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Wie alles begann – das antike Theater im Überblick
ОглавлениеDas antike Theater war noch Unterhaltung für alle und hatte einen immensen Einfluss auf die folgenden Epochen: Shakespeare, ja selbst das moderne Theater wäre ohne es nicht vorstellbar. In der Renaissance begann man die antiken Quellen, also die Schauspieltexte, soweit sie erhalten waren, wieder zu rezipieren und neu aufzuführen, und trotzdem galt das antike Theater als nie zu erreichendes Vorbild.
In Griechenland stand das Theater zunächst in Verbindung mit dem ekstatischen Dionysoskult. Es stand für eine Freiheit und Unbeherrschtheit, die man in engen Grenzen halten wollte, weil man sonst um das Gemeinwesen (den Staat an sich) fürchtete. Charakteristisch war der Wettbewerbscharakter: Es wurden Agone zu Ehren der Götter veranstaltet, bei denen mehrere Autoren bzw. deren Werke gegeneinander antraten; die Siegerlisten dieser Wettbewerbe sind teilweise erhalten. Ab dem mittleren 5. Jh. v. Chr. führte man zusätzlich einen Schauspieleragon ein, denn man hatte erkannt, dass auch die Qualität der Aufführung eine Rolle spielte, nicht nur die Qualität des Stückes.
Die klassische griechische Tragödie kannte zunächst nur wenige Schauspieler: Zur Zeit des Thespis (s. u.) trat erstmals ein einzelner Akteur vor das Publikum; Aischylos fügte diesem einen zweiten hinzu, so dass ein Dialog auf der Bühne möglich wurde. Sophokles erweiterte die Spielmöglichkeiten ebenfalls, indem er einen dritten und notfalls vierten (stummen) Mann auf die Bühne holte. Es gab also ab dieser Zeit maximal drei Sprecher, die mit Maskenwechseln bis zu neun Personen darstellen konnten, wozu sie ihre Stimme verstellten. Umgekehrt konnte ein Charakter durch verschiedene Schauspieler gespielt werden, wenn es der Ablauf des Stückes so erforderte. Dies ist aus heutiger Sicht sehr ungewöhnlich, war aber für das maskierte Spiel der Antike nicht schwierig. Alle erhaltenen Tragödien haben mehr als drei Rollen (bis zu elf inkl. der stummen), was bedeutete, dass die Schauspieler durchwechselten und stumme Statisten Personen während einer Szene anwesend erscheinen ließen, in der sie nicht sprachen. In der Komödie galt diese Beschränkung möglicherweise nicht, da manche Stücke sonst nicht realisierbar gewesen wären.
Auch in Rom bestand zunächst der kultische Zusammenhang des Theaters weiter, indem man „Spiele“ (ludi) zu Ehren der Götter veranstaltete. Die erste Theateraufführung fand in Rom im Jahr 364 v. Chr. anlässlich der ludi publici, jährlichen Spielen zu Ehren der Götter, statt. Dafür mussten man eigens fremde Schauspieler nach Rom holen, da es dort noch keine gab. Der Ablauf solcher kultischen Spiele war streng reglementiert, so dass die Aufführungen bei einem „Verfahrensfehler“ wiederholt werden mussten – eine Tatsache, die sowohl die Veranstalter als auch das Publikum zu nutzen wussten: Um in den Genuss weiterer der noch sehr seltenen Spiele zu kommen, wurden solche Fehler provoziert, bis schließlich ein Gesetz erlassen werden musste, das nur eine einmalige Wiederholung erlaubte. Dass diese Störungen nicht immer zum gewünschten Erfolg führten, beweist die folgende Anekdote: Im Jahr 211 v. Chr. wurde während der Ludi Apollinaris eine Theateraufführung durch den Ruf unterbrochen, die Feinde in Gestalt Hannibals und seiner Truppen stünden kurz davor, die Stadt anzugreifen. Alle rannten davon, um sich zu bewaffnen, doch es war falscher Alarm und man kehrte voller Vorfreude ins Theater zurück. Doch ein einsamer Schauspieler hatte dort die Vorführung durch Improvisationstanz fortgesetzt, so dass der korrekte Festablauf trotzdem nicht unterbrochen worden war und das insgesamt achttägige Fest nicht wiederholt werden musste!
Das Drama der Antike
Die Entwicklung des Dramas gehört zu den wichtigsten Errungenschaften menschlicher Zivilisation überhaupt. Zum Drama gehören die beiden Sparten Tragödie und Komödie, die sich aber nicht, wie aufgrund der modernen Einteilung oft vermutet, durch die „ernste“ oder „komische“ Handlung bzw. deren „guten“ oder „tragischen“ Ausgang unterscheiden, sondern durch das Umfeld, in dem diese Handlung spielt. Griechische und römische Tragödien spielen in der Oberschicht, unter Göttern und Herrschern. Die Handlung hat oft metaphysischen, elementaren Charakter (Gut gegen Böse, Tugenden, Ethik und Moral werden thematisiert). Dagegen ist die Komödie im Alltagsleben der Menschen angesiedelt und zeigt deren „kleine“ Probleme wie Liebeskummer oder Nachbarschaftsstreit. Komödien sind also, eher als Tragödien, ein „Spiegel des Lebens“. Erst ab den „Bürgerlichen Trauerspielen“ eines Lessing oder Schiller wird diese strenge Einteilung aufgeweicht.
Diese spontane Improvisation war der Vorläufer der sog. emboliaria (od. interludia), der Zwischenspiele, die später als eigene Gattung galten und als spezielle Berufsbezeichnung von weiblichen Darstellerinnen wie Galeria Copiola (s. u.) verwendet wurden. Zusammen mit Einflüssen aus den unteritalischen Griechenstädten führte dies zur Entwicklung einer eigenen römischen Schauspielkunst. Dagegen ist die früher vermutete Herkunft aus Etrurien nicht nachweisbar, obwohl diese sogar von vielen Römern beschworen wurde, denn nicht wenige Errungenschaften des römischen Volkes stammen bekanntlich von dort. Tragödie und Komödie wurden aus Griechenland übernommen und – nach anfänglich reinen Übersetzungen – dem römischen Geschmack angepasst bzw. neu geschrieben. Dies war der entscheidende Schritt der Römer: Nicht nur zu rezipieren, sondern nach eigenen Bedürfnissen umzuformen, wie es zuvor die Bewohner der Levante getan hatten.