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Ein Abend zu zweit

Andreas Berg

Tiefrot schien das Licht durchs Glas. Brigitte drehte es langsam am Stil und der Farbton glitt durch die Schattierungen. Sie schwenkte den Wein und sog den Geruch ein. Brombeere. Und ja, der schwere Duft humusreicher Erde nach einem Sommerregen. Der Wein floss über ihre Lippen. Eindeutig Brombeere, Kirsche, kaum Säure, wie sie es mochte. Im Abgang kam etwas Johannisbeere hinzu. Schwer und erfrischend zu gleich. Ein großartiger Rotwein für einen Sommerabend. Sie stellte das Glas ab und wand ihre Aufmerksamkeit dem Teller zu.

In der Mitte, mit geschmorten Zwiebeln und Apfelscheiben bedeckt, gebratene Leber. Im Dreieck darum, wie Rosenblätter dekoriert, Kartoffelstampf. In den Lücken dazwischen gedämpftes Gemüse. Sie schob die Zwiebeln beiseite und schnitt ein Stück der Leber ab. In der Mitte hatte helles Braun das Rosa gerade so verdrängt, außen dunkelbraun mit holzkohle- schwarzen Streifen. Die Kruste fühlte sich auf der Zunge hart an, gleichzeitig war das Stück zart und weich. Der erste Bissen vertrieb das leichte Raucharoma.

»Mmmh«, entfuhr es ihr, »ist die gut!«

Sie schnitt direkt ein zweites Stück ab, diesmal mit etwas Apfel, der ebenfalls gegrillt worden war - gerade so lange, dass die Scheibe nicht zerfiel. Im Mund schien sie sich direkt aufzulösen und ihr süßlich-säuerlicher Geschmack verband sich perfekt mit dem herb-trockenen der Leber. Sie schloss die Augen und schmeckte Kindheit. Fast konnte sie ihre Mutter riechen, diese spezielle Mischung aus Gebratenem, frisch gewaschener Wäsche und Cointreau. Die Leber ihrer Jugend hatte den Zähnen mehr Widerstand geboten. Kurz fühlte sie sich wie Gummi an, bevor sie zerfloss. Kein Vergleich zu diesem Genuss hier. Sie öffnete die Augen und atmete ein. Die verschiedenen Gerüche strömten ihr entgegen. Sie entschied sich für ein Stück Blumenkohl. Bissfest und weich zugleich. Blanchiert, nicht gedünstet, wie sie zuerst gedacht hatte. Ja, so kann Blumenkohl schmecken, wenn er nicht in einer Mehlpampe ertränkt oder unter einer Hollandaiseschlotze begraben wurde. Der Broccoli war genauso gut. Ein ganz milder Kohlgeschmack, mit einer Note Spargel. Einfach perfekt.

Sie wand sich wieder dem Hauptdarsteller zu, diesmal mit Apfel und ein wenig Schmorrzwiebeln. Die restlichen Zwiebeln sparte sie auf, um sie unter das Püree zu mischen, wie sie es schon als Kind geliebt hatte. Wobei das hier natürlich kein Püree war. Die Kartoffeln waren von Hand gestampft, leicht und locker, mit einem Stich Butter, etwas Muskat und einem Schuss Milch. Hier zeigte es sich wieder: Wer kochen kann, braucht keine Sahne.

Das letzte Stück Leber bestrich sie mit Kartoffeln, darauf dann Zwiebeln und Apfel. Herrlich! Sie schielte auf Martins Teller hinüber, der unberührt da stand. Eigentlich eine Schande, aber zwei Portionen schaffte sie unmöglich. Zumal es Nachtisch geben sollte, Erdbeercrumble mit Vanilleeis. Der Crumble stand im Ofen, wie sie gesehen hatte.Der Teller am anderen Tischende reizte sie schon. War Martin selbst schuld, dieses Gequassel wie ein Wasserfall. Bei so einem fantastischen Diner. Sie hatte es nicht länger als die Vorspeise ausgehalten. Genuss war die Zwillingsschwester der Ruhe. Das Schöne am gemeinsamen Essen war der geteilte Gaumenkitzel. Reden konnte man beim Kaffee oder am Telefon. So sehr sie Martin mochte, dies dürfte das Ende ihrer Freundschaft sein. Brigitte seufzte und griff nach seinem Teller; nur noch ein bisschen Kartoffelstampf mit Zwiebeln. Sie durfte nachher, bevor sie ging, nicht vergessen, im Bad vorbeizuschauen, um die Fesseln und den Knebel zu lösen.

Genuss mit Freunden

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