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ОглавлениеPrinzenstraße 44
München, Bayern
Juni 1902
„Amelie, ist mein Mann endlich gekommen?“
„Nein, gnädige Frau.“
Gloria, Gräfin von Waldeck schickte ihr Dienstmädchen ungnädig weg. Sich selbst fragend: „Wo bleibt er bloß wieder? Er weiß doch, dass wir um acht Uhr zum Empfang bei Oberst Gadow sein müssen. Ich weiß auch nicht, was ich anziehen soll.“
Es war nun beileibe nicht so, dass ihr Gemahl, der Graf von Waldeck, bei der Auswahl von Garderobe irgendeinen Einfluss ausgeübt hätte. Doch sie fragte ihn jedes Mal, um mit ihm dann über dieses Thema zu streiten. Denn Gloria, Gräfin von Waldeck war eine blühende Frau, voller Wünsche und Begierden und sie langweilte sich in ihrer Rolle als brave Ehefrau in dem großen Haus voller Dienstboten entsetzlich. Und einzig diese Streitereien brachten ab und zu etwas Leben in ihren eintönigen Alltag. Aber sie sah, dass ihr dieses Vergnügen heute versagt bleiben würde. Es war schon zu spät dazu. Deswegen ging sie in ihr Ankleidezimmer und klingelte wieder nach dem Dienstmädchen.
Dieses stand in einer Ecke; aber nicht alleine. Ein junger Gärtner, der ihr schon lange den Hof machte, küsste sie. Als das Klingelzeichen ertönte, schob sie ihn weg. Resignierend sagte sie:
„Die gnädige Frau klingelt. Ich muss weg.“
Der Gärtnerbursche, der sie endlich einmal berühren wollte, hielt sie fest. Und sie wäre auch noch gerne geblieben. Doch der Respekt vor der Gräfin war größer als die Lust nach Küssen und nach mehr.
Mürrisch sagte sie: „Die weiß heute auch wieder nicht, was sie will. Vor einer Viertelstunde hat sie mich weggeschickt und jetzt läutet sie wieder nach mir.“
Etwas besser gelaunt fügte sie hinzu: „Na, heute Abend gehen sie aus und dann habe ich frei. Aber jetzt muss ich hinauf.“
Der junge Mann verstand den Wink und als sie sich umdrehte, gab er ihr einen Klaps auf den knackigen Po. Sie stieß einen spitzen Schrei aus und tippelte davon. Er rief ihr nach, dass er um halb neun im Garten auf sie warten würde. Sie tat, als habe sie nichts gehört.
Oben wurde sie mit Vorwürfen empfangen. Die Gräfin schimpfte:
„Da sind Sie ja endlich, Amelie! Ich warte schon eine geschlagene Stunde auf Sie! Helfen Sie mir beim Ankleiden. Ich werde das blaue Kleid nehmen. Da passt mein neuer Hut am besten dazu.“
Das Dienstmädchen erwiderte nichts. Erstens kannte sie die Launen ihrer Herrin und zweitens hatte sie andere Dinge im Kopf. Sie überlegte nämlich, ob sie es wagen könnte, etwas von der seidenen Unterwäsche der Gräfin anzuziehen. Nach kurzem Nachdenken entschloss sie sich, ihre eigene Wäsche zu tragen. Nicht weil sie sich gefürchtet hätte. Denn fast alle Dienstmädchen trugen wohl heimlich die Wäsche ihrer Gnädigsten, vorausgesetzt sie passte ihnen, zu besonderen Anlässen. Und die Besitzerinnen der Unterwäsche wussten das auch! Aber solange nichts beschädigt wurde und die Ausleiherin sich nicht auf frischer Tat ertappen ließ, wurde meist darüber hinweggesehen.
Der freiwillige Verzicht von Amelie hatte einen anderen Grund. Sie wollte nicht gleich beim ersten intimeren Treffen zeigen, dass sie sich mehr für den jungen Mann interessierte, als sie bisher zugegeben hatte.
Während das Dienstmädchen das Kleid herausholte, hörte sie, wie unten die Eingangstüre geöffnet wurde.
„Ich glaube, der gnädige Herr kommt“, sagte sie, nur um etwas zu sagen.
„Das wird aber auch Zeit! Ich warte schon eine geschlagene Stunde. Und in fünf Minuten müssen wir gehen.“
Sie übertrieb immer gerne, wenn es um Zeitangaben ging. Es klopfte kurz an der Tür und der so lang Erwartete trat ein. Er wurde mit Vorwürfen empfangen.
„Wo bleibst du denn so lange, Henri! Wir dürfen auf keinen Fall zu spät kommen.“
Henri, Graf von Waldeck, war ein Mann Mitte dreißig und sah ausgesprochen gut aus. Er und seine Frau bildeten ein sehr attraktives Paar.
Er hatte zwar einen schweren Tag hinter sich, doch das vor der Tür stehende Wochenende und der Empfang heute Abend, von dem er sich so viel versprach, stimmten ihn milde. Seine hübsche Frau sah ihn in ihrem halb gespielten, halb wirkliche Zorn an. Er beachtete den Tadel nicht, da er nur Augen für die Schönheit seiner Frau hatte.
Zur Begrüßung gab er ihr einen Kuss auf die Wange und noch einen auf die nackte Schulter. Das Dienstmädchen zog sich, ohne dazu aufgefordert zu sein, diskret zurück.
„Du bist eine sehr schöne Frau, Gloria“, waren die ersten Worte, die er sprach und er meinte sie verdammt ernst. Und diese zärtliche Begrüßung verfehlte auch bei ihr nicht ihre Wirkung. Sie hielt ihm den Hals hin und erlaubte, dass er spielerisch daran knabberte. Sie schnurrte genüsslich. Schließlich war sie eine noch junge Frau, voller Leben, Wünsche und Gelüste.
Doch für eine Frau in der Zeit des beginnenden zwanzigsten Jahrhunderts schickte es sich nicht, halb angekleidet von einem Mann in den Hals gebissen zu werden. Auch nicht von eigenen Ehemann.
Deswegen schob sie ihn errötend weg. Wieder etwas streitbar, da sie sich ärgerte, dass er sie zum Erröten gebracht hatte, sagte sie:
„Du musst dich umziehen. Wir kommen sonst noch zu spät!“
Enttäuscht ging er in das gemeinsame Ankleidezimmer und holte seinen schwarzen Anzug aus dem Schrank. Durch die geöffnete Verbindungstüre konnte er sehen, wie seine Frau hauchdünne Seidenstrümpfe über ihre schönen, doch immer versteckten Beine zog. Dazu schob sie ihre Unterhose etwas hoch, zog die Strümpfe bis ganz nach oben und befestigte sie mit Strumpfbändern. Anschließend strich sie noch, wie um ihren makellosen Wuchs zu betonen, über ihre Schenkel.
Plötzlich sah sie auf und bemerkte, wie er ihr zusah. Beide erröteten, und er murmelte etwas Unverständliches. Sie warf schnell ihren bodenlangen Rock herunter und machte somit weitere unerlaubte Blicke unmöglich.
Er dachte für einen Augenblick an die Revuegirls, die er und seine Freunde sich ab und an betrachteten. Und ihm war auch klar, dass solch kostspielige Besuche nicht nötig wären, wenn ihre Frauen ihnen erlauben würden, mehr von ihren Körpern zu sehen; mehr als Gesicht und Hände.
Doch solche Gedanken machten ihn immer wehmütig. Deshalb dachte er an den bevorstehenden Abend und zog sich rasch an. Und eine halbe Stunde später waren die Eheleute Waldeck auf dem Weg zu Empfang von Oberst Max Gadow. Sie waren ein gutsituiertes Ehepaar und nichts deutete darauf hin, dass dieser Abend der Anfang von Ereignissen sein würde, von denen keiner der beiden jemals zu träumen gewagt hätte.