Читать книгу Todeswunsch (Blutsbündnis-Serie Buch 12) - Amy Blankenship, Amy Blankenship - Страница 5
Kapitel 4
ОглавлениеLacey zog sich fertig an, wobei sie es vermied, in den Spiegel zu sehen, und jammerte leise vor sich hin. Wieso musste dieser Typ immer darauf bestehen, sie zu retten… es ging ihr gut, danke sehr. Klar hatte sie Momente, in denen sie sich zu Tode ängstigte, aber nichts, was sie nicht selbst im Griff hätte. Ihr Ärger verblasste schnell, als das Bewusstsein kam, dass die Dämonen sie gefunden hatten, und sie nicht lange genug am Leben sein würde, um es ihm zurückzuzahlen.
Sie verschloss die Schachtel mit den Kleidern wieder, ehe sie der Wand entlang zur Tür kroch, um nicht in den Spiegel sehen zu müssen.
Rens Lächeln wurde richtiggehend teuflisch, als der Türgriff sich bewegte, und er sich direkt vor die Badezimmertür teleportierte. Er ließ sie keinen Schritt machen, ehe er schnell seinen Arm hob, und seine Handfläche auf ihre Stirn legte, während seine andere Hand sich um ihren Hinterkopf schloss, um sie festzuhalten.
Er beugte ihren Kopf zurück, sodass er mit seinen silbernen Augen genau in ihre schaute.
Lacey öffnete ihren Mund, um ihn anzuschreien, aber ihre Stimme versagte, als sie plötzlich dunkle Flammen in seinen schönen, quecksilbernen Augen sah. Im nächsten Augenblick sah sie vor ihrem inneren Auge das vergangene Jahr im Zeitraffer abspielen, so schnell, dass sie kaum mithalten konnte. Die Flut an Emotionen, die den Bildern folgte, überwältigte sie.
Erschrocken über das, was geschah, versuchte sie sich von Ren loszureißen, aber während ihr Kopf auf Hochtouren arbeitete, war ihr Körper wie gelähmt.
Ren hielt Lacey fest, als die vielen Erinnerungen in seinen Kopf flossen, sodass er alles sehen konnte, und sogar einige der Gefühle fühlen konnte, die sie damit verband. Nur mit größter Mühe konnte er verhindern, dass er vor Überforderung in die Knie ging. Er sah alles, von dem Moment an, als sie Vincent getroffen hatte, bis zu dem Bild von der Kreatur, die durch den Badezimmerspiegel nach ihr gegriffen hatte.
Er atmete schwer, als er die intimen Momente, die sie mit Vincent geteilt hatte, beobachtete und fühlte eine überwältigende Eifersucht und einen Hass auf den Mann, der sie in eine so gefährliche Situation gebracht hatte. Wie konnte er es wagen, sie so liebevoll zu berühren, nachdem er so mit ihrem Leben gespielt hatte?
Nachdem er genug gesehen hatte, ließ Ren sie mit einem Knurren los, das sofort von einem lauten Klatschen gefolgt wurde, das durch den stillen Raum hallte. Sein Kopf drehte sich ruckartig zur Seite, als ihre Handfläche seine Wange traf. Er wusste, dass er die Ohrfeige verdiente, aber auf gar keinen Fall würde er sich entschuldigen für das, was er getan hatte.
„Wie kannst du es wagen, mir das anzutun, du Arschloch?“, tobte Lacey. Als sie sah, dass die dunklen Flammen langsam aus seinen silbernen Augen verschwanden, wusste sie ohne Zweifel, dass er ihre Erinnerungen gemeinsam mit ihr gesehen hatte. „Wer, zur Hölle, meinst du, dass du bist, dass du meine privaten Gedanken sehen darfst?“
„Ja, das ist die Reaktion, die ich meistens auch bekomme“, brachte Zachary mit einem breiten Grinsen hervor.
Lacey schaute an Ren vorbei, um zu sehen, wer gesprochen hatte, aber konnte nur mehr einen kurzen Blick auf die beiden anderen Männer erhaschen, ehe sie sich in Luft auflösten.
„Wieso?“, fragte Lacey scharf, wobei sie nicht einmal auf die Tatsache einging, dass sie gerade gesehen hatte, dass sich jemand aus dem Raum teleportiert hatte, als wären sie auf ihr Raumschiff gebeamt worden. Das machte sie nicht halb so nervös, wie die Tatsache, dass der Mann vor ihr gerade ihre geheimsten Gedanken gestohlen hatte. „Und du wagst es, mich eine Diebin zu nennen?“
Ren sah mit stoischem Gesichtsausdruck auf sie hinunter. „Du hättest es mir sonst nicht erzählt, wie du dich vielleicht erinnerst… war ich so nett, und habe mehrmals höflich gefragt. Du hast mir keine Wahl gelassen, als einen mächtigen Freund zu bitten, mir zu helfen, die Antworten zu bekommen, die ich brauche. Und es ist nur gut, dass ich das getan habe, denn du sitzt ziemlich in der Patsche.“
„Meine Probleme gehören mir, und du hältst dich da gefälligst heraus“, entgegnete Lacey barsch.
Ren beugte sich zu ihr und grinste, als sie sich an den Türrahmen drückte, um so weit wie möglich von ihm weg zu kommen. „Nur zu deiner Information: nicht jeder hier ist böse und wir können dir vielleicht sogar aus der Patsche helfen.“ Er hob eine dunkle Augenbraue, ehe er seine Sonnenbrille wieder aufsetzte.
„Es tut mir leid, wenn ich im Moment ein paar Schwierigkeiten damit habe, Leuten zu vertrauen… besonders Dämonen“, sagte Lacey und wünschte sich, dass er seine Sonnenbrille wieder abnehmen würde. „Vielleicht kannst du verstehen wieso.“
„Ich erzähle dir eines meiner Geheimnisse, damit du dich besser fühlen kannst“, bot Ren leise an. „Ich bin ein Mensch, aber ich habe die Fähigkeit, die Mächte anderer Paranormaler zu… kopieren… wenn sie in der Reichweite meines Sukkubus sind.“
Lacey runzelte die Stirn. „Sukkubus? Ich dachte, ein Sukkubus ist immer weiblich… genau genommen weiß ich, dass sie weiblich sind. Wärst du dann nicht ein Inkubus?“
Ren schüttelte den Kopf. „Ich bin kein echter Sukkubus, wir haben es nur immer so genannt, weil ich scheinbar jede Macht aus der Luft aufsauge, wenn jemand in der Nähe ist, der irgendeine Macht hat. Es ist auch nicht so, dass ich das absichtlich tue… es passiert einfach, ob ich es will, oder nicht. Wenn mehr als ein Paranormaler in meiner Reichweite ist, dann habe ich mehr als nur eine Macht.“
„Also bist du ein Dieb“, bemerkte Lacey mit einem zufriedenen Lächeln.
Rens Lächeln war mindestens so breit wie ihres, als er ihre Vermutung korrigierte. „Ich kann ihnen ihre Mächte nicht wegnehmen, ich kann nur über dieselbe Macht verfügen, was recht praktisch ist, wenn ich gegen einen kämpfe.“
„Wenn du nicht weißt, was du wirklich bist, wie weißt du dann, dass du nicht ein Dämon bist, oder zumindest ein Halb-Dämon?“, fragte sie, nun neugierig.
„Weil Dämonenblut schwarz ist“, sagte Ren, der sich daran erinnerte, wie Vincent ihr Vertrauen gewonnen hatte. Er schielte hinüber zu dem scharfen Brieföffner, der auf Gypsys Schreibtisch lag. Schnell hob er ihn auf und zerschnitt damit seine Handfläche, sodass sie das rote Blut sehen konnte, das aus der Wunde hervortrat, ehe diese begann, zu heilen.
Laceys Bauchmuskeln verkrampften sich, als er leise über den selbst zugefügten Schmerz zischte. Sie schaute schnell hoch in sein Gesicht, als die Schuldgefühle dafür, dass er für sie leiden musste, um zu beweisen, dass er nicht log, über sie hereinschwappten. Irgendwie erinnerte er sie an Vincent… menschlich aber auch nicht.
„Wie du siehst… blute ich ganz normal und rot.“ Ren warf den Brieföffner zurück auf den Schreibtisch. „Ich bin völlig menschlich, solange ich nur von Menschen umgeben bin… aber zufällig gibt es hier in L.A. gerade einen Dämonenkrieg. Es wimmelt hier im Moment nur so vor Dämonen und Paranormalen. Ich kenne sogar ein paar Götter, die gerade in der Stadt sind. Meine Mächte verändern sich, je nachdem, wer gerade in meiner Reichweite ist.“
„Wieso erzählst du mir das?“, fragte Lacey, denn sie wusste, dass dies etwas war, das man besser geheim halten sollte… sie hätte es zumindest getan.
„Nimm es als Strafe dafür, dass ich die Wahrheit aus deinen Erinnerungen gestohlen habe. Es tut mir leid, dass es so weit gekommen ist“, sagte Ren ehrlich. „Ich habe meine Momente, in denen ich ein richtiges Arschloch sein kann, aber du sollst wissen… ich werde alles tun, um dich zu beschützen, wenn du mich lässt. Das bedeutet, das nächste Mal, wenn etwas aus dem Spiegel nach dir greift, lügst du mich nicht an… du schreist meinen Namen.“
Lacey blinzelte, als sie seine letzten Worte hörte, und ihre Gedanken in eine völlig falsche Richtung gingen. „Du kannst meine Gedanken jetzt nicht lesen, oder?“, fragte sie schnell, während sie fühlte, wie ihre Wangen heiß wurden.
Ren runzelte die Stirn, als er versuchte, zu hören, was sie dachte, aber nur Stille hörte… da dämmerte es ihm, dass sie mehr als nur eine Markierung auf ihrem Körper hatte. Er hatte sie gesehen, als sie nur halb mit einem Handtuch bedeckt im Badezimmer gewesen war. Dann fragte er sich, welche Geheimnisse sie sonst noch vor ihm versteckte.
„Dieses kleine Symbol, das unter deiner linken Brust tätowiert ist, wirkt als Barriere, sodass andere deine Gedanken nicht lesen können“, sagte er, denn das erklärte, weshalb er Nicks Gedanken hören konnte, ohne sich anzustrengen, aber ihre nicht einmal dann, wenn er sich sehr konzentrierte.
Lacey konnte fühlen, wie die Hitze wieder in ihre Wangen stieg, als sie zu ihm hochstarrte, unfähig zu entscheiden, ob sie erregt oder verärgert sein sollte. Es brauchte kein Genie, um zu erkennen, worauf seine Aufmerksamkeit gelegen hatte, als er vorhin ins Badezimmer gestürmt war. Sie hätte schwören können, dass sie das Silber seiner Augen durch seine Sonnenbrille leuchten sehen konnte, und wandte ihren Blick schnell ab, als ihr Herz schneller schlug.
„Nun… ich bin froh zu hören, dass die Tätowierung funktioniert“, brachte sie hervor, ihr Gesicht unbewegt, ehe sie sich schnell umdrehte, um die Schachtel aus dem Badezimmer zu holen. Sie würde bald tot sein, aber ihre Kleider mussten trotzdem aufgehängt werden, außerdem konnte sie nicht den ganzen Tag da stehen und ihn anstarren… er erregte sie zu sehr.
Nachdem er nichts mehr hörte, ging Nick weg vom oberen Ende der Treppe, von wo aus er gelauscht hatte, und zurück in den Hauptraum des Ladens. Er grinste, und bedeutete Gypsy mit hochgestrecktem Daumen, dass alles gut war, wodurch die junge Frau ihn glücklich anlächelte.
Er sah sich im Laden um und zählte, wie viele Kunden schon hier waren. Bisher waren es fünf und sie hatte keinem von ihnen eine Erlaubnis erteilen müssen. Er behielt die Anführerin der städtischen Wicca-Gruppe genau im Auge, als diese auf Gypsy zuging, um zu fragen, ob die Lieferung mit ihrer Bestellung schon angekommen war.
Gypsy ging ins Hinterzimmer und er wollte ihr gerade folgen, für den Fall, dass es etwas Schweres war, aber blieb dann stehen, als das Glöckchen über der Tür klingelte. Sein sechster Sinn war besser als bei einem normalen Menschen und Nick musste ein Knurren unterdrücken, als er die beiden Dämonen erblickte, die direkt vor der Tür standen.
Sie sahen beide aus, als wären sie gerade vom Militärdienst gekommen, mit sehr kurzem Haarschnitt und grimmigem Gesichtsausdruck, aber in letzter Zeit war er zum Profi darin geworden, Dämonen zu erkennen. Wie seelenlose Vampire verriet sie ihr Geruch sofort.
Ein sehr gutaussehender Mann trat an ihnen vorbei in den Laden, ehe er stehenblieb. Er schaute über seine Schulter auf seine beiden Begleiter, die immer noch an der Türschwelle standen, und wollte lachen, als er bemerkte, wie sie wütend auf den Boden direkt vor ihnen starrten.
Als sie beide verärgert zu ihm hochsahen, grinste er nur und zuckte die Schultern. „Tut mir leid, Jungs.“ Er erkannte an ihren bösen Blicken, dass sie wussten, dass es ihm überhaupt nicht leidtat, aber es war ihm auch herzlich egal, was sie dachten. „Es sieht so aus, als würde ich das hier schlussendlich doch alleine machen müssen.“
Er ließ sie einfach stehen und drehte sich um, sah sich im Laden um nach dem alten Ladenbesitzer oder seiner Enkelin, die er suchte.
Nick richtete sich zu seiner vollen Größe auf und steckte die Hand tief in die Tasche seines Mantels, wo das Futter herausgeschnitten war, sodass er Zugriff auf die Dinge hatte, die in das Leder eingenäht waren. Er hatte ein kleines Arsenal von Waffen und er hatte keine Hemmungen, diese zu benutzen. Es waren leise Gegenstände, die er anwenden konnte, ohne die Aufmerksamkeit der anderen Kunden zu erregen.
Er folgte dem Mann, als dieser zur Ladentheke ging und bemerkte, dass er nicht wie ein normaler Kunde die Dinge im Laden betrachtete. Nick hatte das Gefühl, dass der Fremde nicht zum Einkaufen gekommen war, und die dämonischen Wachhunde, die ihn durch die Fenster genau beobachteten, waren auch kein gutes Zeichen für Gypsys ersten Tag zurück im Geschäft.
Der Fremde sah neugierig in Richtung Gypsy, als diese mit einer Schachtel aus dem Hinterzimmer zurückkam und zur Ladentheke ging, wo die Frau noch auf sie wartete.
Nick ging schnell ein paar Schritte mit und stellte sich zwischen Gypsy und den fremden Mann, der sie beobachtete. „Kann ich Ihnen helfen?“
Der Mann betrachtete ihn mit gelangweiltem Gesichtsausdruck. Er wollte den Türsteher des Ladens ja nicht enttäuschen, aber so einfach ließ er sich nicht einschüchtern. Er steckte seine Hand in die Innentasche seiner Jacke und zog einen offiziell aussehenden Umschlag heraus. „Ich bin nur der Bote und tue niemandem etwas zuleide. Ich habe hier eine Einladung für den Besitzer dieses Ladens.“
Nick streckte die Hand nach dem Umschlag aus, aber der Mann zog ihn zurück und steckte ihn wieder in seine Jacke.
„Ich soll ihn direkt an den Besitzer übergeben“, erklärte der Fremde mit einem britischen Akzent und gehobener Augenbraue.
Nick atmete tief ein, aber der Geruch des Mannes war völlig menschlich. Er drehte sich um und lehnte sich an die Theke, starrte hinaus auf die beiden Dämonen, die den Fremden mit dunklen, nachdenklichen Blicken beobachteten.
„Für einen Menschen haben Sie ziemlich komische Begleitung“, bemerkte Nick, erwartete keine Antwort und bekam auch keine.
Gypsy schielte zum Fenster und sah die beiden Männer, die durchs Fenster starrten, anstatt einzutreten. Schnell suchte ihr Blick Nick und erblickte ihn mit einem Mann, den sie nie zuvor gesehen hatte.
Der Mann hatte seidiges, schwarzes Haar, das leicht gewellt war und kaum seine Schultern erreichte, und einen goldenen Ohrring in einem Ohr. Seine gebräunten Wangen waren glattrasiert, aber er hatte einen sorgfältig rasierten Bart und Schnurbart, die seine perfekten Lippen umrahmten. Die Perfektion endete damit auch nicht, denn sie bemerkte die langen, dunklen Wimpern, die seine dunkelbraunen Augen umrahmten, die das Sinnbild von Schlafzimmeraugen waren.
Sie hatte keinen Zweifel, dass er vermutlich ohne viel Aufwand jede Frau verführen konnte, die ihm über den Weg lief. Ja, der Mann sah einfach zu gut aus, und wenn sie in den letzten Tagen etwas gelernt hatte, dann, dass normale Menschen nie so schön waren. Dieses Wissen machte sie nervös und sie beeilte sich, die Bestellung der Frau zu verrechnen.
Frustriert, weil es so lange dauerte, schielte Gypsy an der Kasse vorbei auf die hübsche Frau, die immer so viel Geld in ihrem Laden ausgab, und seufzte dann dankbar, als sie ihr ein dickes Bündel Geldscheine gab und sagte, dass sie das Restgeld behalten sollte.
„Danke“, sagte Gypsy lächelnd und bemerkte dann eine Liste mit teuren Dingen, die schwer zu bekommen waren, zwischen den Geldscheinen. Sie schielte hoch und ihr wurde klar, dass die andere Frau sich der plötzlichen Konzentration von Dämonen in der Gegend bewusst sein musste, um solche Dinge zu bestellen, aber sie hatte im Moment keine Zeit, das zu diskutieren.
„Ich rufe Sie an, wenn die Dinge kommen.“ Gypsy nickte, als hätte die Frau nur einen Karton Pralinen bestellt.
Als die Kundin mit ihrer Schachtel besonderer Einkäufe wegging, schielte Gypsy zurück zu Nick und erkannte, dass die beiden Männer einander nun anstarrten, als würden sie sich ihre Chancen in einem Kampf ausrechnen.
„Kann ich Ihnen helfen?“, fragte Gypsy und kam zu seinem Ende der Theke.
Der Fremde wandte sich von Nick ab und lächelte. „Ich hoffe es. Ist der alte Herr, der den Laden besitzt, zufällig hier?“
Gypsys höfliches Lächeln verblasste, aber sie hatte die Frage schon so oft beantwortet, seit sie den Laden übernommen hatte, dass es ihr nicht viel kostete, es wieder auszusprechen. „Tut mir leid, aber er ist vor etwas mehr als einem Monat verstorben.“ Sie beobachtete die Augen des Mannes, als sie die leise Trauer widerspiegelten, und fühlte sich sofort erleichtert. Wenn er so reagierte, dann war er bestimmt nicht gekommen, um Ärger zu machen.
„Dann ist seine Enkelin vielleicht zu sprechen?“, fragte der Mann ruhig.
„Ich bin seine Enkelin. Kann ich etwas für Sie tun?“, fragte Gypsy freundlich.
Der Mann runzelte verwirrt die Stirn, aber überspielte es schnell mit einem höflichen Lächeln. „Vielleicht. Mir wurde aufgetragen, das dem Besitzer zu geben.“ Er zog den Umschlag halb aus seiner Tasche, damit sie ihn sehen konnte. Mit Herrn Übereifrig neben ihm wollte er vorsichtig sein, damit er ihm nicht aus der Hand gerissen wurde.
„Ich bin eine der Besitzerinnen“, sagte Gypsy stolz, jetzt, wo Lacey zurück war.
Der Mann betrachtete sie nachdenklich, aber dann legte er den Umschlag auf die gläserne Ladentheke und schob ihn in ihre Richtung.
Ehe Gypsy auch nur die Hand heben konnte, nahm Nick den Umschlag mit blitzschnellen Reflexen in Beschlag und öffnete ihn. Er überflog die goldene Schrift auf dem dicken Papier, ehe er den Fremden wieder ansah. Der Mann starrte ihn einfach nur an, als wäre er gelangweilt.
Gypsy runzelte die Stirn über Nicks übermäßige Fürsorge, aber etwas an seinem harten Gesichtsausdruck hielt sie davon ab, den Brief von ihm zu verlangen. So wie die Dinge hier in letzter Zeit liefen, konnte es auch eine Morddrohung sein, obwohl sie zugeben musste, dass sie höllisch neugierig war.
Nick trat um die Ladentheke herum auf die andere Seite, wo Gypsy war, und zog seine Pistole von unter seinem Hemd hervor. Er hielt die Waffe tief, sodass außer dem Mann vor ihnen niemand sehen konnte, was hier vorging. Der Herzschlag des Mannes war gleichmäßig, ebenso wie sein Atem, also nahm Nick an, dass er keine große Gefahr darstellte, aber er wollte, dass Gypsy vorsichtig war, nur für den Fall.
„Ich komme gleich zurück. Gib inzwischen niemandem die Erlaubnis, den Laden zu betreten und erschieße ihn, wenn er dir zu nahe kommt.“ Nicks Stimme klang warnend, und er hielt den Blick des anderen Mannes fest.
„Was?“, fragte Gypsy erschrocken flüsternd und sah Nick an, als hätte er den Verstand verloren. „Was steht in dem Brief?“
„Es ist nur eine Einladung, aber ich habe das Gefühl, dass sie Ren interessieren könnte. Ich erzähle es dir, sobald er sie gesehen hat“, antwortete Nick und ging Richtung Hinterzimmer.
Gypsy richtete ihren Blick auf den Mann vor ihr und fragte leise. „Welche Art von Einladung?“
Sie hielt ihre Waffe hinter der Theke, aber zielte auf ihn. Sie konnte nicht verhindern, dass sie errötete, als ihr klar wurde, dass, wenn sie jetzt abdrückte, die Kugel ihn an einer Stelle treffen würde, wo kein Mann verletzt werden wollte. Hoffentlich würde er das bedenken und keine Dummheit begehen.
„Zu einer verdammt wichtigen Auktion“, antwortete der Mann mit einem sexy Lächeln.
Gypsys Augen leuchteten auf, als sie das Wort Auktion vernahm, dann runzelte sie die Stirn und fragte sich, wieso Nick dachte, dass Ren die Einladung zu einer Auktion sehen wollte, auch wenn sie im Untergrund stattfand. Es war nicht das erste Mal, dass sie eine Einladung über einen Boten erhielt.
„Wie wichtig?“, fragte sie neugierig.
„Wenn ich zuerst fragen darf“, warf der Mann ein. „Bist du irgendwie verwandt mit Lacey?“
Gypsys Lippen öffneten sich und instinktiv umklammerte sie die Waffe fester, während sie einen Schritt zurück machte. Nun verstand sie, wieso Nick die Einladung Ren gebracht hatte.
„Wer sind Sie?“, fragte sie misstrauisch.
Die Lippen des Mannes deuteten ein Lächeln an, aber er antwortete nicht.
Ren schielte zu der offenen Tür des Bombenkellers, als er Nicks Schritte hörte, als er die Treppe buchstäblich hinunterrannte. Er sah, wie der Jaguar die letzten Stufen sprang, während er einen Umschlag fest mit seiner Hand umklammerte. Ren hob eine Augenbraue und ging zur Tür, um Nick zu empfangen.
„Stell keine Fragen, lies einfach“, sagte Nick drängend, als er Ren den Umschlag gab.
Ren öffnete ihn und holte die Einladung heraus, las sie sorgfältig. Die Muskeln in seinem Kiefer spannten sich an, als er den Drang, das Papier zu zerknüllen, unterdrückte. Sein Körper entspannte sich, als er es sich plötzlich anders überlegte und über seine Schulter zu Lacey schielte, die ihn genau beobachtete.
„Es scheint, dass wir zu einer Auktion gehen werden“, erklärte Ren.
„Eine Auktion“, wiederholte Lacey, während sie sich im Sofa zurücklehnte und so tat, als würde sie es sich zwei Sekunden lang überlegen, ehe sie ihm einen Korb gab. „Ich bin nicht in der Stimmung, also nein danke.“
„Du hast nicht wirklich die Wahl“, erklärte Ren und richtete seinen Blick zurück auf die Einladung. „Es scheint, dass das wichtigste Stück, das zur Versteigerung steht, eine markierte Seele ist, und das Eröffnungsangebot für diese markierte Seele ist eine Seelenkugel. Die Auktion findet heute um Mitternacht statt… hier ganz in der Nähe.“
Er konnte schon ihre Angst riechen, aber er hatte nicht vor, sie in Gefahr zu bringen. Ihre Beteiligung an dem Diebesring würde heute Nacht enden… dafür würde er sorgen.
Lacey fühlte sich, als wären ihre Beine aus Gummi, als sie zu Ren hinüberging und das Papier nahm, das er ihr hinstreckte. Ihr Blick fiel sofort auf das Symbol am Ende des Briefs, wo normal eine Unterschrift sein sollte, und ihr Herz sackte vor Angst bis in ihren Magen ab. Sie hob schnell ihren Blick und überflog die Worte.
„Zur Hölle damit. Wenn ich dieses Gebäude nicht verlasse, dann werden sie ihr wichtigstes Stück nicht haben und ihre kleine Auktion wird ein Flop“, sagte Lacey und gab Ren das Papier zurück. „Siehst du das Siegel hier unten? Das ist das Siegel des Rings, für den ich gearbeitet habe. Wenn ich zu dieser Auktion gehe… werden sie mich umbringen.“
„Lacey“, sagte Ren ruhig, wusste, dass sie im Augenblick verrückt vor Angst war. „Wenn sie so nahe sind, dann wissen sie schon, wo du bist. Du kannst dich nicht auf ewig hier drinnen verstecken. Außerdem scheint es, dass wir etwas haben, was sie wollen.“
„Ja… mich“, sagte Lacey und machte sich dabei nicht die Mühe, die Angst in ihrer Stimme zu verstecken, als sie wütend zu ihm hochstarrte. „Ich weiß schon, dass sie mich umbringen werden, aber das bedeutet nicht, dass ich es ihnen so einfach machen werde.“
Nick drehte sich um und machte sich auf den Weg zurück nach oben, denn er wollte Gypsy nicht zu lange alleine mit dem Fremden lassen. „Wenn du entschieden hast, was du machen willst, da ist ein britischer Typ oben, der auf eine Antwort wartet, und zwei Dämonen draußen vor der Tür, die auf ihn warten.“
Ren senkte seinen Blick auf Lacey, als er hörte, wie ihr Herz plötzlich raste und sie hinter Nick her die Treppe hoch eilte. Sein Gesicht verfinsterte sich ebenso wie seine Gedanken. Der Fremde sollte besser nicht das britische Arschloch sein, das ihr diese Misere überhaupt erst eingebrockt hatte.
Lacey bog nur Sekunden nach Nick um die Ecke in den Hauptraum. Ihre Lippen öffneten sich leicht, als sie Vincent sah, der ruhig dastand und über die Theke Gypsy betrachtete. Ihr Blick senkte sich und sie sah die Pistole in Gypsys Hand. Sie wollte über die Nutzlosigkeit der Drohung kichern, aber unterließ es, wissend, dass sie die einzige wäre, die den Witz verstand.
Vincent drehte seinen Kopf und fing den Blick der Frau auf, die er gesucht hatte. „Da ist das Mädchen ja.“ Er atmete schwer, ihm wurde klar, dass er sie mehr vermisst hatte, als er wollte.
Zwei Sekunden später hatte Lacey ihre Arme um Vincents Taille geschlungen und drückte ihr Gesicht in seine Brust.
Er erwiderte die Umarmung und unterließ es, zu den Dämonen vor der Tür zu schielen, wusste, dass sie sie schon gesehen hatten, aber er drehte sie so, dass er ihnen die Sicht auf sie versperrte.
Gypsy blinzelte über das liebevolle Wiedersehen und senkte dankbar die Pistole. Er konnte nicht so böse sein, wenn die Art, wie sein Blick weich geworden war, als er Lacey erblickt hatte, als Hinweis gelten konnte. Sie gab Nick die Waffe zurück, als er zu ihr hinter die Theke kam. Ein Kunde kam genau in diesem Augenblick zu ihr, um eine Frage zu stellen, und sie schielte hoch zu Nick, unsicher, ob sie jetzt gerade gehen konnte.
„Ich kann Ren kommen hören, also du kannst beruhigt sein, wir werden uns hierum kümmern“, sagte Nick, um ihr zu versichern, dass sie ruhig ihrer Arbeit nachgehen konnte.
Mit einem kurzen Nicken ging Gypsy an Nick vorbei und machte einen großen Bogen um Ren, als sie den wutentbrannten Ausdruck auf seinem Gesicht sah, als er aus dem Hinterzimmer kam. Sie sah, wie er den Dämonen einen bösen Blick zuwarf, ehe er sie wieder ignorierte und seine Aufmerksamkeit auf die Ladentheke richtete.
„Geh und pass auf, wen Gypsy hier hereinlässt. Überlass das hier mir“, forderte Ren, als er hinter Nick trat.
Nick fühlte einen kalten Schauer über seinen Rücken kriechen und er eilte zum vorderen Teil des Ladens. Selbst der Jaguar in ihm war froh, dass er nicht derjenige war, der gerade seine Arme um Lacey geschlungen hatte. Ren war schon gemein gewesen, als sie um Gypsy konkurrierten, aber er hatte das Gefühl, dass das nichts war, im Vergleich zu der Hölle, die den Briten hier erwartete.
Vincent schielte hoch und sah den Mann, der mit einschüchternder Miene und langen, verärgerten Schritten auf ihn zukam. Das Erste, was ihm auffiel, war, dass der Mann nicht wirklich ihn ansah… er schaute auf Laceys Rücken, wo seine Arme sie sicher festhielten.
Er hatte vielleicht keine übernatürlichen Mächte, aber nachdem er so viele Jahrhunderte gelebt hatte, konnte er einen eifersüchtigen Mann schon auf einen Kilometer Entfernung erkennen. Vincent grinste innerlich und fragte sich, wie Lacey über diese Beziehung dachte… wenn es überhaupt eine gab. Im letzten Jahr war er der einzige Mann gewesen, der sie berührt hatte, und sie waren nicht lange genug getrennt gewesen, als dass sie sich einen anderen Liebhaber suchen hätte können. Dafür war sie viel zu wählerisch.
Ein genervtes Lächeln verzog Vincents Lippen, als er Lacey ein wenig fester an sich drückte, um zu sehen, ob der andere Mann sich aufregen würde. Schließlich… war es sein größtes Hobby, andere Leute zu ärgern.
Er kannte seine kleine Diebespartnerin gut genug, um zu wissen, dass für sie besitzergreifende und obsessive Gedanken den Gegenständen, die sie stahlen, vorbehalten… und nicht für Männer bestimmt waren. Das war es, was er am meisten an ihr mochte, dass sie beide keine Ansprüche an die Beziehung stellen wollten.
Nachdem er wusste, dass er sie dem anderen Mann nicht einfach aus den Armen reißen konnte, zwang Ren sich dazu, einen Meter hinter Lacey stehenzubleiben, so nahe, dass er sie an sich reißen konnte, wenn es notwendig war. Er mochte den Idioten jetzt schon nicht, aber war klug genug, den Impuls, Vincent zu erwürgen, zu unterdrücken, sodass er sich anhören konnte, weshalb der Mann die Dämonen hierher gebracht hatte.
Ren steckte seine rechte Hand in seinen Mantel, um die Tatsache zu verbergen, dass sie so fest zur Faust geballt war, dass seine Fingernägel seine Handfläche aufrissen. Wenn Vincent dachte, dass er Lacey zurück zu dem dämonischen Zirkus, den sie den Diebesring nannten, bringen konnte, würde er dem Trottel jedenfalls etwas viel Schmerzvolleres geben, womit er sich ablenken konnte.