Читать книгу Tierkommunikation mit Gänsehaut - Amelia Kinkade - Страница 7
1. Tiger
ОглавлениеMeister des Sternentors
Wir sind ihr größter Feind
und zugleich ihre einzige Hoffnung.
Sie werden nicht kämpfen.
Sie werden nicht um Gnade betteln.
Sie werden sich nicht verabschieden.
Sie werden nicht aufschreien.
Sie werden einfach nur verschwinden.
Und wenn sie weg sind,
Wird es still werden....
Und dann werden wir nichts tun können, um sie zurückzuholen.
Ihre Zukunft liegt alleine in unserer Hand.
- Bradley Trevor Greive, aus Priceless: The Vanishing Beauty of a Fragile Plan
„Mit dem Zahn des ältesten Tigers stimmt was nicht“, sagte ich auf dem Weg zum Wildkatzenschutzgebiet. „Alle Wildkatzen machen sich um ihn Sorgen. Sie haben mir alle gesagt, dass er vor kurzem ein Problem mit einem Zahn hatte, und der Leopard sagte: ,Hoffentlich geht es mir nicht auch so.‘ Ich habe gestern Abend mit jeder einzelnen Wildkatze gesprochen, und alle wollten nur darüber reden, wie sehr sie sich um ihren ältesten Tiger sorgen. Sein Zahnproblem muss sehr ernst sein.“
„Können Sie mir sagen, um welchen Zahn es sich handelt?“, fragte mich Bob Faw, ein Außenkorrespondent der NBC Nightly News.
Ich nahm Kontakt mit dem Tiger auf, untersuchte seinen Körper und wand mich vor Schmerzen. Automatisch fasste ich mich an meinen linken Oberkiefer. „Oben links. Es handelt sich um einen Backenzahn im linken Oberkiefer.“
„Sind Sie sicher?“
„Ja.“
„Woher wissen Sie das?“
„Ich spüre es.“
„Sie spüren die Schmerzen des Tigers, als wären es Ihre eigenen?“
„Ja, ich glaube, ihm wurde gerade ein Zahn gezogen.“ Ich rieb mir die schmerzende Wange. Die Schmerzen waren unerträglich.
Ich war noch nie in McCarthy’s Wildlife Sanctuary im Süden Floridas gewesen, als NBC Nightly News hinflog, um ein Tierkommunikationsseminar zu drehen, das ich dort hielt, und um mich zu interviewen. Ich war noch keiner der exotischen Wildkatzen persönlich begegnet und hatte auch noch keine Fotos von ihnen zu Gesicht bekommen. Normalerweise konzentriere ich mich als professionelle Tierkommunikatorin darauf, telepathischen Kontakt zu ihnen aufzunehmen. In diesem Augenblick nahm ich nur in Gedanken Kontakt zu den großen Wildkatzen im Naturschutzpark auf, umhüllte sie mit Liebe und bat sie, mir die wichtigste Nachricht zu berichten - eine kürzliche Veränderung ihrer Lebensumstände oder Gefühle.
In Gedanken bat ich sie: „Ich brauche eure Hilfe! Ich bin die erste Tierwahrsagerin, die jemals auf dieser Ebene amerikaweit im Fernsehen gezeigt wird. Diese Leute glauben nicht an das, was ich tue. Ich muss ihnen und ganz Amerika beweisen, dass ihr tausendmal intelligenter seid, als die Menschen euch zutrauen, und ich muss beweisen, dass ihr mit mir ,reden‘ könnt und dass ich euch hören kann! Bitte, bitte, helft mir! Könnt ihr mir etwas Außergewöhnliches sagen, das vor kurzem bei euch passiert ist - irgendeine Tatsache, die niemand außer euch bekannt ist?“
Ich hatte keinerlei Internetrecherchen über diese Wildkatzen angestellt. Ich war ganz bewusst ins kalte Wasser gesprungen. Meine einzige Vorbereitung auf den Tag vor der Kamera im Naturreservat war eine Meditation über die Tiere am Abend davor. Ich richtete mein Bewusstsein auf ein Gehege nach dem anderen und begegnete allen exotischen Wildkatzen auf dieser magischen Ebene, auf der wir Zugang zu den Gedanken und Gefühlen anderer Wesen haben und sofort stumm über große Distanzen hinweg mit ihnen detailliert „sprechen“ können. Als ich jede einzelne bat, mir ihre Gefühle und Sorgen in jener Nacht mitzuteilen, berichteten alle dasselbe. Die Tiger, der Jaguar und der Berglöwe hatten alle das gleiche Problem. Jede der Wildkatzen sagte mir auf telepathische Weise, dass das Trauma ihres „Königs“ wichtiger als alles andere sei, und dass sie sich nichts sehnlicher wünschte, als sein Leiden zu mildern. Dieses Problem löste viel Trauer und Frust aus. Manche Tiere hatten Angst um ihn, andere hatten Angst, dass es auch sie treffen könnte. Alle waren wegen der Krankheit ihres Anführers besorgt und entmutigt.
Ich zitterte am ganzen Körper und bemühte mich, nicht zu stottern, während ich atemlos vor der Kamera meine intuitiven Eindrücke schilderte. Ich redete zu schnell - was mir immer passiert, wenn die Informationen von außen kommen. Wenn ich mit Lichtgeschwindigkeit Daten herunterlade und beim Versuch, mit der Schnelligkeit der Übermittlung Schritt zu halten, über Worte stolpere, erlebe ich eine bestimmte körperliche Reaktion. Sie zeigt mir, dass die Informationen von einem anderen Lebewesen kommen und keine Hirngespinste sind, da mein normaler Denkprozess langsamer ist. Auch wenn dieser Hinweis hilfreich war, machte er mich noch nicht sicher. Ich war in Panik, da ich keine Ahnung hatte, ob ich richtig lag. Wenn ich mich irrte, würde ich nicht nur mich selbst, sondern all meine geliebten Schüler und meinen gesamten Berufsstand in Verruf bringen. Ich hatte den Nachrichtensender gebeten, den Fokus des Dokumentarfilms nicht nur auf mich zu richten, sondern auch noch sechs oder sieben der besten Tierwahrsager der Welt einzuladen, um uns kreuzweise zu analysieren und Doppelblindstudien mit uns durchzuführen. Auf diese Weise könnte der Sender wissenschaftlich beweisen, dass wir auch für die breite Bevölkerung glaubhaft sind, nämlich wenn die Daten übereinstimmen, die wir per Gedankenübertragung sammeln. Doch der Fernsehsender weigerte sich. Er wollte nur einen Bericht über mich allein machen und war noch nicht einmal bereit, mich mit meinen prestigeträchtigsten Kollegen auftreten zu lassen. Ich stimmte nur deshalb zu, weil man mir sagte, dass der Sender ohne mich im Mittelpunkt überhaupt keine Doku über Tierkommunikation drehen würde.
Dadurch, dass sie als meinen Interviewer Bob Faw ausgewählt hatten, wurde der Druck nur noch stärker. Bob Faw ist ein brillanter Journalist, der mit allen Wassern gewaschen ist. Er hat zwei Auszeichnungen des Overseas Press Club erhalten, eine im Jahr 1982 für seine Reportage über den Einmarsch der Israelis im Libanon und die andere für einen Bericht über Mosambik für NBC Nightly News, der ihm 2000 auch noch einen Emmy einbrachte. Ich garantiere, dass er in den zwei Jahrzehnten, in denen er Berichterstatter internationaler Nachrichten war und auch als Kriegsberichterstatter im Nahen Osten unterwegs war, nie aufgefordert worden war, eine Frau ernst zu nehmen, die Leeza Gibbons einmal eine „Hundi-Hellseherin“ genannt hatte und die gerade zu anderen Tierarten überwechselte, um sich als „Tigerhellseherin“ zu beweisen.
Die Nachrichtenproduzenten waren jedoch so freundlich gewesen, mich zu fragen, ob ich einen Lehrmeister hätte, den sie interviewen sollten. Leider war meine Lehrmeisterin schon verstorben, doch stattdessen schlug ich ihnen Captain Edgar Mitchell vor, den legendären NASA-Professor und Astronauten, der seine Fußabdrücke auf dem Mond hinterlassen hat. Auch wenn Dr. Mitchell mir nicht beigebracht hat, wie man telepathischen Kontakt zu Tigern aufnimmt, war er möglicherweise der einzige geniale Wissenschaftler auf Erden, der den Prozess verstand und nicht das Gesicht verziehen würde. Die Liebe zu seiner äußerst intelligenten alten Schnauzerdame Miss Megs brachte uns zusammen, da selbst ihr äußerst intelligenter menschlicher Papa nicht wusste, was sie dachte, wenn sie ihn mit unwiderstehlich seelenvollen Augen um ein Stück Käse anbettelte.
Dr. Mitchell ließ die Fernsehcrew zu ihm nach Hause in West Palm Beach kommen und ihn dort interviewen. Später erzählte er mir davon.
„Hat sie sich jemals geirrt?“, hatten die Fernsehleute ihn gefragt.
„Nicht dass ich wüsste, aber jeder hat mal einen schlechten Tag. Es kann schon sein, dass es Tage gibt, an denen ihre Antennen nicht so feinfühlig sind wie sonst.“
Zum Glück war dies kein solcher Tag. Als wir im Naturschutzpark für Wildkatzen ankamen, schmorte ich schon in der Hitze Floridas, doch der nervenaufreibende Stress, mich vom prestigereichsten Nachrichtenprogramm Amerikas bei der Arbeit filmen zu lassen, ließ meine Körpertemperatur um gefühlte fünf Grad mehr steigen. Angespannt und mit ausgetrocknetem Mund ging ich an den Gehegen der großen Wildkatzen vorbei, während mir die Kameras dicht auf den Fersen blieben. Jedes Gramm meines Muts, meiner Gabe und Kraft würde gleich auf die Probe gestellt. Wir kamen an vielen der Tiere vorbei, mit denen ich schon in meiner Meditation gesprochen hatte. Ich begrüßte sie alle still und ehrfürchtig und dankte ihnen dafür, dass sie mit mir kommuniziert hatten, während sie mich in Gedanken zu ihrem kranken König führten.
Plötzlich sahen wir ihn. Es war der größte und majestätischste bengalische Tiger, den ich in meinem Leben gesehen hatte, doch er ließ den riesigen Kopf vor Schmerzen hängen. Von seiner prächtigen Oberlippe tropfte Blut. Mark McCarthy, der wundervolle Leiter dieser Tierschutzeinrichtung, war wortlos zu uns getreten. Er sah in die Kamera und erklärte:
„Das ist Rajah. Ihm wurde gerade einer seiner Zähne gezogen, um an ein Krebsgeschwür in einer seiner Nebenhöhlen heranzukommen. Wegen seines hohen Alters hatten wir starke Bedenken, ihn unter Narkose zu setzen. Er ist unser ältester Tiger.“
„Welcher Zahn wurde ihm gezogen?“, wollte Bob Faw wissen.
„Einer seiner linken oberen Backenzähne.“
Leider sind selbst Fernsehteams, die ganz offen für Hellseher sind, total verblüfft, wenn der magische Prozess vor ihren Augen eintritt. Zu diesem Zeitpunkt waren sie wohl damit beschäftigt, sich ein halbes Dutzend möglicher Erklärungen zu überlegen, wie ich an meine Informationen gelangt war.
War der Gesundheitszustand des Tigers womöglich im Internet veröffentlicht worden? War er nicht. Hatte mir der Leiter des Tierschutzparks die Information heimlich im Voraus verraten? Hatte er nicht. Ich war ihm noch nie zuvor begegnet und hatte auch noch nie mit ihm geredet. Hatte ich vielleicht einen Schüler oder Freund als Spion in den Park geschickt? Hatte ich nicht.
Ich hatte die Information von den Wildkatzen. Und sie hatten es mir sogar gesagt, ohne dass ich ein Foto vorliegen hatte. Ich hatte keine übersinnlichen Koordinaten erhalten. Ich hatte den Tierschutzpark nur gedanklich betreten und die Wildkatzen direkt gefragt. Und jetzt stand ich vor ihnen. Vor Rajahs Gehege kämpfte ich mit den Tränen. Im Gegensatz zu den Tierschutzeinrichtungen in Thailand, die mich mit den gefährlichsten wilden Tigern der Welt schmusen ließen, oder den Affenschutzeinrichtungen in Südamerika, die mir erlaubten, die großen Affen vorsichtig zu streicheln, durfte ich hier nicht Rajahs Gehege betreten und ihn umarmen. Ich durfte ihn nur durch die Käfigstangen hindurch trösten, ohne ihn streicheln oder küssen zu können. Ich konnte ihm nur heilende Gedanken schicken und ihm mit zärtlichen Worten Mut zusprechen. Er ließ vor Schmerzen den wunderschönen Kopf hängen, während ihm das Blut die Mähne heruntertropfte. Der Krebs in seiner linken Nasennebenhöhle war nicht behandelbar. Rajah lag im Sterben.
Einer seiner letzten Wünsche war, dass eine kleine Tierkommunikatorin aus Los Angeles ihrer Spezies erklären würde, dass auch Tiere Gefühle haben, dass ihre intellektuellen Fähigkeiten ein Vielfaches von dem sind, was Menschen ihnen zutrauen, dass die Bandbreite ihrer Gefühle weitaus größer ist, als wir es uns jemals hätten träumen lassen, und dass die Art, wie wir unsere Mitlebewesen behandeln, so sehr zu wünschen übrig lässt, dass sie ungehört in Käfigen an Krankheiten verenden, die wir durch unzureichende Ernährung, nicht tiergerechte Lebensumstände und emotionales Leid hervorrufen. Unser primitives medizinisches Wissen über Tiere und unsere Unfähigkeit, ihre Heilungsprozesse zu honorieren, können dazu führen, dass sie sich noch gedemütigter und verratener fühlen. Auch ist der Mensch das einzige Lebewesen, das andere Tiere nicht „hören“ kann. Das kann zu einem Desaster führen - dem Gefühl der Einsamkeit, Traurigkeit und Hoffnungslosigkeit, das zu Depressionen führt, sowie Verwirrung und Frustration über die einzige Spezies, die ihre Verbundenheit zur Natur verloren hat: der Mensch.
Doch Rajah hatte an jenem Tag noch einen kleinen Hoffnungsschimmer, der die Finsternis seiner hoffnungslosen Zukunft erhellte.
„Ich kann dich hören“, sagte ich in Gedanken zu ihm. „Und ich liebe dich. Wenn ich mein ganzes Leben nur für diesen Augenblick gelebt habe - für die Chance, dir zu begegnen und hier zu sein, um dich zu trösten -, dann war es das wert.“
Er sah zu mir auf und lächelte so, wie alle Katzenfreunde es von Katzen kennen, nämlich wenn sie die pelzigen Mundwinkel in einem Ausdruck seliger Zufriedenheit nach oben ziehen. Trotz seines stark schmerzenden Kiefers gähnte er sogar leicht. Dann streckte er stolz den kräftigen Rücken, streckte mir die herrlichen Vorderbeine entgegen und kreuzte die Pfoten. Mit einer unwiderstehlich süßen, flirtenden Bewegung legte er wie ein Kätzchen die Wange auf die Pfoten und schaute mit großen Augen zu mir auf. Der smaragdgrüne Laserstrahl seines Blickes traf mich mitten ins Herz.
„Ich bin durchs ganze Land gereist, nur um dir zu begegnen, Rajah“, sagte ich ihm in Gedanken. „Und für dich wäre ich auch durch die ganze Galaxie gereist.“
„Ich danke dir. Und ich hätte für dich dasselbe getan. Ich habe ein paar Botschaften an die Menschen“, sagte er. „Sag ihnen, dass Tiger immer noch die Könige des Dschungels sind, und als König dieser Spezies spreche ich nicht nur für die Tiger, sondern für alle Tiere auf der ganzen Welt. Sag deinen Leuten, dass sie mit uns liebevoll und nicht mit Gewalt umgehen sollen. Sag ihnen, dass wir ihre Lehrmeister und nicht ihre Sklaven sind. Sag ihnen, dass sie sich letztendlich selbst zerstören, wenn sie alle anderen Spezies ausrotten. Sag ihnen, dass sie lernen müssen zu teilen.“
„Gut, ich werde es versuchen ... aber du weißt ja, dass sie nicht auf mich hören werden.“
„Wenn nicht auf dich - auf wen dann?“, gab er zurück.
„Ich werde tun, was ich kann. Das verspreche ich dir“, sagte ich und wünschte ihm zärtlich Lebewohl, während ich ins Gebäude zurückgescheucht wurde, damit wir den Drehplan einhalten konnten. Während ich mir die Tränen abwischte und mich von seinem Gehege entfernte, quollen rote Blutstropfen noch immer aus seinem Mundwinkel. Ich musste mir das Gesicht abtupfen und es für das Interview vor laufender Kamera richten, das gleich beginnen würde, doch ihn zurückzulassen war die reine Qual. Ich hätte jeden Tag meines restlichen Lebens damit verbringen können, voller Dankbarkeit, dass wir Menschen an der Seite solcher Schönheit auf Erden leben dürfen, sein prächtiges Gesicht zu bestaunen.
Frisch gepudert und mit erneuerter Wimperntusche setzte ich mich auf ein Sofa im Wohnzimmer des bescheidenen Heims des Tierschutzparkleiters, holte tief Luft, betete zu meinen geistigen Führern und versuchte, mein inneres Gleichgewicht wiederzufinden. Die Fernsehproduzenten hatten mir versichert, dass sie meine Arbeit unterstützten, ganz egal, wie kontrovers sie war, und dass der Moderator vor laufender Kamera „nichts versuchen“ würde - keine billigen Tricks, keine heimlichen Seitenhiebe oder Schläge unterhalb der Gürtellinie, die so viele Talkshowleiter bei ihren Gästen mit übersinnlichen Kräften so oft anwenden, wenn diese einen linken Kinnhaken am wenigsten erwarten.
Trotz der Versprechen unterbrach Bob Faw mich mitten in meinem nervösen Geplapper darüber, warum die Kommunikation zwischen Mensch und Tier funktioniert, was elektromagnetische Energie ist und wie sie zwischen Lebewesen ausgetauscht wird, um in Frequenzmuster umgewandelt und ähnlich wie Morsecodes „gelesen“ zu werden.
„Sie können Fotografien lesen, nicht wahr?“, fragte er mich plötzlich.
„Was?“
„Ihre Kräfte funktionieren auch bei Fotos, stimmtʼs?“
„Äh ... hm ... ja, na ja, schon, aber -“
„Was sehen Sie dann auf diesem Foto hier?“ Er zog ein Bild aus seiner Brusttasche und klatschte es vor meiner Nase auf den Couchtisch. Aua. Der Schlag unter die Gürtellinie. Ich geriet für einen Augenblick aus dem Gleichgewicht und erklärte, dass ich kurz im Stillen meditieren müsste und nicht darauf vorbereitet war, mich live unter Druck und vor laufender Kamera auf ein Foto einzustellen. Dann machte ich den größten Fehler meines Lebens - und bereue ihn bis heute. Ich bat sie, die Kamera auszuschalten. Sie wurde abgestellt, und ich saß still da und schaute in die Augen der süßesten Mopsdame, die ich je gesehen hatte.
„Das ist meine Hündin“, sagte er. „Welche Informationen erhalten Sie von ihr?“ Es war so still im Raum, dass man den Schluckauf einer Fliege hätte hören können. Drei meiner Workshop-Organisatorinnen saßen abseits der Kamera um mich herum, verfolgten das Interview und ermutigten mich schweigend. Ich spürte, wie sie den Atem anhielten, und ich hörte, wie sie in Gedanken für mich beteten. Alle drei Frauen klammerten sich wie erstarrt an ihren Stuhl; in ihren Augen spiegelten sich der blanke Horror und zugleich Hoffnung. In der Grabesstille des Raums betete ich, dass ich mit dieser wundervollen Hündin in Verbindung treten könnte. Ich liebe Möpse. Ich muss immer darüber lachen, dass Mutter Natur ihnen genug Haut für zwei Hunde mitgegeben hat. Warum haben Möpse nur so viele Falten? Wofür soll ihre runzlige Haut gut sein? Und dann ihre Persönlichkeit! Ich liebe Möpse einfach. Und sie spürte das sofort! Ich spürte, wie sich der fröhliche Geist der Hündin mir zuwandte und sich mit meinem eigenen Geist verband. Sie hatte eine so freche und mütterliche Persönlichkeit und ein so sonniges Gemüt, dass ich mich ein bisschen entspannte und lächelte.
„Ich komm ja schon!“, sagte sie. Gleich darauf sah ich, wie sie mit schmerzenden Knochen eine Treppe im Haus hinunterhumpelte. Sie wollte in eine Küche mit roten Terrakottafliesen gehen. Ihr Rücken und die Hüften knarrten und taten ihr beim Treppenlaufen weh, doch ihre Stimmung war nichtsdestotrotz heiter.
„Weswegen bist du so aufgekratzt?“, fragte ich sie.
„Ich kann es kaum erwarten, das neue Baby zu sehen!“
Ich sagte Bob, dass sie Schmerzen im unteren Rücken und den Hüften hatte, doch das ließ er nicht gelten. Er meinte nur, dass den meisten Hunden in ihrem Alter der Rücken und die Hüften wehtun. Ich sagte ihm, dass sie die Küche mit dem roten Terrakottaboden besonders mochte, und er bestätigte, dass der Küchenboden in ihrem Lieblingshaus aus roten Terrakottafliesen bestand und dass es im Haus seiner Tochter, in das sie gerne zu Besuch kam, eine Treppe gab.
„Sag ihm, dass um Weihnachten herum ein kleines blondes Mädchen geboren wird! Ich liebe dieses kleine blonde Baby! Es wird meine Aufgabe sein, auf das kleine Mädchen aufzupassen!“
Ich sah die Weihnachtsdekorationen im Haus und spulte in die Zukunft vor, bis ich ein blondes Kleinkind sah, das unter dem Weihnachtsbaum mit dem Hund spielte. Der Mops strich um das süße kleine Mädchen herum, während es seine Weihnachtsgeschenke auspackte. Als ich diese Details an Bob weitergab, wirkte er verblüfft. Dann wurde er blass. Er fixierte mich mit den Augen, doch sein Mund war grimmig.
„Frage sie nach ihrer Lieblingsperson“, forderte er mich leise auf. Stumm fragte ich die Hündin auf dem Foto: „Wen liebst du außer Bob am meisten?“
„Rachel. Sag ihm, dass ich die meiste Zeit mit Rachel verbringe.“ Als ich die Information an ihn weitergab, entspannte sich sein Pokergesicht endlich wieder.
„Meine Großmutter hieß Rachel!“, stieß er erregt aus. Sofort darauf fing er damit an, die Information zu relativieren. „Aber viele Leute haben Großmütter, die Rachel heißen, oder zumindest ein Familienmitglied namens Rachel.“ Ich ergriff die Chance des Augenblicks und sah meine Seminarorganisatorinnen an, die mit besorgtem Blick um mich herumsaßen. Jamie organisierte meine Kurse in Boston, Connie war für Südflorida zuständig und Beth arbeitete in Tennessee für mich. Zufälligerweise waren zwei der drei Frauen Jüdinnen. Dadurch war die Chance, dass eine von ihnen eine Großmutter namens Rachel hatte, größer, da Rachel ein beliebter jüdischer Vorname ist.
„Jamie, heißt deine Großmutter auch Rachel?“ Sprachlos schüttelte sie den Kopf.
„Connie, heißt deine Großmutter zufällig Rachel?“
„Nein“, krächzte sie aufgeregt.
„Beth?“
„Nee.“ Sie schüttelte nervös den Kopf.
„Es sieht so aus, als wäre Ihre Großmutter die einzige Rachel“, sagte ich und gab die Regie wieder an ihn zurück.
„Sie sagt, sie liebt Ihre Großmutter mehr als sonst irgendjemanden auf der Welt - außer Ihnen - und verbringt viel Zeit auf ihrem Schoß.“
„Aber das ist unmöglich, weil meine Großmutter vor einiger Zeit starb, und es macht keinen Sinn, dass die Hündin noch im Haus ist, weil sie -„- tot ist!“ Wir sagten es einstimmig. Er war verblüfft. Ich war es nicht. Dann erzählte er mir, dass eine Tochter schwanger sei und dass der Geburtstermin für das Baby um Weihnachten herum war. Sieben Monate später ließ mich der Fernsehproduzent per E-Mail wissen, dass Bob Faws Tochter an Weihnachten ein süßes blondes Mädchen zur Welt gebracht hatte.
Leider sendete NBC Nightly News die Doku, die sie im Tierschutzpark gedreht hatten, nie. Genau zu dem Zeitpunkt, an dem sie ausgestrahlt werden sollte, brach der Irakkrieg aus, und daher wurden im Fernsehen monatelang nur noch Berichte über Gewalt und Chaos gezeigt. Ich bat den Sender immer wieder, die Doku zu senden, doch er konnte sie nie im Programm unterbringen, und so wurde der Film eingemottet. Ich habe keine Ahnung, ob er immer noch irgendwo in einer Filmdose Staub ansammelt. Es war jedoch das erste und das letzte Mal, dass Amerika die Scheinwerfer auf einen sterbenden Tiger richtete, der per Gedankenübertragung der Menschheit seinen letzten Willen mitteilte, oder auf eine tote Mopsdame, die den Namen der Großmutter nannte und das Geschlecht eines ungeborenen Kindes voraussagte.
Bis jetzt. Ich finde, es ist an der Zeit, all das zu ändern.
Vielleicht war Amerika damals, als das Interview 2002 gedreht wurde, noch nicht bereit, eine Schamanin zu akzeptieren, die mit Tieren sprechen kann, und noch viel weniger bereit, meinen Rat über Güte, die Erneuerung der Naturverbundenheit, das Leben nach dem Tod und die Möglichkeiten des magischen Erwachens in den Köpfen einer menschlichen Rasse, die sich ständig weiterentwickelt, zu befolgen. Aber dieser Zeitpunkt ist nun da - jetzt oder nie. Rajah starb noch im selben Jahr. Er unterlag am Ende dem Krebs. Seine Geschichte blieb ungehört. Doch ich habe ihm ein Versprechen gegeben, und ich habe vor, es einzuhalten. Begleiten Sie mich bei meinen Bemühungen.