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ALLE MENSCHEN MÜSSEN VORSORGEN

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Es beginnt mit den zwei einfachsten Dingen der Welt. Ernährung und Bewegung. Wer Sport macht, durchaus moderat, aber regelmäßig, lebt länger. Wer sich ausgewogen ernährt, lebt länger. Punkt. Der Mensch ist aufgerufen, Selbstverantwortung zu übernehmen. Für sein Leben.

Wir leben in einem Gesundheitssystem, das die Reparaturmedizin fördert. Wie bei einem Auto. Wenn ein Teil scheppert oder kaputt ist, geht man zum Arzt oder ins Spital und erwartet, das es schnell und bestmöglich repariert wird. Die Denke muss sich komplett ändern. Der Blickwinkel ist verkehrt. In Zeiten von COVID gibt es das beste Heilmittel längst schon: das eigene Immunsystem. Es ist das Schutzschild, der Harnisch, der den Menschen vor Angriffen von außen bewahrt.

Laufen ist so simpel und gleichzeitig so unglaublich effektiv. Schuhe anziehen, los. Niemand braucht einen Wettlauf gegen die Zeit zu machen. Joggen, einfach so, dass einem nicht seitlich die Zunge heraushängt wie einem Golden Retriever im Sommer. Das ist das erste Rezept, das wir Ihnen aufschreiben. Stempel drauf, Unterschrift, mit freundlichen Grüßen, Ihr Professor Likar & Kollegen.

Der Trick ist die Biochemie dahinter. Wenn sich der Mensch bewegt, werden im Körper Interleukine moduliert. Ein Interleukin ist ein sogenannter Entzündungsmediator. Wir Ärzte setzen dann noch Bezeichnungen wie inflammatorisch dazu. Einfach erklärt, erzeugen Interleukine Entzündungen. Beim Sport senkt sich dieser Wert. Die Interleukine gehen sozusagen runter. Wichtig ist, dass man sich im aeroben Bereich bewegt, also nicht übertreibt. Erreicht man die anaerobe Schwelle, löst das im Körper eine Sauerstoffunterfunktion aus, was die Interleukine wiederum ärgert und aufmarschieren lässt. So kann man auch das Immunsystem trainieren.

Balance. Ausgewogene Ernährung und Bewegung. Man kann es nicht oft genug sagen.

Die ersten Studien zeigen: Hauptrisikofaktoren für einen schweren Verlauf von COVID-19 sind Adipositas, Übergewicht. In Kombination mit einem angeschlagenen Immunstatus, beispielsweise durch Diabetes und Bluthochdruck, erhöht es das Risiko, für Corona empfänglich zu sein. Diese Faktoren sind für das Virus wie eine Einladung mit offener Tür.

Prävention auf individueller Basis beginnt bei jedem selbst. Die Menschen müssen sich durch Vorsorge wappnen. Eigeninitiative ergreifen. In den Spiegel der Gesundheit schauen. Für einen ausgewogenen Immunstatus brauchen wir Vitamin C, Zink und auch gern Vitamin D. Immer wieder. Der Mensch ist kein Murmeltier. Wir können keine Vorräte anlegen, wir haben keine Reservoirs.

Vitamin D ist nicht nur wichtig für den Calciumstoffwechsel und somit für die Knochenqualität, es hat weitere wichtige Funktionen. Vor allem für die Muskulatur und auch für das Immunsystem ist es von großer Bedeutung. In der kalten Jahreszeit treten vermehrt Grippe- und Erkältungskrankheiten auf. Das ist auch die Zeit, wo sich der Vitamin-D-Mangel bei den meisten Menschen zeigt.

Vergessen Sie nicht, spätestens ab Herbst und den ganzen Winter hindurch Vitamin D einzunehmen. Wird Ihnen helfen.

Bei einer Untersuchung am Klinikum Klagenfurt im Jahr 2018 von 172 älteren Patienten mit sogenannter hüftnaher Fraktur, also einem Oberschenkelhalsbruch, hatten 117 einen ausgeprägten Vitamin-D-Mangel, das sind 68 Prozent. Sieben von zehn. Von jenen Patienten, die vor dem Bruch regelmäßig Vitamin D eingenommen hatten, hatten nur zehn Prozent einen Mangel. Und alle Patienten, die ausreichend Vitamin D zu sich genommen hatten oder es während ihres Krankenhausaufenthaltes erhielten, zeigten deutlich bessere Ergebnisse hinsichtlich ihrer Mobilität. Sie konnten schneller wieder gehen.

Wichtig ist auch, den Körper innerlich zu reinigen. Intervallfasten zum Beispiel. Unser Kollege Professor Johannes Huber hat das sehr gut im Buch Die Anti-Aging-Revolution erklärt. Wenn man fastet, aktiviert das im Körper sogenannte Makrophagen. Das sind Fresszellen, die den ganzen inneren Unrat wegfuttern. Spermidin erzeugt diese Wirkung übrigens auch. Lebensmittel mit hohem Spermidingehalt sind: Weizenkeime, Cheddar (12 Monate gereift), Nüsse, Mango und Äpfel. In gekochtem Zustand: Kräuterseitling, Natto, Pilze, Erbsen, Brokkoli, Karfiol, Knoblauch, Spinat und Sellerie. Wir empfehlen immer, zu lokalen Produkten zu greifen. Es braucht im Waldviertel keine Linsen aus China. Und bitte keine Hamsterkäufe. Die Bedrohung, der wir ausgesetzt sind, ist nicht atomar oder chemisch, sondern biologisch.

Es braucht einen flächendeckenden Plan, der den Menschen klarmacht: Jeder muss mitmachen. Jeder muss vorsorgen. Vier Eier mit Speck in der Früh, zu Mittag eine knusprige Stelze, am Abend ein Schnitzerl mit Vogerlsalat oder doch eine Pizza Cardinale und vor dem Schlafengehen Chips oder besser eine Leberkässemmel plus Verdauungsschnaps – und dann wundern, wenn die inneren Werte in den roten Bereich knallen.

Bitte nicht die Augen verdrehen. Rudolf Likar isst gern einmal einen Bauernspeck. Sein Kollege Georg Pinter ist Vegetarier, rügt aber nicht, wenn jemand ein zartes Lamm auf dem Teller seziert. Co-Autor Herbert Janig ist auch nicht wirklich ein Kostverächter, der sich bis zur Selbstaufgabe kasteit. Steht er vor der Wahl Filetsteak oder Heilbutt, gewinnt das Rind. Natürlich sündigt man da und dort mit einem Glas Wein, aber nicht täglich. Balance. Die Kunst, die Dinge auszutarieren. Ich kann auch ein paar Kilometer wandern gehen und mich dann zum Heurigen setzen.

Wichtig ist außerdem, auf den Schlaf zu achten. Im Schlaf wird Melatonin freigesetzt. Lassen Sie den Fernseher abgedreht, wenn Sie einnicken. Das blaue Licht, das abstrahlt, lässt die chronobiologisch beeinflussten Zellen in Ihrem Körper glauben, es sei schon Tag. Das verstellt die innere Uhr und macht den Menschen unrund.

Nächster Pfeiler, auf dem die innere Abwehrkraft fußt, ist die Psychohygiene. Die Frage, in welchem psychischen Zustand sich der Mensch befindet. Der globale Schock seit Ausbruch des Coronavirus hat die drei größten Giftstoffe der Welt ausgelöst. Angst. Unsicherheit. Verzweiflung. Das Trio infernale für die Seele. Die multimediale Panikmache wird sich ohne Frage auf das Immunsystem aller Menschen auswirken. Permanent schlechte Nachrichten lösen Schlafstörungen aus, Essstörungen. Eines zahnt in das andere. Das fragile Gefüge des Geists wird irritiert. Wie eine Mauer, die mit Spitzhacken bearbeitet wird. Irgendwann beginnt sie zu bröckeln. Und irgendwann stürzt sie ein. Auch hier braucht es Balance. Psychische Ausgeglichenheit.

Wir reden von einer wissenschaftlich orientierten Medizin. Gesundheitstechnisch werden andere Parameter wichtig sein, als man sie bisher kannte. Es geht nicht darum, einmal im Jahr einen kleinen Check zu machen, ob die Blutfette eh okay sind, damit man weiter die Cheeseburger und die Spaghetti Carbonara in sich hineinstopfen und mit einem Humpen Bier runterspülen kann. Es geht um die einfache, aber wichtige Frage:

Was tun wir, um die Menschen zu stärken?

Stärkungen der Eigenmacht, Stärkung der Gesundheitskompetenz, Aktivierung der Lebenskompetenz, Stärkung der Immunität, auch durch komplementärmedizinische Maßnahmen. Nicht nur darauf warten, wann die Pharmaindustrie das nächste Pulver herausbringt, das den Fettgehalt senkt und den Bauch um einen Hauch abflacht. Wir brauchen angstreduzierende Trainings, um die Folgeerscheinungen nicht der Pandemie, sondern der daraus entstandenen Maßnahmen zu mildern. Meditationsübungen. Wir müssen den Weg ins Ich asphaltieren. Den Highway zum Herzen.

In der Krise wächst der Mensch. Aus sich heraus. Über sich hinaus.

Jede Krise birgt Chancen in sich. Jede Katastrophe gibt dem Menschen die Möglichkeit für einen Neubeginn. Vielleicht hat das Coronavirus das Ende des hemmungslosen Hedonismus eingeläutet. Womöglich gilt es, das Tempo zurückzunehmen und ein bisschen innezuhalten. Sich auf die wahren Werte zu besinnen, wenn auch erzwungenermaßen.

Der tschechisch-französische Schriftsteller Milan Kundera hat einen schönen Satz gesagt: »Um zu vergessen, werden wir schneller. Um uns zu erinnern, werden wir langsamer.«

Wir müssen uns erinnern, was wichtig ist im Leben. Zuneigung, Liebe, der Partner, die Familie, Zusammenhalt. Echte Gefühle, nicht gespielte Glückseligkeit und geheucheltes Klimabewusstsein, während vier Autos in der Garage stehen, man gönnt sich ja sonst auch alles. Uns scheint, als wäre die Gesellschaft entglitten. Schönheitskult stärkt das Immunsystem nicht, im Gegenteil. Wir müssen darauf schauen, dass sich das kollektive Bewusstsein ändert.

Gesundheit soll nicht etwas sein, das automatisch da ist, glücklicherweise vom lieben Gott geschenkt. Eine starke Pumpe, eine resche Konstitution, stramme Wadeln. Gesundheit verlangt nach einem holistischen, ganzheitlichen Ansatz. Wir können nicht Einzelheiten herausnehmen und sagen: Heute widmen wir uns der linken Niere, morgen kommt die Galle dran, und am Wochenende schützen wir sicherheitshalber die Leber. Der Mensch als Gesamtkunstwerk braucht eine 24-Stunden-Betreuung.

Das sollte schon im Kindesalter klar werden. Studien zeigen: Kinder bewegen sich zu wenig, besonders Kinder aus einkommensschwachen Familien und Kinder in Städten. Sport gehört vermehrt in den Unterricht reklamiert; hier muss die Politik mehr Anreize schaffen. Man kann ganz leicht Akzente setzen und Aktionen ins Leben rufen, um gesundes Essen den Schülern schmackhaft zu machen. Chill, Bro.

Wer auf sich achtet, achtet auch auf andere. Rücksicht nehmen, einmal mehr Lächeln, anstatt grantig auf den Boden zu starren. Es ist so einfach. Mindfulness. Neudeutsch für Achtsamkeit. Leben im Hier und Jetzt. Das hat nichts mit esoterischer Verträumtheit und Om-Getue zu tun. Wir reden davon, dass die Leute, wenn sie draußen sind, keine Vögel mehr zwitschern hören. Sie sehen keine Wiesenblumen. Sie schätzen die Natur nicht. Die Natur ist da, eh schön.

Am Beispiel Venedig hat sich gezeigt, wie schnell sich etwas ändern kann. Am Canale Grande konnte man auf einmal bis auf den Grund sehen. Das Wasser war wieder klar, weil keine Schiffe fuhren. Delfine zogen ihre Bahnen, sprangen aus den Wellen und tauchten wieder ein.

Das Virus gibt der Natur die Chance.

Aber auch den Menschen. Ergreifen wir sie.

Bereit für das nächste Mal

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