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EIN WARTEZIMMER

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Lächelt, wenn ihr nichts zu lachen habt. Klaus Klages

Es ist schon lange her, seitdem ich das letzte Mal ein Wartezimmer betreten habe und auf einem der Stühle Platz nehmen musste. Nun, ‚musste‘ ist das falsche Wort. Ich begleite nur meinen Mann, ich bin sozusagen Anteil nehmender Statist.

Ich schaue mich um und grüble über den Namen des Raumes nach, in welchem wir nun schon eine Weile sitzen. Wartezimmer. Nomen est Omen. Ja, es passt, denke ich, sonst würde es ja nicht diesen Namen tragen.

Also warten wir und vertreiben uns die Zeit. Mein Mann verfolgt das Patientenfernsehen mit den Arztinfos auf dem großen Monitor. Ich schaue weg. Bilder von Hautkrebsformen wechseln mit kaputten Gelenken und einer Werbung für Medikamente gegen Arterienverkalkung und so weiter. Das muss ich nicht sehen.

Alle Stühle sind besetzt. Ab und an wird ein Patient aufgerufen. Die im Flur Stehenden rücken schrittweise nach.

Ich schaue mir die Gesichter der Wartenden genauer an und versuche darin zu lesen. In der Mehrzahl sind es ältere Menschen. Ein jüngerer Mann ist in seine Lektüre vertieft und schreckt auf. Aus dem Lautsprecher ertönt eine schlecht zu verstehende, in meinen Ohren unangenehm klingende Männerstimme: Herr Fritsche bitte ins Behandlungszimmer. Herr Fritsche – oder lautete der Name Frisch – oder Fisch – meine Ohren streikten wieder einmal – verstaut mürrisch sein Buch im Rucksack und steht zögernd auf. Entweder wurde er gerade bei einem besonders spannenden Kapitel gestört oder er mag eigentlich gar nicht hören, was der Arzt ihm zu sagen hat. Oder ihm gefällt die knarrende Mikrofonstimme mit dem anschließenden langen Piepton ebenfalls nicht.

Ich setze meine heimlichen Beobachtungen fort. Die restlichen Patienten – mehr Männer als Frauen – haben fast alle eines gemeinsam: Denselben Gesichtsausdruck. Sie starren stupide entweder auf den Boden oder an die gegenüberliegende Wand. Was wird wohl in ihren Köpfen vorgehen? Ich frage mich: Haben sie existenzielle Sorgen oder hat ihre Krankheit sie so mitgenommen? Oder bewegt sie ein Problem, das sie nicht lösen können? Ist es vielleicht die allgemeine Weltlage?

Von den auf dem Tisch ausgebreiteten Zeitungen – ich erblicke neben der OTZ unter anderem auch die so genannte „Rentnerbravo“ – wird kein Gebrauch gemacht. Sie scheinen wohl tatsächlich nur mit sich selbst und ihren Problemen beschäftigt zu sein. Nicht einmal der zwischen die Arztinfos geschobene Naturclip über Kraniche entlockt ihnen eine sichtbare Gefühlsregung.

Die lähmende Stille wird unterbrochen durch schallendes Gelächter, das wohl von der Anmeldung bis hierher zu hören ist. Jetzt heben einige ihre Köpfe.

Wenn Sie aber denken, dass sich nun ein gewisses Interesse für den Grund des herzhaften – für mich einfach ansteckend klingenden – Gelächters in der Mimik der Wartenden widerspiegelt – dann haben Sie sich geirrt. Sie verfallen wieder in ihre Lethargie.

Mein Mann kommt aus dem Behandlungszimmer zurück. Der Quick-Wert des Blutes meines Mannes ist in Ordnung und ich bin froh, dass ich diesen Raum mit der auf mich bedrückend wirkenden Stimmung verlassen kann. Doch dann drehe ich mich kurzentschlossen noch einmal um und sage lächelnd in die Runde: Auf Wiedersehen und alles Gute für Sie! Immerhin lächeln zwei Männer zurück und murmeln ein Dankeschön.

ROSAROT war ihre Brille …

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