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Für wen dieses Buch ist und für wen nicht
ОглавлениеFür wen dieses Buch ist...
...für Faulpelze.
Für Aussteiger, die sich keinen Bauernhof kaufen können oder die einfach keine Lust oder keine Möglichkeit haben, einen Acker mühsam wie vor 200 Jahren zu bebauen.
Für Menschen, die weniger arbeiten und mehr spielen wollen.
Für Ungeduldige, die ihren Ruhestand schon heute antreten wollen.
Für Quertreiber, die sich einem Vorgesetzten nicht unterordnen können oder wollen.
Für solche, die nicht viel von Geld halten.
Für jeden, der mit wenig, sehr wenig Geld, gut leben möchte.
Für alle, die ein Höchstmaß an individueller Freiheit genießen wollen!
Familien Willkommen!
Was ich an Literatur über das Aussteigen und alternative Wohnkonzepte gelesen habe, war zwar recht unterhaltsam und teilweise auch sehr inspirierend, doch wurde meist ein wesentlicher Aspekt ausgeklammert oder nur ungenügend beleuchtet: Ich bin nicht alleine. Ich kann nicht in einem Zelt leben und mich aus Müllltonnen ernähren. Ich kann nicht dem deutschen Winter entkommen, indem ich einfach mal nach Spanien trampe.
Ich habe eine Familie. Ein Weib und zwei Kinderlein – Familienplanung noch nicht abgeschlossen.
Das ist ein Problem, oder?
Wie viele andere, wollte ich irgendwie aus einem Leben aussteigen, das sich um das Verhältnis von Geld und Zeit dreht – Meine Lebenszeit, die ich für Geld eintausche, das ich für meine Familie benötige oder zu benötigen glaubte. Sinnvolle Ratschläge, wie man dieses unglückliche Verhältnis auflösen könnte, ohne sein Leben allzu radikal anzupassen, dazu habe ich indes nicht gefunden. Hier und dort mal ein Sprengel Weisheit, eine Idee, aber eben nichts Konkretes. Der beste Tipp lautete am Ende meist immer, einer alternativen Dorfgemeinde beizutreten. Schön. Aber ich habe keine Lust, einer solchen Gemeinschaft anzugehören. Ich unterwerfe mich nicht gerne Regeln, die andere gemacht haben. Lieber lebe ich nach meinen eigenen Neigungen. Außerdem genieße ich etliche jener so verwerflichen modernen Errungenschaften, die jene meist ökologisch geprägten Gemeinschaften grundsätzlich ablehnen, und möchte sie nicht missen.
Ich selbst bestimme über meinen Lebensstil, bin mein Eigner.
Mir blieb also nichts anderes übrig, als meinen Weg allein zu beschreiten. So bin ich innerhalb der Gesellschaft, in der ich lebe, ausgestiegen, habe also das frustrierende Gefüge von Zeit und Geld verlassen, ohne auf die besten Vorzüge einer hochentwickelten und arbeitsteiligen Zivilisation verzichten zu müssen. Das faszinierende an meinem Ausgestiegensein ist, dass ich nicht wirklich anders lebe, als meine Nachbarn. Ich habe ein Haus, ein Auto, trage normale Kleidung, esse normales Zeug, gehe im Supermarkt einkaufen etc. Der Unterschied ist, dass ich im Gegensatz zu meinen Nachbarn, fast immer zu Hause bin (auch meine Frau, auch meine Kinder) und lese, mit den Kleinen spiele, oder eben ein Büchlein wie dieses hier schreibe.
Der Trick ist, mit möglichst wenig Geld, möglichst gut zu leben. Das geht und ist im Übrigen auch gar nicht schwierig. Wenn man sich ein paar grundsätzliche Fehlschlüsse unserer Gegenwart bewusst macht und seine Gewohnheiten dementsprechend anpasst, kann man mit einem 400€ Job hervorragend und sehr selbstbestimmt leben.
Ich präzisiere: In meiner Familie arbeite nur ich 2-3 Stunden pro Werktag (im Lager, als Putzkraft oder was immer sich ergibt), zu etwa 10€ Stundenlohn, dazu kommt das Kindergeld. Unser gesamtes Familieneinkommen beträgt um die 750€. Manchmal verdiene ich als Erntehelfer oder Tagelöhner noch ein paar Euro dazu, aber das ist kaum der Rede wert – wir sprechen von keinen 100€ im Jahr.
750€ genügen uns reichlich.
Wir leben davon wirklich gut, haben ein Auto und ein Haus und was nicht alles noch.
Ihr bescheißt doch! Ihr kriegt doch was vom Staat! Oder habt geerbt! Gebt es doch zu!
Nein.
Wir nehmen keinerlei staatliche Hilfe in Anspruch – außer eben dem Kindergeld. Kein Wohngeld, keine Sozialhilfe, nichts.
Wir haben uns aber von der GEZ befreien lassen.
Wir haben keine Erbschaft gemacht und besitzen kein Vermögen.
Wir betteln nicht.
Wir erhalten keine Spenden.
Wir nehmen keine außerstaatlichen Hilfeleistungen wie die Tafeln oder die Caritas Kleiderkammer in Anspruch.
Wir haben allerdings 27.000€ aus der Zeit angespart, als meine Frau und ich noch beide arbeiteten. Damit haben wir ein Haus gekauft und renoviert.
Ich bin ausgestiegen, weil ich frei sein wollte. Wer die Hilfe anderer zu seinem Leben nötig hat, ist von eben jenen abhängig. Wer abhängig von einem Gehalt, einer Zuwendung oder gar der Barmherzigkeit seiner Mitmenschen ist, ist deren Sklave.
Ein Sklave ist das Gegenteil eines freien Menschen.
Und ja, auch auf das Kindergeld könnte ich verzichten, wenn es drauf ankäme. Dann müsste lediglich auch meine Frau zwei Stunden arbeiten gehen, was sie wohl bereitwillig täte, oder ich müsste einen Job finden, bei dem man mir 20€ pro Stunde gibt – als promovierter Akademiker halte ich das für durchaus möglich.
Akademiker? Und schaffst im Lager? Glaub ich nicht.
Ich habe bewusst die Arbeit gewählt, die mit der geringst möglichen Verantwortung und psychischen Beanspruchung einhergeht. So muss ich mich nicht über meine Kollegen und Vorgesetzten ärgern. Ich habe auch keine Angst, meine Stellung zu verlieren – ich glaube, ich würde eine vergleichbare Arbeit recht schnell wiederfinden. Karriereaussichten locken mich nicht. Mein Job ist beim Mittagstisch kein Thema – außer um Witze zu reißen.
Mein Vorarbeiter lässt mich in Ruhe – er weiß, wenn er mich anschnauzt, lache ich ihn aus oder gehe nach Hause. Soll er seine Kisten doch selbst schleppen! Ich such mir andere.
Für wen dieses Buch nicht ist
Ich möchte eine Erklärung darüber abgeben, warum ich dieses Buch nicht schreibe:
Ich bin kein Aussteiger, kein Selbstversorger, kein Weltverbesserer. Ich glaube nicht an die nahende Apokalypse. Ich bin kein Prepper. Ich bin keiner Ideologie Kind, bin unpolitisch und schere mich auch nicht um die allgemeine Meinung oder Fragen der Moral. Ich bin niemandes Richter, niemandes Hüter. Ich bin in der griechischen Urbedeutung des Wortes ein Idiot, also einer, der sich exklusiv um seine eigenen Angelegenheiten kümmert, einer, der mit den Augen eines Kindes nur das Offensichtliche und das Begreifliche, das...Nächstliegende sieht.
Ich bin kein Prophet. Ich habe keine Botschaft, die herauszuschreien, es mich drängt. Ich bin kein Lehrer. Frei bin ich und auf mich allein gestellt. Mein eigener Herr, da niemandes Knecht. Fragt man mich, so rate ich freimütig, wie ich mir selbst raten würde.
Ich bin auch nicht unzufrieden oder rastlos. Ich strebe nicht danach, Großes zu vollbringen; das Kleine ist mir genug. Ich strecke mich nicht nach verbotenen Früchten; die Erlaubten machen mich reichlich satt. Der Horizont lockt mich nicht, die Erde unter meinen Füßen aber tut es. Ich fühle mich gut und sicher, wo ich stehe. Ich stehe fest. Ich bin, und ich sage das laut und deutlich, ein glücklicher Mann. Ich kämpfe um dieses Glück. Flüchtig ist es, anfechtbar. Sand, der einem durch die Finger rinnt...
Das Bestehende muss stets erneuert werden; das Glück, das mir in die Hände gelegt wurde, will festgehalten sein.
Ich halte es fest, so gut ich kann.
Um es kurz zu fassen: Ich bin kein Idealist, strebe aber gewisse Ideale an – nein, ich strebe sie nicht an, ich verwirkliche sie jeden Tag aufs Neue, denn ich bin... schon lange da, wo ich sein möchte. Ich habe meinem Leben mein eigenes Bildnis aufgeprägt. Und dieses Bildnis habe ich nach den Umständen meines Lebens gestaltet.
Dieses Buch, aus purer Lust und intellektuellem Ungestüm heraus geschrieben, ist ein Leitfaden, ein Ariadnefaden, der durch das uns einschließende Labyrinth dieser sonderbaren Welt führt, die wir die unsere nennen. Ein Leitfaden für ein einfaches, glückliches, zufriedenes und erfülltes Leben. Es ist ein Ratgeber voller persönlicher Einschätzungen, Vorurteile und Ungerechtigkeiten. Es ist kein Dogma.
Es ist praktisch, voller Erfahrungen und Perspektiven, die zu teilen, ich wert erachte. Wer aber eine Handlungsanweisung sucht, wie man sich beispielsweise aus seinem Garten ernähren oder einen Ofen installieren kann, der wird enttäuscht sein.
Ich habe nämlich zwei linke Hände, kann keinen geraden Strich ziehen, geschweige denn ein Werkzeug auch nur im Ansatz professionell bedienen. Natürlich habe ich Häuser renoviert, Elektrik und Wassersysteme verlegt, Wände verputzt und so weiter. Alles, was ich getan habe, hat funktioniert. War es – in einem wohlverstanden „modernen“ Sinn – schön, akkurat, bündig, gerade, rechtwinklig? Nein, gewiss nicht. War es günstig? Sehr. Hat es gehalten? Ja. Hat es seinen Zweck erfüllt? Immer. Bin ich deswegen befähigt, handwerkliche Tipps zu geben, bzw. würde ich mich selber fragen, wie man dies und jenes macht? Nun, lieber nicht.
Ich könnte wohl auf mich selbst gestellt überleben, habe aber keine große Lust dazu. Ich sehe auch keinen Sinn in exzessivem Eigenbrödlertum oder einer Rückkehr ins krude Mittelalter, wovon viele weltfremde Weltverbesserer (bezeichnenderweise) im Internet schwadronieren. Ich habe in kalten Häusern ohne fließend Wasser gelebt und manchen Winter bitterlich gefroren. Ich habe auch gehungert – nicht aus Not, sondern aus Faulheit. Solche Erfahrungen machen in vielerlei Hinsicht weise. Man erkennt sich selbst und merkt, worauf es im Leben ankommt.
Ich bin, um es abzuschließen, kein Feind von Technologie. Allerdings setze ich sie nur in Maßen ein und nur dort, wo der Nutzen über dem Aufwand ihrer Beschaffung und ihres Unterhalts steht. Als mir einmal mein Handy abhanden gekommen ist, habe ich es aus purer Bequemlichkeit und Geiz nicht mehr ersetzt. Ich habe diesen Verlust indes verkraftet, ich... habe ihn überlebt.
Alles, was ich vom Leben erwarte ist: Freiheit, Glück, Zufriedenheit, Gesundheit, Frieden und ein bisschen Spaß und Freude.
Wenn der geneigte Leser sich in diesem Bekenntnis wiederfindet, wenn er aus tiefstem Herzen nichts anderes will, als sein kleines bisschen Leben glücklich und frei zu verbringen, dann ist er hier richtig.