meisten rheinischen Landschaften.
Von den damals noch gar mutigen Belgiern wurden sie jedoch zurückgetrieben, und auch von den Keltiberern in Hispanien, denn bis in dieses Reich hatten sie sich mit ihren Waffen Bahn gemacht. (Keltiberer: Im engeren Sinne eine Gruppe von Stämmen, die in vorrömischer Zeit im zentralen und nördlichen Spanien bzw. im Übergangsgebiet zwischen den iberischen Stämmen entlang der Mittelmeerküste der Iberischen Halbinsel und den keltischen Stämmen im Innern der Halbinsel lebte. Im weiteren Sinne ist damit fälschlich die Gesamtheit aller antiken keltischen und iberischen Stämme auf der Iberischen Halbinsel gemeint. Quelle Wikipedia).
Obgleich die Kimbern und Teutonen bei ihren Kriegsfahrten manchen Verlust erlitten, so gewannen sie doch immer wieder neue Stärke durch Stämme, die sich mit ihnen verbanden. Dies taten unter andern auch die Ambronen und Tiguriner, die damals in Helvetien (um das heutige Bern und Basel) ihre Wohnsitze hatten.
Vier Jahre lang dauerten die Drangsale, welche diese streifenden und schweifenden Scharen über einen Teil von Germanien und Gallien brachten.
Da fiel ihnen wieder das schöne Land Italien ein, und schnell wurde der Entschluss gefasst, sich dort bleibend niederzulassen. Doch wollten sie diesmal nicht gleich Gewalt brauchen, sondern die Römer freundlich um Gewährung ihres Wunsches begrüßen.
Sie ordneten eine Gesandtschaft ab an den Konsul Silanus (Marcus Iunius Silanus entstammte der römischen Adelsfamilie der Junier und amtierte 109 v. Chr. als Konsul), der bereits gegen sie im Feldlager stand, und an den Senat.
Wir wollen des römischen Volkes Bundesgenossen sein, lautete der Antrag, und mit ihm im Frieden leben, wo fern es uns einiges Land abtritt, wo wir uns niederlassen können.
Rom wies den Antrag zurück, und die Teutonen samt ihren Genossen griffen zu dem Schwert. Zuerst wurde der Konsul Silanus geschlagen, und später, von den Tigurinern, Lucius Cassius, dem die Römer nach der ersten Niederlage den Oberbefehl vertraut hatten. (Lucius Cassius Longinus († 107 v. Chr.) war ein römischer Senator der späten Republik und im Jahr 107 v. Chr. Konsul).
Der größte Teil des römischen Heeres blieb diesmal auf der Wahlstätte liegen, und der Rest, der gefangen ward, musste schwere Lösung geloben.
Jetzt rückte Skaurus mit dem dritten Heere ins Feld, und erfuhr das Schicksal seiner beiden Vorgänger. (Marcus Aurelius Scaurus († 105 v. Chr.) war ein römischer Politiker und General). Er wurde gefangen, und vor die Deutschen Häuptlinge geführt.
Hier benahm er sich mit altrömischem Trotz, der dem schmählich Überwundenen wenig ziemte, und sprach drohend: „Die Alpen möcht ihr wohl übersteigen, aber nie die Römer besiegen“.
Solcher Übermut verdross die Deutschen, und einer ihrer Führer, Bojorik mit Namen, durchstach den Römer mit dem Schwerte.
Zu Rom wurden nun zwei neue Heere ausgerüstet, und unter den Feldherrn Cajus Manlius und Servilius Cäpio den Feinden entgegen gesandt. Beide Führer waren uneins, und dies gereichte ihnen zum Verderben.
Die Teutonen und ihre Kampfgenossen boten nochmals Frieden an. Cäpio verweigerte ihn, und die Römer erlitten die schrecklichste Niederlage. Ihrer achtzigtausend deckten mit ihren blutigen Leibern das Schlachtfeld, beide römische Lager wurden erobert, und alles der Vernichtung geweiht.
Die Sieger in ihrer Wut zerrissen die römischen Gewänder, töteten die erbeuteten Pferde, mordeten die Gefangenen, und warfen alles Gold und Silber, alle Kostbarkeiten, die ihnen in die Hände fielen, in die Rhone (ein Fluss von 812 km Länge).
Jetzt kam bleiches Schrecken über Rom, und später nannte man daselbst jede solche Angst eine Kimbrische. Auch war es wirklich um die Weltherrn geschehen, wenn nicht – sichtbar genug – eine höhere Hand den Untergang des Römerreichs noch aufgehalten hätte.
Gaius Marius kam zu dieser Zeit als Sieger aus Afrika zurück, und wurde zum Konsul und Feldherrn ernannt. Wie nach der Schlacht bei Noreia versäumten die Kimbern und Teutonen auch diesmal die Gunst des Augenblicks, denn wenn sie ohne Zaudern über die Alpen gingen, so war Rom ohne Rettung verloren. Aber sie rasteten einige Tage, und dann plötzlich, als ob die unsichtbare, welche die Schicksale der Länder und Völker wägt, ihnen den Sinn verwirrt hätte, wendeten sie sich zum zweitenmale nach Spanien, und gaben dem Marius Zeit, sich zu rüsten, und seine Krieger zu ordnen und zu üben.
Als sich jene nun wieder den Alpen näherten, eilte der Römer mit seinen Scharen an die Rhone, wo er ein festes Lager bezog. Zu ihrem Unglück trennten sich die Kimbern und Teutonen abermals; jene wollten durch Norikum brechen, wo der zweite Römerkonsul Lutatius Katulus stand, diese aber zogen gegen den Marius, der jedoch klüglich ein Treffen vermied, damit sich seine Soldaten erst an den furchtbaren Anblick der Feinde und ihrer Waffen gewöhnen möchten.
Die Teutonen versuchten manchen Angriff auf die römischen Verschanzungen, jedoch ohne Erfolg, und ohne dass die Römer aus ihrer guten Stellung hervorkamen. Den Deutschen erschien dies als Verzagtheit.
Lassen wir!, riefen sie, lassen wir die Memmen hinter ihrer Brustwehr und ihren Gräben stehen, und nehmen unterdessen ihre Stadt und ihr Land in Besitz.
Treu diesem Vorsatz brachen sie auch wirklich auf, und nahmen ihren Weg am römischen Lager vorüber, und fragten die Römer spottend, ob sie etwas nach Rom zu bestellen hätten, an ihre Weiber und Kinder?
So groß war die Macht der Teutonen, dass ihr Zug am Lager vorüber sechs Tage dauerte. Marius folgte ihnen aber mit großer Vorsicht nach, und so kamen beide Heere bis Aquä Sertiä, dem heutigen Air in der Provence. Die Alpen liegen in geringer Entfernung von diesem Ort, darum wollte Marius es nun auf eine Entscheidung ankommen lassen und des günstigen Augenblicks wahrnehmen.
Die Deutschen lagerten an einem Flusse, die Römer aber mangelten des Wassers. Als sie nun murrten, zeigte Marius auf die Feinde hin und sagte: „Dort ist welches zu holen!“
Viele Haufen seiner Soldaten zogen nun, bewaffnet, zu dem Flusse. Die Ambronen machten die Vorhut der Teutonen – sie hatten das Ufer besetzt, und eine große Zahl derselben badete sich im Strome, denn sie dachten an keinen Angriff, weil Marius so lange gezaudert hatte, und sie zu fürchten schien. Jetzt entspann sich aber ein Kampf, der bald allgemein wurde.
Wütend drangen die Ambronen über den Fluß, doch die Römer verstärkten sich mit jedem Augenblick, und die Deutschen gerieten nach langem, blutigem Widerstand in eine wilde Flucht. Die Römer setzten ihnen nach bis zu ihrer Wagenburg.
Jetzt stürzten – mit furchtbarem Geschrei – die Deutschen Weiber hervor, trieben die Ihrigen mit Hohnworten ins Gefecht zurück, und stellten sich selbst dem Feind entgegen; der, ob dieser Erscheinung, zu stutzen anfing.
Mit starker Hand entrissen die Deutschen Frauen römischen Soldaten Schild und Schwert, und empfingen die Todeswunde in die zarte Brust. Das Treffen dauerte bis in die Nacht und blieb unentschieden. Die Römer zogen sich in ihr Lager zurück. Unendliches Zagen ergriff sie.
Dass die Weiber der Deutschen mit wahrem Löwenmut sich in den Kampf gestürzt, und das wankende Gefecht wieder hergestellt, musste sie gewaltig erschüttern. Und war ihre Kriegskunst schon an der Vorhut der Teutonen gescheitert, wie durften sie hoffen, die gesamte Macht zu überwältigen? Die tiefe nächtliche Stille vermehrte noch das ängstliche Besorgnis, und jeden Augenblick fürchteten die Römer einen Angriff.
Plötzlich, wie ein Orkan sich um Mitternacht erhebt, erscholl jetzt der Deutsche Kriegsgesang und hallte von den Bergen zurück. Selbst Marius erblasste; er befahl seinen Kriegern, das Geschrei der Feinde nachzuahmen.
Sie taten es wohl, aber nur schwach, da ihre Stimmen bebten. Die Deutschen verließen indes ihr Lager nicht, und versäumten sogar den folgenden Tag, wodurch ihre Feinde wieder Fassung gewannen, und der römische Feldherr Zeit hatte, den Plan zur Schlacht anzuordnen.
Diese geschah Tags darauf; die Römer hatten den Vorteil der Stellung, und als vollends ein feindlicher Hinterhalt den Deutschen in den Rücken kam, war ihre Niederlage unvermeidlich und allgemein. Eine große Zahl blieb auf der Wahlstatt, und viele wurden gefangen.
Mit den Gebeinen der Erschlagenen sollen nachher die Massilier ihre Weinberge eingefasst haben.
Unter den Gefangenen befand sich auch Teutobach, der Heerführer der Teutonen nebst vielen Deutschen Frauen.
Als sie vor den Marius gebracht wurden, sprachen diese zu dem Römer: „Wir wollen frei sein und Vestalinnen werden, oder sterben.“ (Als Vestalin bezeichnet man eine römische Priesterin der Göttin Vesta).
Der trotzige Feldherr gebot jedoch, im stolzen Grimm seines Herzens, sie gefangen zu halten, damit sie in Rom seinen Triumph schmückten. Sie wollten aber diese Schmach nicht über sich kommen lassen, und töteten sich in der Nacht.
Die Kimbern, welche unterdessen auf der andern Seite der Alpen, in Italien einzubrechen suchten, wurden anfänglich vom Glück begünstigt. Katulus floh vor ihnen bis an die Etsch zurück, und auch dort trieben sie den Römer aus seinen Schanzen, und wollten nun die Ankunft der Teutonen abwarten, deren Niederlage ihnen unbekannt war.
Dadurch gewann Marius Zeit, zum Heere des Katulus zu stoßen.
Die Kimbern boten jetzt den Römern noch einmal friedliche Nachbarschaft an und verlangten Ländereien. Allein jene erzählten ihnen mit Hohn die Niederlage ihrer Genossen, und ließen zum Wahrzeichen die gefangenen Häuptlinge vorführen.
Da sagte Bojorik zum Marius: „So entscheide dann das Schwert, wer fortan der Herr dieses Landes sei. Wähle den Tag und den Ort, wo wir kämpfen wollen als rechtliche Männer.“
Der römische Feldherr war jedoch zu schlau, um in ein so offenes Begehren zu willigen; allein den Kampf nahm er an, und benutzte einen Tag, da zuerst der Nebel und später die Sonne und der Staub den Kimbern nachteilig waren.
Die Schlacht währte lange und blutig, wie kaum eine.
Das vorderste Glied des kimberischen Heeres war mit Ketten vereint, damit keiner von dem andern sich trennen mochte. Hundertvierzigtausend kimberische Männer sollen auf dem Platz geblieben, und sechzigtausend Mann gefangen worden sein. So logen die Römer in ihren Berichten und Geschichtsbüchern. Bojorik sank unter den letzten der Seinigen, nachdem er wie ein Löwe gestritten, und fiel auf einen Hügel von Leichen, die sein Arm gehäuft hatte.
Auch die kimberischen Weiber mischten sich in die Reihen der Ihrigen, und neben dem Gatten lag die tote Gattin, neben dem Jüngling die Braut.
Die, derer das Schwert schonte, zogen sich in die Wagenburg zurück, und verlangten von den Römern, dass man ihnen ihre Freiheit lasse und ihren Gottesdienst. Aber weder das Flehen der Schönheit und des Unglücks, noch das Geschrei der Kinder vermochte die Eisrinde um das Herz des Marius zu schmelzen. Tod oder Sklaverei lautete seine Antwort.
Die Frauen aber wählten den Tod für sich und ihre Kleinen. Viele fanden ihn im Handgemenge mit den Römern, und die andern schnitten das Geflecht der langen blonden Locken ab, und erwürgten sich mit den eigenen Haaren.
Selbst die kimberischen Hunde scheuten die Sklaverei der Römer; sie verteidigten wütend die Hütten ihrer Herrn, die diese auf Wagen mit sich führten, und mussten alle getötet werden.
So endigte dieser unglückliche Kriegszug der Teutonen und Kimbern.
Ausgerottet waren aber darum diese beiden Völkerschaften keineswegs. Kimbern findet man später wieder in der Geschichte, auf der Halbinsel am Ausflusse der Elbe in das Meer, und andere zogen nach Belgien, wo sie sich am Rheine niederließen.