Читать книгу Die Leben des Gaston Chevalier - André David Winter - Страница 9

III

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Gaston war außer sich vor Freude, als sein Vater ihm sagte, dass er ihn nun mitnehmen werde.

»Kannst du denn jetzt schon schreiben?«

»Ja, nur noch nicht so schön.«

»Es wird reichen, um aufzuschreiben, wie viel Geld wir verdienen.«

»Werde ich jetzt Alceste kennenlernen? Oder die Frau mit Bart?«

»Oh, nein – wir werden alleine auftreten, der Grand Cirque ist in Amerika auf Tournee.«

Gaston machte ein enttäuschtes Gesicht.

»Warum gehen wir nicht mit?«

»Weil Amerika viel zu groß ist für uns Winzlinge und weil wir zwei unseren eigenen Zirkus machen. Yves, der Schlangenmensch, und Gaston, der Bär.«

Das Gesicht des Jungen hellte sich wieder ein wenig auf.

Am Tag ihrer Abreise standen, trotz der frühen Stunde, alle im Hof, um die beiden zu verabschieden. Madame Taillard und die grandes Sœurs weinten, auch Madame Chevalier verdrückte eine Träne. Alle hatten ein Abschiedsgeschenk für sie, obwohl sie den Wagen schon mit Vorräten und Spezereien gefüllt hatten. Gaston saß in einem Matrosenanzug, ein Hütchen mit einem lustigen Pompon auf dem Kopf, neben seinem Vater und weinte ebenfalls. Aus Freude oder Schmerz. Er wusste es nicht. Als ahnte er das Glück und die Not der kommenden Jahre, in denen er, wie alle, irgendwann in der Rolle verschwand, die er für das wirkliche Leben hielt.

»Kommt uns besuchen, versprecht es«, riefen die Mädchen und liefen neben dem Wagen her.

»Nächsten Sommer, versprochen«, antwortete Yves und knallte mit der Peitsche. Die Pferde fielen in Trab.

Paulette rannte mit und drückte Gaston ein kleines Päckchen in die Hand.

»Pass darauf auf und bring es mir zurück«, rief sie ihm zu.

»Pass auf dich auf.«

Sie drückte noch einmal seine Hand.

»Komm zurück, mein Junge.«

Gaston sah Tränen über ihre Wangen rollen.

Als sie am Pfarrhaus vorbeifuhren, hielt die Pfarrköchin sie an und gab ihnen einen gut durchwachsenen Speck und einen Sack Kartoffeln mit.

»Mit liebem Gruß vom Pfarrer.«

»Bestellen sie ihm einen ebensolchen«, nickte Yves und lüpfte den Hut.

Sogar der Lehrer stand beim Schulhaus und schenkte Gaston das Lexikon, das er ihm einst ausgeliehen hatte.

Alle begleiteten sie Vater und Sohn bis zur Brücke. Dort blieben sie stehen und winkten ihnen lange nach. Bis ihr Wägelchen zu einem Punkt wurde, der mit einem Mal verschwunden war.

Schon im nächsten Ort musste Gaston seinen Anzug aus- und irgendwelche Lumpen anziehen. Statt seines Hütchens trug er die abgewetzte Schiebermütze seines Vaters, Yves setzte sein altes Béret auf.

»Der Anzug ist ein Geschenk von Mémère. Warum muss ich ihn ausziehen?«

»Darum.«

»Ich will aber nicht.«

Statt einer Antwort bekam er eine Ohrfeige.

Bald schon war ihm klar, weshalb er seine geliebten Kleider nicht mehr tragen durfte: Lumpen erregten Mitleid, die Leute gaben einen Sou oder zwei mehr.

Ebenso rasch musste er erkennen, dass der Mann, der ihn besucht hatte, ein anderer war als der, mit dem er die nächsten Jahre durchs Land ziehen sollte. Yves Chevalier war nicht nur ein Céphalopode, oft stand bei ihm alles Kopf, war er sein eigenes Gegenteil und selbst wie umgedreht. Von einem Moment auf den anderen wurde er aufbrausend und jähzornig. Es kam aus heiterem Himmel. Wie ein Gewitter. Und so schnell, wie es gekommen war, war es meist wieder vorbei. Zu Beginn sah Gaston es nicht kommen, aber er lernte schnell, dass am besten mit Papa auszukommen war, wenn er für seine Pernods sorgte. Oder ihm half, eine petite Fille für ein Stündchen oder eine Nacht zu finden. Am besten beides. Dann konnte man alles von ihm haben.

»Ist das Leben nicht schön, Gaston. Willst du noch eine Portion? Wirt, bringt noch eine Portion für meinen Jungen. Und zwei Gläser vom Cidre für mich und die Kleine.« Er knuffte der Kleinen in die Seite, die vor Vergnügen quietschte.

So zuckelten sie mit ihrem Klepper von Dorf zu Dorf, von Stadt zu Stadt. Durch ganz Frankreich und Belgien.

Schon bald kannte Gaston den Ablauf, er war überall gleich: früh aufstehen, Kaffee machen, mehrere Stunden Exercises, am Schluss eine halbe Stunde Boxen. Gaston hasste es.

»Du wirst noch einmal froh sein darum«, meinte Yves nur und nutzte Gastons mangelhafte Deckung.

»Aua …«

Danach essen, eine kurze Pause und endlich: Le grand Spectacle!

Nachdem sie ihr Plakat auf dem Dorfplatz aufgestellt hatten, legte Yves seinen Teppich aus und wartete im Kopfstand aufs Publikum. Winkte den Vorbeigehenden zu und fragte nach dem Weg. Schob sich ein Ei in den Mund und holte es aus einem Ohr heraus.

Gaston zog seine Schiebermütze in die Stirn und ging durchs Dorf. Mit hoher Stimme rief er die Leute herbei:

»Messieurs, Mesdames, kommen und staunen Sie. Yves Chevalier, der Mann ohne Knochen, verknotet sich vor ihren Augen. Das hat die Welt noch nicht gesehen. Kommen und staunen Sie, sehen Sie selbst …«

Eine Handvoll Leute kam immer und sah, wie Yves sich ver- und entknotete oder sich, als wäre es das Natürlichste der Welt, auf seinen Händen stehend mit den Füßen am Kinn kratzte. Auf einer Hand hin und her hüpfte und aus der anderen eine Blume zauberte. Sich dann wie ein Kreisel um sich selbst drehte, schneller und schneller, bis aus seinem Hosenbein ein Äffchen sprang und von dort auf Gastons Schulter. Dann sprang auch Yves wieder auf die Beine und verneigte sich vor dem »hoch verehrten« Publikum.

Gaston nahm die Mütze ab und ging damit durch die Reihen. Wenn eine dralle Mademoiselle darunter war, fragte er sie mit Tränen in den Augen – auch das hatte er schon gelernt:

»Kommst du uns besuchen?«

»Hast du denn keine Maman?«

»Nein, sie ist bei meiner Geburt gestorben. Willst du?«

»Ist der Schlangenmensch dein Papa?«

Sie blickte zu ihm hinüber, er schickte ihr einen sehnsüchtigen Blick.

»Ja, und oft ist er so traurig, dass wir zusammen weinen. Am schlimmsten ist es, wenn wir nichts zu essen haben.«

»Wo wohnt ihr denn?«

»Unser Wagen steht bei der alten Mühle. Komm uns doch besuchen.«

Sie kamen meist, immer hatten sie etwas zu essen dabei. Sie aßen zusammen, Gaston weinte, Yves nahm ihn in den Arm.

»Nicht doch, mein Junge, jetzt haben wir ja was zu essen und sogar eine Maman für ein paar Stunden.«

Wenn Gaston in seinen Armen »eingeschlafen« war, legte er ihn auf seinen Strohsack. Danach brauchte es nicht mehr viel, Yves spielte die Rolle des traurigen Witwers brillant weiter und bekam meist, was er wollte. Gaston schlich aus dem Wagen und wartete draußen. Er zog Paulettes Abschiedsgeschenk aus der Hosentasche und öffnete es zum hundertsten Mal. Die falschen Perlen im weißen Haarband schimmerten im Schein des Mondlichts.

Manchmal blieben die Mädchen auch länger, und sie spielten für ein paar Wochen Familie, bis Yves der Kleinen überdrüssig war.

»Pack deine Sachen und geh.«

»Ich verstehe nicht.«

»Geh, hab ich gesagt.«

»Aber wie soll ich denn nach Hause kommen, ich …«

»Va-t’en!«

Schluchzend packte sie ihre Habseligkeiten zusammen und verließ den Wagen. Gaston schenkte seinem Vater ein Glas Pernod ein.

Ein paar Monate nach ihrem Aufbruch aus Castillon kamen sie in einen Ort, in dem Gaston auf seiner Runde ein Plakat des Grand Cirque Milano entdeckte. Noch mehr erstaunte ihn, dass das heutige Datum darauf klebte. Der Cirque war also zurück aus Amerika. Jetzt konnten sie gemeinsam auf Tournee gehen, und Gaston würde sie alle kennenlernen.

»Hercule, der Kraftmensch« stand als Überschrift auf dem Plakat. Darunter ein Bild, das einen kahlköpfigen Riesen zeigte, der sich mit seinen Zähnen an einem Trapez festbiss. An seinen Beinen hing eine Frau in einem Fledermauskostüm und schwebte durchs Zelt. Gaston jubelte, er schaute sich das Plakat noch einmal an. Die Vorstellung begann um sieben, auf der Gemeindewiese. Er wollte sie unbedingt sehen, Papa würde es bestimmt erlauben. Außer sich vor Freude rannte er los, um ihm zu berichten. Plötzlich hielt er inne. War das denn möglich? Konnten sie schon zurück sein? Amerika war doch so groß, hatte Papa gesagt. Und zwischen hier und dort war ein Meer, das noch viel größer war. Mit Seeungeheuern darin, die ganze Schiffe verschlucken konnten. Hatte Papa ihn angelogen? Waren sie gar nie in Amerika gewesen?

Er lief weiter. Auf dem Dorfplatz sah er eine Menge um ihren Wagen stehen. Es sah nicht gut aus. Gaston drängte sich zwischen den Gaffern durch und sah, wie der Kraftmensch, den er eben auf dem Plakat gesehen hatte, versuchte, seinen Papa in Stücke zu reißen. Doch Yves konnte sich befreien und flüchtete in den Wagen. Der Riese polterte an die Tür, fluchte, schrie.

»Mach die Tür auf, du elender Zwerg, sonst schlage ich sie ein.«

Gedämpft hörte er seinen Vater von innen rufen.

»Ich denk nicht dran, du hirnloser Koloss.«

Der andere schlug mit seinen Pranken so heftig gegen die Tür, dass Gaston dachte, sie würde bersten. Doch sie hielt. Der Riese schrie weiter.

»Mach auf, du Hurenbock.«

Die Tür blieb zu. Gaston sah den Hünen schon die Tür mit seinen Zähnen aufbeißen. Doch er tat es nicht. Vielleicht war er wirklich hirnlos. Gaston hoffte es.

Endlich sah er einen Gendarmen, der sich einen Weg durch die Menge bahnte.

»Platz da, macht Platz.«

Zum Tobenden gewandt, fuhr er fort.

»Hör auf damit, sofort.«

Der Angesprochene wandte sich um.

»Das geht dich nichts an, das ist eine Sache unter Männern. Geh. Geht alle weiter«, schrie er den Gendarmen und die Gaffer an. Wieder riss er an der Tür. Der Gendarm zog seine Pistole.

»Zum letzten Mal, lass die Tür los.«

Doch der Mann hörte nicht auf, der Landjäger schoss in die Luft. Die Menge sprengte erschrocken auseinander.

»Fertig jetzt, ich meine es ernst. Ich will euch beide hier nie mehr sehen. Den Zwerg nicht und dich nicht, verstanden.«

Der Schuss hatte den Riesen endlich zur Räson gebracht. Er ließ die Tür los und stampfte davon. Im Weglaufen rief er noch:

»Lass dich nie mehr in der Nähe meiner Frau blicken, Yves Chevalier, sonst besorg ich’s dir.«

»So wie ich ihr«, hörte man aus dem Innern des Wagens. Die Menge grölte. Der Riese drehte sich wieder um, sein Kopf war hochrot. Der Gendarm hob noch einmal die Waffe.

»Allez, va-t’en.«

Als der Mann außer Sichtweite war, öffnete sich die Wagentür. Yves Chevalier sprang mit drei Saltos auf den Platz hinaus.

Applaus ertönte. Gaston stellte sich neben seinen Vater und verneigte sich mit ihm.

»Meine Damen und Herren, die Aufführung kann weitergehen. Entschuldigen Sie die kleine Störung, sie war leider größer als ich.«

Wieder Gelächter.

Der Gendarm steckte seine Waffe ein.

»Packt eure Sachen und macht, dass ihr fortkommt.«

Doch die Menge protestierte.

»Lassen Sie ihn, Monsieur Morel. So etwas sieht man nicht alle Tage.«

Die meisten hofften wohl, der Gehörnte würde noch einmal umkehren und das Spektakel von vorne beginnen.

Der Gendarm zwirbelte seinen Bart.

»Nun gut, aber nachher fort mit euch. Verstanden?«

Papa lächelte sein bezauberndstes Lächeln und verneigte sich abermals vor dem »hochverehrten Publikum«.

Gaston ging nach der Vorstellung durch die Reihen und hielt seine Mütze hin. Noch nie hatte er so viele Münzen eingesammelt.

Gaston fragte nie mehr nach dem Grand Cirque. Und war es denn so schlimm, dass sie alleine unterwegs waren? Nein, er liebte ihr Vagabundenleben zu zweit oder zu dritt, obwohl er von morgens bis abends mitanpacken musste. Er machte Feuer, kochte, wusch ab, putzte, fütterte das Äffchen, lief ins Nachbardorf, klebte dort schon die Plakate für den nächsten Tag, lief rufend durch die Gassen, sammelte das Geld ein, übte mit Yves kleine Nummern und nutzte seine Chancen beim Boxen. Er besaß nicht die Gelenkigkeit und Élasticité seines Vaters, aber schon bald fragte auch er die Leute, auf dem Kopf stehend, nach dem Weg. Oder sie standen beide im Kopfstand da und sprachen laut darüber, warum die Leute, die an ihnen vorbeigingen, dies auf so umständliche Weise taten.

»Sie laufen alle auf ihren Füßen, ob du’s glaubst oder nicht«, sagte Yves.

»Nein, das ist nicht wahr.«

»Schau selbst, da kommt wieder einer.«

Yves zeigte auf einen Passanten.

»Das kann nicht gesund sein. Stell dir vor, wie viel Arbeit ihr Herz leistet, um all das Blut in den Kopf zu pumpen. Bei uns macht das die Natur.«

»Hast du deshalb so einen roten Kopf?«, fragte Gaston.

»Nein, nein, wo denkst du hin. Das ist wegen deinen Couplets. Sag noch eines auf, bitte.«

»Du erzählst es nicht weiter?«

»Heiliges Ehrenwort.«

Und Gaston trug eines der Couplets vor, die ihm seine Schwestern beigebracht hatten:

Ein Hurenhaus geriet um Mitternacht in Brand.

Schnell sprang, zum Löschen oder Retten,

Ein Dutzend Mönche von den Betten.

Wo waren die? Sie waren -- bei der Hand.

Ein Hurenhaus geriet in Brand.

Schon blieben die ersten Gaffer stehen, lachten, stießen sich in die Seite.

»Noch ein letztes Mal«, bat Yves.

»Aber jetzt hat es Leute, die uns zuhören.«

»Bitte …«, winselte sein Vater und ließ die Zunge aus dem Mund hängen.

Gaston wiederholte die Verse und sprang danach auf die Beine. Er verneigte sich, und Papa begann mit seiner Darbietung.

Wenn Gaston, der Bär, oder Gaston, der Affe, nach einem langen Tag endlich auf seinem Strohsack lag und an die Couplets dachte, die er tagsüber vorgetragen hatte, bekam er oft Heimweh nach seinem Hurenhaus. Er nahm den Matrosenanzug und Paulettes Haarband aus dem Versteck und strich mit der Hand über den feinen Stoff, die falschen Perlen. Dann roch er daran und meinte, einen kleinen Rest von Paulettes Parfum zu riechen. Er schloss die Augen, sah sie und seine anderen grandes Sœurs in ihren seidenen Miedern, sah sie sich pudern und die Haare vor den großen Spiegeln mit Brenneisen zu Locken drehen. Er sah die roten Gesichter der Champagner trinkenden und Zigarre rauchenden Männer auf den breiten roten Fauteuils. Er drückte den Matrosenanzug an seine Nase, auch den Zigarrenrauch glaubte er noch zu riechen. Sogar an die frisch gewaschenen Laken von Madame Taillard konnte er sich erinnern. Er sah, wie sie sich auf der Wäscheleine im Wind blähten. Er hörte, wie die Wirtschafterin die Stare, die sich gesammelt hatten, um in die Reben einzufallen, mit ihrem lauten Rufen und erstaunlich präzisen Steinwürfen vertrieb. Er spürte Mémère im Bad hinter sich stehen, ihren kontrollierenden Blick und den nassen Kamm, mit dem sie versuchte, seine widerspenstigen Haare zu glätten. Fühlte ihre warme Hand über seine Wange streichen und den Kuss ihrer trockenen Lippen auf seiner Stirn, wenn sie ihn zu Bett brachte.

Wie gerne wäre er in diesen Momenten in Castillon gewesen. Bei ihr und den anderen. Bei Paulette. Würde er sie je wiedersehen? Papa hatte es versprochen. »Im Sommer werden wir sie besuchen«, hatte er gesagt. Bald war Sommer.

Nachts weinte Gaston oft im Schlaf. Sein Kopf rollte hin und her, seine Zunge schnellte im Mund vor und zurück. Dann nahm Yves Gaston in den Arm und sang ihm Il était un petit homme vor.

»Alles ist gut, mein Kleiner«, flüsterte er.

Doch das stimmte nicht. Papa sah nicht, was Gaston in seinen Träumen sah, roch nicht, was Gaston roch. Schorfige Hände krochen von allen Seiten auf ihn zu, griffen nach ihm. Legten sich auf seine Brust, um seinen Hals, drückten zu. Plötzlich verschwanden die Hände, der Schorf blieb, breitete sich auf seinem Körper aus. Veränderte seine Farbe, seine Form, war plötzlich überall, bildete Flecken an den Wänden, auf Tapeten. Aus den Flecken liefen Kühe auf ihn zu, riesige normannische Kühe mit enormen Eutern und mahlenden Zähnen. Aus den Eutern spritzte Milch. Der Boden war voll davon. Überall war sie. Gute, weiße, warme Milch. Er bekam Durst, solchen Durst. Doch bevor er die Milch auflecken konnte, war sie im Boden versickert, aus dem plötzlich Dämpfe stiegen, die nach Pisse stanken. Gastons eigener. Er erwachte und schlich aus dem Wagen, um Bettzeug und Kleider auszuwaschen.

Der Sommer kam. Gaston hatte viel gelernt – vor allem, weniger Fragen zu stellen. Dafür setzte es weniger Ohrfeigen ab. Auf die Frage, warum sie Mémère und die Mädchen nicht besuchten, bekam er eine.

Der Sommer ging, Gaston fragte nie mehr.

Wenn sie länger an einem Ort blieben, schickte Yves ihn in die Schule. Dort holte Gaston den verpassten Stoff in kürzester Zeit nach. Verstand er etwas nicht, half oft das Lexikon des Lehrers.

Wenn sie weiterzogen, fragte Papa ihn auf dem Kutschbock über die Geschichte Frankreichs ab:

»Wer sagte, wer nicht zu täuschen weiß, weiß nicht zu herrschen?«

Gaston schrieb die Antwort auf einen Zettel – so übte er auch zu schreiben – und zeigte sie seinem Vater.

Louis-quatorze.

Der nickte nur.

»Wer war der erste Bourbonenkönig?«

Gaston schrieb es auf und hielt Yves den Zettel hin.

Henri Quatre.

Wieder nickte er.

»Was waren die letzten Worte Jeanne d’Arcs?«

Für Gott und den König, schrieb er.

Diesmal gab es eine Ohrfeige.

Die Leben des Gaston Chevalier

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