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Am nächsten Morgen betrat Felix Krüger das Büro der Bavaria Filmstudios im Münchner Süden, und die bebrillte Sekretärin sprang von ihrem Stuhl auf, als stünde sie plötzlich unter Strom.

„Aber ... Herr Krüger ... Sie haben mich erschreckt!“

Die unscheinbare Frau machte heftige Anstrengungen, um ihre Nervosität zu verbergen. Sie strich über ihre straff zu einem Knoten zurückgebundenen Haare und begann, die Papiere auf dem Schreibtisch hin und her zu schieben.

„Schön, dass Ihre Reflexe noch in Ordnung sind, Leonie.“

„Es ist nur ... weil ich Sie hier nicht erwartet hätte. Wie ... wie geht es Ihnen, Herr Krüger?“

„Sehr gut, danke. Und Ihnen?“

„Oh, sehr gut, danke.“

Felix klatschte in die Hände, und sie sprang erneut auf.

„Das freut mich, Leonie. Sie können sich jetzt wieder hinsetzen.“

„Danke, Herr Krüger.“ Sie sank auf ihren Stuhl.

„Ist er da?“

„Wer?“

„Dieser Schwachkopf!“

„Äh ... bitte?“

„Maximilian Fuchs, natürlich! Wenn ich den Papst sprechen möchte, fahre ich nach Rom.“

„Oh, ja.“ Sie starrte ihn an, ein krampfhaftes Lächeln im Gesicht.

„Drücken Sie den Schalter der Sprechanlage, Leonie. Der rechte ist es. Ja, so ist es richtig. Und jetzt sagen Sie ihm, dass ich ihn sprechen will.“

„Herr Fuchs ... äh, Sie haben Besuch. Herr Krüger ist hier und möchte Sie sprechen.“

„Sagen Sie ihm, er soll warten“, tönte eine barsche Stimme aus dem kleinen schwarzen Kasten.

„Er sagt, Sie sollen warten.“

„Ich konnte es selbst hören, Leonie.“

Felix Krüger ging mit langen Schritten durch den Raum und betrachtete die Fotos, die die Wände zierten. Es waren Bilder von den größten Namen, die die deutsche Filmindustrie je hervorgebracht hatte. Schauspieler, Schauspielerinnen, Autoren, Regisseure - jeder von ihnen eine außergewöhnliche Persönlichkeit. Und jeden einzelnen von ihnen hatte Felix Krüger mit bloßen Händen geschaffen. Er betrachtete ihre Bilder und erinnerte sich, wo er sie gefunden hatte. Diese hier hatte als Bedienung in einem Café gearbeitet. Und der hier war in der Redaktion einer Provinzzeitung verkümmert.

Und da war ja auch Katja Reimann. Felix Krüger hatte sie in einer Bar in Weyhe, einer kleinen Gemeinde im niedersächsischen Landkreis Diepholz, kennengelernt, als er für ein Drehbuch recherchierte. Er hatte sie gesehen, kurz beobachtet und sie sofort mit nach München genommen. Während der beiden nächsten Jahre arbeitete sie sechzehn Stunden am Tag im Studio. Mit der Rolle in der Komödie »Der bewegte Mann« aus dem Jahr 1994 wurde sie zum Star und auch im gleichen Jahr mit dem Bambi als beste Darstellerin ausgezeichnet.

„Um Gottes Willen, Leonie, können Sie nicht aufhören?“

„Womit aufhören, Herr Krüger?“

„Aufhören, solche Angst zu haben!“

„Ja ... äh, ich werde mich einfach beschäftigen, das wird das Beste sein. Ich werde am Computer arbeiten.“

„Nein, zum Teufel, reden Sie mit mir!“

„Jawohl! Sehr gerne. Wie geht es Ihnen, Herr Krüger?“

„Das hatten wir schon!“

„Ach, ja. Ich wollte diesen Job nicht annehmen, wirklich nicht, aber meine beiden Jungs studieren, und ich wollte auch nur noch ein Jahr oder so arbeiten … ich wollte nicht weggehen von Ihnen, aber Sie haben ja nicht einmal ein Büro, und schließlich habe ich dreißig Jahre meines Lebens in diesem Raum hier verbracht und ...“

„Wieviel hat er Ihnen geboten?“

„Es war eine sehr großzügige Summe, soviel kann ich sagen.“

„Sie wissen in diesem Geschäft beinahe so gut Bescheid wie ich, und Fuchs hat keinen blassen Schimmer von dem, was er macht. Und jetzt leitet ein Schwachkopf unser Studio!“

Er lachte und sah sich im Büro um.

„Sagte ich unser? Das ist wohl die Macht der Gewohnheit. Aber Sie haben meine Frage noch immer nicht beantwortet.“

„Welche Frage, Herr Krüger?“

„Warum sind Sie zum Feind übergelaufen? Sie haben sich doch nicht nur verkauft. Wenn Sie Geld brauchten, warum sind Sie nicht zu mir gekommen? Habe ich mich in all den Jahren je in Ihrer Gegenwart ordinär ausgedrückt, oder zugelassen, dass ein anderer das tat?“

„Nein, Herr Krüger.“

„Bin ich Ihnen jemals zu nahegetreten?“

„Nein ... na ja, das eine Mal bei der Berlinale, aber das war mehr aus Mitleid, damit ich mich als Frau bestätigt fühlte.“

„Unsinn, ich hatte Verlangen nach Ihnen in jener Nacht.“

„Sie waren sehr betrunken.“

„Und Sie waren wunderbar. Kommen Sie zu mir zurück, Leonie. Ich eröffne nächste Woche ein eigenes Büro.“

„Das geht nicht, ich habe einen Vertrag.“

„Einen Vertrag? Man macht keinen Vertrag mit einer Sekretärin. Das hat er wahrscheinlich in einem unserer alten, zweitklassigen Filmen gesehen. Reißen Sie das Ding in Fetzen.“

Sie drehte ihm den Rücken zu.

„Ich kann nicht, Herr Krüger. Es ist schrecklich, Ihnen das sagen zu müssen, aber es ist die Wahrheit. Sie sind erledigt. Sie haben die herrlichsten Filme gemacht, die je gedreht wurden, aber das ist Vergangenheit. Oh, ich könnte wieder für Sie arbeiten, wenn ich Sie nicht so verehren würde. Aber zuzusehen, wie Sie in Ihrem Alter noch einmal ganz von vorne anfangen müssen, das könnte ich nicht ertragen. Alle haben mir gesagt, dass es so kommen würde.“

„Schauen Sie mich an, Leonie.“

„Nein“, sagte sie zitternd.

„Na schön. Sie täuschen sich. Ich habe immer noch ein paar gute Filme in petto, aber die emotionale Belastung ist vielleicht zu groß für Sie. Nein, Sie müssen hierbleiben und gut auf sich aufpassen. Ich möchte nicht, dass Ihre Gesundheit leidet. Man sollte wenigstens einen auf seiner Beerdigung haben, der wirklich trauert.“

Er stürmte auf die Tür mit der Aufschrift »Privat« zu.

„Herr Krüger ... nein ... Sie können da nicht hineingehen.“

Felix Krüger zuckte mit den Schultern, öffnete die Tür und ging rasch weiter, auf den riesigen erhöhten Schreibtisch am anderen Ende des Raumes zu.

„Fuchs, du dreckiger Arschficker, wenn du glaubst, du könntest mich den ganzen Tag warten lassen, dann hast du mächtig den Arsch offen!“

Maximilian Fuchs erholte sich rasch genug von dem Schock, den plötzliche Eindringen bei ihm verursacht hatte, um die Hand über die Sprechmuschel des Telefons zu legen, in das er sprach.

„Zum Teufel, Felix“, sagte er in lautem Flüsterton. „Ich spreche mit meiner Mutter.“

„Oh, entschuldige. Komm, gib mir mal den Hörer.“

Er riss ihn Fuchs aus der Hand.

„Guten Tag, Frau Fuchs“, sagte er heiter. „Hier ist Felix Krüger. Die rüde Ausdrucksweise, die Sie eben gehört haben, kam von mir, und ich möchte mich entschuldigen. Ich wusste nicht, dass Sie am Telefon waren, sonst wäre ich vorsichtiger gewesen.“

Es entstand eine Pause.

„Nein, nein, nichts dergleichen, gnädige Frau. Nein, es ist alles in Ordnung. Ich bin nur mal vorbeigekommen, um zu schauen, wie Maximilian mit seinem neuen Job zurechtkommt.“

Wieder eine Pause.

„Ganz richtig, Frau Fuchs, alles ist bestens. Maximilian wird Sie in ein paar Minuten zurückrufen. Auf Wiederhören!“

„Aber ...“ Maximilian Fuchs versuchte, das Telefon zu nehmen, aber Felix hatte schon aufgehängt.

Die gespielte Freundlichkeit von Felix Krüger war verschwunden, als hätte er einen Hahn zugedreht.

„Also, für wen zum Teufel hältst du dich eigentlich, dass du mich da draußen warten lässt wie irgendeinen Scheißschauspieler?“

„Du hast mich auch oft genug warten lassen! Ich bekam immer so feuchte Hände, dass ich ein Handtuch in der Aktenmappe mitnehmen musste.“

Die beiden Männer standen jetzt Auge in Auge.

„Du bist aber nicht ich, das solltest du besser nicht vergessen!“

„Okay, okay, was willst du, Felix?“

„Geld! Ich kann keine Filme machen ohne Geld. Ich will meinen Aktienanteil von den Bavaria Filmstudios verkaufen. Du bist ein schrecklich netter Kerl, aber leider ein auch ein riesiger Schwachkopf. In einem Jahr ist der Laden hier ruiniert. Ich will lieber verkaufen, bevor das passiert.“

Maximilian Fuchs setzte sich auf seinen Stuhl und versuchte, ganz gleichgültig zu wirken.

„Was willst du dafür haben?“

„Na ja, fangen wir mit dem Marktwert an. Vor einer Stunde war die Aktie der Filmstudios knapp unter siebzig Euro notiert. Danach sind meine Aktien etwa dreißig Millionen Euro wert. Ich hatte schon angefangen, alles auf den Markt zu werfen und zuzusehen, wie der Kurs sinkt, aber das kam mir dann doch ziemlich kindisch vor, obwohl ich dir wirklich die Pest an den Hals wünsche. Also bin ich losgezogen und habe mir einen Käufer gesucht. Etwas über zweiunddreißig Millionen sind mir geboten worden. Du kannst das Ganze für fünfunddreißig Millionen haben.“

„Wer ist der Käufer?“

„Philipp Böhm.“

Maximilian Fuchs war getroffen.

„Was will er mit Bavaria-Aktien?“

„Wie soll ich das wissen? Vielleicht will er eine Bowlingbahn aus dem Laden hier machen. Mir ist das völlig egal. Also? Fünfunddreißig Millionen, was ist?“

„Das ist eine Menge Geld. Ich weiß nicht, ob ich so viel auftreiben kann.“

„Mach mir nichts vor, Maximilian! Ruf deine Leute an und sag ihnen, du brauchst etwas Kohle.“

Maximilian Fuchs drückte den Schalter der Sprechanlage.

„Leonie, verbinden Sie mich mit Philipp Böhm.“

„Ja, so ist das, man nimmt einen jungen Mann unter die Fittiche, behandelt ihn wie den eigenen Sohn, schenkt ihm zwei Jahre lang ungeteilte Aufmerksamkeit und dann - peng! kriegt man eins über den Schädel von ihm.“

„Ach, Scheißdreck! Du hast mich behandelt, als hätte ich grüne Pilze hinter den Ohren.“

„So sieht es also aus? Ich hätte nicht gedacht, dass man eine so struppige Frisur haben kann. Schau dich doch bloß mal an! Du hast nicht das Zeug, ein Studio zu leiten!“

Die Sprechanlage knackte. „Herr Fuchs?“

„Ja?“

„Herr Böhm ist im Augenblick nicht zu erreichen. Er ist auf dem Golfplatz.“

„Danke, Leonie.“

„Du hast natürlich nicht gewusst, dass er gerade jetzt nicht zu erreichen ist, nicht wahr, Felix?“

„Aber nein, ich wusste gar nicht, dass er Golf spielt.“

„Und du willst jetzt sofort eine Antwort haben.“

„Ich fürchte ja, mein Kleiner. Ich habe in ein paar Stunden eine Verabredung mit ihm im Club.“

„Und du schwörst, dass er dir das Angebot gemacht hat?“

Felix hob die rechte Hand. „Beim Andenken meiner seligen Mutter.“

„Und ich nehme an, du hast die Papiere schon dabei?“

„Zufällig habe ich einen Blanko-Vertrag bei mir“, sagte Felix und nahm einige Papiere aus der Jackentasche. „Wir müssen nur noch die Bedingungen und die Summe eintragen. Wie wäre es mit einer Zahlungsfrist von sechzig Tagen?“

„Irgendwie habe ich das Gefühl, dass ich mächtig übers Ohr gehauen werde.“

„Weißt du, wenn du riskieren willst, dass dir Philipp Böhm genauso den Teppich unter den Füßen wegzieht, wie du es bei mir gemacht hast, dann soll es mir auch recht sein.“

„Nein, nein, ich unterschreibe.“

Er rief Leonie als Zeugin der Transaktion in sein Büro. Als sie wieder gegangen war, sagte Felix: „Oh, noch etwas, bevor ich gehe. Das ist mein Schreibtisch. Lass ihn an diese Adresse schicken.“

Er gab ihm eine Visitenkarte.

„Du bist verrückt!“

„Du kannst dich ja erkundigen. Mein Vater war Schreinermeister. Das hier war die letzte Arbeit vor seinem Tode. Ich sollte wirklich mal einen Film über ihn machen. Der verrückte alte Knabe war der Ansicht, man müsste Autos aus Holz machen. Du kannst mal bei meiner Mutter vorbeifahren. Sie hat noch ein paar herrliche Stücke von ihm.“

Maximilian schlug die Hände vors Gesicht.

„Deine ... Mutter ist ... gar nicht tot?“

„Ach wo, sie ist gut beieinander. Einundneunzig letzten Juni. Großartig! Geht noch regelmäßig in die Allianz Arena um Bayern München anzusehen.“

„Aber als wir uns zum ersten Mal trafen, hast du erzählt, sie sei tot!“

„Ach so. Das war nicht ernst gemeint.“

„Du hast mich angelogen!“

„Aber nein, das ist nicht wahr. Ich habe dir nur eine Illusion geschaffen. In deiner Gier bist du ohne einen zweiten Blick drauf angesprungen.“

„Eines Tages werde ich deine Lebensgeschichte verfilmen.“

Ein breites Grinsen erschien auf dem Gesicht von Felix Krüger.

„Hört sich an wie der große Wurf, Kleiner. Sieh zu, dass du meinen Namen richtig buchstabierst.“

Er ging ins Vorzimmer, küsste Leonie auf die Wange und machte einen Satz hinaus in die grelle Münchnerche Sonne. Er fühlte sich so jung, dass er den ganzen Weg bis zu seinem Ferrari vor sich hin pfiff.


Lustvoller Sex in der Öffentlichkeit

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