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4. Kapitel
Rente

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Elizabeth hatte gerade eine weitere Tüte mit Müll in der Tonne entsorgt. Für ihre Wohnung im Hochparterre war ohnehin kein eigener Müllschlucker vorgesehen. Jeder Mieter dieser Etage musste seinen Abfall hinausbringen. Sie schob das etwas längliche, relativ großformatige Teil unter ein paar andere Säcke. Es war in einer blauen Plastiktüte verpackt und mit braunem Klebeband umhüllt. Die Hausmeisterin trug Handschuhe, wie meist bei der Arbeit.

Sie nahm hinter sich Geräusche wahr, drehte sich um und starrte in die Dunkelheit des Abends. Tatsächlich, da schob sich ein Pärchen in die Haustür hinein. Der Mann trug in einer Hand vorsichtig etwas vor sich her. Waren das nicht …? Elizabeth überlegte ein Weilchen und stemmte die Hände in ihre breiten Hüften. Während sie nachdachte, zogen sich ihre Mundwinkel nach unten, und die Stirn lag in ziemlich derben Falten.

Doch, fiel es ihr ein, die Tochter mit ihrem Mann, dem Schiegersohn von Severing aus der Etage über dem Pärchen, wegen dem schon gelegentlich mal die Polizei gerufen worden war. Sehr unangenehme Angelegenheit. Mit was für Pack man sich aber auch in so einem Haus rumschlagen musste. Selbst bis zu ihrer Wohnung ganz unten war der Krawall zu vernehmen, aber sie hätte sich gehütet, die 110 anzuwählen. Nur keine schlafenden Hunde wecken.

Komisch, dachte Elizabeth, den alten Severing habe ich ja ewig nicht mehr gesehen. Selbst in dem Alter muss man doch mal zwischendurch an die frische Luft. Na immerhin wurde ihm offensichtlich der Kuchen ins Haus geliefert. Ach was, schob sich ein nächster Gedanke hinterher, kümmere dich mal um deine eigenen Sorgen, davon hast du wahrlich genug. Außerdem kündete doch diese alberne weihnachtliche Beleuchtung in seinem Wohnzimmerfenster von seiner Anwesenheit. Alle Jahre wieder. Den Alten hätte man höchstens wegen übertriebenem Kitsch anzeigen können. Aber das war ja nun beileibe kein Grund.

Margitta zerrte ihren Mann hinter sich her.

„Kannst du dich nicht ein bisschen sputen? Soll schließlich keiner mitbekommen, was wir hier treiben.“

„Hab dich doch nicht so“, entgegnete Edward. „Wir schauen bei deinem alten Vater nach dem Rechten und kümmern uns um ihn. Wer soll denn dabei etwas finden? Und die Post müssen wir außerdem auch aus dem Kasten nehmen, sonst fliegt alles auf.“

Während Edward dies äußerte, hatte er schon den Briefkasten geöffnet und ein paar Schreiben entnommen. Dann verschloss er die Klappe wieder.

„Siehst du, wie ich es schon sagte“, hielt er seiner Frau die Sendungen triumphierend entgegen.

„Mist, verdammter“, fluchte Margitta, ohne darauf einzugehen. „Schon wieder ist der Fahrstuhl außer Betrieb. Ich hätte ihn jetzt wirklich gern genutzt, auch wenn es nicht so viele Stufen sind. Meine Knie sind ganz weich. Komm!“

Die beiden liefen im Treppenhaus, das nur dürftig beleuchtet war, nach oben. Keiner tauschte hier mehr die defekten Lampen aus. Die Hausmeister erhielten offensichtlich nicht mehr das geringste Budget für solche Reparaturen oder es war ihnen gleichgültig geworden. Das Objekt war eindeutig ein Auslaufmodell.

Etwas atemlos erreichten Margitta und Edward die Etage mit der Wohnung des alten Severing. Es war nicht die Höhe, die ihnen den Atem raubte.

„Hier“, hielt Margitta ihrem Mann den Schlüssel hin. „Schließ du mal bitte auf. Ich halte mir inzwischen den Schal vor die Nase.“

„Seit wann bist du denn so empfindlich? Das kenne ich doch sonst nicht von dir!“

Die Tür ging auf und beide schlüpften in die Wohnung, ohne viel von der inneren Luft in den Hausflur dringen zu lassen. Margitta stürzte durch die Räume in Richtung Wohnzimmerfenster und riss sie weit auf. Der weihnachtliche Kranz, der am Rahmen hing und in wechselnden schrill-bunten Farben auftrumpfte, geriet ins Wanken, aber sie hielt ihn noch rechtzeitig fest. Fast hätte sich seine Verbindung zur Steckdose mit der Zeitschaltuhr gelöst.

Währenddessen hatte es ihr Edward gleichgetan und das Fenster vom Schlafzimmer bis zum Anschlag geöffnet. Es zog heftig durch die Wohnung, und der intensive, unangenehme Geruch bewegte sich ins Freie.

Die Eheleute trafen sich, wie abgemacht, wieder im Wohnzimmer und schauten sich in die Augen. Das flackernde Licht der Weihnachtsdekoration ließ ihre Gesichter gespenstisch erscheinen.

„Prüfst du mal die Klebestellen?“, forderte Margitta ihren Mann auf. Der nickte nur tonlos und schlich zum Arbeitszimmer.

Sie hockte sich auf die vordere Kante des Sofas und ging die Post durch, die sie mit dem Zeigefinger grob aufriss. Das hätte Papa nie sehen dürfen, schoss ihr ein Gedanke durch den Kopf. Wo er doch immer so penibel war, bis zuletzt! Die Frau strich glättend über das Papier. Der Brief­öffner? Lag im Arbeitszimmer, also keine gute Idee. Sie gab sich einen sichtbaren Ruck und saß jetzt kerzengrade. Dann stapelte sie die Schreiben auf die entsprechend vorsortierten Haufen. Wichtig war nur, dass keine eventuelle Mahnung übersehen und die Rente ordnungsgemäß aufs Konto überwiesen wurde. Zuletzt hielt Margitta ein mehrseitiges Schreiben der Rentenversicherung in der Hand, das eine baldige Rentenerhöhung versprach und alles detailliert auflistete. Sie seufzte erleichtert auf. So ein Segen aber auch …

„Alles in Ordnung. Ich musste nichts nachbessern“, sagte Edward und ließ sich ebenfalls aufs Sofa sinken. Er hatte sich aus der Küche eine Flasche Cognac mitgebracht und schenkte beiden in die Kristallgläser ein, die er in der anderen Hand gehalten hatte. Die stammten noch aus Mutters Zeiten, die schon lange vor ihrem Mann verstorben war. Das Kuchenpaket hatte er geöffnet. Drei verschiedene Stücke lagen darin.

„Na dann, zum Wohl!“

Margitta ergriff ihr Glas und prostete Edward leicht zu. Sie war nicht wirklich bei der Sache.

„Ich weiß nicht, wie lange wir das hier noch durchhalten können. Aber schau mal, bald gibt es wieder etwas mehr Rente!“

Sie hielt Edward das Schreiben hin, der ein Bein ausstreckte und zunächst auf den Bodenschalter der Stehlampe trat.

„Ich kann sonst nichts erkennen. Vor allem nicht bei dem dämlichen Geflacker! Da bekommt man nur Kopfschmerzen von. Ich verstehe gar nicht, warum du auf dieses schrecklich kitschige Teil bestanden hast.“

„Aber die Deko hatten die beiden doch schon so lange. Ich wollte einfach eine geliebte Tradition bewahren. Es sieht irgendwie aus wie früher.“

„Schon gut“, beschwichtigte Edward und blickte auf die Zahlen im Schreiben der Rentenversicherung. Nebenher langte er nach dem ersten Kuchenstück, um es zu verzehren.

„Junge, Junge, da kann unsereins nicht mithalten“, sagte er, als er den ersten Bissen hinuntergeschluckt hatte. „Womit haben die Alten eigentlich diese horrenden Renten verdient. Doch wohl kaum mit ehrlicher Arbeit. Und dann noch Jahr um Jahr eine Erhöhung, immer angepasst an die gesamte Lohnentwicklung im Lande, wie es offiziell heißt. Da kriege ich einfach einen dicken Hals. Weder du noch ich haben in der zurückliegenden Zeit mal mehr Lohn bekommen. Ganz im Gegenteil. Mir haben sie sogar das Urlaubs- und Weihnachtsgeld gestrichen, weil es dem Unternehmen angeblich so schlecht geht und man ja unbedingt unsere Arbeitsplätze erhalten will! Dabei schaufeln die sich in den Chefetagen immer mehr Geld in ihre Taschen. Ich könnte platzen vor Wut.“

„Sei nicht ungerecht“, fiel ihm Margitta ins Wort. „Papa war immer fleißig …“

„… und hat sich bis zu seinem 55. Lebensjahr abgeschuftet, ehe er gepflegt in Vorruhestand ging. Dass ich nicht lache“, empörte sich Edward.

Margitta standen Tränen in den Augen.

„Tut mir leid, Liebes, ich habe das nicht so gemeint. Er ist ja auch abgewickelt worden, wofür er nun wiederum überhaupt nichts konnte! Und immerhin tut dein alter Herr ja im Nachhinein etwas Gutes für uns. Wenn auch ziemlich unfreiwillig.“

Beide schwiegen einen Moment. Der Mann verzehrte jetzt das zweite Kuchenstück.

„Mich haben ja deine Eltern nie wirklich gemocht“, fuhr Edward schließlich fort.

„Ach, Eddi, so ist das nun mal mit Schwiegerverhältnissen. Deinen Eltern war ich doch auch nicht recht. Das haben sie mich deutlich spüren lassen. Eine Fischverkäuferin war einfach unter ihrem Niveau.“

„Stimmt auch wieder. Aber die Sorgen mit ihnen sind wir ja los, jetzt wo wir beide Vollwaisen sind … Ich stehe übrigens auf Fischverkäuferinnen. Kabeljau, sage ich nur. Paniert, dazu Sauce hollandaise und frische Kartoffeln. Es gibt nichts, was besser schmeckt. Und Fisch riecht nach See und Meer, einfach wunderbar, so wie du. Ich liebe dich.“

Edward nahm Margitta in die Arme und drückte ihr einen Kuss auf den Mund. Sie wirkte etwas unwillig, aber zugleich gerührt.

„Was du nicht sagst. Kabeljau habe ich noch im Froster. Den könnte ich morgen machen.“

Die Frau lenkte das Gespräch auf einen neutralen Boden.

„Unbedingt!“

Das kam wie aus der Pistole geschossen. Edward leckte sich die Lippen und strahlte.

Margitta löste sich aus der Umarmung.

„Kannst du dich noch an die Geschichte mit dem Getreidesilo erinnern, die Papa immer erzählt hat?“

Edward nickte.

„Bis ins kleinste Detail! Kannst mich ruhig abfragen.“

„Ach, das meine ich nicht. Aber es muss doch furchtbar für ihn gewesen sein, als er damals diesen Auftrag bei der Hühnermastanlage erledigen musste und die anderen sich schon in den Feierabend verabschiedet hatten, er aber unbedingt den Rest aus dem Farbeimer verstreichen wollte, weil er doch immer so umsichtig war und nichts umkommen lassen konnte. Der Bodensatz wäre ja vielleicht eingetrocknet …“

„… ja, und dann kippte seine Leiter, und er stürzte kopfüber in den Getreidesilo mit dem Weizen für die Tiere“, fuhr Edward nachdenklich fort.

„Und wäre nicht sein Kollege noch einmal zurückgekommen, weil er etwas vergessen hatte, dann wäre das sein Ende gewesen“, ergänzte Margitta die Familiengeschichte. „Nur mit vereinten Kräften konnten sie ihn gerade noch retten. Er wäre sonst erstickt.“

„Ich stelle mir das schrecklich vor, einfach so in dem Zeug zu versinken. Da brüllst du dir die Seele aus dem Leib, und es gibt keine Hoffnung auf Hilfe“, antwortete jetzt Edward mit ernster Stimme.

„Weißt du, Eddi, aber lach mich nicht aus, wenn ich das jetzt sage …“

„Versprochen!“

„Ich muss immer an seine Klaustrophobie denken, die sich dadurch bei ihm entwickelt hatte. Fahrstühle waren für ihn die Hölle, ein absolutes Tabu, deshalb ist er ja auch hier so tief unten eingezogen … Und bei dem MRT, das er noch zuletzt hatte, ist er bald durchgedreht, als sie ihn in diese Röhre geschoben haben. Da hat er schon nach nicht mal einer halben Minute den Notknopf gedrückt, und weil sie ihn für einen Hypochonder hielten und nicht schnell genug befreit haben, ist er im Liegen rausgekrochen. Gelenkig war er ja, selbst noch in seinem Alter.“

„Worauf willst du denn hinaus?“, wollte Edward wissen.

„Du hast versprochen, nicht zu lachen!“

Margitta blickte ihrem Mann direkt in die Augen.

Edward nickte.

„Ich denke oft daran, dass er mit dieser Enge, der er jetzt ausgesetzt ist, überhaupt nicht klarkommen würde. Immer nur eingesperrt in diesem kleinen Raum!“

„Aber er ist doch tot. Und später im Sarg ist es ja noch beengter.“

Edward blickte verständnislos auf seine Frau. Nach Lachen war ihm überhaupt nicht zumute.

„Willst du nicht wenigstens das dritte Stück essen?“, erkundigte er sich. „Eigentlich kann ich nicht mehr. Ich glaube, mein Sodbrennen setzt mal wieder ein.“

„Auf keinen Fall“, antwortete Margitta, während sie sich schüttelte. Dann legte sie ihren Kopf etwas schräg. Ihr ursprüngliches Thema war noch nicht beendet.

„Weißt du genau, ob er nicht doch noch etwas empfindet? Es gibt ja in dieser Hinsicht auch andere Auffassungen. Vielleicht ist seine Seele gefangen in dem Zimmer und ängstigt sich.“

„Das ist jetzt aber ziemlich gruselig“, schüttelte sich der Mann, legte seiner Frau einen Arm um die Schultern und zog sie an sich heran.

„Dann lass uns mal langsam den Heimweg antreten. Ich glaube, es ist genug gelüftet. Mir wird schon ganz kalt. Da hilft auch der Schnaps nicht wirklich“, wechselte die Frau das Thema und erhob sich.

„Außerdem müssen wir sowieso hier bald wieder aufschlagen“, sagte Edward, der hoffte, das Kuscheln bei sich zu Hause in aller Ruhe fortsetzen zu können.

„Hoffentlich bleibt das noch ein Weilchen so mit dieser Situation“, hauchte Margitta vor sich hin, als die beiden die Wohnung verließen. Ihr Mann vernahm das nicht oder wollte es auch nicht hören.

Im Freien blickten sie noch einmal nach oben und sahen den da und dort sehr festlich erleuchteten Strang der bewohnten Seite. Aus der Wohnung des Vaters kündete der flackernde Kranz, der von Rot über Blau nach Gelb wechselte, von seiner weihnachtlichen Botschaft, inmitten der zumindest vom Efeu immer noch begrünten Ranken. Ein wildes Dickicht, das dekorativ in die Etagen darunter und weit in die Höhe darüber reichte.

Margitta rutschte im Auto in den Sitz hinein, nachdem sie sich angeschnallt hatte, und schloss die Augen. Während Edward das Fahrzeug sicher durch die Nacht lenkte, hing sie ihren Gedanken nach. Was sollten sie nur tun, wenn der Vater tatsächlich – so wie angedroht – aus der Wohnung musste? Bei allem Grübeln fiel ihr einfach keine vernünftige Lösung ein. Sie hatten sich in eine ausweglose Situation hineinmanö­vriert.

Sie hatten Margittas Vater vor vielen Wochen im Wohnzimmer auf dem Boden vorgefunden. Es war einer der üblichen Wochentage, an dem sie immer zu Besuch kamen, um gemeinsam einen Kaffee zu trinken und den mitgebrachten Kuchen zu essen. Aber auf ihr Klingeln hin gab es keine Reaktion. Und dann hatten sie nicht einmal den Wohnungsschlüssel dabei.

„Vielleicht ist dein Vater nur mal unterwegs“, hatte Edward gesagt.

„Genau an dem Tag und zu der Stunde, wo wir mitei­nander verabredet sind? Das glaubst du doch selbst nicht. Er ist immer die Zuverlässigkeit in Person. Warum sollte das heute anders sein? Er hätte uns doch angerufen …“

Margitta hatte geredet und geredet und schließlich waren sie noch einmal nach Hause gefahren, um den Schlüssel zu holen. „Ich glaube, da ist was passiert“, hatte Margitta noch erklärt. „Ich mache mir ja solche Sorgen. Vorige Woche hat er doch schon geklagt, dass es ihm nicht so gut geht.“

„Ach, typisch Frau. Ihr immer mit euren Befindlichkeiten. Das hat er doch gar nicht so gemeint. Bestimmt sitzt dein Vater jetzt mopsfidel im Sessel und ist sauer auf uns, weil wir ihn haben warten lassen“, hatte Edward sich im Trösten versucht.

Als sie aber neuerlich vor der Tür standen, kam wiede­rum kein Echo. Fast vorsichtig steckte Edward den Schlüssel ins Schloss und wollte die Tür öffnen.

„Das darf doch nicht wahr sein“, fluchte er, als das nicht sofort möglich war. Die Kette lag vor der Tür.

Margitta brach schon in Schluchzen aus, während er noch einmal zum Auto lief, um aus seiner Werkzeugtasche entsprechende Hilfsmittel zu holen. Dann hatte er auch rasch die Kette gelöst.

„Papa“, erklang Margittas kläglicher Ruf in der Wohnung. Edward hielt seine Frau an der Hand fest, während er hinter sich die Tür ins Schloss drückte.

Dann standen beide im Wohnzimmer. Der alte Mann lag auf dem Bauch. Offensichtlich war er von seinem Sessel heruntergerutscht und hatte versucht, sich aus dieser Position wieder nach oben zu bewegen. Dann verließen ihn wohl endgültig die Kräfte.

„Wir sollten einen Notarzt verständigen“, hatte Margitta gestammelt, als sie endlich einen klaren Gedanken fassen konnte.

„Lass uns mal einen Moment lang überlegen“, hatte daraufhin Edward vorgeschlagen und seine Stirn in grübelnde Falten gelegt.

„Wieso?“

„Na ja, tot ist er auf jeden Fall“, sagte Edward und legte der guten Ordnung halber noch einmal Zeige- und Mittelfinger an die Halsschlagader des Liegenden. „Wir müssen uns wirklich nicht beeilen. Jetzt hat dein Vater alle Zeit der Welt.“

„Ja, aber … brauchen wir den Arzt nicht trotzdem? Der muss doch einen Totenschein ausstellen“, schluchzte Margitta heftig und zitterte am ganzen Leib.

„Und dann würde hier alles seinen Gang gehen. Die Beisetzung wäre zu organisieren, und an uns würden die gesamten Kosten hängen bleiben. Wenn ich mich recht entsinne, hat dein Vater in der Hinsicht nicht wirklich vorgesorgt. Oder bist du da anders informiert?“

„Wir haben doch nichts“, stieß Margitta hervor und riss die Augen weit auf.

„Genau. Daran habe ich auch gedacht. Willst du für deinen Vater etwa ein Sozialbegräbnis und dafür noch beim Amt vorher betteln gehen, unsere gesamten Einkommensverhältnisse offenlegen?“, wollte Edward wissen und erläuterte seiner Frau seinen Plan. Wortlos folgte sie seinen Erklärungen und wurde dabei immer bleicher.

„Du meinst also wirklich?“

Margitta schluckte.

„Ja, warum nicht? Zumindest so lange, bis das Haus hier endgültig leergezogen wird. Ein Weilchen könnte uns das durchaus über die Runden helfen.“

„Also, ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist.“ Margitta zog die Schultern hoch, stimmte aber schließlich zu.

„Uns fällt dann bestimmt noch was ein, was wir im Ernstfall unternehmen können“, beschwichtigte Edward. Er gab seiner Stimme einen überzeugenden Klang. Aber weder er noch seine Frau glaubten wirklich daran. Beide wollten nur eines: Zeit gewinnen.

Und dann waren die Wochen ins Land gegangen, während das Ehepaar den Schein wahrte und so tat, als wäre regelmäßig ein Besuch bei dem alten Herrn angesagt. Sie tauchten sogar stets mit einem Paket Kuchen auf, das Edward deutlich sichtbar vor sich hertrug. Allerdings hatten sie vor Ort Mühe mit dem Verzehr. Margitta brachte keinen Bissen hinunter, und so opferte sich stets Edward.

X-Mas: Hochdramatisch

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