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Die Gulaschlüge

Martina Raguse

In meiner Familie waren Kochen und Essen sinnstiftende familienrelevante Themen.

Meine Mutter kochte täglich, für Familie, für die Mitarbeiter unserer Firma, für jeden und alle. Es türmten sich an jedem Wochenende Spülberge in der Küche, die dann wir Kinder abarbeiten durften. Während des gemeinsamen Sonntagmittagessens seufzte meine Mutter ein wenig vorwurfsvoll, dass sie stundenlang gekocht habe und wir alles binnen 10 Minuten aufgegessen hatten. Das schmälerte unseren Genuss nur unerheblich. Was sie nie sah, es lag an ihr. Es herrschte unterschwellig Krieg, Futterneid, es gab immer etwas weniger, als die Personenzahl am Tisch gerne gehabt hätte. Mama verzichtete dann gerne auf ihr Stück Fleisch, das wiederum machte uns ein mieses Gefühl. Aufgrund dieser großen Geste arbeiteten wir Kinder, ohne zu murren, den Abwasch des gesamten Wochenendes ab.

Sie hätte nicht verzichten müssen, Papa schaffte genug Geld ran. Aber sie gefiel sich in ihrer Rolle. Sie führte uns an unsichtbaren Fäden in die Gesellschaft ein. Sie lehrte uns so Moral, Neid, Missgunst, aber auch ein Wir-Gefühl, den Blick auf das große Ganze und Pflichtgefühl. Alles, was man braucht. Wir sparten nie mit Lobeshymnen auf ihre Kochkünste.

So wurde ich erwachsen, stellte, wie Mama, meine Kochkünste in den Dienst der Familie. Eingeladene Freunde konnten allerdings sicher sein, es gab nie zu wenig, immer zu viel, so dass als Abschiedsritual den Gästen ein Tupperdöschen überreicht wurde. Viele Jahre vergingen, bis ich merkte, es ist nicht meine Bestimmung, das Leben meiner Mutter nachzuleben. So packte ich meine Koffer und machte mich auf, in ein neues Leben.

Das Leben einer alleinstehenden Frau auf der Suche nach ihrer intellektuellen Identität gefiel mir zunächst ausgesprochen gut. Tagsüber studierte ich, abends saß ich in Kneipen und brachte meine Synapsen mit Hilfe hochprozentigen Alkohols in eine entspannte Stimmung. Alles schien perfekt. Doch plötzlich meldete sich eine Stimme der Einsamkeit in meinem Inneren, ich musste zugeben, mir fehlte etwas, Liebe, eine Beziehung zu einem Mann. So besann ich mich auf meine familiären Talente und kochte. Liebe geht schließlich durch den Magen. Meine Mama hat immer gesagt, willst Du einen glücklichen Mann, koche ihm Rindergulasch, er wird Wachs in deinen Händen sein. Mein Gulasch wurde geliebt, wieso sollte ich dieses Talent nicht nutzen.

Vorausschauend beschrieb ich meine Kochkünste an der Theke und wenn ich mein Profil in Dating Apps erstellte. Und es funktionierte. Hatte ich Kontakt zu einem Mann, kamen wir sehr schnell auf meine Kochkünste zu sprechen und ich lud ihn zum Gulaschessen ein.

Nach dem hochgelobten Essen kam es zum gepflegten Nachtisch, Desserts waren nie meine Stärke, also bot ich mich als süßen Abschluss an. Er blieb meist bis zum Morgen.

Am Mittag war ich wieder einsam, der Verdauungsprozess war beendet. Manche Männer fragten nach weiteren Gulaschdates, die ich nur selten ablehnte.

Eines Tages verabschiedete sich ein Mann, mit dem ich mich schon einige Male getroffen hatte, mit den Worten »Sonntag? Ich freue mich schon sehr auf den Gulasch.«

Ich winkte ihm noch nach, bis er ins Auto stieg und fragte mich in diesem Moment, wo bleibt mein Genuss, ist es das, was ich wollte? Ich kam mir ein wenig vor wie eine Freierin, die ihre Lover mit Gulasch bezahlte, immer in Vorkasse. Der Gulasch im Bauch öffnete nie die Türe zu unseren Gefühlen, er täuschte eine gewisse Wohligkeit vor, vielleicht für den Moment sogar Vertrautheit.

Ich löschte alle Profiltexte und erfand mich nun wirklich neu.

Ich glaube nicht mehr daran, dass Liebe durch den Magen geht. Liebe spürt man im Herzen, Vertrautheit in der Seele und Wohligkeit im Arm eines geliebten Menschen.

Und wenn das alles da ist, dann können wir gemeinsam Gulasch kochen.

Genuss mit Freunden

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