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Einer dieser herrlichen Sommerabende auf Ravenseat. Unsere Kinder lieben sie Ihre Kindheit unterscheidet sich so sehr von meiner

Vorwort

»Holst du für mich einen Schafbock von einem Kumpel ab? Ist ein richtig feiner Swaledale-Züchter und er leiht mir jedes Jahr einen Bock.«

Das war eine dieser typischen Bitten des Farmers, für den ich arbeitete. Er brauchte einen Bock, ein männliches Schaf für seine Herde – klar, wozu. Er half mir, den alten Anhänger hinten am Pickup festzumachen, und los ging’s, ohne gescheite Wegbeschreibung und mit der Angst im Nacken, ob Pickup und Anhänger durchhalten würden.

Das war im Oktober 1996, an einem kalten, dunklen Tag, ich folgte der Straße von Kirkby Stephen bis zur Grenze zwischen Cumbria und Yorkshire und dann ging’s rein ins Swaledale. Ich starrte in die Dunkelheit, um irgendeinen Hinweis auf die Farm zu entdecken. Solche Hinweisschilder kenne ich nur zu gut: ein einfaches Stück Holz, auf das jemand den Namen der Farm gekritzelt hat. Die Straße, eine endlose Achterbahn, schlängelte sich vor mir durch die dunklen Hügel. Allmählich kam mir der Gedanke, ich hätte die Abzweigung verpasst. War ich überhaupt schon an einer vorbeigekommen? Viel weiter konnte es doch gar nicht mehr gehen.

Da plötzlich: ein deutlich sichtbares Schild im Scheinwerferlicht, RAVENSEAT ONLY, 1 ¼ MILES. Ich bog in die schmale Straße ein, der klapprige Holzanhänger rumpelte hinter mir her, hier und da blickte ein Schaf starr in meine Scheinwerfer. Hoffentlich überfahre ich kein Schaf, ehe ich dort bin, dachte ich.

Dann, nach einer Ewigkeit, wie es mir vorkam, endete die Straße. Ohne jede Vorwarnung. Ich stand vor einer Furt. Da durch? In einem tiefliegenden Pickup mit rostigen Türen? Ich paddelte mit dem Stiefel etwas durchs Wasser, es war nur knöcheltief. Der Pickup tauchte ein, und dann ging es hoch in einen schlammigen Hof, rechts das Farmhaus und direkt vor mir ein paar uralte Steinscheunen und Ställe (barns). Im Dämmerlicht einer Stalllampe konnte ich eine Kuh erkennen, die genüsslich widerkäute. Sofort sprang ein bellender Hund aus der Dunkelheit. Aus Erfahrung weiß ich, dass man sich vor Hofhunden in Acht nehmen muss, und war erleichtert, als plötzlich alles in helles Licht getaucht wurde und der Farmer in der Eingangstür stand.

»Weg da und Platz.«

Der Befehl war sicher nicht an mich gerichtet und tatsächlich, der Hund schlich zurück in die Dunkelheit.

»Immer herein Mädel, ich mach uns’n Tee.«

Kein großes Glücksgefühl überkam mich, dass ich mein Ziel endlich erreicht hatte. Kein romantischer Zauber umwehte diese schicksalhafte Begegnung. Nur Erleichterung, es geschafft zu haben. Ich freute mich jetzt auf einen Tee, doch mir graute auch schon vor der Rückfahrt.

Heute, wenn ich meine Familie, meinen Mann und unsere sieben Kinder anschaue, wird mir klar, dass diese erste Begegnung mit Ravenseat der entscheidende Wendepunkt in meinem Leben war. Diese Begegnung hat mir die beiden Dinge beschert, die ich am meisten liebe: Clive Owen, meinen Mann, und Ravenseat Farm, den wunderschönsten Ort auf der Welt.

Ich meine es wirklich so, wenn ich sage, Ravenseat ist wunderschön. Klar, es ist rau und öde hier, es ist abgeschieden, der Wind heult um die Ecken und treibt den Regen durch die Mauern ins Haus hinein. Im Winter begräbt uns der Schnee, und wenn Strom und Wasser streiken, bleibt uns nichts anderes übrig, als so zu leben wie die Farmer, die sich an diesem Ort vor vielen hundert Jahren niedergelassen haben: Dann holen wir Wasser vom Fluss und kochen über offenem Feuer. Doch es ist der beste Platz auf Erden, um Kinder zu haben und Tiere, und ich würde ihn für nichts in der Welt eintauschen. Selbst heute noch, nach so vielen Jahren, gibt es Momente, in denen ich beim Anblick dieses grandiosen Fleckens Erde tief durchatmen muss.

Nicht, dass das Leben hier in irgendeiner Weise idyllisch wäre, das kann man wirklich nicht sagen. Wir arbeiten hart, damit unsere Kinder und unsere Tiere unter schwierigen Bedingungen sicher und gesund aufwachsen können.

Für die meisten Bergfarmer hier ist dies ihre traditionelle Lebensform, in die wurden sie hineingeboren. Aber für mich? Ich bin ein Stadtkind. Eine Zugezogene, eine offcumden1. Im Gespräch mit dem Berufsberater in meiner Schule in Huddersfield standen Berufe wie »Schäferin« oder »Farmerin« gar nicht zur Debatte.

Was hat mich hierher geführt? Zu dieser höchstgelegenen, abgeschiedensten Farm im Swaledale, der nördlichsten Farm der Yorkshire Dales?

Dies ist meine Geschichte, die Geschichte meiner Familie und – in der Hauptrolle – Ravenseat selbst.

Die Schäferin von Yorkshire

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