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5.4Einpegeln

5.4.1Basis

Die Geschichte des Einpegelns ist eine Geschichte voller Missverständnisse! Zum einen wird häufig die analoge und die digitale Welt vermischt und zum anderen sind die Begriffe und Standards nicht jedem klar. Daher möchte ich erst einmal die gängigen Fachbegriffe erklären.

5.4.1.1Schalldruck

Schall beruht letztlich auf Luftdruckänderungen. Luftdruck wird in der Regel in Pascal (Pa) gemessen. Der für uns Menschen relevante Bereich beginnt mit der Hörschwelle eines gesunden Menschen bei 0,00002 Pa und endet mit der Schmerzgrenze bei 200 Pa.

Dieser breite Zahlenbereich mit einem Verhältnis von über 1:1.000.000 ist recht unhandlich. Also führte man die Logarithmierung und das Verhältnismaß „Bel“ ein. Noch praktischer im technischen Alltag wird dieses Maß durch die Verwendung dessen zehnten Teils - und schon sind wir beim Dezibel. Alle Einheiten und Maße, die in Dezibel angegeben werden, sind logarithmisch.

Diese Bezeichnung soll an den Physiker Graham Alexander Bell erinnern, der als der amerikanische Erfinder des Telefons gilt.

5.4.1.2Schalldruckpegel

Der Schalldruckpegel wird in dBSPL gemessen. Um aus dem Verhältnismaß Dezibel eine absolute Einheit zu machen, benötigen wir aber erst einen Referenzpunkt. Als Referenz ist unsere Hörschwelle definiert, die 0 dBSPL entspricht.

Zur Veranschaulichung soll dir folgende Tabelle verschiedene Ereignisse und deren Pegel zeigen:

Ereignis(Entfernung)Schalldruckin PaSchalldruckpegelin dBSPL
Hörschwelle0,000020
Flüstern (10m)0,00006310
Studioaufnahmeraum0,000220
Ruhiges Schlafzimmer0,0006330
Ruhige Bibliothek0,00240
Ruhige Wohnung0,006350
Gespräch (1m)0,0260
PKW-Innenraum0,06370
Staubsauger (1m)0,280
Autobahn (1m)0,6390
Diskothekenbox (1m)2100
Kettensäge (1m)6,3110
Unwohlseinsgrenze20120
Schmerzgrenze63,2130
Düsenjet (30m)200140

Manchmal wird der Schalldruckpegel als dBSPL(A) angegeben. Man spricht dann von einer „A“-Bewertung. Dieser Bewertung liegt zu Grunde, dass unser Lautstärkeempfinden über den gesamten Frequenzbereich auch von der Gesamtlautstärke abhängt. Daher empfinden wir auch Musik bei geringer Lautstärke als bassarm und matt, wogegen dasselbe Stück bei Zimmerlautstärke wieder satt und brillant klingt.

Die „A“-Bewertung entspricht dabei weitgehend der menschlichen Hörcharakteristik. In der Studiotechnik hat diese Einheit jedoch wenig Gewicht. Sie wird in erster Linie bei der Festlegung von Grenzwerten für Lärmbelästigung im öffentlichen Bereich herangezogen. Hierbei kommen noch weitere Bewertungsskalen zum Einsatz (B, C und D).

5.4.1.3Signalpegel

Nun verlassen wir den mechanischen Bereich der Akustik. Sobald ein Signal ins Aufnahmesystem kommt, arbeiten wir nicht mehr mit Schalldruckpegeln, sondern mit Signalpegeln. Diese beschreiben den Pegel auf der Basis der elektrischen Spannung.

Zur Darstellung des Signalpegels verwendet man in erster Linie die Pegeleinheiten dBV und dBu. Beide beziehen sich auf Voltzahlen, unterscheiden sich aber im Referenzpunkt.

Die Pegeleinheit dBV hat als Referenzpunkt für 0 dBV den Pegel eines Sinus-Tonsignals von 1 Volt RMS.

Dagegen beziehen sich 0 dBu auf den Pegel eines Sinus-Tonsignals von 0,775 Volt RMS.

Dies ist erst mal verwirrend. Der Hintergrund ist jedoch einfach die unterschiedliche Herkunft von dBV (nordeuropäisch) und dBu (US-amerikanisch). Früher hieß letzteres übrigens noch dBv. Um Verwechslungen zum dBV zu vermeiden, wurde aus dem kleinen „v“ dann aber ein kleines „u“.

Daraus resultiert:

0 dBV = 1 Volt RMS = 2,2 dBu

0 dBu = 0,775 Volt RMS = -2,2 dBV

Kommen wir nun zum praktischen Einsatz: Die Signalpegel dBV und dBu kennst du von den Einstellmöglichkeiten deiner Soundkarte oder deiner Outboardgeräte. Diese arbeiten entweder mit +4 dBu oder mit -10 dBV als Referenz für ihren optimalen Arbeitspunkt. Dieser Arbeitspunkt ist das sogenannte Unity-Gain und beschreibt die Aussteuerung, bei der sich das Gerät in seinem bestmöglichen Verhältnis zwischen SNR und Headroom befindet.

Grundsätzlich arbeiten professionelle und symmetrisch angeschlossene Geräte mit +4 dBu, wohingegen unsymmetrische Einsteiger- und Consumergeräte mit -10 dBV auskommen müssen. Dies liegt daran, dass die Bauteile für diesen Spannungsbereich deutlich günstiger sind.

Es ergeben sich die folgenden Relationen:

-10 dBV = 0,316 Volt RMS = -7,78 dBu

+4 dBu = 1,23 Volt RMS = 1,78 dBV

Der Unterschied zwischen -10 dBV und +4 dBu beträgt nicht wie häufig angenommen 14 dB, sondern nur 11,78 dB! Die Spannungsdifferenz zwischen dBV und dBu beträgt aber das Vierfache, daher haben die professionellen Geräte auch eine bessere SNR.

Analoge Geräte besitzen einen nutzbaren Headroom oberhalb ihres Unity-Gains. So können Tonbänder bis zu +8 dB, einige Mischpulte sogar bis zu +28 dB ausgesteuert werden, ohne dass diese unschön verzerren. Im Gegenteil, es treten harmonische Verzerrungen auf, die dem Signal einen besonderen Charakter verleihen können.

5.4.1.4Digitaler Signalpegel

Aus der Mechanik über die Elektrik kommen wir nun schließlich in die Digitaltechnik. Der digitale Pegel wird in dBfs beschrieben. Als Referenzpunkt hat dieser Pegel die maximal mögliche Aussteuerung eines digitalen Signals ohne Clipping. Dies entspricht dann 0 dBfs.

Als digitale Worte ausgedrückt, gilt für ein 24-Bit-System:

Maximaler Wert = 0 dBfs = 1111 1111 1111 1111 1111 1111

Minimaler Wert = -144 dBfs = 0000 0000 0000 0000 0000 0001

Die dBfs sind grundsätzlich negative Werte und dürfen zu keiner Zeit positive Werte annehmen. Positive dBfs bedeuten immer Clipping!

Aktuelle Sequenzerprogramme arbeiten allerdings intern mit 32 Bit-Fließkommaberechnung, welche DAW-internes Clipping fast unmöglich macht. Du solltest aber dennoch auch im Digitalmixer deiner DAW zu keiner Zeit über 0 dBfs fahren. Dies kann deinen Sound trotz der Vorteile der Fließkommaberechnung verschlechtern. Warum dies so wichtig ist, erkläre ich im folgenden Unterkapitel.

Unumstößlich bleibt auf jeden Fall, dass zu den Zeitpunkten der Wandlung kein Wert oberhalb 0 dBfs auftreten darf!

5.4.2Tipps zum Einpegeln

Im Studio arbeitest du mit analogen Preamps, elektrischen Klangerzeugern und einer DAW und digitalen internen Effekten, die vielleicht sogar wiederum analoge Vorbilder emulieren. Du hast es also permanent mit analogen und digitalen Signalpegeln zu tun.

Das Hauptproblem ist nun, dass es keine Umrechnung zwischen dBV und dBu zu dBfs gibt. Analog und digital sind zwei völlig verschiedene Welten. Aus diesem Umstand entstehen Fragen, wie:

1 Wie verknüpfen wir sinnvoll den analogen Signalpegel mit dem digitalen Signalpegel?

2 Wie hoch muss und darf man digital aussteuern?

Ziel des richtigen Einpegelns ist die optimale Nutzung der SNR deines Systems unter Berücksichtigung der sauberen Verarbeitbarkeit der aufgenommenen Signale.

Grundsätzlich versuchst du bei jedem Hardware-Glied in der Aufnahmekette den maximalen Pegel ohne Clipping zu erhalten.

Hat man Röhrengeräte im Setup, sollte man das gesamte Equipment für fünf bis zehn Minuten eingeschaltet haben, bevor man mit dem Einpegeln beginnt.

Die Position am Mikrofon soll einen vollen und in sich schon guten Klang liefern. Gleiches gilt natürlich auch für Klangerzeuger wie Keyboards oder anderes Equipment, dass direkt ins Pult gespielt wird. Jede Aufnahme kann nur so gut klingen, wie das nackte aufgenommene Signal!

Wenn ihr das Gain des Preamps auf den Wert eingestellt habt, bei dem es auch bei lauten Passagen nicht übersteuert, dreht ihr zur Sicherheit soweit zurück, dass sich eine Pegelverringerung um ca. 6 dB ergibt. In der realen Aufnahme singt und spielt jeder immer lauter!

Wenn das Signal hörbar verzerrt, ohne im Sequenzer über 0 dBfs zu gehen, übersteuert schon das Mikrofon oder der Preamp!

Achtung: Eine Übersteuerung beim Aufnehmen wird beim Abspielen nicht mehr angezeigt! Ein durch Übersteuerung zerstörtes Signal bleibt defekt, auch wenn du später den Pegel des aufgenommenen Signals absenkst.

Geht deine Kette vom Preamp über weitere Hardwaregeräte, gilt es bei jedem weiteren Schritt, den maximalen Pegel ohne Clipping rauszuholen. Wenn du nun bei jedem Gerät Gainreserven einbaust, verlierst du unnötig Signalqualität.

Aus der analogen Welt kommend, sind wir es gewohnt, so nahe wie möglich bei den magischen 0 dB einzupegeln. Dies einfach in die digitale Welt zu übernehmen, ist allerdings ein gefährlicher Irrglaube! Wie wir bereits festgestellt haben, sind analoge und digitale Pegel zwei völlig verschiedene Welten!

In der analogen Welt beschreibt die 0 dB-Grenze den optimalen Arbeitspunkt und bietet ordentlich Luft nach oben, wohingegen die digitalen 0 dB das definitive Ende der Fahnenstange bedeuten!

Wie bereits beschrieben, gibt es leider keine Möglichkeit, analoge Signalpegel in Digitalpegel umzurechnen. Die meisten Wandlereinheiten sind aber so kalibriert, dass 0 dB am VU-Meter in etwa -18 dBfs entsprechen. Anders gesagt: Ein am optimalen Arbeitspunkt ausgesteuerter Preamp liefert etwa -18 dBfs RMS. Auf dieser Basis kannst du das Einpegeln in die DAW sinnvoll gestalten.

Bei einem Signal großer Dynamik kannst du davon ausgehen, dass die Pegelspitzen +/- 12 dB um den RMS-Wert schwanken. Mit einem RMS-Pegel von -18 dBfs, ergeben sich dadurch Peaks bei maximal -6 dBfs. Dies heißt im Umkehrschluss: Wenn du beim Aufnehmen in die DAW mit maximal -10 bis -6 dBfs aussteuerst, bist du auf dem richtigen Weg.

Dein Outboard-Equipment (Preamp, Mixer) klingt optimal, wenn es bei dessen Unity Gain gefahren wird, also bei rund 0 dB am VU-Meter bzw. -18 dBfs in der DAW. Steuerst du nun höher aus, überfährst du den optimalen Arbeitspunkt deiner Hardwaregeräte. Dies kann als Effekt auf einer Spur interessant sein, als Standardvorgehensweise verringert es aber deine Signalqualität.

Gelangt deine Aufnahme ohne „digitalen Sicherheitsabstand“ ins System, hast du keinen Platz mehr für Signalverarbeitungen mittels Equalizing und Kompression in deiner DAW. Bei jeder Anhebung fährt dein Signal gleich in den roten Bereich! Zudem „erwarten“ viele Plug-Ins den beschriebenen Referenzinput. Wenn sie „zu heiß“ angesteuert werden, können sie an Klangqualität verlieren. Dies hörst du auf lediglich einer Spur nicht direkt, aber in der Summe verschmiert es dennoch den Sound.

Sinnvolles Aussteuern nimmt dir letztlich die Sorge vor versehentlichen Clippings. Selbst kürzeste Transienten, die das System eventuell nicht mehr sauber anzeigt, werden sauber aufgenommen.

Ein weiterer Vorteil ist rein praktischer Natur: Unnötig hoch eingepegelte Signale musst du im Mix mittels der Kanalfader sowieso zurückfahren, da sonst der Masterbus übersteuern würde. Da die Fadereinstellung logarithmisch arbeitet, hast du aber nur im oberen Faderbereich entsprechend viel Weg pro Pegeländerung zur Verfügung, um detaillierte Anpassungen vornehmen zu können. Musst du deine Fader nun weit runterfahren, kommst du schnell in einen Bereich, in dem das praktische Einstellen der Pegel problematisch wird.

Nun könnte man meinen, dass man durch dieses Vorgehen mindestens 10 dB nutzbarer Dynamik verschenkt. Dem ist aber nicht so, da du genau diese 10 dB für deine Arbeit mit Equalizer und Kompressor verwendest!

Davon abgesehen: Ein 24 Bit-Wandler kann rechnerisch 144 dB Dynamik abbilden. Abzüglich ca. 40 dB Noisefloor (Wandler, Kabel, Raum) und den 10 dB Headroom bleiben immer noch mehr als 90 dB Dynamik für die Wandlung zur Verfügung - selbst für Orchester mehr als genug!

Fazit: Es gibt keinen Grund, nahe an 0 dBfs zu pegeln. Es hat keinen klanglichen Vorteil, birgt aber viele potentielle Probleme, da es an vielen Gliedern der Signalkette zu Verzerrungen führen kann.

Aussteuern unter Berücksichtigung der gegebenen Tipps vermeidet diese Probleme im Voraus. Das Ergebnis ist ein entspanntes Arbeiten ohne Sorge um Clippings und mit der Sicherheit, dass kein Effekt und keine Hardware am jeweiligen Limit arbeiten müssen. Ein offener, detaillierter und luftiger Klang ist die Folge.

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