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1.2 Ausrichtungen von Supervision

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Da sich die meisten Supervisionsausrichtungen aus psychotherapeutischen Ansätzen entwickelt haben, liegt es nahe, dass sich SupervisorInnen selbst oft primär über die Zugehörigkeit zu einer psychotherapeutischen Schule definieren. Je nach Schule wird in der Supervision auf andere Dinge geschaut, wird anderes wahrgenommen, wird methodisch unterschiedlich verfahren und erlangt womöglich auch eine andere Sinnvorstellung vom beobachteten Geschehen Bedeutung. SupervisorInnen haben in ihrem professionellen Selbstverständnis in der Regel Zielvorstellungen, die sich eng an ihrer psychotherapeutischen Herkunft und den damit verbundenen Menschenbildern, Entwicklungs- und Veränderungsmodellen orientieren. Dabei wird die alte Unterscheidung zwischen den beiden Traditionen des sozialarbeiterischen und des psychotherapeutischen Verständnisses von Supervision häufig überlagert durch schulenspezifische Unterschiede, die sich aus der Weiterentwicklung und Ausdifferenzierung verschiedener Psychotherapierichtungen ergeben. Gemeinsame Ansätze sind inzwischen für die Entwicklung einer supervisorischen Identität und Praxis oft wichtiger geworden als die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Berufsgruppe oder einem entsprechenden Tätigkeitsfeld, also der Sozialarbeit oder Psychotherapie.

So wird in der an Psychotherapieschulen orientierten Supervisionsausrichtung u. a. unterschieden zwischen psychoanalytisch-tiefen-psychologisch orientierter Supervision, gruppendynamischer Supervision, personenzentrierter Supervision, verhaltenstherapeutisch orientierter Supervision, psychodramatischer Supervision, gestaltorientierter Supervision, transaktionsanalytischer Supervision, themenzentrierter Supervision, integrativer Supervision, familientherapeutisch orientierter Supervision und systemischer Supervision. In der sozialarbeiterisch geprägten Supervisionspraxis sind die meisten dieser Schulrichtungen ebenfalls präsent (Ritscher 1996).

Die Zielsetzungen, die sich am Menschenbild psychotherapeutischer Schulen orientieren, haben in erster Linie individuelle und persönliche Entwicklungsmöglichkeiten für die SupervisandInnen im Sinn und schenken interaktionellen und institutionellen Aspekten weniger Aufmerksamkeit. Zum Beispiel formulieren die gestalt- und die psychodramaorientierte Supervision als Supervisionsziel, Menschen in ihrer gefühlshaften, intellektuellen und leiblichen Dimension zu erfassen, um in der Folge bestehende Blockierungen im Erleben, Wahrnehmen und Handeln aufzulösen. Gleichlaufend sollen individuelle, noch nicht genutzte Potenziale freigesetzt werden (Schreyögg 1992). In der psychoanalytisch-tiefenpsychologisch orientierten Supervision liegt ein zentrales Supervisionsziel z. B. in der Aufdeckung von unbewussten Gefühlen und Konflikten zwischen der SupervisandIn und der von ihr betreuten Person, die sich auch in der Beziehung zwischen der SupervisorIn und der SupervisandIn widerspiegeln können. Und in der verhaltenstherapeutisch orientierten Supervision schließlich kommt in den am behavioralen Menschenbild ausgerichteten Supervisionszielen zum Ausdruck, dass das Bestreben von Supervision dahin geht, bestehende Schwierigkeiten aufzuheben und eine schnelle Verhaltensänderung im Sinne des vereinbarten Supervisionsziels herbeizuführen.

Die in den Supervisionsaufträgen formulierten Zielvorstellungen der SupervisandInnen verweisen oft auf konkrete Erwartungen an die SupervisorIn, insbesondere was ihre supervisorische Haltung und Handlungskompetenz betrifft. Diese Erwartungen werden häufig von KundInnenseite mit der Zugehörigkeit der SupervisorIn zu einer spezifischen Schule verbunden. Diese Zielvorstellungen der SupervisandInnen können u. a. in dem Wunsch zum Ausdruck kommen, eine SupervisorIn zu verpflichten, die einen supervisorischen Ansatz vertritt, der den eigenen Vorstellungen ähnlich ist. Manchmal ist auch gerade das Gegenteil der Fall, und die Erwartung geht dahin, dass eine SupervisorIn einen Wechsel zu einer anderen Betrachtungsweise ermöglicht. Auch bisherige Supervisionserfahrungen können diese gegenteiligen Erwartungstendenzen nach sich ziehen: Supervision unter dem Aspekt der Kontinuität bzw. der Ähnlichkeit zur bisherigen Praxis oder Supervision, die in ihrer Fokussierung – systemisch gesprochen – einen Unterschied machen soll.

In der Wahl einer SupervisorIn aus einer bestimmten Supervisionsausrichtung werden also von SupervisandInnenseite bereits die Weichen dahin gehend gestellt, welche Supervisionsziele verfolgt werden sollen und wohin die Aufmerksamkeit gehen soll. In Tabelle 2 werden in komprimierter Form die Unterschiede der verschiedenen an Psychotherapieschulen orientierten Supervisionsausrichtungen auf gezeigt, vor allem was die Mittel und Wege betrifft, supervisorische Ziele zu erreichen. Die verschiedenen Supervisionsausrichtungen fokussieren jeweils auf andere Aspekte und erzeugen damit unterschiedliche Gestaltungen von Supervisionsprozessen.

An Psychotherapieschulen orientierte Supervisionsausrichtungen Fokussierung
psychoanalytisch-tiefenpsychologisch orientiert Fokussierung auf unbewusste Gefühle und Konflikte unter Nutzung von Übertragung und Gegenübertragung
gruppendynamisch orientiert Aufmerksamkeit für interaktionelle Gruppenphänomene und Phasen von Gruppenprozessen
personenzentriert Konzentration auf die Person im Spannungsfeld von Person und Organisation unter Nutzung von Empathie, Kongruenz und Akzeptanz
verhaltenstherapeutisch orientiert Fokussierung auf Verhaltensanalyse und Verhaltensänderung unter Nutzung von Techniken auf der Basis der Lerntheorie
psychodramatisch In-Szene-Setzen und Nachspielen konkreter Situationen mit dem Ziel des Sichtbarmachens psychischer Phänomene
gestaltorientiert Sichtbarmachen von Gefühlen in übertriebener Form unter Nutzung von kathartischen Effekten
transaktionsanalytisch Veranschaulichen des inneren Dialogs zwischen Über-Ich, Ich und Es und der damit verbundenen Konflikte
themenzentriert Balancieren des Gleichgewichts der Faktoren Person, Gruppe und Aufgabe
integrativ Integration von individualistischen, interaktionistischen und systemischen Prinzipien
familientherapeutisch orientiert Fokussieren auf Beziehungsmuster im supervidierten System
systemisch Fokussieren auf Beziehungsmuster und internales System der SupervisandInnen unter Nutzung isomorpher Beziehungsmuster

Tab. 2: An Psychotherapieschulen orientierte Ausrichtungen der Supervision

In der Supervision, die sich statt am schulenspezifischen Menschenbild vor allem an den eher funktionalen Erwartungen der AuftraggeberInnen orientiert, sind die Ziele häufig an den Erfordernissen der praktischen Arbeitsfelder ausgerichtet und bestehen z. B. in der Arbeitserleichterung, der Erweiterung der Handlungsmöglichkeiten, der Hilfe in der Entscheidungsfindung, der Verbesserung der Arbeitsfähigkeit (Effektivität, Effizienz, Qualität), der Steigerung des persönlichen Wohlbefindens (Freude in und an der Arbeit) sowie der Förderung einer sachdienlichen Arbeitsatmosphäre (Konfliktfähigkeit).

Im Verständnis von Supervision als Profession werden Supervisionsziele zwischen SupervisorIn und SupervisandIn im Rahmen der Auftragsklärung sorgfältig ausgehandelt. Dies geschieht, damit gewährleistet ist, dass sie sowohl mit den funktionalen Erwartungen der SupervisandIn als auch mit dem professionellen Selbstverständnis der SupervisorIn vereinbar sind. In Supervisionsausrichtungen, die in erster Linie an Psychotherapieschulen orientiert sind, wird die Auftragsklärung unter Umständen übergangen, weil die Ziele schon durch das jeweilige Menschenbild und seine Weiterungen vorgegeben scheinen. Zielvereinbarungen im Rahmen expliziter Auftragsklärung gelten jedoch als Zeichen gewachsener Professionalität der Disziplin.

Ziele sind in der Supervision allerdings in der Regel nicht statisch, sondern dynamisch, sie ändern sich oft im Verlauf eines Supervisionsprozesses; so tauchen häufig relativ kurzfristig unerwartete Probleme auf, welche neue Unklarheiten ans Licht bringen und neue Lösungen erfordern. Im Zuge der Professionalisierung der Disziplin hat auch die Frage an Bedeutung gewonnen, woran die Zielerreichung von Supervision bzw. das erfolgreiche Voranschreiten im Supervisionsprozess festzumachen bzw. zu messen ist. Supervisionsausrichtungen unterscheiden sich infolgedessen auch darin, inwieweit sie Erfolgsmessungen zugänglich sind bzw. diese methodisch im Supervisionsprozess selbst verankert haben (Rappe-Giesecke 2003).

Einführung in die systemische Supervision

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