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Burnout und dann: Kloster

Erster Tag

»Guten Tag Herr Kelster. Willkommen im Meditationshaus. Sie haben Zimmer 21 im ersten Stock. Wir wünschen Ihnen einen guten Weg in dieser Woche.«

Einen guten Weg, wie das wohl gemeint ist. Mein Zimmer 21 ist karg, ein Bett, ein Tisch, ein Stuhl, ein Waschbecken. Klo und Dusche weiter hinten im Gang. Ich werde ruhig, ganz ruhig.

Jetzt geht es in die Stille. Es war einfach zu viel in den letzten Monaten. Dieser Druck, alles fertig machen zu müssen. Die Nächte durchgeackert. Der Arzt sagt: »Sie sind nur noch Sekunden vor dem Burnout. Jetzt müssen Sie pausieren.« Ja, und das tue ich jetzt, ich mache eine lange Pause von der Wirklichkeit. Ich bleibe eine Woche, mein Gott, eine ganze Woche. Ich bin so froh und glücklich. Abends noch eine Meditation und dann bin ich ganz bei mir. Ich schlafe schnell ein, schlafe wie ein Kind und gebe mich ganz hin.

Zweiter Tag

Ich bin ganz in der Stille, ich schweige, ich denke an Nichts. Das Frühstück ist herrlich, es schmeckt alles wieder. Dieser Honig ist so lecker.

Mein Gott, was könnte man daraus alles machen. Das Glas ganz schlicht, alles hell und klar, ein einfaches Etikett. Die Anzeige mit einem der Klosterbrüder, wir drehen den TV-Spot gleich hier im Klostergarten. Einstellung eins: Nichts, keiner im Garten. Einstellung zwei: Es nähern sich die Bienen. Einstellung drei: der fließende Honig. Dazu die Märchenonkelstimme: »Ja, es gibt ihn noch, den Klosterhonig. Und er ist immer noch so wohltuend wie vor 300 Jahren.«

Dritter Tag

Ich denke an Nichts. Ich bin ganz bei mir. Vergesse all meine Gedanken. Ich bin so ruhig. Ich gehe durch den Wald. Eine Gehmeditation, ich bin ergeben in meiner Übung.

Sehr schön, wie hier die Wanderwege nummeriert sind. Hm, was fehlt, sind eigentlich nur noch die Wanderkarten, selektiert nach Zielgruppen: der Gelegenheitswanderer, der konservative Marschierer, der Vollblutgeher, der Nordic-Walker. Sehr schön, gleich mit entsprechender Website, nur eine kleine Flash-Animation, alles pur: »Gehen Sie, wie die Menschen früher gegangen sind. Entdecken Sie das Geheimnis des Wanderns ohne Ziel.« Dazu GPS-Points mit Schatzsuche, Payback-Collecting-Möglichkeiten mit Premium-Upgrade.

Vierter Tag

Ich sitze und meditiere. Ich denke an Nichts. Ich bin im Hier und Jetzt. Ja, das ist gut. Im Hier und Jetzt. Ich denke an Nichts mehr. Meine Seele entspannt sich. Ich bin angekommen. Angekommen in der wunderbaren Welt des einfachen Lebens.

Vielleicht als Entspannungs-CD? Ja, genau, mit einer Kostprobe im neuen Brigitteheft. Als Serie »Aus den Klöstern der Welt – Brüder und Schwestern erzählen – alles Originalaufnahmen.« Ich stelle mir das als Collectors-Edition vor, jede Woche eine neue CD. Begleitet vom stimmigen Mediamix mit Anzeigen in »Monopol« und »Psychologie heute«, TV-Spots in den Werbepausen von »Sieben Jahre in Tibet«, Events und Sponsoring.

Fünfter Tag

Ich bin allein in meinem Zimmer. Es ist so wunderbar ruhig. Ich bin ganz leer, keine Bedürfnisse, wieder gefüllt zu werden. Ich denke an Nichts.

Das ist wirklich mal ein Hotelkonzept. Schlichte Betten, viel Holz, zwei Bücher im Regal, »primitive-hotels – wir denken einfach, Sie denken einfach an Nichts.« Zur Promotion laden wir einfach (!) die Berühmtesten ein und bekochen sie schlicht mit Tim Mälzer, Sarah Wiener und Jamie Oliver.

Sechster Tag

Der Vortrag von Pater Anton. Ich gebe mich hin, ich höre nur zu, ich lasse alles geschehen. Ich bin - das Nichts. Seine Sprache erreicht mich.

Mein Gott, dieser Bruder Anton ist erste Sahne. Ich sehe ihn schon auf der Bühne, er macht diese Exclusive-Tour, nur durch die ganz wichtigen Städte in Europa. Alles ist dunkel, der Pater tritt in den Lichtkegel und beginnt zu sprechen. Alles ganz pur inszeniert. Dazu sein Buch »Der einfach Weg zum Glück«, von null auf eins bei Amazon, in Harry-Potter-Dimensionen dank der Vorbestellungen. Und, claro, Seminare, Workshops und Selbstcoaching-Glücksübungen.

Letzter Tag

Langsam beginne ich wieder, an meine Arbeit zu denken. Ich habe die Gedanken vermisst und dann doch wieder nicht. Wie herrlich es war, nichts denken zu müssen. Nicht immer gleich alles dem Markt zu opfern, alles einzuordnen zu müssen. Sondern einfach nur dazuzusetzen und vom erfüllten Nirwana durchströmt zu sein. Jetzt ist nach diesem Nichts wieder Platz für neue Ideen. Arbeit, ist komme.

Business-Results - Shortreview

Sowohl der Klosterhonig als auch die primitive-Hotelkette wurden ein Megaseller. Pater Anton hat zwar die Europatournee abgelehnt, am Buch schreibt er aber - plus Vertrag für die Fortsetzung. Die Wanderwege im Internet erreichen Google-Page-Rank 6 – kurz hinter dem Jakobsweg. Die Entspannungs-CDs haben gefloppt, der Markt war gerade mit Anselm-Grün-Hörbüchern verstopft.

Dank Axel Kelster ist die Einfachheit in die Produkte zurückgekehrt und hat globale Trends ausgelöst. Auch er hat diese Einfachheit verinnerlicht und verlebt seine Tage nun in der Abgeschiedenheit des Vierwaldstädter Sees. Seine Gedanken gehen gerne zur Klosterwoche zurück, die ihn so inspiriert hat. Sein Arzt hat ihm wieder zu einem Aufenthalt geraten.

(2006)

Burnout und dann: Kloster

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