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PharmaHealth-Lübeck: Konzernspitze-Treffen

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Mathis Hanssen eröffnete die Versammlung mit einem Zeitungsartikel.

Kollegen, Ihr wisst es bereits, unsere Lage schreit quasi um Hilfe. Wir müssen was unternehmen. Ich hatte letzte Woche ein Interview mit Eva Maier von dem Lübecker Tageblatt. Lest Euch den Artikel auf der Leinwand bitte eben durch. Danach werden wir eine neue Strategie ausarbeiten. Dr. Dr. Niclas Asmussen ist seit einigen Monaten unser neuer Konzern-Kollege, der uns mit innovativen Ideen füttern wird.

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Sinkende Produktpreise, Kostendruck und stagnierende Nachfrage

Von Eva Maier

Lübeck - Hauptgründe für die anhaltende Umsatz- und Gewinnschwäche des Pharmakonzerns „PharmaHealth-Lübeck“ sind sinkende Produktpreise, Kostendruck und eine stagnierende Nachfrage in den angestammten Märkten sowie die zunehmende Konkurrenz durch billige Nachahmerprodukte. Vor diesem Hintergrund setzt das Unternehmen weiter auf zum Teil massive Kostensenkungs- und Restrukturierungsmaßnahmen. Aber auch neue Produkte befinden sich in der Forschung.

Der siebtgrößte deutsche Pharmakonzern hat 2013 unter dem starken Euro gelitten und erwartet auch im laufenden Jahr keine größeren Zuwächse. Aus Sicht der Unternehmensleitung muss und will der Konzern aus eigener Kraft das Geschäft mit rezeptfreien und neu entwickelten Präparaten gegen die sogenannten „Volkskrankheiten“ stärken.

Der Familienkonzern, der für Produkte wie HanseThyrox und Hanseprolol bekannt ist, steht weiter unter Druck: Der Umsatz sank im vergangenen Jahr um mehr als drei Prozent auf knapp 14 Mrd. Euro. Bereits im Vorjahr waren die Umsätze um gut drei Prozent gesunken. Und auch die Gewinne sind rückläufig. Man muss was tun. Die Aktionäre machten das bei ihrer Aktionärsversammlung im Juni deutlich und wiesen auch auf die Kursverluste im vergangenen Quartal hin.

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Was wir brauchen sind mehr Patienten. Je mehr Kranke, je besser. Und da wir Mittel für Volkskrankheiten herstellen, wird unsere Palette täglich größer, um es mal mit schwarzem Humor auszudrücken. FÜR Volkskrankheiten heißt das „Je mehr, je besser“, ... ür uns. Haha. Aber nun übergebe ich das Wort an Herrn Asmussen. Bitte, Niklas.

Ich bin relativ neu hier. Wer mich noch nicht kennt: Mein Name ist Niclas Asmussen und ich bin die Wunderwaffe für PharmaKonzerne und andere große Global Player. Ich wurde von Dr. Hanssen eingestellt, um für frischen Wind zu sorgen. Hier mein Vorschlag:

Viel Fleisch, kaum Bewegung, Stress im Alltag und Fettstoffwechselstörungen verhelfen der Pharmaindustrie praktisch stündlich zu neuen Patienten. Allerdings dauert es leider finanziell zu lange, um sie gewinnträchtig auszubeuten. Es muss einfach schneller gehen.

Meine Idee:

Unser Schilddrüsenpreparat Hansethyrox geht gut, bringt satte Gewinne. Da erreichen wir viele Patienten. Wir fügen dem Medikament einen Blutdruck erhöhenden Wirkstoff hinzu und schon haben wir Patienten, die unseren Betablocker Hanseprolol zusätzlich benötigen.

So verfahren wir sukzessive mit allen Mitteln. Diabetiker könnten bei Hansaglibose noch ein entzündungsförderndes Mittel integriert bekommen. Bei Volkskrankheiten hat die Werbung uns vermittelt, irgendwann kommt jeder dran. Da wundert sich NIEMAND über laufend zunehmende Krankheiten am eigenen Körper. Im Gegenteil! Jeder wird sich selbst die Schuld geben. Nikotin, Alkohol, Stress, kein Sport, falsches und zu üppiges Essen... Irgendwas stimmt immer.

Meine Damen und Herren, DAS ist der Weg!!!

Herr Asmussen, ich bin Emilia Eisele von der Forschungsgruppe Diabetes. Ich muss es mal laut sagen. Ich finde, die ethische Komponente bleibt auf der Strecke. Es ist widernatürlich, wenn wir Krankheiten schaffen und sie nicht heilen oder wenigstens lindern.

Frau Eisele, lassen Sie mich darauf direkt antworten. Frauen fühlen mit. Das ist schön, aber für ein wirtschaftlich denkendes Unternehmen uninteressant. Ja, schlimmer noch, VERNICHTEND.

Wir sind doch nicht die einzigen, die so etwas machen. Nahezu jedes Jahr kommt eine erfundene Krankheit hinzu. Dazu zwanzig Medikamente für deren Heilung.

Lebensmittel werden angereichert mit Dingen, die uns nicht fehlen. Früher hat man einige Lebensmittel nicht vertragen, heute leidet man unter Allergien und Intoleranten. Dazu kommen Verstopfungen, Scheidentrockenheit, Hyperhidrose oder auch übermäßiges Schwitzen genannt, sowie Hyperkeratose, nämlich Hornhaut-Verdickung an den Füßen. Krank? Oder Normal?

Die Grenze zwischen NORMAL und KRANK verläuft auch bei der Psyche fließend. Hyperaktiv, Burnout, schüchtern, Phobien.... Frau Eisele, früher waren Kinder zappelig, Leute energielos, ängstlich oder zurückhaltend. Heute sind das KRANKHEITEN. Und die muss man behandeln. Da verdienen Ärzte, Apotheken, Heilpraktiker, Discounter, Pharmakonzerne ...

Wenn WIR da nicht aufspringen, tun es andere. Aktionäre und weitere wichtige Leute schupsen uns dann runter in die Bedeutungslosigkeit. Sie auch, Frau Dr. Eisele. Oder freuen Sie sich schon auf Ihre Rente?

Vielen Dank, Dr. Asmussen. Eine interessante Idee, der wir nachgehen sollten. Wir treffen uns in einer Woche wieder. Ich bin im Moment etwas in Sorge. Wie Sie alle wissen, hatte meine Frau einen schlimmen Unfall. Ich fahre jetzt zu ihr. Sie ist inzwischen wieder zu Hause, aber ich mache mir doch Gedanken.

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