Читать книгу Spiddels Welt - Andreas M. Jendryke - Страница 4

Оглавление

Barbados, 1977

The Queen

Das Taxi, vom Barbados Airport, hatte uns hier, 2 km vor Georgetown, ausgespuckt.

What you are looking for?

"A cheap hotel".

"Here is it", waren die letzten Worte des Fahrers.

Links ein "Kentucky Fried Chicken"-Schnellimbiss,

rechts, durch einen Vorhof 20 Meter von der Landstraße entfernt, stand ein einstöckiges, blassrosa Haus.

"Wir können ja mal fragen gehen."

Hinter dem Haus ragen schornsteinhohe Kokospalmen in den Himmel. Eine breite, einladende, mehrstufige Treppe führte auf die großzügige Veranda. Ein großes, hellblaues, handgemaltes Schild macht aufmerksam auf: Kaffee und Saft von Dienstag bis Samstag.

"Von Hotel oder so steht hier aber nichts."

"Egal, klopf mal. Sieht doch gut aus."


"Yes, yes I coming", quietschte eine hohe Frauenstimme aus dem Inneren.

Die Tür wurde geöffnet und eine, für unseren jugendliche, verzerrten Blick, mindestens 80 Jahre alte Lady begrüßte uns. Eine Lady! Dezent geschminkt, die verschnörkelte Lesebrille an einem Goldkettchen um den Hals, dazu ein türkisfarbenes Kleid mit großen rosa Blumen. Passend zum Haus. Ein langer, weiß gestrichener Gang, Türen mit zierlichen, abgegriffenen Messingklinken zu beiden Seiten, führte ins Innere. Der raue, unbehandelte Dielenboden knarzte laut. Wir bekamen ein geräumiges Doppelzimmer mit einem, mit Kokosläufern umrandeten, Doppelbett, Kleiderschrank, Tisch, zwei Stühlen, einem Schaukelstuhl, einem kleinen Balkon und einem Handwaschbecken. Keine die patinierte Idylle belästigende Luxustechnik, wie Klimaanlage oder Windmaschine.

"Ein Glück, wenigstens ein Waschbecken."

Unsere kleinen Frösche vom Orinoco hatten schon in verschiedenen Unterkünften, in Duschbecken, ihr kleines Leben fristen müssen.

"Hoffentlich springen die da nich‘ raus."

Ein Marmeladenglas diente den Fröschen als Transportbehälter. Sichtlich erleichtert hüpften sie aus ihrem Glasgefängnis in die vermeintliche Freiheit.

"Lass ihnen ein bisschen Wasser rein, dann können sie auch nicht durch den Abfluss abhauen."

"Die sind hier gut aufgehoben. Nur die Lady ...; die darf hier nicht mehr rein."

"Breakfast gents", riss uns am nächsten Morgen ihre schrille Stimme, unterstützt durch energisches Klopfen an der Zimmertür, aus dem Schlaf.

"Breakfast."

Im Speisezimmer, eigentlich war es einfach die Küche, angekommen, stellten wir fest, dass wir die einzigen Hotelgäste waren. Während dem ausgiebigen, frisch zubereiteten, englischen Frühstück erzählte unsere Hausherrin, sie hatte eine weiße Schürze angelegt, unentwegt von Gott, der Welt und der Queen. Das Ende ihrer Ausführungen ließ uns aufhorchen.

"Tomorrow, morgen früh, stelle ich euch zwei kleinen, netten, hübschen Freundinnen vor."

Wir hielten kurz inne, die gebackenen Bohnen und die Cornflakes mussten warten, um einen "Hoppla-jetzt-wird’s-interessant-Blick" zu tauschen.

"I will introduce you Lilli and Penny."

"Breakfast, boys! Come please!"

Ha! Wir waren schon lange auf, frisch gewaschen, gekämmt und mit unseren am wenigsten zerschlissenen T-Shirts ausgestattet. Auf geht’s.

In der Küche war außer unserer „Queen“ niemand. Sie saß am weit geöffneten Fenster.

"Sit down."

"Tschiep, tschiep", quietschte sie, während sie, mit automatischen Bewegungen, Toastbrot mit dem Daumen in der Hand zerkrümelte und auf ein kleines Holztischchen, unterhalb des Fensters, streute.

"Come, come tschiep."

Auf der Fensterbank landeten zwei Glanzstare, lukten kurz mit schiefem Kopf in die Küche und hüpften auf den mit Krümeln übersäten Tisch. Strahlend, mit leuchtenden Augen sah die Lady uns an und mit einer auf die Vögel weisenden Handbewegung:

"Gents! Penny and Lilli."

Hoffentlich hatte sie unseren entgeisterten, stieren Blicke und die bis auf den Tisch herunterhängenden Kinnladen nicht bemerkt.

No girls. No fun.

Aber es sollte noch besser kommen. Am Tag unserer Abreise, die Seesäcke waren schon gepackt, die Frösche in ihrem Glascontainer untergebracht, lautes Geschrei auf dem Flur. Die Zimmertür wurde, ohne anzuklopfen, aufgerissen. Wild gestikulierend, die Arme hochreißend, stürmte die Lady ins Zimmer.

"The Queen, the Queen is coming!"

Völlig aufgelöst, das Gesicht vor Aufregung gerötet, mit einem kleinen Transistorradio herumfuchtelnd:

"Elizabeth II is here, the Queen is here."

Is‘ ja gut. Wir lächelten höflich.

"The Queen is coming", rufend rannte sie den Flur entlang, Richtung Küche.

"Lass uns abhauen. Die is‘ ja total durchgeknallt."

"O.K., wir warten besser am Airport."

Wir bezahlten, bedankten und verabschiedeten uns, schleppten unser Gepäck, in der Hoffnung auf einen aufmerksamen, vorbeikommenden freien Taxifahrer, an den Bordstein. Auf der Straße war es auffallend ruhig. Null Verkehr. Keine Autos. Kein Taxi. Nach einer Stunde (warten war kein Problem für uns, man kann es gut lernen) war der Straßenrand gesäumt von lachenden, Fähnchen schwingenden, in adretten Schuluniformen gekleideten Schulkindern.

Kein Taxi.

Wir hatten es uns auf einer kleinen Mauer bequem gemacht. Nach zwei Stunden: ein Polizeiauto. Ein paar Minuten später eine Motorradeskorte und im Gefolge ein tiefschwarzer Rolls-Royce. Die Kinder jubelten ehrlich, Elizabeth II winkt hinter geschlossenen Seitenfenstern, wir waren verblüfft, unsere Lady hatte Recht behalten.


Unser Abflug verzögerte später noch um 8 Stunden. Angeblich, weil die königliche Concord es sich auf dem Rollfeld zu breit gemacht hatte. Unsere Essens-Voucher tauschten wir in feinsten Barbados-Rumlikör. So ließ es sich sehr noch komfortabel und entspannter warten.

Spiddels Welt

Подняться наверх