Читать книгу Der Weihnachtsbär, der Osterwolf und ein Hallowurm - André Fouraté - Страница 4
Der Weihnachtsbär 1. Ein Hauptpostunterangestellter
ОглавлениеHoch oben im Norden, an einem der nördlichsten Punkte im Land, gibt es inmitten der kalten Landschaft ein kleines, aber wichtiges Postamt. Dieses nördlichste aller Postämter wird geführt vom Hauptpostunterangestellten Herr Gelbmann. Herr Gelbmann ist ein in jeder Hinsicht sehr durchschnittlicher Mann. Er hat eine durchschnittliche Größe, einen durchschnittlichen Schnauzer und Haarschnitt, trägt eine durchschnittliche Brille, ist weder zu dick noch zu dünn. Selbst seine Hauptpostunterangestellten Uniform ist durchschnittlich abgenutzt.
Wie an jedem Morgen war er auch an diesem pünktlich bei seinem kleinen Postamt erschienen, hatte es aufgeschlossen, das ‚geöffnet‘ Schild an die alte hölzerne Eingangstür gehängt und sich auf seinen Platz hinter dem einzigen Schalter im Postamt gesetzt und wartete auf seine Kunden. Das Postamt, war ein uraltes Gebäude aus alten Steinen und Holz. Es war so klein, dass maximal zwei Postangestellte gleichzeitig in dem kleinen Postamt arbeiten konnten. Wenn zwei Kunden gleichzeitig am einzigen Schalter anstanden, musste deshalb einer der beiden halb in der Eingangstüre stehen. Dies war für den Kunden nicht angenehm, da es so hoch im Norden das ganze Jahr über sehr kalt war. Allerdings kam es dadurch auch so gut wie nie vor, dass 2 Kunden gleichzeitig zum Postamt kamen.
Ein Grund für den großen Platzmangel im Postamt war der große Ofen aus Gusseisen, der direkt neben dem Schemel von Herr Gelbmanns Schalter stand. Da Herr Gelbmann sehr schnell fror und sich eine Erkältung nicht erlauben konnte, war der Ofen sehr wichtig. Herr Gelbmann war nämlich derzeit der einzige Postangestellte dieses Postamtes.
Das war nicht immer so gewesen. Nach den Vorschriften der Post müssen immer mindestens 2 Postangestellte, ein Hauptpostoberangestellter und ein Hauptpostunterangestellter, in einem Postamt sein.
Dies war sehr wichtig, da so sichergestellt wurde, dass immer ein Postangestelter im Dienst war, selbst wenn einer mal krank sein sollte. In allen vergangenen Jahren war das auch noch so gewesen, bis der alte Hauptpostoberangestellte Herr Blaumann in Pension geschickt wurde und das Postamt verlassen musste.
Herr Blaumann und Herr Gelbmann waren sehr gute Kollegen gewesen. Herr Blaumann war immer sehr korrekt in der Führung des Postamts und hatte diese Tugend und alles, was man über das Führen eines Postamts wissen musste, erfolgreich an Herr Gelbmann weitergegeben. Als Herr Blaumann in Pension gehen musste, war er darüber gar nicht begeistert. Er hatte sich in dem kleinen Postamt, zusammen mit Herr Gelbmann als Kollegen immer sehr wohl gefühlt. Beide hatten das Postamt stets korrekt und sorgfältig betreut. Sie waren immer pünktlich gewesen und das Postamt musste in all seinen Dienstjahren als Hauptpostoberangestellter nicht ein einziges Mal außerordentlich geschlossen werden. Die Öffnungszeiten eines Postamts ließen da auch keinen Spielraum, darauf mussten sich die Kunden verlassen können.
Die Vorschriften waren diesbezüglich jedoch eindeutig, sofern ein Hauptpostoberangestellter das Alter von 60 Jahren überschritt, musste er in Pension gehen und mit Eintreffen eines neuen Hauptpostunterangestellten, wurde der bisherige Hauptpostunterangestellter zum Hauptpostoberangestellten. Herr Gelbmann war an diesem Tag einerseits sehr glücklich darüber, dass er nach sehr vielen Jahren endlich Hauptpostoberangestellter werden würde, andererseits aber auch sehr betrübt, dass Herr Blaumann ihn nun verließ. „Kopf hoch“, sagte Herr Blaumann damals zu ihm, „Sie werden ja bald einen neuen Kollegen bekommen und mich in Kürze nicht mehr vermissen.“ Mit diesen Worten schritt Herr Blaumann durch die kleine hölzerne Postamtstür und warf mit einem eleganten Schwung Herr Gelbmann die Hauptpostoberangestellten-Mütze zu. Dies war ungewöhnlich und nicht korrekt, allerdings war Herr Blaumann nun kein Hauptpostoberangestellter mehr und konnte sich das mit einem Augenzwinkern erlauben. Herr Gelbmann fing die Mütze grade noch so auf, bevor Sie auf den Boden fiel, was natürlich entsetzlich gewesen wäre.
Herr Gelbmann saß damals auf seinem Schemel, legte die Hauptpostoberangestellten-Mütze auf die kleine Ablage an der Wand hinter ihm und wartete auf den neuen Hauptpostunterangestellten. Bis dahin musste die Mütze noch an Ihrem Platz bleiben, er durfte sie erst aufsetzen, wenn er Hauptpostoberangestellter wurde.
Anfangs war Herr Gelbmann völlig klar, dass es einige Zeit dauern würde, bis der neue Kollege im Postamt ankommen würde, so etwas geht schließlich nicht einfach von heute auf morgen. Letztlich ist es auch nicht schlecht, wenn es etwas dauerte, dachte er. Schließlich findet man nicht an jeder Ecke einen guten Hauptpostunterangestellten. Dass es lange dauerte, überlegte er, konnte ja nur bedeuten, dass dieser Kollege sehr gut in seinem Beruf war.
Was Herr Gelbmann nicht wissen konnte, war, dass der neue Hauptpostunterangestellte und die Beförderung nicht kommen würden. Durch einen unglücklichen und sehr seltenen Fehler in der weit entfernten Postzentrale, hatte man dort einfach übersehen das in dem kleinen Postamt kein Hauptpostoberangesteller mehr war.
Herr Gelbmann hätte natürlich in der Zentrale anrufen oder ein offizielles Gesuch schicken können, aber das kam ihm nicht in den Sinn. Das würde ja bedeuten, dass die Zentrale einen Fehler gemacht hatte, und das war für ihn schlicht undenkbar. Wenn die Postzentrale einen Fehler gemacht hatte, dachte Herr Gelbmann, so wäre es ja auch denkbar, dass Fehler beim Postverkehr passieren könnten. Wie doch jeder weiß, ist die Post immer zuverlässig und macht bei der Beförderung der Post keine Fehler. Ergo konnte auch hier kein Fehler passiert sein. Es hat sicherlich seinen Grund, warum noch kein Hauptpostunterangestellter kam. Herr Gelbmann würde einfach noch eine Weile warten, irgendwann würde sein neuer Kollege schon vor der Tür stehen und er endlich die Mütze des Hauptpostoberangestellten aufsetzen dürfen.
Nach einigen Monaten hatte Herr Gelbmann sich daran gewöhnt und hielt das Postamt selbst instand. Er musste nur dafür sorgen, dass er nicht krank wurde und sich entsprechend warmhalten.
In dem Ort, zu dem das kleine Postamt gehörte, lebten nicht viele Leute. Das Postamt lag, so hatte es Herr Blaumann einmal exakt nachgemessen, 2523 Meter außerhalb des Ortes.
Dies war einer der zwei Gründe, warum recht selten Leute aus dem kleinen Ort in das Postamt kamen, der zweite Grund war Herr Gelbmann selbst. Da er am Rand, auf der anderen Seite des Ortes, in einem kleinen Haus lebte und dabei sowieso bei jedem Haus des kleinen Ortes vorbeikam, war er auf die Idee gekommen, dass es doch äußerst kundenfreundlich wäre, wenn er morgens einfach eine halbe Stunde früher zum Postamt aufbrach, um die Post direkt von den Kunden abzuholen. Die Leute legten einfach ihre Post neben den Briefkasten und Herr Gelbmann sammelte sie ein. Dies war zwar nicht korrekt, aber selbst Herr Blaumann fand das äußerst kundenfreundlich und Kundenfreundlichkeit ging stets vor. Abends kam er eine halbe Stunde später nach Hause, da er die Post aus dem Postamt noch bei jedem Haus im Ort vorbeibrachte.
Die Leute im Ort mochten Herr Gelbmann für diese Hilfe sehr und ab und an kam doch mal jemand bei dem kleinen Postamt vorbei, um Herr Gelbmann zu besuchen. Natürlich kam dabei nie mehr als einer der Leute aus dem Ort gleichzeitig, da keiner in der Tür als zweiter in der Kälte stehen wollte.
Herr Gelbmann nahm sich immer viel Zeit, um tagsüber die wenige Post von seinen morgendlichen Hausbesuchen zu sortieren und für die tägliche Abholung durch den Postwagen vorzubereiten. Sorgfalt, so hatte Herr Blaumann ihm es beigebracht, ist das oberste Gebot bei der Post. Deswegen sagte Herr Blaumann immer, mache die Post auch keine Fehler.
Manch einer könnte jetzt denken, dass das Postamt ziemlich unwichtig war und man es einfach schließen sollte, aber einmal im Jahr, zur Weihnachtszeit, war das Postamt sehr wichtig und es gab im Postamt unüblich viel zu tun.