Читать книгу Der Weihnachtsbär, der Osterwolf und ein Hallowurm - André Fouraté - Страница 5
2. Ein ganz besonderes Postamt
ОглавлениеEinmal im Jahr, im Dezember, um genau zu sein, kommen ungewöhnlich viele Päckchen und Pakete zu dem kleinen Postamt. Diese Post wird zu den unterschiedlichsten und sehr rätselhaften Adressen in der ganzen Welt geschickt. Die Empfänger dieser Pakete und Päckchen haben merkwürdigen Namen wie Deutschbär, Espaniabäros, Bearuk, Loupfracise und so weiter. Herr Gelbmann fand das merkwürdig und hatte schon vor langer Zeit herausgefunden, dass es immer eine Kombination aus dem jeweiligen Land mit dem jeweiligen Namen für ‚Bär‘ in der jeweiligen Landessprache war. Auch der Absender war sehr seltsam, kamen doch alle Pakete von einem W. Bär, im Schneeweg, Nortpol. “Komisch Nortpol“, dachte Herr Gelbmann, „geschrieben mit einem t, ob das ein Tippfehler ist?“ Natürlich kannte Herr Gelbmann den Nordpol, aber auf den Päckchen stand immer Nortpol. Ein seltsamer Ort. Herr Gelbmann hatte schon einmal versucht, vergeblich mithilfe eines Atlas diesen Ort zu finden. Herr Gelbmann nahm an, dass dieser Ort, Nortpol, wohl schlicht zu klein war, als dass er im Atlas verzeichnet wäre. Ist auch logisch, dachte Herr Gelbmann, der Ort Nortpol scheint ja noch kleiner zu sein als sein eigener Ort. Da die Päckchen von seinem Postamt verschickt werden, musste dieses Nortpol so klein sein, dass es nicht mal ein eigenes Postamt besaß.
Die Päckchen hatten alle eine unterschiedliche Größe. Herr Gelbmann, der sehr aufmerksam war, war schon lange aufgefallen, dass die Päckchen größer waren, wenn das Land, in das sie geschickt wurden, größer war und kleiner, wenn das Land kleiner war. Herr Gelbmann hätte zu gerne gewusst, was sich in den Päckchen befand, aber ein Öffnen des Paketes war aufgrund des Postgeheimnisses strengstens verboten und somit ausgeschlossen.
Ab und an hatte er, was eigentlich auch nicht erlaubt war, mal ein Päckchen hochgenommen und es vorsichtig geschüttelt. Bei allen Päckchen vernahm er dabei ein leises Klingeln, als würde Kristallglas an Kristallglas scheuern. Er erschrak sich dabei immer ein wenig. Was wäre, wenn die Dinge in den Paketen zerbrechlich wären und er sie durch das Schütteln kaputtmachen würde. Ein schrecklicher Gedanke für Herr Gelbmann. Aber das Klingeln war so leise, dass er sich bald wieder beruhigte. Die Päckchen standen ungewöhnlicherweise immer bereits morgens, ordnungsgemäß frankiert, vor der Eingangstür. Herr Blaumann hatte ihm damals erklärt, dass dies schon so war, als er damals den Posten als Hauptpostunterangestellter angetreten hatte. Die Quittung mit dem Einlieferungsbeleg legte der Vorgänger von Herr Blaumann, der das ebenfalls von seinem Vorgänger übernommen hatte, immer an denselben Platz, wo die Päckchen standen. Herr Gelbmann hatte irgendwann die Idee einen großen Tisch neben den Eingang des Postamts zu stellen. Daneben brachte er einen kleinen hölzernen Briefkasten, der von jedem geöffnet werden konnte, an. Der Tisch passte genau unter das große Vordach des Postamts. Das Postamt war zwar recht klein, das Vordach dafür umso größer, damit keiner der Postkunden im Regen oder Schnee warten mussten. Schnee und Eis waren so hoch im Norden fast ganzjährig vorhanden. Auf dem Tisch konnten die Päckchen dann trocken abgelegt und in dem Briefkasten die Einlieferungsbelege von Herr Gelbmann oder Herr Blaumann für Herr Bär deponiert werden. Am jeweils nächsten Tag waren die Einlieferungsbelege dann verschwunden und meist neue Päckchen da.
Ein Tag vor Heiligabend, standen früh morgens, die letzten Päckchen als Eilsendungen frankiert auf dem Tisch vor dem kleinen Postamt. Meist gingen diese an Herr Usbear aus den Vereinigten Staaten, Herr Bearcan aus Kanada und Herr Mexiberos aus Mexiko. Da Herr Blaumann und Herr Gelbmann zu zweit waren, konnten sie diese Päckchen noch schnell für die Abholung durch den Postwagen vorbereiten und zur Verladerampe auf der Rückseite des Postamts bringen. Danach schlossen sie bereits mittags das Postamt zu, um im Dorf bei den Vorbereitungen zum großen Dorfweihnachtsfest am Heiligen Abend zu helfen. Zwar hätten Sie eigentlich warten müssen, bis der Postwagen am Nachmittag kam und die letzten Pakete abholte, allerdings waren an einem solchen Tag schon mal Ausnahmen in den Öffnungszeiten möglich. Da die Pakete auf einer Palette schön gestapelt waren und der Fahrer Herr Gelbmann und Herr Blaumann mochte, erledigte er die Verladung alleine, damit sie rechtzeitig zum Dorfweihnachtsfest konnten. Herr Blaumann und Herr Gelbmann hatten als Dankeschön immer eine Flasche guten Wein mit einer Schleife versehen und für den Fahrer auf die Palette gestellt. Das Dorfweihnachtsfest war einer der schönsten Abende von Herr Gelbmann, da er selbst keine eigene Familie hatte, fand er es immer besonders schön, mit dem gesamten kleinen Dorf zusammen zu sitzen und den Heiligen Abend zu feiern. Den Kindern beim Auspacken ihrer Geschenke zuzuschauen war für Herr Gelbmann immer besonders spannend, da er sich nur zu gerne an seine eigene Kindheit zurückerinnerte.
Zur späten Stunde kam dann meist Herr Blaumann mit seiner Frau noch zu ihm und beide unterhielten sich den gesamten Abend bis in die frühen Morgenstunden. Der gute Eierpunsch von Frau Blaumann spielte dabei eine nicht unwesentliche Rolle. Dieses Jahr, so wusste Herr Gelbmann, würde leider Herr Blaumann mit seiner Frau nicht vorbeikommen. Die beiden waren bereits seit einiger Zeit verreist. „Eine kleine Weltreise“, hatte Herr Blaumann vor einigen Monaten Herr Gelbmann erzählt, „das hatte sich meine Frau schon immer gewünscht“, nun hätten sie beide endlich die Zeit dafür und würden Weihnachten auf Hawaii sein. Weihnachten unter Palmen und in Shorts, Herr Gelbmann musste bei dem Gedanken kichern.
Herr Gelbmann seufzte, dieses Jahr würde er wohl nicht den hervorragenden Eierpunsch von Frau Blaumann trinken können. „Na ja, es wird bestimmt dennoch sehr lustig werden“, dachte er und betrachtete dabei die Mütze des zukünftigen Hauptpostoberangestellten und er wurde wieder traurig. Was da wohl los war in der Postzentrale, dass es so lange dauerte, bis endlich ein neuer Hauptpostunterangestellter eintraf und er endlich die Mütze des Hauptpostoberangestellten tragen durfte? „Die müssen doch wissen, dass ich hier ganz allein bin“, sagte er leise zu sich selbst.
Plötzlich hielt Herr Gelbmann inne, er war vielleicht dieses Jahr kurz vor dem Heiligen Abend allein im Postamt! Sein Blick traf den Kalender an der Wand, morgen war es bereits so weit. Herr Gelbmann hatte gar nicht mitbekommen, wie schnell die letzten Tage vergangen waren. Die Zeit war wie im Fluge vergangen als er alle Päckchen der letzten Tage und Wochen allein versandfertig gemacht hatte. Wie sollte er jetzt noch jemanden finden, der ihm am letzten Tag helfen konnte, damit er rechtzeitig zu den Vorbereitungen für das Weihnachtsfest gehen konnte? Da Herr und Frau Blaumann auch nicht da waren, würde seine Hilfe sicherlich bei den Vorbereitungen mehr denn je gebraucht. Er könnte jemanden aus dem Dorf fragen, ihm zu helfen, aber wie sollte er jemanden in dieser kurzen Zeit mit den Feinheiten im Paketversand vertraut machen. Durfte er das überhaupt tun? Er überlegte und konnte sich nicht erinnern, ob es erlaubt war, jemand, der nicht bei der Post angestellt war, an bereits eingelieferte Post zu lassen. „Nein“, dachte er, „das muss ich wohl dieses Jahr ganz allein erledigen.“ Ihm war klar, dass er es somit wohl nicht zu den Vorbereitungen des Weihnachtsfestes schaffen würde. Er würde sicherlich wesentlich länger brauchen, um bis mittags die Päckchen von Herr Bär versandfertig zu machen. Immerhin könnte er so dem Postwagen Fahrer beim Verladen helfen. Ob die Leute im Dorf ohne ihn und Herr und Frau Blaumann alle Vorbereitungen rechtzeitig bis zum Abend schaffen würden?
Mit einem sehr mulmigen Gefühl im Bauch schloss er diesen Abend das Postamt ab. Nachdem er 3 Briefe und 2 Pakete im Dorf abgeliefert hatte, kam er in seinem Häuschen an. Es schneite und sein Häuschen war mit einem weißen Kleid bedeckt. Der Schnee war in diesem Jahr recht hoch. Herr Gelbmann hatte richtig Mühe durch den hohen Schnee zu stapfen. „Eigentlich genau das richtige Wetter für heißen Eierpunsch“, dachte er, als er seine Haustür aufschloss. „Ob wohl jemand anderes dieses Jahr Eierpunsch machen würde?“ Er hoffte es zumindest. Herr Gelbmann war durch die Arbeit im Postamt und den hohen Schnee sehr müde und ging, nachdem er noch eine heiße Tasse Kakao getrunken hatte, zeitig ins Bett. Er schlief sehr unruhig, würde er allein alle Pakete rechtzeitig für den Versand vorbereiten können, würde er bei den Vorbereitungen des Dorfweihnachtsfestes fehlen? Das erste Mal Weihnachten ohne Herr Blaumann und schon gab es große Probleme.
Nach einigen Stunden unruhigen Schlafs hatte Herr Gelbmann einen zündenden Gedanken im Traum und wachte dadurch mitten in der Nacht auf!
„Warum fange ich nicht einfach früher mit der Arbeit an!“ Er saß aufrecht in seinem Bett, „Nur dieses eine Mal, ein Notfalleinsatz“, sagte er zu sich selbst. Immerhin gab es außer ihm niemanden, den das stören sollte, und als fast schon Hauptpostoberangestellter konnte er das sicherlich selbst entscheiden. Das war die Lösung für sein Problem! Er schaute auf die Uhr, es war kurz nach 2:00 Uhr morgens. Er war zwar ein wenig müde, aber über die Feiertage könnte er eh etwas länger schlafen. Warum also nicht jetzt schon zum Postamt aufbrechen? Vielleicht würde er auch so mal Herr Bär kennenlernen. Herr Gelbmann schwang sich aus dem Bett, kochte sich einen sehr starken Kaffee. Eine Tasse trank er sofort, den Rest schüttete er in seine Thermoskanne. Danach zog er flugs seine Postuniform und seinen dicken Wintermantel an. Er zog seine dicke Wollmütze auf den Kopf, legte sich den Schal um den Hals und verließ bereits um kurz vor 3:00 Uhr morgens sein kleines Haus. Das Dorf war im Dunkeln völlig ruhig, alle Einwohner schliefen. Zum Glück war der Weg zum Postamt beleuchtet und vom Schnee geräumt. Herr Gelbmann holte sein Postfahrrad aus der Garage und konnte sich grade noch davon abhalten bei seinem Nachbarn zu klingeln, um nach Post für das Postamt zu fragen. Wo war er nur mit seinen Gedanken, so früh hätte wohl niemand einen Postboten erwartet. Er grinste und machte sich auf den Weg zum Postamt.