Читать книгу Die Grünen Piraten - Faule Tricks im Windpark - Andrea Poßberg - Страница 8

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Die Brüder sahen sich erschrocken an.

»Was war das?!«, flüsterte Jannik.

»Komm, wir gucken nach. Vielleicht braucht jemand Hil­fe.« Lennart spurtete los in die Richtung, aus der der Schrei gekommen war. Sein Bruder warf sich den Rucksack über die Schulter und humpelte ihm nach.

Plötzlich blieb Lennart mit dem Fuß an etwas hängen und schlug der Länge nach hin, mitten in die überall wuchernden Brombeerranken. Fluchend richtete er sich wieder auf und zupfte sich einen Dorn aus der Hand. Hinter ihm steckte ein kleiner, rot markierter Holzpflock im Boden.

»Sie können doch nicht die Tür zuschlagen, wenn meine Finger noch dazwischen sind!«, schallte jetzt eine weibliche Stimme durch den Wald. »Sind Sie verrückt?!«

Jannik hatte aufgeholt und schob sich zwischen den Büschen durch.

»Pass auf, hier steckt so ein Pfahl im Boden«, warnte Lennart ihn und deutete auf den Holzpflock. Dann winkte er seinem Bruder ihm zu folgen und huschte weiter in die Richtung, aus der er gerade die Frauenstimme gehört hatte.

Nach ein paar Metern tauchte ein unbefestigter Waldweg vor ihnen auf, tiefe Spurrillen hatten sich in den lehmigen Boden gedrückt.

»Ach, guck mal einer an, den Jeep kennen wir doch!« Jannik zeigte auf ein klobiges schwarzes Gefährt, das ein Stück weiter zwischen den Bäumen sichtbar wurde.

Lennart verdrehte die Augen. »So klar, dass der feine Herr Bürgermeister nicht den Besucherparkplatz nehmen kann. Der braucht echt immer ’ne Extrawurst. Komm, wir müssen näher ran, ich möchte zu gerne wissen, was der Klotzmeier hier macht.«

Bürgermeister Erwin Klotzmeier war immer auf der Suche nach einem guten Geschäft und dabei kümmerte es ihn nicht weiter, wenn die Umwelt Schaden nahm. Die Grünen Piraten waren ihm schon mehrfach auf die Schliche gekommen, doch Klotzmeier verstand es immer, sich herauszureden und am Ende gut dazustehen.

Die beiden Jungs pirschten sich an das große Auto heran und warfen ein Blick hinein. Der Innenraum war leer, aber durch die Scheiben konnten sie in einiger Entfernung vier Personen zwischen den Bäumen ausmachen, die wild gestikulierten.

»Klotzmeier hat sich ja richtig in Schale geworfen«, wunderte sich Jannik.

Der kleine, dicke Bürgermeister, den sie bisher nur im Anzug kannten, trug jetzt nagelneue grüne Gummistiefel und darüber eine knallgelbe Regenjacke.

»Sieht aus wie ein Gartenzwerg, oder?« Grinsend spähte Lennart durch die Autoscheiben.

»Aber wer sind die anderen?« Jannik holte ein Mini-Fernglas aus seiner Hosentasche und betrachtete den bärtigen Mann und die rothaarige Frau neben Klotzmeier. Beide waren bestimmt einen Kopf größer als der Bür­ger­meister. Dann schwenkte er nach rechts auf einen drahtigen Mann mit braun­gelockter Kurzhaarfrisur, der genau in diesem Moment in ihre Richtung deutete. Hastig nahm Jannik das Fernglas herunter. Ob der Mann sie bemerkt hatte? Viel­leicht einen Lichtreflex auf den Linsen?

»Und?«, fragte Lennart.

Sein Bruder schüttelte den Kopf. »Also, außer Klotzmeier kenn ich keinen von denen.«

Leise traten die Jungs den Rückzug an. Sie hatten nicht die geringste Lust, dem Bürgermeister vor die Füße zu laufen und bahnten sich ihren Weg zurück durch die Brom­beerbüsche, bis sie wieder auf den Pfad stießen, der an den drei Kiefern vorbeiführte.

»Was meinst du, was die hier machen?«, fragte Jannik.

Lennart zuckte mit den Schultern. »Bei Klotzmeier vermute ich ja immer das Schlimmste, aber mir fällt grade nichts ein, was der hier anrichten könnte.«

Mit einem Mal summten ihre Handys.

Lennart war schneller: »Nachricht von Pauline. Kommt sofort ins Hauptquartier, habe etwas unglaublich Tolles dabei!«

»Das muss aber noch einen Moment warten.« Jannik blieb stehen und drehte sich zu seinem Bruder um. »Ich will erst noch zu dem Storchennest auf der alten Eiche.«

»Nicht dein Ernst, oder?! Das kannst du doch einfach so einzeichnen, du weißt ja, wo die Storcheneiche steht«, maulte Lennart. »Wir haben Opa Hermann oft genug geholfen, die Bienenkästen dort hinzubringen.«

Jannik und Lennarts Opa war Imker und im Frühjahr stellte er immer zwei seiner Bienenbeuten* in der Nähe von Bauer Hamachers Rapsfeld auf. Die Bestäubung der Bienen sorgte für einen höheren Ertrag beim Raps und Opa Hermanns Bienen produzierten dank des Nektars der gelben Blüten mega­leckeren Rapshonig. Jannik lief schon das Wasser im Mund zusammen, wenn er nur daran dachte.

Am Rand von Bauer Hamachers Acker stand eine riesige uralte Eiche, in deren höchster Astgabel ein Storchenpaar sein Nest gebaut hatte.

Seit Jannik denken konnte, kamen die beiden Weißstör­­che im Frühjahr nach Bieberheim und zogen hier ihren Nach­wuchs auf.

»Ich möchte aber jeden Fund in meiner Karte noch mal überprüfen, bevor ich ihn einzeichne«, erklärte Jannik. »Da­mit auch alles stimmt.«

Lennart verdrehte die Augen. »Ok, wenn’s schnell geht, meinetwegen.«

Die Jungs mussten eine ganze Weile durch den Bie­ber­heimer Forst laufen, bis sie wieder an die Stelle gelangten, wo sie ihre Fahrräder im Gebüsch abgestellt hatten. Dann fuhren die beiden den Feldweg hinunter, den sie sonst auch zum alten Bieberheimer Hafen nahmen, und bogen wenig später rechts in einen unbefestigten Weg ein, der an einem Meer aus gelben Rapsblüten entlangführte. Schon von Weitem konnten sie die ausladenden Äste der mächtigen Eiche sehen, die am Feldrand stand und ganz oben, wie eine Krone aus Zweigen, thronte das Storchennest.


»Wow, ist das riesig!«, rief Jannik begeistert. Er hatte sein Rad in den Grasstreifen am Weg gelegt und steuerte auf den Baum zu. »Wusstest du, dass Storchenpaare immer zum selben Nest zurückkehren? Zum Überwintern fliegen die meis­­ten nach Afrika und wenn sie dann im Frühjahr zurückkommen, wird das Nest ausgebessert und neues Nistmaterial drauf­­geschichtet. Deshalb wächst der Horst von Jahr zu Jahr in die Höhe.«

»Hä? Wovon redest du? Ich kenn keinen Horst.« Lennart war hinter seinem Bruder her getrottet und hatte dabei seine Nachrichten gecheckt. Jetzt sah er verwirrt von seinem Handy auf. Pauline hatte auf seine Nachfrage, was sie denn Tolles mitbringen würde, nicht reagiert.

»Ich meine das Nest, das nennt man doch auch Horst, du Horst! He, Fiona, was hast du vor?« Janniks kleine weiße Ratte hatte sich aus der Kängurutasche seines Pullovers ge­­han­­gelt und war auf seine Schulter geklettert. Schützend hielt er eine Hand über sie. »Und auf der Roten Liste für gefähr­dete Tierarten stehen Störche auch, deshalb ist dieser Brut­platz hier auch etwas ganz Beson–«

»Aaaah!«, schrie Lennart plötzlich und konnte sich nur mit Mühe auf den Beinen halten. Er war mit dem Fuß in einer Schnur hängengeblieben. »Jetzt reicht‘s mir aber«, schimpfte er. »Warum liegt denn heute überall da, wo ich langlaufe, irgendwas im Weg rum?!«

Sein Bruder ignorierte ihn und deutete auf eine rautenförmige Röhre mit einem faustgroßen Loch, die an der Eiche angebracht war. »Guck mal, wie toll! Ein Eulennistkasten!« Schnell schob er Fiona wieder in seine Tasche zurück. »Eine Eule ist für dich nicht der richtige Umgang«, sagte er streng.

»Der eigene Bruder könnte von der Klippe stürzen, aber der feine Herr Jannik hat nur Augen für irgendwelche Nist­plätze«, beschwerte sich Lennart, doch dann verstummte er. Über ihren Köpfen tauchte plötzlich einer der Störche auf, drehte eine Runde über der Eiche und landete dann elegant in seinem Nest.

»Wahnsinn, oder?«, flüsterte Jannik verzückt. »Ob die schon angefangen haben zu brüten?«

Während sein Bruder den Storch mitsamt Nest abzeichnete, fläzte sich Lennart ins Gras, die Arme hinter dem Kopf verschränkt, und blickte in den Himmel. Dunkle Wolken zogen sich über dem Bieberheimer Forst zusammen.

Endlich war Jannik so weit, faltete die Karte zusammen und grinste seinen Bruder zufrieden an. »Projektarbeit erledigt. Mir fehlte nur noch das Storchennest.«

»Schön für dich!« Lennart zog eine Grimasse. »Dann nichts wie ab ins Hauptquartier – ich bin megagespannt, was Pauline mitgebracht hat!«

Als Lennart und Jannik gerade ihre Räder neben Paulines mintgrünem Hollandrad vor dem Limonenweg 45 abstellten, bogen Ben und Flora im Laufschritt um die Ecke. Ben legte auf den letzten Metern einen Sprint ein und sprang mit einem Satz über die kleine Hecke in den Vorgarten der Familie Ritter-Vogel. Flora kam keuchend hinterher und hielt sich die Seiten. »Ben meint ...«, japste sie mit hochrotem Kopf, »ich muss ... an meiner ... Kondition ... arbeiten.«

Ben tätschelte ihr aufmunternd die Schulter. »War doch schon ganz ordentlich.«

Flora rollte die Augen und wischte sich den Schweiß von der Stirn.

Seit Neuestem spielte Flora in der Mädchenmannschaft des FC Bieberheim und Ben, schon seit dem Bambini-Alter begeisterter Fußballspieler im selben Verein, war mächtig stolz auf seine kleine Schwester. Pauline war anfangs auch zweimal mit zum Training gekommen, hatte dann aber schnell festgestellt, dass sie doch lieber beim Ballett bleiben wollte.

Jannik warf Flora einen mitfühlenden Blick zu. »Sport ist echt anstrengend.«

»Für eine faule Socke wie dich auf jeden Fall!« Lennart lachte und brachte sich schnell vor dem Boxhieb seines Bru­ders in Sicherheit. »Los, ich will endlich wissen, was Pauline uns Tolles zeigen will.«

»Geht uns genauso«, meinte Ben, denn er und seine Schwes­­ter hatten dieselbe Nachricht erhalten.

Die vier liefen über den schmalen Weg am Haus vorbei in den kleinen Garten, wo sich das Hauptquartier der Grünen Piraten befand. Ein ausrangierter Wohnwagen parkte ganz am Ende des Grundstücks, halb verborgen zwischen Büschen und niedrigen Apfelbäumen.

Plötzlich schepperte es laut und seltsame knurrende Ge­­räusche ertönten aus dem Wohnwagen. Die vier stoppten abrupt und sahen sich erschrocken an.

Die Grünen Piraten - Faule Tricks im Windpark

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