Читать книгу Missi Moppel - Detektivin für alle Fälle (2). Die schwebende Teekanne und andere Ungereimtheiten - Andreas H. Schmachtl - Страница 7

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Obwohl es sich bei Mississippi Moppel, kurz Missi, ganz eindeutig um eine Katze handelte, war sie überall in der großen Stadt Animalia bekannt wie ein bunter Hund. Das war an sich noch nichts Besonderes. Denn wie der Name verrät, wohnten in Animalia ausschließlich Tiere. Darunter ein paar recht bemerkenswerte wie Alligatoren, Koalas und sogar Schnabeltiere. Trotzdem war keines so außergewöhnlich wie Missi Moppel – die Meisterdetektivin!

Auf den ersten Blick war das allerdings nicht zu erkennen. Denn als kleines Katzenmädchen spielte Missi wie jedes andere Tierkind auch mit ihren Freunden oder sauste morgens mit ihrem rosafarbenen Roller Ferkel I zur Schule. Sie mochte Gänseblümchen auf ihrer Kleidung. Die Superheldin Miss Blitz fand sie spitzenmäßig. Und noch mehr liebte Missi Bücher. Sie verschlang ganze Berge davon und war Dauergast in der Bibliothek. Dabei war es fast egal, von welchem Thema die Bücher handelten, denn Missi interessierte sich schlichtweg für alles. Am liebsten las sie allerdings Detektivgeschichten.


Missi Moppel hatte jeden Fall studiert, den Miss Marple, Hercules Poirot, Sherlock Holmes und die anderen weltberühmten Buchdetektive jemals gelöst hatten. Sie wusste, wie ihre Helden dachten, wie sie nach Spuren suchten und ihre Schlüsse daraus zogen. Irgendwann hatte Missi begriffen: »Das kann ich auch!«

Und das stimmte. Denn Missi entging keine noch so kleine Kleinigkeit. Sie konnte genau beobachten, sie konnte nicht nur um eine, sondern gleich um mehrere Ecken denken und löste auf diese Weise praktisch ganz von allein alle möglichen Rätsel. Hinzu kam, dass Missi durch die Lektüre unzähliger Bücher über Dinge Bescheid wusste, von denen die meisten ihrer Klassenkameraden noch kein Wort gehört hatten. Und nahm man all diese sehr nützlichen Eigenschaften zusammen, dann konnte man nur zu einem Ergebnis kommen: Missi Moppel war tatsächlich die geborene Detektivin.


Ehrlich gesagt, hatte Missi das schon immer gewusst. Es hatte nur eine Weile gedauert, bis auch alle anderen dahinterkamen. Immerhin waren Missis Eltern berühmte Archäologen und entdeckten immer wieder auf der ganzen Welt aufsehenerregende Altertümer. Missis ältester Bruder Nil spielte Klavier wie Ludwig van Beethoven persönlich, und Ganges war ein Sportass. Die Pingus, also das Schwimmteam ihrer Schule, waren ohne Ganges gar nicht denkbar. Tja, da konnte man schon leicht mal übersehen, dass die eigene Schwester oder Tochter ebenfalls ein ganz besonderes Talent hatte. Vor allem dann, wenn es sich um die kleine Schwester oder Tochter handelte. Aber spätestens seit Missi vor einiger Zeit das Rätsel um den sagenhaften und gleich mehrfach verschwundenen Wunderpott gelöst hatte, dämmerte den Moppels, was sie an ihr hatten. Als Missi dann noch das geheimnisvolle Turmzimmer in ihrem eigenen Haus aufspürte, waren wenigstens Nil und Ganges von Missis Talent absolut überzeugt. Ja, und als Missi schließlich auch noch Piniolis Milchshakes und damit die Spezialität der Schulcafeteria rettete, hatte jeder an Missis Schule, vielleicht sogar ganz Animalia begriffen, was eigentlich schon am Anfang dieses Kapitels feststand.


Nämlich dass Missi Moppel eine Meisterdetektivin war, an die man sich jederzeit mit den kniffligsten Fällen wenden konnte. Und immer mehr Leute taten das auch.


Die Moppels wohnten in der Straße direkt hinter dem Stadtpark. Praktischerweise hieß diese Straße auch so, nämlich Am Stadtpark. Die Häuser in diesem Teil Animalias waren schon alt und vor allem riesig. Niemand würde heute noch derartig große Häuser bauen, um mit nur einer einzigen Familie oder womöglich ganz allein darin zu wohnen. Aber damals wollten die Leute es wohl so haben. Die Fassaden zierten geschwungene Türstöcke und Fenstersimse. An manchen Häusern prangten sogar Figuren, die mal freundlich, mal mürrisch auf die Vorübergehenden herunterblickten. Hinter nicht weniger verschnörkelten Eisenzäunen warteten adrett gepflegte Vorgärten darauf, seufzend bewundert zu werden. Sogar die Straßenlaternen hatten es irgendwie geschafft, sich über die Jahre zu retten, ohne durch neuere Exemplare ersetzt zu werden. Und so wirkte die holperige Kopfsteinpflasterstraße, als wäre man plötzlich und unversehens in eine längst vergangene Zeit gestolpert. Da durfte es vielleicht nicht verwundern, dass Herr und Frau Moppel sich auf der Stelle in das alte Haus verliebt hatten, als sie es vor ein paar Jahren kauften. Vor allem, da sie sich als Altertumsforscher am allerliebsten mit vergangenen Zeiten beschäftigten.

Missi ging es nicht anders. Auch sie wohnte nur allzu gerne in diesem Haus. Sie liebte es, dass es gleich zwei Treppen hinauf zu den oberen Stockwerken gab, sie mochte die alte Holzvertäfelung an den Wänden, die Buntglasscheiben in der Haustür, die großen Leuchter und die Bodenfliesen im Schachbrettmuster. Auf den düsteren Keller hätte Missi gut verzichten können. Aber den Rest des über und über verwinkelten Gemäuers liebte Missi bis unters Dach. Oder besser gesagt, bis unter die Dächer. Denn davon gab es gleich mehrere. Und auch sie waren so kunstvoll ineinander verschachtelt, dass sich manchmal sogar die Tauben darauf verliefen.

Nil und Ganges mochten das Haus natürlich ebenfalls. Immerhin war es ja ihr Zuhause. Aber sie hatten eben nicht Missis besondere Begabung. Darum hörten sie zwar hier eine Tür quietschen und dort eine Stufe knarren. Doch für Missi war es, als würde das alte Haus ihr seine Geheimnisse anvertrauen. Und Missi war schlau genug, in solchen Augenblicken sehr genau zuzuhören.


Nur auf diese Weise war es dazu gekommen, dass Missi eines Tages das sagenumwobene Turmzimmer in ihrem Haus entdeckte. Natürlich kannten alle Moppels das hübsche Türmchen auf einem der Dächer. Nur hatten sie trotz aller Anstrengung keinen Zugang finden können und darum angenommen, es diene wohl ausschließlich der Zierde. Doch irgendwann entdeckte Missi den geheimen Zugang: Man musste dazu nämlich durch die Rückseite des Wandschranks im Gästezimmer schlüpfen. Nil und Ganges waren natürlich begeistert über Missis Entdeckung gewesen, und so erklärten die drei Geschwister das geheime Turmzimmer zu ihrem Clubraum, ihrer Zentrale. Hier oben verwahrte Missi übrigens auch die Unterlagen zu ihren Fällen.


Immerhin waren recht brisante Vorfälle darunter. Und Informationen, die nun wirklich nicht in die falschen Hände geraten durften.

Gleich unter dem Turmzimmer lag Missis Zimmer. Und wenn man sie fragte, war das einer der schönsten Plätze der Stadt. Ach – der ganzen Welt.

Missis Bett stand unter der Dachschräge. So konnte sie hören, wie der Wind über das Dach strich und die Pfannen klappern ließ. Wenn die Tauben morgens auf dem Außensims umherspazierten, hörte Missi das ebenfalls und klopfte gegen die Schräge, um höflich zu grüßen. Der Schreibtisch stand mitten im Raum, damit das Licht vom Fenster direkt darauffiel. Womöglich war das Fenster sogar das Schönste an Missis Zimmer. Es war sehr hoch und lief in altertümlicher Weise oben spitz zu. So wie man es in alten Kirchen sehen kann. Die Wände waren dick. Darum war die sogenannte Fensterleibung tief genug, um einer gepolsterten Fensterbank Platz zu bieten. Und hier konnte Missi zwischen haufenweisen Kissen ganze Nachmittage damit zubringen, in ihre Bücher einzutauchen, gebannt irgendwelche Abenteuer zu erleben oder beispielsweise jedes spannende Detail über die Entstehung von Wolken zu studieren. Man konnte ja nicht wissen, wann diese Kenntnisse einmal nützlich sein würden. Und auf dieser Fensterbank saß Missi auch, als der denkwürdige Fall des alten Knochens seinen Anfang nahm.


Nach einem enorm heißen und, ehrlich gesagt, viel zu trockenen Sommer war der Himmel an diesem Tag zum ersten Mal wieder mit dichten Wolken bedeckt, aus denen dicke Regentropfen herabfielen. Auch wenn viele ihrer Freunde es anders sahen, mochte Missi dieses Wetter. Und sie sah zu, wie die Tropfen einander die Scheiben hinabscheuchten. Sie musste nicht lauschen, denn ihren spitzen Katzenohren entging ohnehin kein Laut. Jetzt würde es nicht mehr lange dauern, und das Regenwasser würde über die Dachpfannen in die Dachrinne laufen. Diese verlief direkt über Missis Fenster und verursachte ein wohlvertrautes Gurgeln und Murmeln. Beinahe wie ein kleiner Bach. Als Nächstes sollte das Wasser die Dachrinne entlang weiterfließen, im Fallrohr verschwinden und auf diese Weise fortgeleitet werden. Auch das Fallrohr hatte einen besonderen Klang. Es hörte sich fast wie Geplapper an. Und Missi grinste bei dem Gedanken, dass ihre Kaninchen-Freundin Dotti sich ganz ähnlich anhörte. Das war Missi sofort aufgefallen, als Dotti Fröhlich und ihre Mutter nach Animalia gezogen waren. Das war übrigens noch gar nicht so furchtbar lange her.


Missi horchte. Sie wartete auf das Geplapper. Doch das kam nicht. Stattdessen hörte sie Ganges, der vom Fuße der Treppe »Überschwemmung!« heraufbrüllte.

Sofort sausten Missi und Nil aus ihren Zimmern die vordere Treppe hinab, durch die kleine Eingangshalle und hinaus in den Vorgarten, wo Ganges stand und zur Dachrinne hinaufdeutete. Er hatte nicht übertrieben. Das Regenwasser ergoss sich in voller Breite über den Rand der Dachrinne und rauschte wie ein Wasserfall in die Tiefe. Genau auf die Blumenbeete. Die trotz der langen Trockenheit solche Wassermengen nicht wirklich gut vertrugen. Und es wurde immer schlimmer. Denn erstens nahm der Regen deutlich zu. Und zweitens schienen die bleischweren Wolken noch jede Menge davon loswerden zu wollen.


Missi musste ihre Augen zu schmalen Schlitzen zusammenkneifen, um bei all den Tropfen überhaupt hinaufschauen zu können. Doch das hinderte sie nicht, die Dachrinne genau zu beobachten. Im Gegenteil! Sie lauschte und stellte fest, dass das Fallrohr noch immer nicht plapperte. Also lief auch kein Wasser hindurch. Und deshalb wiederum strömte besagtes Wasser auch über den Rand der Dachrinne.

»Echt interessant«, murmelte Missi halblaut. Nil und Ganges blickten sie erwartungsvoll an. Denn genau das sagte Missi immer dann, wenn sie eine heiße Spur entdeckt hatte. Als sie den Blick ihrer Brüder bemerkte, erklärte Missi: »Offenbar fließt das Regenwasser nicht durch das Fallrohr. Also muss irgendetwas das Rohr verstopfen.«

»Vielleicht ein paar alte Blätter?«, mutmaßte Ganges. Aber Nil entgegnete: »Kann nicht sein. Papa hat die Dachrinne erst neulich ausgefegt.«

»Am besten sehen wir mal nach«, verkündete Missi. Nil riss die Augen auf und rief: »Bist du wahnsinnig? Wir können doch nicht auf dem Dach herumklettern!«

»Das hatte ich auch nicht vor«, antwortete Missi. »Aber wir könnten aus der Dachluke schauen. Von da aus guckt man direkt in das Fallrohr.«

»Kann sein«, sagte Ganges. »Aber die Luke ist viel zu klein. Wir drei passen da nicht hindurch.«

»Wir nicht«, antwortete Missi. »Aber Piwi.«


Missi Moppel - Detektivin für alle Fälle (2). Die schwebende Teekanne und andere Ungereimtheiten

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