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Seit diesem Abend entwickelte sich der Urlaub allerdings etwas anders, als ich mir es vorgestellt hatte. Melissa war wie ausgewechselt. Eigentlich hatte ich es gleich gespürt. Schon im ersten Moment der Begegnung mit David hatte ich geahnt, dass Melissa sich verlieben würde und auch er hatte sein Interesse an meiner Freundin nicht verborgen. Er hatte wohl gerade eine Beziehung hinter sich und wollte mal eine Zeitlang ganz für sich sein wie er sagte. Er erzählte von seiner tollen Firma in Deutschland und dass er jahrelang keinen Urlaub mehr gemacht hätte – vor lauter Arbeit. Er machte einen interessanten Eindruck, aber irgendetwas störte mich an ihm. Ich fand ihn, glaube ich, zu angeberisch. Oder war ich etwa neidisch?

Tja, das würden ja schöne Ferien werden. Ein verliebtes Paar und ich störend daneben, das berühmte fünfte Rad am Wagen. Andererseits gönnte ich Melissa ja auch ihr Abenteuer, hatte sie doch schon so lange kein Glück in der Liebe mehr gehabt. Aber dass ich jetzt einen Urlaub vor mir hätte, den ich mehr oder weniger mit mir selbst verbringen würde, störte mich doch sehr. Und so kam es auch. Am nächsten Morgen gestand meine Freundin mir, dass sie ein Date mit David hätte und zwar alleine. Ich glaube ich verzog mein Gesicht, als hätte ich gerade in eine Zitrone gebissen. Doch bevor ich anfing zu nörgeln, entschloss ich mich, keine Spielverderberin und nicht zickig zu sein. Ich nahm mir vor, die Insel auf eigene Faust zu erforschen.

Ich holte unseren Mietwagen nun alleine ab und fuhr in Richtung Palma. Welch eine Stadt! Schon wenn man sich von der Peripherie dem Zentrum nähert, sieht man die prächtige Kathedrale „La Seu“ stolz in den wolkenlosen Mittelmeerhimmel emporragen. Dort wollte ich als erstes hin. Die stille ernste Größe, die das gotisch erbaute Gotteshaus schon von außen ausstrahlt, setzt sich im Inneren ehrfurchteinflößend fort. Von zahlreichen Säulen getragen baut sich das – wie ich las -110m lange Hauptschiff imposant vor einem auf. Und dann als Höhepunkt fiel mir die aus über tausend Glasteilen gefertigte Rosette in der Apsis ins Auge, die durch den Lichteinfall in den schönsten Farben erstrahlte. Ganz still war es hier, alles Laute und Hektische der Außenwelt war verklungen. Ich fühlte mich wie in einer anderen Welt, ganz bei mir angekommen. Dann entdeckte ich eine Skulptur: eine kleine Madonna in ein hellblaues Gewand gehüllt. Ich weiß nicht warum, aber irgendwie blieb ich lange vor ihr stehen und betrachtete sie fasziniert. Da stieß mich ein alter Spanier an und sagte freundlich:“ Es la Carmen, la Santa Carmen, la patrona del mar.“

Ich erfuhr von ihm, dass bald ihr zu Ehren ein Fest „ La Fiesta de la Virgen del Carmen“ gefeiert werden würde, an verschiedenen Orten auf der Insel, in Cala Ratjada auch.

Nach dieser Einkehr in die Stille stürzte ich mich in das mediterrane Straßenleben von Palma. Ich bummelte durch Gassen und über weite schöne Plätze und nahm die großstädtische Atmosphäre in mich auf. Später trank ich in einem kleinen Straßencafé einen Espresso und bestellte mir ein Eis dazu. Es war eigentlich gar nicht so schlecht, ohne auf jemanden Rücksicht nehmen zu müssen, sich seine Zeit einzuteilen und sich ganz nach eigenem Gutdünken treiben zu lassen. Ich bekam Geschmack daran, mein eigener „Herr“ zu sein. Ein gutaussehender Spanier am Nachbartisch flirtete zu mir hinüber und ich genoss das Gefühl gesehen zu werden.

Auf dem Rückweg zu meinem Auto sah ich in einer der unzähligen Boutiquen ein türkisfarbenes Kleid hängen. Es hatte Spaghettiträger und vorne eine kleine Knopfleiste, oben war es eng geschnitten und unten fiel weit der Rock. Ich überlegte nicht lange und kaufte es mir.

Am Abend, zurück in Cala Ratjada, gingen David, Melissa und ich zu dritt in einem kleinen Restaurant essen. „La casita“ – das Häuschen. Schöner und romantischer könnte man sich einen Ort kaum vorstellen. Die beiden saßen Hand in Hand im Kerzenschein vor mir und hatten kaum ein Auge für mich. Ich musste schlucken, plötzlich fühlte ich mich so allein. Klar, hätte ich mir irgendeinen Typen anlachen können. Nichts geht schneller als das in einem Ferienort wie diesem. Aber dazu hatte ich überhaupt keine Lust.

Als ich in dieser Nacht in unser Hotelzimmer zurückkehrte, das ich nun auch alleine bewohnte, konnte ich nicht einschlafen, obwohl es schon recht spät war. Ich holte mir ein Buch aus einer Tasche hervor, um auf der Terrasse noch ein wenig zu lesen. Dabei fiel etwas zu Boden. Ein Zettel? Nein, - da war er ja wieder, der Briefumschlag, den ich nun schon so lange ungeöffnet irgendwo hin steckte oder mit mir trug. Irgendwie hatte ich ihn immer wieder verkramt. Nun erkannte ich an der Schrift, dass er von Oliver sein musste. Gespannt riss ich ihn auf und las folgende Zeilen:

Liebe Carina,

ein halbes Jahr ist seit unserer Trennung vergangen. Ich kann Dich nicht vergessen. Ich habe viel über uns nachgedacht und eingesehen, dass ich eine Menge Fehler gemacht habe. Gib` uns doch noch eine Chance. Dein Olli

Peng, das saß. Da stand ich in einer lauen Sommernacht auf einer Terrasse vor der schönsten Kulisse der Welt. Ich hatte Sehnsucht nach Zweisamkeit und Liebe und in der Hand hielt ich den Brief von demjenigen, der mir einmal alles bedeutet hatte. Ich malte mir aus, wie es wäre, wenn Oliver jetzt hier und ich nicht alleine wäre. Für einen Moment wurde mir ganz schummerig zumute. Ich war drauf und dran nach meinem Handy zu greifen. Doch dann sagte eine innere Stimme zu mir: “Halt!“


Die Farbe Türkis

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