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ОглавлениеDas Wesen des Geldes
Als der Philosoph und Soziologe Georg Simmel sich Anfang des letzten Jahrhunderts Gedanken darüber machte, was denn das Wesen des Geldes sei, war er unschlüssig, welchen Titel er seinem Werk geben sollte. Am 20. Mai 1889 hatte er im staatswissenschaftlichen Seminar des Nationalökonomen Gustav Schmoller einen Vortrag mit dem Titel Zur Psychologie des Geldes gehalten und war von dem Thema so berührt, dass er diese Gedanken in einem Buch vertiefen wollte. Letztlich entschied er sich für den Titel Philosophie des Geldes. Ihm war bewusst, dass das Phänomen Geld unter unterschiedlichen Perspektiven betrachtet werden kann und muss. Er hielt fest, „daß zwei Menschen ihre Produkte gegeneinander vertauschen, [ist] keineswegs nur eine nationalökonomische Tatsache“, sondern kann „ganz ebenso legitim als eine psychologische, als eine sittengeschichtliche, ja als eine ästhetische Tatsache behandelt werden“. Geld ist aufs Engste mit der Geschichte der Menschheit verwoben und eine soziale Tatsache, die nur interdisziplinär fassbar ist.
Das Wesen des Geldes scheint banal und gleichzeitig komplex zu sein. Jeder meint zu wissen, was Geld ist, und dennoch bringt es Ökonomen beim Nachdenken über dieses Medium an ihre Grenzen. So konnte das Buch Das Wesen des Geldes des berühmten Nationalökonomen Joseph Alois Schumpeter, an dem er Jahrzehnte gearbeitet hatte, erst zwanzig Jahre nach seinem Tod erscheinen. Zu Lebzeiten schien ihm die Veröffentlichung nicht angezeigt, weil die Thematik zu schwierig wäre. Andere Ökonomen wichen einer Beschäftigung mit der Frage, was Geld denn eigentlich sei, aus und zitierten die Geldtheorie des Ökonomen Adam Smith, der Geld als praktisches Tausch- und Wertaufbewahrungsmittel und als Recheneinheit sah.
Es ist wahr: Mit Geld kann man rechnen, tauschen und Werte aufbewahren. Aber mit dieser Funktionsbeschreibung ist das Wesen des Geldes noch nicht erfasst. Das Geld weist immer über sich hinaus. Schumpeter wurde bei seiner Arbeit immer deutlicher, dass man Geld nicht verstehen kann, ohne die Gesellschaft im Ganzen zu verstehen. Ein Satz aus seinem Werk wurde zum geflügelten Wort: „Der Zustand des Geldwesens eines Volkes ist ein Symptom aller seiner Zustände.“ Geld verweist also auf alles Soziale. Dieser Verweisungszusammenhang begründet die Sonderstellung des Mediums Geld.
Es dauerte lange, bis sich diese Erkenntnis in den Wirtschaftswissenschaften niederschlug. Erst in jüngster Zeit werden verstärkt transökonomische Phänomene mit berücksichtigt. So setzt sich zunehmend die Erkenntnis durch, dass der wirtschaftlich agierende Mensch nicht nur ein homo oeconomicus ist, der konstante Präferenzen hat, eigeninteressiert und rational handelt und systematisch auf Anreize reagiert, welche von Institutionen bestimmt werden. Neuerdings wird dem wirtschaftlich handelnden Menschen zugestanden, dass er ebenso von Gefühlen bestimmt ist und ethischen und kulturellen Vorgaben verpflichtet sein kann. Das Wirtschaftssystem lässt sich daher nicht länger als ein System sehen, das mathematisch exakt beschrieben werden kann. Es arbeitet immer auch in Bezug zu nicht ökonomischen Lebensbereichen.
Der Umgang mit Geld wird damit in der Innenperspektive von vielen außerökonomischen Variablen bestimmt. Gleichzeitig wirkt er aber auch auf viele nicht ökonomische Bereiche. Die Ökonomie ist keine Insel, die andere gesellschaftliche Bereiche unbeeinflusst ließe. Das war schon immer so. In der Gegenwart weitet sich die Geldbestimmtheit der Gesellschaft aber immer weiter aus. Der Soziologe Colin Crouch fasst diese Entwicklung so zusammen: „Der Finanzmarkt dehnte sich (nach dem Aufkommen des neoliberalen Wirtschaftens) aus wie das Universum nach dem Urknall.“
Das Medium Geld wird zunehmend auch dort bestimmend, wo eigentlich andere Bewertungskriterien gelten. So lassen sich zum Beispiel Drittmitteleinnahmen im Bereich der Wissenschaft leichter vergleichen als Thesen und Theorien. Die Höhe der Bestechungsgelder, die nötig sind, um eine politische Frage zu beeinflussen, gibt Aufschluss darüber, wie mächtig Politiker und Politikerinnen sind. Sage mir den Versteigerungserlös eines Kunstwerkes, und ich gebe dir Auskunft über dessen ästhetischen Wert. Auch der Mensch selbst kann als „Humankapital“ in den Blick genommen werden. Gegenwärtig prägen die Ökonomie und ihr Leitmedium Geld die Gesellschaft in einem nie gekannten Ausmaß.
Aber die gesellschaftliche Dimension des Geldes ist nicht die einzige. Im Wesen des Geldes liegt noch viel mehr. In seinem Buch Geld oder Gott? Zur Geldbestimmtheit der kulturellen und religiösen Lebenswelt schreibt der Theologe Falk Wagner: „Gott – das Absolute – ist zu jeder Zeit gegenwärtig; es fragt sich nur, in welcher Gestalt. Unter den Bedingungen der modernen, ökonomisch bestimmten Gesellschaft tritt das Geld seine Karriere als alles bestimmende Wirklichkeit an.“ Dem Geld käme damit auch eine religiöse Dimension zu. Der Satz „In God we trust“ auf US-Dollar-Noten wäre mutiert zu dem Satz: „In gold we trust“. Oder mit den Worten Falk Wagners: „Geld ersetzt nicht nur religiöse Sicherungsmittel, sondern wird selber zum ‚god-term‘“.
Diese Entwicklung macht deutlich, wie wichtig es ist, sich aus soziologischer und theologischer Perspektive mit dem Medium Geld auseinanderzusetzen. Geld muss als Medium, als Vermittelndes, in soziologischer und theologischer Perspektive in den Blick kommen, will man seine gegenwärtige Bedeutung verstehen. Eine exegetische Annäherung ans Thema wird dadurch erleichtert, dass der doppelte Mediencharakter des Geldes schon in den biblischen Texten angezeigt wird.
Zum einen versucht der Mensch im Medium Geld, sich zu Gott in ein Verhältnis zu setzen. Bis in die Sprache hinein werden Geld und Heil zusammengedacht. So etwa, wenn es heißt, dass der Menschensohn gekommen ist und „sein Leben gebe als Lösegeld für viele“ (Markus 10,45). Das Medium Geld bestimmt zum anderen auch in vielfacher Hinsicht die Relation der Menschen untereinander. Es geht hierbei nicht nur um geregelte Tauschbeziehungen, bei denen Geld als Einheit und Maßstab gebraucht werden kann. Geld regelt auch die soziale Position von Menschen in der Gesellschaft. Im biblischen Zeugnis wird aufgezeigt, wie Geld in der Realität zwischen Mensch und Mensch vermittelt, aber auch, wie es vermitteln sollte.
So steht das Medium Geld zwischen Mensch und Gott und zwischen Mensch und Mensch. Diese Medienfunktionen des Geldes gliedern das Buch. Nach allgemeinen Überlegungen zum Medium Geld fragen wir zunächst nach der Bedeutung des Geldes in der Beziehung Mensch und Gott. In einem zweiten Schritt steht die zwischenmenschliche Beziehung im Vordergrund.
Nach dem biblischen Zeugnis kommt es darauf an, dem Medium Geld eine adäquate Vermittlungsfunktion zuzuweisen, um Gott und Mensch und Mensch und Mensch in ein rechtes Verhältnis zu bringen. Damit Geld nicht zum Mammon wird, muss sich der Mensch zu ihm in ein rechtes Verhältnis bringen.