Читать книгу Auf dem Bauernhof - Andreas Jaun - Страница 8

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Naturlandschaft oder Kulturlandschaft?

Es gibt vermutlich nur wenige Berufe, die so nahe und so abhängig von der Natur sind wie der des (traditionellen) Bauern. Kenntnisse über die Einflüsse von Klima, Witterung, Bodenbeschaffenheit und die Ansprüche der Nutzpflanzen und -tiere erfordern ein gründliches Verständnis von ökologischen Zusammenhängen und Lebenszyklen. Im Gegensatz zu vielen modernen und stark spezialisierten Betrieben sind traditionell bewirtschaftete Bauernhöfe noch weitgehend autonom und können ihre Erzeugnisse weitgehend ohne zugekaufte Stoffe wie Dünger oder Futtermittel produzieren. Die Erfahrung sowie das angesammelte und tradierte Wissen führten über Jahrhunderte zu einer meist nachhaltigen und langfristig funktionierenden Landwirtschaft, in der auch Wildtiere ihren Platz fanden. Eine großflächige und intensive Bewirtschaftung, wie wir sie heute vielerorts kennen, war aber über lange Zeit auch gar nicht möglich, da das Bauern zu einem großen Teil anstrengende Handarbeit war und daher nur begrenzte Intensität zuließ und auf relativ kleinen Flächen betrieben wurde. Zudem war vermutlich auch die Bedeutung einiger Wildtiere bei der Schädlingsbekämpfung schon lange bekannt, sodass auch Strukturen und Lebensräume dieser Nützlinge erhalten wurden. Das Resultat dieser Wirtschaftsweise war die Schaffung kleinräumiger Strukturen von Feldern, Brachen, Hecken und Bäumen, die eine relativ große Artenvielfalt im Kulturland zur Folge hatten. Entsprechend können in solchem Kulturland auf relativ kleinem Raum Bewohner mit ganz unterschiedlichen Ansprüchen beobachtet werden. So muss man manchmal nicht weit gehen, um nach einer Beobachtung von Wald- oder Waldrandarten, wie dem Grünspecht, typische Offenlandarten wie die Feldlerche zu beobachten.

«Ein unbekanntes Reich»

«Ökologie und Landwirtschaft»

«Vögel in der Kulturlandschaft.»


Mähwiesen und natürliche Lebensräume, wie diese Moorlandschaft im Hintergrund, liegen manchmal nahe nebeneinander.


Regelmäßig überschwemmtes Kulturland weist oft auf ehemalige Feuchtgebiete hin.

Prächtige, vielfältige Hecken, schöne Blumenwiesen und Weideflächen und Baumreihen sind nur in den seltensten Fällen natürlich entstandene Lebensräume. Man ist sich oft nicht bewusst, dass diese Landschaftselemente erst durch die menschliche Nutzung geschaffen wurden. Auch viele Wälder, die doch eigentlich als typische Naturlebensräume gelten, sind kaum natürliche Lebensräume im eigentlichen Sinne: Durch die jahrhundertlange forstwirtschaftliche Nutzung sind auch sie stark vom Menschen geprägt und haben sich zu eigentlichen «Wirtschaftswäldern» entwickelt. Dennoch bilden sie für zahlreiche Arten Lebensräume, sie können dort oft beobachtet werden.

Feldlerche


Auch in der seit vielen Jahrhunderten gestalteten Kulturlandschaft sind noch Hinweise auf den ursprünglichen Zustand der Landschaft zu finden. So zeigen beispielsweise unregelmäßig geschwungene, von Bäumen gesäumte Linien ursprüngliche Gewässerläufe an (z. B. links im Vordergrund).

Eine kurze Geschichte der Landwirtschaft

Während unzähligen Jahrtausenden lebten die modernen Menschen und ihre Vorfahren als Jäger und Sammler. Dann, vor vermutlich etwas mehr als 12 000 Jahren, kam es zu einer epochalen Veränderung ihrer Lebensweise. In der sogenannten neolithischen Revolution, die während der Jungsteinzeit stattfand, entdeckte der Mensch die Landwirtschaft. Daraufhin entwickelte sich erstmals eine landwirtschaftliche Produktion mit Ackerbau und Viehzucht. Voraussetzung dafür war natürlich eine sesshafte Lebensweise und die Entstehung von festen, langjährig benutzten Siedlungsplätzen. Wo und wann genau diese Entwicklung einsetzte ist noch nicht abschließend geklärt. Aktuelle Theorien gehen jedoch davon aus, dass der Ackerbau in drei verschiedenen Weltregionen unabhängig voneinander entwickelt wurde: im Nahen Osten, im Fernen Osten (Südchina) und in Mittelamerika.

«Die Kuh, das unbekannte Wesen»

Hausrind

Schafe

Schwein

Die Sesshaftigkeit und die landwirtschaftliche Produktion führten im Umfeld der Siedlungen auch zu einer bis anhin unbekannten Veränderung der Naturlandschaft. Zu dieser Zeit war die Weltbevölkerung aber noch sehr klein. Zudem hatten von den damals lebenden Menschen auch bei Weitem nicht alle bereits den neuen, sesshaften Lebensstil übernommen, viele lebten und ernährten sich weiterhin als Jäger und Sammler. Die Umgestaltung der Naturlandschaft hielt sich daher noch lange Zeit in engen Grenzen. Es kann aber angenommen werden, dass schon damals gewisse Pflanzen- und Tierarten von den durch Menschen neu geschaffenen Lebensräumen profitierten. Eine Folge davon war, dass einige Tierarten ihr Verhalten an die neuen Gegebenheiten anzupassen begannen – so entwickelten sich die ersten Kulturfolger.

Fuchs

Die Handarbeit mit einfachen Werkzeugen und die kleinen Betriebe ermöglichten noch während langer Zeit keine großflächigen Nutzungen und hatten daher eine kleinräumige und vielfältige Kulturlandschaft zur Folge. Dadurch entstand auf kleinstem Raum ein Mosaik aus Ackerflächen, Weiden, Wiesen und Hecken. Als Folge davon konnten auch viele Pflanzen- und Tierarten mit ganz unterschiedlichen Ansprüchen auf vergleichsweise kleinen Flächen leben.

«Lebensräume auf dem Bauernhof»

Für Lebensräume wie Wälder, Gebirgslandschaften, Feuchtgebiete und andere, für die Besiedlung anspruchsvollere Gelände blieb die neue Sesshaftigkeit des Menschen lange Zeit ohne größere Auswirkungen; und daran änderte sich auch trotz des stetigen Bevölkerungswachstums während vieler Jahrtausende nur wenig. Erst mit den groß angelegten Entwässerungsmaßnahmen in Feuchtgebieten und der Mechanisierung der Landwirtschaft gegen Ende des 19. Jahrhunderts fand zumindest in den Industriestaaten eine Trendwende statt. Dramatische Auswirkungen hatten insbesondere der zunehmend flächendeckende Einsatz von mineralischen Düngern und chemischen Pflanzenhilfsstoffen, weil er – nebst einer immensen Produktivitätssteigerung – die mechanische Bewirtschaftung größerer Flächen begünstigte und in der Folge die «störenden» und «ineffizienten» naturnahe Strukturen (Hecken, Einzelbäume etc.) verdrängt wurden. Dies hatte zur Folge, dass die Kulturlandschaft immer strukturärmer und monotoner wurde.

Hecke im Jahreslauf


Kleinräumige und strukturreiche Kulturlandschaften beherbergen oft eine große Artenvielfalt.


Im intensiv genutzten Landwirtschaftsgebiet fehlen naturnahe Strukturen. Sie bieten daher ihren ursprünglichen Bewohnern – Feldlerchen, Neuntötern oder Feldhasen – keinen Lebensraum mehr.

Heutige Kunstwiesen sind im Vergleich zu traditionellen, blumenreichen Heuwiesen viel ertragreicher, weisen aber nur noch sehr wenige Tier- und Pflanzenarten auf. Da die Artenvielfalt in Europa auch durch die Siedlungsentwicklung, durch Verkehr, Industrie und Freizeitaktivitäten sehr stark unter Druck geraten ist, mussten in den letzten Jahrzehnten zunehmend Gegenmaßnahmen getroffen werden. Als wichtiges Standbein zur Erhaltung und Förderung der Artenvielfalt wurden von der Landwirtschaft ökologische Maßnahmen gefordert. Der Bezug von Subventionen wurde an ökologische Auflagen geknüpft, und vielerorts werden nun wertvolle Strukturen und artenreiche Flächen mit namhaften Beträgen der öffentlichen Hand gefördert.

«Ökologie und Landwirtschaft»

Fragen

Wieso hatte schon die frühe, räumlich sehr beschränkte Landwirtschaft Auswirkungen auf die Artenvielfalt?

Antwort

Aus Wildarten werden Nutzarten

Auf die Frage, welche Arten auf und um den Bauernhof leben, werden meistens fast ausschließlich Nutztiere genannt: Welches Kind kennt sie nicht, die Rinder, Schweine, Schafe, Ziegen, Hühner, Hunde und Katzen? Diese Nutz- oder Haustierrassen sind auf vielen Höfen anzutreffen, wobei es auch Betriebe ohne Nutztierhaltung gibt. Neben den Nutztieren prägen vor allem die Nutzpflanzen, auch Kulturpflanzen genannt, die Bauernhoflandschaft. Die verschiedenen Getreidesorten, Gemüse und Früchte, aber auch das Grünfutter für die Nutztiere sind wichtige landwirtschaftliche Produkte, die direkt oder indirekt zu Grundnahrungsmitteln verarbeitet werden. Bei allen diesen Pflanzen und Tieren handelt es sich aber nicht um ursprüngliche Arten (sogenannte Wildarten), sondern um Züchtungen, die aber auf Wildpflanzen- resp. Wildtierarten basieren. Diese wurden teilweise über Jahrtausende gezüchtet. So wurden beispielsweise aus dem Wilden Weizen (Triticum boeoticum) und dem Wilden Emmer (Triticum dicoccoides) die modernen Weizensorten gewonnen; und die Wildziege (Capra aegagrus), von der noch heute im asiatischen Raum mehrere Unterarten leben, ist die «Ursprungsart» unserer Hausziege. Die «Ursprungsart» unserer Rinder kann hingegen heute nicht mehr beobachtet werden: der Eurasische Auerochse (Bos primigenius), ist vermutlich im Laufe des 17. Jahrhunderts ausgestorben.

«Die Kuh, das unbekannte Wesen»

Ziege

Auerochse


Schottische Hochlandrinder sind außerordentlich robust und genügsam.


Pferde sind bereits seit langer Zeit Begleiter des Menschen. Die heutigen Rassen stammen vom Wildpferd ab. Das Przewalski-Pferd (Equus ferus przewalski) ist die einzige heute noch existierende Unterart des Wildpferdes (nicht im Bild).

Die Domestizierung von Wildtieren begann vermutlich schon lange bevor die Menschen sesshaft wurden und damit anfingen, Landwirtschaft zu betreiben. So sind beispielsweise die frühesten Nachweise des Zusammenlebens von Mensch und Hund schon mehr als 20 000 Jahre alt – also rund 8000 Jahre älter als die Neolithische Revolution, mit der das sesshafte Leben der Menschen ja seinen Anfang nahm. Genetische Untersuchungen und archäologische Funde ergaben, dass sich der Hund wahrscheinlich schon vor deutlich mehr als 30 000 Jahren von seiner Wildform, dem Wolf (Canis lupus), getrennt hat. Die frühe Domestizierung des Wolfes dürfte aber eine Ausnahme sein. Die anderen Haus- und Nutztierarten wurden höchstwahrscheinlich erst mit der Sesshaftigkeit des Menschen domestiziert und gezüchtet.

«Das Haushuhn»

Zucht – was ist das?


Auch unter den Nutzpflanzen gibt es eine große Vielfalt an Züchtungen.

Alle Individuen einer Art sind sich in vielen Hinsichten sehr ähnlich und können fruchtbare Nachkommen miteinander zeugen. Trotz ihrer Ähnlichkeit gibt es aber stets auch viele Eigenschaften, in denen sie sich voneinander unterscheiden; so zum Beispiel bezüglich äußerlicher Merkmale wie Größe, Farbe und Proportionen oder bezüglich «versteckter», innerer Merkmale wie Stoffwechselvorgänge oder genetische Besonderheiten. Die Letzteren können beispielsweise entstehen, wenn sich das Erbgut bei der Bildung von Eizellen oder Spermien verändert (= mutiert). Solche Mutationen müssen aber nicht unbedingt Auswirkungen auf das Leben der Nachkommen haben, da es unter den Mutationen auch sogenannte neutrale Mutationen gibt, die absolut wirkungslos sind. Andere Mutationen hingegen haben entweder positive oder aber negative Auswirkungen. Negative Auswirkungen äußern sich entweder tödlich oder durch einen geringeren oder sogar ausbleibenden Fortpflanzungserfolg und werden daher durch die Evolution rasch wieder wegselektioniert. Bei sich ändernden Umweltbedingungen können aber bis anhin neutrale Merkmale sich unter Umständen plötzlich als vorteilhaft erweisen und daher erfolgreich weitervererbt werden.


Dass es bei Pflanzen und Tieren die eben beschriebenen individuellen Unterschiede gibt, ist den Menschen schon früh aufgefallen. Es dauerte nicht lange, bis man versuchte, nützliche Eigenschaften entsprechend zu fördern. Die dabei entstandene Zucht beruht auf der gezielten Auswahl von Tieren (resp. Pflanzen), deren erwünschte Eigenschaften man zu verstärken (oder erhalten) suchte, indem man eine Paarung nur zwischen jenen Tieren zuließ, die diese Eigenschaften aufwiesen. Diese Auslesezüchtung ist aber nicht die einzige bekannte Zuchtform. Daneben gibt es auch die Kombinationszüchtung, die dann zur Anwendung kommt, wenn bei einer Tier- oder Pflanzenart mehrere erwünschte Eigenschaften gefördert werden sollen, diese aber auf mehrere Individuen verteilt sind.

Während langer Zeit beruhte die Züchtung nur auf Beobachtungen, Erfahrungen und Versuchen. Durch gezielte Experimente mit Kreuzungsversuchen an Erbsen begann der Priester und Naturforscher Johann Gregor Mendel im Jahr 1854 das Ganze auch wissenschaftlich zu untersuchen. Die nach ihm benannten «mendelschen Regeln» der Vererbung können als Beginn der Genetik (Vererbungslehre) bezeichnet werden.

Beobachtungstipp

Versuchen Sie bei Ihrem nächsten Besuch auf einem Bauernhof zwischen Wild- und Kulturarten zu unterscheiden. Bei den Tieren ist dies nicht besonders schwer, aber können Sie auch bei den Pflanzen sicher unterscheiden?

Frage

Wieso reicht in der Tierzucht die Auslesezüchtung in vielen Fällen nicht, um die gewünschten Resultate zu erzielen?

Antwort

Von der Selbstversorgung bis zur industriellen Produktion von Nahrungsmitteln

Noch heute sind weltweit über 80 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe kleinbäuerlicher Art. Diese meist in Afrika und Asien gelegenen Betriebe bewirtschaften oft kaum mehr als ca. 2 Hektaren Land, sind aber für rund 60 Prozent der weltweiten Nahrungsmittelproduktion verantwortlich. Viele von ihnen produzieren zudem in erster Linie für die Selbstversorgung. Dabei sind es oft die schlechteren Böden oder Standorte mit Wasserknappheit, die von Kleinbauern bewirtschaftet werden. Große Betriebe sind in der Regel vermögender und können daher die besseren und fruchtbareren Böden nutzen. Sie produzieren Nahrungsmittel für den Verkauf auf lokalen oder globalen Märkten.

«Ein unbekanntes Reich»


Mutterkuhhaltung


In extremen Steillagen ist schon aufgrund der Erosion kaum an Ackerbau zu denken.

Während in den sogenannten Entwicklungsländern die durchschnittliche Betriebsgröße kaum wächst oder sogar abnimmt, ist in den Industriestaaten das Gegenteil zu beobachten: Zwar nimmt die Anzahl der Bauernbetriebe beständig ab, diejenigen, die übrig bleiben, werden jedoch immer größer. Dieses Phänomen ist unter anderem eine Folge des immer stärkeren Drucks zu effizienter und kostengünstiger Produktion. Um diesem Folge zu leisten, findet daher auch eine immer stärkere Spezialisierung auf einzelne Produkte statt. Während sich früher Bauernbetriebe durch ein breites Spektrum an produzierten Nahrungsmitteln auszeichneten, beschränken sich Großbetriebe in Industrie- und Schwellenländern heute oft nur noch auf bestimmte Produkte (z. B. Mais, Weizen oder Soja). Der Verkauf dieser Produkte findet meist nicht mehr an Endkunden statt, sondern an die Nahrungsmittelindustrie oder Großverteiler, welche die Produkte weiterverarbeiten («veredeln») oder vertreiben. Zudem sind im Nahrungsmittelsektor immer mehr auch reine Spekulanten am Werk.

«Erntezeit und Reife»

Die Spezialisierung, der Einsatz von Düngemittel und Chemikalien, der Einsatz von Hochleistungssorten und teilweise mit genetisch veränderten Pflanzen haben wohl große Ertragssteigerungen ermöglicht, aber zu welchem Preis? Landwirtschaft ist durch diese Entwicklung immer mehr zu einer industrieähnlichen Wirtschaftsform geworden; und sie hat dadurch teilweise hochproblematische Züge erhalten. Ein Beispiel: Noch immer werden weltweit neue Agrarchemikalien ausprobiert, ohne dass deren Auswirkungen zuvor ausreichend und vor allem auch langfristig abgeklärt werden. Es ist daher damit zu rechnen, dass solche Stoffe ungeahnte Folgen für Natur und Mensch haben können, ähnlich wie dies beim heute vielerorts verbotenen DDT der Fall war.

«Eine kurze Geschichte der Landwirtschaft»


Industrielle Ernte von Getreide

Gerade in Industrieländern wird die industrienahe Form der Landwirtschaft aber auch zunehmend infrage gestellt: Viele Konsumenten wünschen einen direkten Kontakt zu den Produzenten, wünschen sich Nahrungsmittel, die aus ihrer Umgebung kommen und möchten – aufgeschreckt durch zahlreiche Lebensmittelskandale oder durch Berichte über problematische Masttierhaltungen – genau wissen, wie ihre Früchte, Gemüse und Fleischwaren produziert worden sind. Diese Entwicklung bietet gerade auch in Mitteleuropa kleinen Bauernbetrieben eine interessante Zukunftsperspektive.

Schweine

Beobachtungstipp

Wenn Sie auf dem Bauernhof möglichst viel entdecken und erleben wollen, empfiehlt es sich, einen geeigneten Betrieb auszusuchen. Eher kleine, möglichst traditionelle Betriebe, die wie biologisch geführte Höfe mit lokalen Stoffkreisläufen funktionieren, bieten meist eine deutlich größere Vielfalt und daher interessante Beobachtungsmöglichkeiten. Oftmals werden hier auch Strukturen wie Hecken als Lebensraum für Wildtiere erhalten oder gefördert.


Blumenreiche Magerwiesen können nur bei extensiver Nutzung erhalten werden.


Extensiv genutzte Weide an einem Trockenstandort

Lebensräume auf und um den Bauernhof

Auf Bauernhöfen und dem dazugehörenden Land können je nach Lage, Größe und Bewirtschaftungsweise viele verschiedene naturnahe oder sonst wie ökologisch wertvolle Lebensraumtypen angetroffen werden. Die folgenden Lebensraumtypen und Strukturen sind für eine große Artenvielfalt in unserer Kulturlandschaft wichtig und ermöglichen somit auch spannende Entdeckungen:

Extensiv genutzte Wiesen

Das klassische Bild der blütenreichen und farbigen Wiesen ist auf den meisten Bauernhöfen nur noch sehr selten anzutreffen. Wenn Wiesen möglichst viel Ertrag liefern sollen und entsprechend mehrmals jährlich genutzt werden, müssen sie auch gedüngt werden. Unter diesen großflächigen Nährstoffzugaben setzen sich rasch gewisse dominante Arten durch. Viele Arten, die sich über Samen verbreiten, bleiben dabei auf der Strecke.

«Bestäuber und Honigproduzenten»

Vielerorts wurden ertragreiche Wiesen auch speziell mit dazu geeigneten Arten angesät. Solche Kunstwiesen liefern zwar die erwarteten guten Erträge. Aus ökologischer Sicht sind sie aber leider weitgehend wertlos: Es fehlt ihnen nicht nur die Vielfalt an verschiedenen Gräsern und Krautpflanzen, auch die intensive Nutzung verhindert die dauerhafte Besiedlung und Fortpflanzung vieler Wiesenbewohner.

Gräser


Greifvögel, wie dieser Schwarzmilan, suchen auf den frisch gepflügten Ackerflächen gerne nach Nahrung.

Die schönen und vielfältigen Wiesen sind aber noch nicht überall verschwunden. In Berglagen und steilen oder schlecht zu nutzenden Stellen sind sie noch häufiger anzutreffen. Solche Flächen werden praktisch nicht gedüngt, sind wenig wüchsig und werden oft erst spät gemäht. Dies alles sind optimale Bedingungen für viele, ansonsten selten gewordene Wiesenbewohner. Heuschrecken, Schmetterlinge, Käfer, Wanzen und Bienen finden hier Nahrung, Verstecke und Eiablageplätze resp. Neststandorte. Auch Wiesenbrüter wie die Feldlerche (Alauda arvensis) oder das Braunkehlchen (Saxicola rubetra) können durch die Erhaltung von extensiv genutzten Wiesen gefördert werden.

«Vögel der Kulturlandschaft»

Im Zusammenhang mit den vielerorts geforderten ökologischen Maßnahmen in der Landwirtschaft werden Wiesen heute vermehrt wieder extensiviert. Oftmals erfolgen diese Aufwertungsmaßnahmen aber nicht aus Überzeugung der Bauern, sondern aus wirtschaftlichen Überlegungen: Vielerorts werden solche Maßnahmen zugunsten der Biodiversität staatlich subventioniert.

Braunkehlchen

Extensiv genutzte Weiden

Die dort wachsende Vegetation wird aber vorwiegend von den Nutztieren abgeweidet, insbesondere von Rindern und Schafen, in geringerem Umfang auch von Ziegen, Pferden und Schweinen. Weiden in der Nähe des Hofes dienen auch als Auslaufflächen und werden somit meistens das ganze Jahr über genutzt. Entsprechend intensiv genutzt und «abgefressen» präsentieren sie sich. Einzig um allfällige Strukturen wie Gehölze oder Asthaufen oder im Bereich der Kuhfladen ist die Vegetation etwas üppiger. Abgesehen von diesen «Inseln» ist auf solchen Dauerweiden also nicht mit einer großen Vielfalt an Tieren und Pflanzen zu rechnen.

«Aus Wildarten werden Nutzarten»

Pferd

Viele Weideflächen werden jedoch nur zu bestimmten Zeiten genutzt. Dies trifft natürlich in erster Linie auf die alpinen Weiden in den Gebirgsregionen zu (die sogenannten Sömmerungsweiden), die oft nur extensiv genutzt werden. Man kann solche extensiv genutzten Weiden aber auch in tieferen Lagen antreffen. Im Gegensatz zu «normalen» Weiden zeichnen sie sich durch eine Unternutzung und hohe Strukturvielfalt aus, das heißt, es wird nicht alles abgefressen, und Gebüsche und Kleinstrukturen bleiben erhalten. Dieser Zustand wird erreicht, indem nur wenige Tiere auf großer Fläche gehalten werden oder indem die Tiere auf einer Weide nur während kurzer Zeit weiden gelassen werden. Wenn die ungenutzte Vegetation nicht gemäht wird und somit auch einzelne Bäume und Sträucher aufkommen können, haben sie ein großes Potenzial für eine erstaunliche Artenvielfalt: Dieses Mosaik aus kurzer und hoher, blühender Vegetation, von offenen Bodenstellen im Bereich oft begangener Trampelpfade und von Gehölzstrukturen bietet zahlreiche ökologische Nischen. Die extensive Beweidung wird immer mehr auch bei der Pflege von Naturschutzflächen eingesetzt.

«Ökologie und Landwirtschaft»

Die durch Trittschäden entstanden Ruderalstandorte können unter Umständen von seltenen Pionierarten besiedelt werden, die sonst im Dauergrünland fehlen würden. An feuchten Stellen mit Kuhtritten können manchmal sogar Amphibien wie die Gelbbauchunke (Bombina variegata) vorkommen.

«Die Kuh, das unbekannte Wesen»

Acker und Ackerrandflächen

Die Ackerbauflächen sind immer und eindeutig als landwirtschaftliche Nutzflächen zu erkennen. Sie werden aber kaum je mit Lebensräumen für Wildtiere in Verbindung gebracht. Zu gewissen Jahreszeiten, zum Beispiel im Frühling oder nach der Ernte im Sommer oder Herbst, können die offenen Bodenflächen für verschiedene Arten durchaus attraktiv wirken: Im Boden nach Nahrung stochernde Vögel, wie beispielsweise Watvögel, machen auf solchen Flächen gerne Rast. Manchmal versuchen sie dort sogar zu brüten. Die offenen oder nur spärlich bewachsenen Ackerflächen sind für verschiedene wirbellose Bewohner der Bodenoberfläche (z. B. Spinnen oder Laufkäfer) gut geeignete Lebensräume. In feuchten, mit Wasser gefüllten Rinnen können sich auch gewisse Pionierarten unter den Amphibien wohlfühlen. Im Zusammenhang mit ökologischen Maßnahmen, werden zuweilen Ackerrandbereiche ausgeschieden. Auf ihnen entwickelt sich die sogenannte Ackerbegleitflora, die erstaunlich vielfältig sein kann. Oftmals werden auch entsprechende Mischungen gezielt angesät.

«Vögel der Kulturlandschaft»

Laubfrosch


Buntbrachen werden manchmal auch als ökologische Ausgleichsflächen angelegt.

Brachen

Landwirtschaftlichen Böden werden durch den Ackerbau viele Nährstoffe entzogen. Auch die Bodenstruktur und die Bodenlebewesen werden durch die Bearbeitung mit dem Pflug beeinträchtigt. Vor der Einführung von mineralischem Dünger in jüngerer Zeit erfolgte daher die Bewirtschaftung in einem Dreijahreszyklus (Dreifelderwirtschaft), damit sich der Boden jeweils wieder regenerieren konnte. Dieser Dreijahreszyklus legte fest, dass auf zwei Jahre Ackerbau ein Jahr ohne Nutzung folgen muss. In diesem Jahr lag der Acker also brach.

Auch heute werden Ackerflächen nicht ohne Unterbruch oder Fruchtwechsel bewirtschaftet, obwohl der Nährstoffverbrauch mit dem Einsatz von Dünger nicht mehr die gleiche bedeutende Rolle spielt, wie er dies früher tat. Die Unterbrüche erfolgen oft in Form von Grünlandnutzungen und Gründüngung mit Schmetterlingsblütlern. Auf «richtigen» Brachen, auf denen keine solche Gründüngung stattfindet, entsteht oft eine spontane, vielfältige Pflanzengemeinschaft aus Ackerbegleitkräutern. Hier finden nicht nur wirbellose Blütenbesucher ihre Nahrung. Auch Vögel können von den vielen Insektenarten profitieren oder die Sämereien als Winternahrung nutzen. Allerdings wachsen dort auch oft ungeliebte «Ackerunkräuter», wie beispielswiese die Acker-Kratzdistel (Cirsium arvense). Im Zusammenhang mit ökologischen Maßnahmen in der Landwirtschaft werden auch gezielt mehrjährige artenreiche Brachen angesät. Diese Flächen werden gebietsweise auch als Bunt- oder Rotationsbrachen bezeichnet.

«Die Vielfalt der Zweiflügler»


Blühende Brache


Bis neu gepflanzte Feldbäume groß und ökologisch wertvoll werden, dauert es viele Jahre.

Obstgärten und Streuobstwiesen

Die traditionelle Form der Obstproduktion sind die Hochstammobstgärten oder Streuobstwiesen. Diese sind charakterisiert durch einen lockeren Bestand von Hochstammobstbäumen, mit einer geringfügigen Nutzung als Wiese oder Weide. Besonders die alten Obstbäume mit ihren Totholzstrukturen und Baumhöhlen bieten vielen Tierarten Lebensraum und Nistgelegenheiten. In Verbindung mit extensiv genutztem Grünland können solche Landschaftselemente von außerordentlichem Wert für seltene Arten und damit für die Artenvielfalt in der Kulturlandschaft sein. Hier können bis zu zehnmal mehr Vogelarten beobachtet werden als auf den umgebenden landwirtschaftlich genutzten Flächen. Auch Säugetiere wie Fledermäuse und Siebenschläfer (Glis glis) finden hier Verstecke und Nahrung, wie auch unzählige Arten von Spinnen und Insekten.

«Nachtaktiver Langschläfer»

Siebenschläfer

Die modernen Obstanlagen mit dicht in Reihen gesetzten Niederstammbäumen oder Spindelbäumen kann aus ökologischer Sicht den Streuobstbau in keiner Weise ersetzen. Neben den meistens fehlenden Nistgelegenheiten und Strukturen wirken sich vor allem die intensive Pflege und der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln verheerend auf die Artenvielfalt aus.

Baumreihen und Einzelbäume

Auch in intensiv genutztem Kulturland kann man zuweilen einzeln stehende Bäume, sogenannte Feldbäume, antreffen. Während sie aus ökonomischer Sicht eigentliche Bewirtschaftungshindernisse darstellen, sind sie ökologisch außerordentlich wertvoll: Sie dienen zum einen zahlreichen Vogelarten als Jagdwarten und Nistplätze und sind zum anderen Lebensraum für verschiedene wirbellose Tiere. Oft markieren Feldbäume markante Geländepunkte oder eine Bewirtschaftungsgrenze. Feldbäume sind landschaftsprägend, aber auch Vernetzungselemente, sogenannte ökologische Trittsteine für viele Tierarten. Als permanente Lebensräume sind sie – von kleinen Wirbellosen abgesehen – meistens nicht groß genug, um Tieren ein ausreichendes Habitat zur Verfügung zustellen. Baumreihen hingegen, idealerweise in Kombination mit einem breiten Streifen extensiv genutztem Grünland als Standfläche, sind wirkungsvolle Vernetzungsstrukturen. Sie sind groß genug um Vögeln und kleineren Säugetieren einen permanenten Lebensraum zu bieten.

«Brüten zwischen Blüten»

Mauswiesel

Hecke

Unter dem Begriff «Hecke» werden die verschiedenen linienförmigen Gehölzstrukturen in unserer Kulturlandschaft zusammengefasst. Entgegen der verbreiten Meinung, handelt es dabei nicht um natürliche Landschaftselemente, sondern um von Menschen geschaffene Lebensräume. Landläufig unterscheidet man folgende Heckentypen :


Eine Hecke mit schmalem, extensiv genutztem Krautsaum.

die Niederhecke aus Sträuchern mit max. 3 m Wuchshöhe,
die Hochhecke mit Sträuchern und Bäumen bis rund 5 m Höhe und
die Baumhecke, die auch hohe Bäume umfasst.

Hecken sind nicht nur aus ökologischer, sondern auch aus landschaftsästhetischer Sicht sehr bedeutend. Aber je nach ihrer Struktur, Zusammensetzung, Pflege und angrenzenden Flächen gibt es große Unterschiede in Bezug auf ihren Wert als Lebensraum. Viele verschiedene Sträucherarten, besonders Dornensträucher, Kleinstrukturen, wie Ast- oder Steinhaufen und angrenzendes extensiv genutztes Grünland sind wichtige Faktoren für eine große Artenvielfalt. Unter solchen Voraussetzungen bieten Hecken nicht nur Lebensraum und Verstecke für viele und teilweise seltene Tierarten, sondern sind auch außerordentlich wertvolle Vernetzungselemente in der Landschaft. Auch größere Säugetiere, wie das Reh (Capreolus capreolus) oder der Dachs (Meles meles) nutzen diese Linienbiotope gerne als Tagesverstecke. Neben den zahlreichen oft unbeachteten Insekten und Spinnentieren leben in strukturreichen Hecken auch viele Vogelarten und ziehen hier ihre Jungen auf. Neuntöter (Lanius collurio), Dorngrasmücke (Sylvia communis), Mönchsgrasmücke (Sylvia atricapilla) sind Beispiele häufiger Heckenbrüter. Andere Arten, wie die Goldammer (Emberiza citrinella), oder auch die meist seltene Grauammer (Emberiza calandra), können in Hecken oder heckenähnlichen Strukturen zu sehen sein. Ihre Nester werden aber in der dichten Vegetation am Boden angelegt. Die Gehölzstrukturen dienen ihnen aber als Sing- und Jagdwarten.

«Ökologie und Landwirtschaft»

Neuntöter


Weinberge mit Unterwuchs und Trockenmauern bieten Lebensraum für viele Arten.


Auch kleine Wiesenbächlein und Gräben haben ein großes ökologisches Potenzial. Leider werden sie oft begradigt und bis an die Gewässerläufe genutzt.

Rebbaugebiete

Der Anbau der Edlen Weinrebe (Vitis vinifera) zur Herstellung von Wein, Traubensaft und Tafelobst ist nördlich der Alpen nur in klimatisch bevorzugten Lagen wirtschaftlich möglich und sinnvoll. An solchen Lagen sind oft auch wärmeliebende Tierarten, wie Reptilien, Insekten oder auch Vögel zu Hause. Bei entsprechender Bewirtschaftungsweise können viele dieser Tierarten auch trotz der landwirtschaftlichen Nutzung weiterhin vorkommen oder sogar noch gefördert werden. Viele Arten finden in den vielfältigen Strukturen der oftmals terrassierten Rebberge geeignete Lebensräume und Verstecke. So können sich naturnah bewirtschaftete Weinbaugebiete mit Trockenmauern, Gehölzstrukturen, Ruderalstandorten, extensiver Unternutzung und naturverträglichen Pflanzenschutzmaßnahmen zu wahren Naturparadiesen entwickeln. In solchen Gebieten können sogar seltene Arten wie der auffallende Wiedehopf (Upupa epops) oder der prächtige Bienenfresser (Merops apiaster) brüten.

Mauereidechse

«Naturlandschaft oder Kulturlandschaft»

Bienenfresser

Gewässer

Alle Tiere und Pflanzen – und damit auch die Landwirtschaft – sind auf Wasser angewiesen. Zuweilen gibt es davon aber zu viel, was in der Vergangenheit dazu geführt hat, dass vielerorts Meliorationen und Drainagen stattgefunden haben. Durch diese Maßnahmen gingen sehr viele artenreiche Feuchtgebiete und Kleingewässer mit ihrer Ufervegetation verloren. Aber auch heute noch lassen sich an Wassergräben und Wiesenbächlein zahlreiche Tierarten beobachten. Neben Kleintieren, wie Käfern, Libellen und Schmetterlingen, kann dort auch die Ringelnatter (Natrix natrix) angetroffen werden.

«Es gibt keine Maikäfer mehr …»

Glücklicherweise wird heute nicht mehr so viel melioriert und eingedolt wie in früheren Jahrzehnten: Man hat vielerorts die ökologische Bedeutung von Kleingewässern erkannt und lässt sie daher bestehen resp. macht frühere Eindolungen auch wieder rückgängig.

Bauernhof mit Haus, Stall und Scheune

Wild lebende Tiere sind nicht nur in den naturnahen Strukturen wie Hecken, Wiesen und Weiden zu finden. Es gibt auch zahlreiche Arten, welche die unmittelbare Nähe des Menschen nicht grundsätzlich scheuen. Wie auch in Dörfern und Städten bieten die Gebäude des Bauernhofes oder Scheunen auf dem Feld oft gute Verstecke und Nistgelegenheiten. Da manche Gebäudeteile nur zu bestimmten Zeiten genutzt werden oder durch den Menschen gar nicht direkt zugänglich sind, finden Wildtiere hier relativ ungestörte Plätze. Aufgrund der gelagerten landwirtschaftlichen Produkte oder deren Überreste finden beispielsweise Vögel und Nagetiere hier auch meistens genügend Nahrung und Baumaterial für ihre Nester. Während gewisse Arten wie Mäuse oder Steinmarder nicht sehr beliebt sind, gelten andere, wie zum Beispiel die Schleiereule, als ausgesprochene Nützlinge.

«Der Steinmarder»


Besonders ältere Bauernhöfe bieten viele Nischen und Strukturen.


Bauerngarten

Wie auch in den Dörfern und Städten sind durch die energetisch sinnvollen Anpassungen der Gebäudehüllen viele Nischen und Unterschlupfmöglichkeiten verschwunden. Aber auch andere Veränderungen, die eine moderne und effiziente landwirtschaftliche Produktion mit sich bringt, haben ihre Spuren hinterlassen. Spezialisierte Betriebe, keine Nutztierhaltung, moderne Gebäude, neue Lagermethoden (Siloballen), versiegeltes Hofareal etc. sind nur einige Faktoren, die zu einer deutlichen Verschlechterung für viele Kulturfolger geführt haben. Auch mit dem Anbringen von Nisthilfen für Vögel können diese Verluste leider nur teilweise kompensiert werden.

Steinmarder

Garten

Viele traditionelle Bauernhöfe besitzen einen großen und vielfältigen Garten. Hier wachsen meistens nicht nur Salat, Gemüse und Beeren, sondern auch Gewürzpflanzen, Heilkräuter und Blumen. Zum erweiterten Garten können unter Umständen auch die in unmittelbarer Nähe wachsenden Obstbäume gezählt werden. In einer solchen vielfältigen Umgebung kann eine große Diversität an wirbellosen Tieren (Insekten und Spinnen) angetroffen werden. Besonders Blütenbesucher, wie Schmetterlinge, Bienen aber auch Fliegen finden hier oft ein gutes Nahrungsangebot.

«Die Vielfalt der Zweiflügler»

Beobachtungstipps

Je vielfältiger und wertvoller die verschiedenen Lebensraumtypen auf und um den Bauernhof sind, desto mehr interessante Beobachtungen können erwartet werden. Monotone Landschaften, mit häufig genutztem und blütenarmem Grünland, großen Bewirtschaftungseinheiten ohne Hecken und Bäume bieten nur wenigen Tierarten Nahrung und Lebensraum. Suchen Sie sich zur Naturbeobachtung deshalb lieber eine reich strukturierte Kulturlandschaft mit Gehölzen und blütenreichen Wiesen aus.
Vergleichen Sie die Arten- und Individuenzahlen von Tieren in einer ausgeräumten Agrarlandschaft mit der reich strukturierten traditionellen Kulturlandschaft. Es werden Ihnen bestimmt große Unterschiede auffallen!

Mit speziell angepflanzten, strukturreichen Streifen können seltene Arten und viele Nützlinge gefördert werden.


Industrielle Landwirtschaft

Ökologie und Landwirtschaft

Reine Naturlandschaften, die vom Menschen weitgehend unbeeinflusst sind, gibt es in Mitteleuropa nur noch selten. Im Vergleich mit Städten, Industriegebieten und Verkehrsinfrastrukturen gelten die Landwirtschaftsgebiete noch als weitgehend ursprünglich und relativ naturnah. Zwar sind diese Flächen trotz der intensiven Bewirtschaftung meistens noch grün, aber von naturnah kann keine Rede mehr sein: Der Preisdruck und die steigenden Bevölkerungszahlen hinterlassen auch in der Landwirtschaft ihre Spuren. Das Bestreben, möglichst effizient zu produzieren, sowie der Flächenverlust durch Bautätigkeit und Freizeitaktivitäten und die damit einhergehenden problematischen Lebensraumzerschneidungen führten vielerorts zu einem kontinuierlichen Rückgang der Artenvielfalt. Mit der Schaffung von Schutzgebieten und Pärken konnten viele besondere Lebensräume zwar erhalten werden, jedoch sind dies im Vergleich zur gesamten Fläche relativ kleine Gebiete.

«Naturlandschaft oder Kulturlandschaft»

In den vergangenen Jahren ist die wichtige Rolle der Landwirtschaft bei der Erhaltung und Förderung der Artenvielfalt aber zunehmend ins Visier der Öffentlichkeit geraten. Von den Bauern wird heute nicht mehr «nur» erwartet, dass sie Nahrungsmittel produzieren, sondern auch, dass sie Lebensräume schaffen und pflegen. Dies führte zu einer zunehmenden Ökologisierung der Landwirtschaft. Während zu Beginn dieser Bewegung der Schwerpunkt bei einer umweltschonenden Produktion von unbelasteten und gesunden Nahrungsmitteln lag, entwickelte sich neben dem dadurch entstandenen biologischen Landbau auch ein stärkeres Bewusstsein für die Bedeutung der Vielfalt von Lebensräumen und der Biodiversität. Zahlreiche Bauern haben daher aus eigenen Stücken Maßnahmen eingeleitet, die diese Vielfalt begünstigen. Um aber flächendeckend eine höhere Biodiversität erreichen zu können, wurden von staatlicher Seite auch mit Subventionsbeiträgen für ökologische Maßnahmen Anreize geschaffen.

«Lebensräume auf und um den Bauernhof»

Damit die so geförderten naturnahen Strukturen die erhofften Verbesserungen erbringen, muss jedoch einiges beachtet werden. Sie müssen standortgerecht und möglichst vernetzt angelegt werden und auch entsprechend genutzt resp. gepflegt werden. Um deren Nutzen für die Biodiversität zu garantieren, wurden an die staatlichen Entschädigungen daher bestimmte, oft als sehr einschränkend empfundene Auflagen geknüpft. Diese betreffen beispielsweise den Schnittzeitpunkt von extensiv genutztem Grünland oder die Hilfsmittel, die bei der landwirtschaftlichen Arbeit eingesetzt werden dürfen. Weil sich viele Bauern dadurch in ihrer Freiheit eingeschränkt und zu «Landschaftsgärtnern» degradiert fühlen, werden solche Maßnahmen von vielen eher widerwillig umgesetzt. Es gibt aber auch solche, die mit Überzeugung mitmachen und/oder das Ganze auch als Marktpotenzial einschätzen – anstatt «nur» Nahrungsmittel wird auch Artenvielfalt «produziert».

Hecke im Jahreslauf

Damit die angestrebten Verbesserungen erreicht werden können, ist es aber wichtig, dass die Naturgeschichte einer Landschaft berücksichtigt wird: Es ist wenig sinnvoll, an feuchten Lagen eine Trockenwiese anlegen zu wollen oder an Orten Steinhaufen aufzuschichten, wo weit und breit keine Steine liegen, aber Äste aus einer Gehölzpflege vorhanden sind. Das Studium von alten Karten oder von Fotos kann wichtige Hinweise liefern, welche Naturelemente wirklich standortgerecht sind.

«Naturlandschaft oder Kulturlandschaft»

Beobachtungstipps


Junger Kiebitz (Vanellus vanellus)

Stellen Sie sich einmal vor, wie die Kulturlandschaft in Ihrer Umgebung vor 200–300 Jahren ausgesehen haben mag. Gibt es vielleicht sogar noch Strukturen, die aus dieser Zeit bis heute überdauert haben? Klären Sie dies ab, indem sie auf alten Karten oder Luftbildern Ihrer Umgebung nach solchen Strukturen suchen.
Befragen Sie auch die lokalen Bauern zu dieser Thematik: Sie wissen häufig Interessantes über die Veränderung der Landschaft zu berichten.

Kulturfolger

Wo der Mensch sich niederlässt und ausbreitet, muss die Natur weichen. Dies stimmt insofern, als dass der Mensch die Landschaft weitgehend nach seinen Bedürfnissen umgestalten kann. Damit wird oft auch der Lebensraum der ursprünglich vorkommenden Arten zerstört. So sind beispielsweise vielerorts durch die Rodungen zugunsten der Landwirtschaft früher häufige Waldbewohner zurückgedrängt worden oder gar verschwunden. Auf der anderen Seite haben sich aber auch zahlreiche Tier- und Pflanzenarten durch die Ausdehnung der Landwirtschaft in Europa ausbreiten oder sogar neu ansiedeln können. Diese aber nach wie vor wild lebenden Arten werden als «Kulturfolger» bezeichnet.

«Eine kurze Geschichte der Landwirtschaft»


Schachbrettfalter (Melanargia galathea) bei der Paarung

Kulturfolger sind Arten, welche mehrheitlich offenes Grünland wie Wiesen und Weiden besiedeln oder sogar in Siedlungsgebiete vordringen. Diese Offenlandarten brüteten ursprünglich meistens in trockenen Steppenlandschaften oder weitgehend gehölzarmen Feuchtgebieten. Typische Vertreter sind Vogelarten wie die Feldlerche (Alauda arvensis), die Wachtel (Coturnix coturnix), das Braunkehlchen (Saxicola rubetra) oder das Rebhuhn (Perdix perdix). Aber auch Säugetiere, wie der Feldhase (Lepus europaeus) und die Wühlmäuse sowie zahlreiche Schmetterlinge gehören zu den Arten, die vorwiegend in offenen oder halb offenen Landschaften leben. Das fehlende oder stark eingeschränkte Vorkommen von Bäumen in den natürlicherweise offenen und von Gräsern oder krautiger Vegetation dominierten Landschaften beruht meistens auf Trockenheit oder Vernässung des Bodens. Mit der Ausdehnung der Landwirtschaft hat der Mensch mit der Zeit riesige neue potenzielle Lebensräume für solche Offenlandarten geschaffen.

Feldhase

Neben den Grünlandbewohnern gibt es auch diejenigen, die uns Menschen noch dichter gefolgt sind. Diese leben sogar im Siedlungsraum, auf Bauernhöfen, in Dörfern und Städten. Gewisse Arten leben auch mit uns unter einem Dach und ziehen da auch ihre Jungen auf. Es handelt sich dabei oft um Arten, die ursprünglich nur in felsigen Gebieten lebten und in den Gebäuden verbreitete Alternativlebensräume gefunden haben. Typische Vertreter solcher Siedlungsarten sind der Hausrotschwanz (Phoenicurus ochruros), die Schleiereule (Tytus alba) und der Steinmarder (Martes foina). Die Grenze zwischen ausgeprägten Kulturfolgern, die sich praktisch nur in von Menschen gestalteten Lebensräumen fortpflanzen, und solchen, die auch noch häufig in ihren angestammten Lebensräumen vorkommen, ist fließend. Der Mauersegler (Apus apus) beispielsweise brütet in Mitteleuropa fast ausschließlich an Gebäuden und anderen Bauwerken. Arten wie die Amsel (Turdus merula) oder der Rotfuchs (Vulpes vulpes) vermehren sich sowohl in der Nähe des Menschen als auch in ihren angestammten Lebensräumen.

«Lautlose Jäger»

Mauersegler

Amsel

Beobachtungstipps

Typische Kulturfolger sind nicht nur auf dem Bauernhof, sondern in jedem Dorf und jeder Stadt zu finden. Dazu gehören neben den oben erwähnten Arten auch Rauch- und Mehlschwalben, Amseln und natürlich der Haussperling. Fledermäuse sind ebenfalls oft im Siedlungsgebiet auf Nahrungssuche und fangen dabei die vom Licht der Straßenlaternen angezogenen Nachtfalter. In älteren Gebäuden finden sie sogar Nischen oder Zugang ins Innere und damit geeignete Tagesverstecke oder Quartiere, die sich als Wochenstuben eignen. Manchmal sind die Tagesverstecke durch Kot- und Urinspuren an Fassaden oder am Boden erkennbar.
Sie können sich auch in Ihrer eigenen Wohnung/Ihrem eigenen Haus auf die Suche nach kleinen Kulturfolgern machen. Spinnen wie die Winkelspinnen oder die Große Zitterspinne sind häufig anzutreffen.

Fragen

Wieso waren vor der Verbreitung der Landwirtschaft viele heute typische Feld- und Wiesenbewohner Mitteleuropas selten oder gar nicht präsent?
Sind alle Kulturfolger auf die Nähe des Menschen oder auf die vom Menschen gestalteten Lebensräume angewiesen?

Antworten


Feldhase (Lepus europaeus)

Auf dem Bauernhof

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