Читать книгу Geheimnisvolles Kloster - Andrea Lieder-Hein - Страница 4
Herzlichen Glückwunsch, Mama
Оглавление„Wenn du zu blöd bist, um mit dem Computer umzugehen, dann lass die Finger davon!“ Fynns Augen sprühten vor Zorn und sein Blick sagte mir „Du bist nicht fit für das 21. Jahrhundert. DVD-Player kannst du nicht programmieren, Handys nicht richtig bedienen, CDs nicht zum Spielen bringen ...... und die Speicherkarte versenkst du glatt im falschen Slot vom Fernseher. Mensch, Mama.“
„Ich habe NICHTS gemacht. Ehrlich. Plötzlich war alles weg“. Verzweifelt versuchte ich glaubhaft auszusehen, denn dieses Mal war es wirklich so gewesen. SÄMTLICHE Programme waren ganz plötzlich verschwunden und ich konnte NICHTS mehr aufrufen!
„NICHTS gemacht! Das sagst du jedes Mal. Es kann nicht so einfach ALLES verschwinden. Alle Programme weg, und du hast NICHTS gemacht! Weißt du eigentlich, wie lange ich immer brauche, um all das zu reparieren, was du in Sekunden vernichtest? Und dann willst du es auch immer SOFORT repariert haben!“
Vorsichtig versuchte ich ein Lächeln. „Ich muss Zeugnisse schreiben.“
„Ja, ja“, entgegnete er, „und ich muss mich auf’s Abi vorbereiten.“
In solchen „Reparatur-Phasen“ standen dann häufig Warnschilder vor meinem Monitor. OUT OF ORDER war noch das harmloseste. FINGER WEG!!! schon bedrohlicher. Dann saß mein Sohn tagelang mehrere Stunden vor meinem Laptop und reparierte.
Viel später, im Lehrerzimmer, erfuhr ich dann, dass es so wie mir beim Zeugnis-Schreiben auch anderen Kollegen ergangen war. Ein Virus hatte alle Programme lahm gelegt. Nicht ich. Diesmal wirklich nicht!
Jedes Mal, wenn Fynn über Stunden meinen Laptop reparierte, dachte ich, er wird mir noch mal dankbar sein, dass er so viel Wissen über Computer anhäufen konnte. Während und durch die vielen Reparaturen. Er war inzwischen ein wahrer Profi geworden. Meine Augen konnten so schnell gar nicht gucken, wie er Dinge runterlud, löschte oder Seiten aufrief, die ich nie finden würde.
Er downloadete Hilfsprogramme, bootete den PC neu, wenn alles verloren schien und fand sogar alle 3752 von mir irrtümlich gelöschte Fotos wieder.
Er war super, aber ungeduldig mit meiner Langsamkeit. Erklären wollte er mir nie etwas, da ich zu viel nachfragte, erklärt und begründet haben wollte. Lehrer eben.
„Du wirst mir noch mal dankbar sein“, dachte ich. Gesagt habe ich das nie, nur gedacht. Heimlich. Denn ich weiß sehr wohl, dass er mir dafür nicht dankbar sein wird und auch nicht braucht.
Ich bin meiner Mutter auch nicht dankbar. Meine Mutter war die beste Schönheits-Chirurgin, die völlig ohne OP erstaunliche Ergebnisse vollbracht hatte. Jedenfalls bei mir.
Als ich ungefähr zehn Jahre alt war, fand ich es ungemein chic, meine Stirn zu runzeln, ja, mein ganzes Gesicht als mimische Bühne für die Außenwelt zu benutzen. Immer, wenn meine Mutter das bemerkte, schlug sie mir mit ihrer rechten Hand ins Gesicht und schrie: „Zieh die Stirn nicht so kraus!“ Der große blaue Aquamarin-Ring hinterließ so manche kleine Verletzung in meinem Gesicht und in meiner Seele.
Später folgte diesem Satz die Bemerkung „Du wirst mir dafür später noch einmal dankbar sein, wenn du keine Falten auf deiner Stirn hast.“
Ich bin inzwischen 56 Jahre alt und habe immer noch keine Falten, jedenfalls nicht auf meiner Stirn. Hätte mir meine Mutter damals auch auf Mund und Nase gehauen, besäße ich heute sicher auch keine so starken Nasolabial-Falten. Wäre ich ihr dafür dankbar gewesen? NEIN, lieber habe ich doch viel gelacht und mein Gesicht bewegen können. Meine Stirn kann ich bis heute nicht runzeln. Es geht einfach nicht! Dankbar dafür? Nein, Mama. Dankbar bin ich dafür nicht.
Und heute? Heute würdest du 80 Jahre alt werden. HERZLICHEN GLÜCKWUNSCH, Mama.