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1. Kapitel

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Dunkelheit herrschte nun, wo einst die Kugel des Sonnengottes Halio die Stadt Ustan erhellte. Sie war gefallen, Opfer der größten Schrecken geworden, die sich ein Streiter selbsternannten Rechts nur vorstellen konnte.

Auf den blutgetränkten Schlachtfeldern vor der Stadt holten die Heerführer Wogar, Moi’ra und mich hinzu. Aus den verschiedenen Heeren hatten sich auch zahlreiche Anführer und Gefolgsleute eingefunden, die uns mit zornigen oder neidischen Blicken musterten. Einige gafften mich auch nur lüstern an. Angesichts meiner knappen Lederhose und der eng sitzenden Lederrüstung über den aufreizend weiblichen Rundungen mehr als verständlich.

Durch die murmelnden Stimmen entstand ein wogendes Brummen, das den Boden unter meinen Füßen zum Zittern brachte. Erst als drei mächtige Schlachtrösser mit ihren schwer gerüsteten Reitern durch die Menge stoben, verebbten die Laute.

Von Blut verklebte Erdbrocken wirbelten neben uns auf, während die Reittiere grob zum Stehen gebracht wurden. Ich konnte den vordersten Reiter durch seinen gehörnten Helm nicht erkennen, aber sehr wohl hören.

»Es ist also wahr. Diese drei hier gehören zu den Anführern der Gruppe, die im entscheidenden Moment der Schlacht ein äußeres Tor öffneten und der dunklen Allianz den Sieg brachten. Gepriesen sei Ghorrn, Meister der Hölle!« Jubelnd fiel ein geordneter Pulk gut gerüsteter Soldaten ein. Moi’ra, unsere kahlköpfige Mönchsbegleiterin vom Orden des dunklen Mondes, versuchte – für meine Augen vergeblich – den Stolz in ihrer durchtrainierten Brust zu verbergen.

»Laird sei wachsam!« Ich hatte nicht mitbekommen, wer die Lobpreisung rief, noch konnte ich genau sagen, wer sie beantwortete. Ein Gott der Lügen schenkte seinen Anhängern kein langes Leben, wenn sie versagten.

»Odimorr!«, brüllte Torvac inmitten seiner ihm folgenden Minotauren, die ihn lauthals mit ihren bulligen Rufen unterstützten. Sein schwarzes Fell und die durchringenden, roten Augen stachen unter der Menge hervor, mit seiner Körperlänge von knapp zehn Fuß überragte er seine Untergebenen mehrere Handbreit.

»Xorin in Ewigkeit!« Leblose Kälte schwang in den Worten mit, der Chor schwankender Untoter wiederholte monoton das Vorgesagte.

»Für Blut und Ehre! Buu-naa!« Im wilden Durcheinander grunzte die Orkhorde ihre Zustimmung und feierte Wogar als ihren Champion, auch wenn er nur zu einem Teil ihr Blut in sich trug. Um sie zu beeindrucken, drückte mich Wogar eng an sich. Ich schwang meine Arme um seinen muskulösen Hals und wir versanken in einen wilden Zungenkuss. Die Meute johlte und grölte, schlug sich gegenseitig auf die Schultern. Betont langsam strich ich mit meinen schlanken Fingern über seine rot geschuppte Haut und erkundete die von dunklem Fell bedeckten Flächen. Drachenblut hatte mich schon immer fasziniert.

Es brauchte einige Zeit, bis der Berittene die Anwesenden wieder beruhigt hatte. Eine Handvoll Priester und Magier hatte den Weg zu uns gefunden. Auch Yana war darunter und gesellte sich zu mir. Ehrfürchtig wich eine ganze Gruppe Krieger zurück und verschaffte uns so mehr Platz.

»Als Dank für die den Göttern entgegengebrachte Hilfe«, verkündete der Behelmte laut, »werdet Ihr eine Markgrafschaft erhalten. Verwaltet sie so weise, wie Ihr gekämpft habt, und dient so Eurem Gott. Ein Hoch auf die Bezwinger der Stadt!«

Nicht alle jubelten uns zu, dennoch hallte der Beifall von den zerstörten Mauern der Stadt wider.

»Und da keiner einem Markgrafen abverlangen darf, zu Fuß in seine Ländereien zu reisen«, setzte der Sprecher fort, »wird ein Tor zu den äußeren Ebenen geöffnet werden, um jedem einen Vertrauten als Reittier zu rufen.«

Von den Priestern tönte ein heller, durchdringender Gesang über die Köpfe der Versammelten hinweg. Sie hatten schon mit der Anrufung begonnen, bewegten ihre Finger in einem komplizierten Muster, zeichneten klerikale Symbole in die Luft und nährten sie mit unreiner Macht. Ein Bogen bildete sich aus den Zeichen, vollendete sich zu einem Kreis, den Torvac aufrecht hätte durchschreiten können. Die Anstrengung zeigte sich in den konzentrierten Gesichtern der Beschwörer. Sie würden den Durchgang nur für einen kurzen Moment aufrecht halten können. Gemäß einer alten Prophezeiung soll ich eines Tages ein dauerhaftes Tor erschaffen – hoffentlich ohne bei mir die gleichen Falten in meinem hübschen Antlitz zu hinterlassen.

Die Luft innerhalb der Umrandung begann zu flimmern und spiegelte die Umgebung wider. Langsam verschwamm das Bildnis und ein neues zeigte eine unwirtliche Gegend aus Feuer und Rauch.

Gebannt starrte ich auf das Land jenseits dieser Welt. Anhand einer schattenhaften Bewegung bemerkte ich ein sich näherndes Wesen.

Durch das Tor zu den äußeren Ebenen stolzierte ein stattlicher Hengst, dessen Fell so rabenschwarz wie mein Haar leuchtete und von seinen Hufen, Schweif und Mähne das Feuer des Abyss loderte. Aus seinen Nüstern quoll dunkler Rauch. Seine glühenden Augen fing ich mit meiner violetten Iris ein. Gemächlichen Schrittes näherten wir einander, ich mit schwingenden Hüften, er mit einem faszinierenden Spiel seiner Schultermuskeln. Kein Wort wechselten wir, und doch verstanden wir uns. Meine telepathischen Fähigkeiten vermittelten ihm meine Begeisterung. Auch ich schien ihm zu gefallen, denn ein Egniaygir war bekannt für seine Unabhängigkeit, und doch knabberte er verspielt an meiner dargereichten Hand.

›Du wirst bald schmackhaftes Pferdefleisch bekommen‹, vermittelten ihm meine Gedanken. Ich drückte meine Wange gegen seinen Kopf, streichelte entlang seines Halses. Zwischen uns festigte sich ein Band blinden Vertrauens. ›Ich bin Krisheena, in den Ländern der Sterblichen als Crish bekannt‹, beinahe zärtlich flossen meine geistigen Worte. Unser Körperkontakt begünstigte die Verständigung.

›Man nennt mich Gargarhaykal‹, rollten seine kraftvollen Gedanken heran und richteten meine Nackenhaare auf, ›selbst in den Standhaften erzeuge ich Grauen.‹

›In mir erzeugst du ein Beben, das viele Neider finden wird.‹ Schwärmerisch weiteten sich meine Pupillen und ich fuhr mit der Zunge über meine Lippen.

›Dann reite mich! Zeige allen unsere geballte Macht.‹ Stolz und selbstbewusst bot er sich an, mich zu tragen.

Sein Rücken befand sich trotz meiner knapp sechs Fuß Länge in Höhe meines Scheitels. Um ihn zu besteigen, musste ich mit allen Fingern in sein Fell greifen und mit Schwung ein Bein über seinen Widerrist bringen. Die Flammen unserer gemeinsamen Heimat loderten wild aus seinem Nacken, züngelten nach mir, streichelten meine Haut. Die Berührung erzeugte ein freudiges Prickeln. Als Kind des Abyss widerstand ich der gewohnten Hitze.

Auch meine Partnerin Yana akzeptierte Gargarhaykal auf seinem Rücken. Ihre braunen Augen waren ehrfürchtig geweitet. Ich zog sie zu mir hoch. Sie schmiegte sich an meinen Rücken, wo sie vor dem feurigen Schweif geschützt war. Ihr schwarzes Haar ging in das meine über, ihre gebräunte Haut legte sich um meine Hüfte. Schon ein sanfter Schenkeldruck von mir genügte, um Gargarhaykal zu reiten. ›Wir werden uns gut ergänzen‹, dachte ich bei mir und spornte ihn an, im Galopp über das Schlachtfeld zu pflügen. Hinter mir jauchzte meine Liebste.

Bis wir wieder zum Beschwörungskreis zurück ritten, hatte auch Moi’ra sich mit ihrem Vertrauten, einem Blutross, angefreundet. Ein Umstand, den man von Wogar und seiner Düsterdogge nicht unbedingt behaupten konnte, auch wenn sich die beiden zum Verrecken sehr ähnlich sahen. Wenigstens konnten sie sich darauf einigen, wer wen ritt.

Nun war es Zeit, Abschied zu nehmen. Mein selbst ernannter Beschützer Torvac wollte die Minotaurenkrieger weiter in die Schlacht führen. Es fiel uns beiden schwer, die richtigen Worte zu finden, und so beließen wir es bei einem »baldigen Wiedersehen«, besiegelt durch einen langen Kuss, für den mich der Hüne hoch hob. Seufzend schnupperte ich noch einmal in seinem Licht verschluckendem Fell und roch das dämonische Blut in ihm. Dann setzte er mich ab.

Über unser neues Lehen brauchte nicht viel gesagt werden. Es befand sich am äußersten Rand der Verlorenen Reiche und grenzte direkt nördlich an den Narbenlanden an. Der Eindruck entstand, man wollte uns loswerden und ich wäre meinen eigenen Weg gegangen, hätte meine Mutter mir nicht aufgetragen, in das Gebiet zu reisen. Alles geschah, wie sie es vorhergesehen hatte. Bis jetzt zumindest.

Im Kampf um Ustan war der Markgraf von Ostmark verstorben. So machten wir uns mit den Beglaubigungsschreiben auf zur Ostmark, die östlichste Mark von Ostbar. In der Provinzhauptstadt Arginotor legten wir einen Zwischenstopp ein und wir wurden offiziell zu Markgrafen ernannt. Jeder erhielt zwanzigtausend Goldmünzen und einige Informationen über Ortschaften und Bevölkerung in dem Gebiet. Es wurde eine lange, trostlose Reise quer durch die östlichen Reiche. Als wir die Ostmark erreichten, hatte der Spätherbst das Laub golden gefärbt.

Wir näherten uns vom Norden auf einer breiten Handelsstraße, die gut zwei Fuhrwerken gleichzeitig Platz bot. Ein dichter Wald ragte vor uns auf und zog sich zu beiden Seiten eines Trampelpfades hin, der lediglich für ein Fuhrwerk ausgelegt war. Die Bäume waren alt und stämmig. Sie führten weit hinauf in den Himmel und ich hatte das Gefühl, sie beobachteten uns. Die sehr dicken Stämme versperrten den tieferen Blick in den Wald.

Nach einer Stunde lockerem Ritt gelangten wir an einen breiten Fluss, an dem eine Fähre wartete. Wir sahen zwar das Fährhaus auf der anderen Flussseite, doch vom Fährmann war weit und breit nichts zu sehen.

Moi’ra zuckte nur mit ihren Schultern und betrat auf ihrem Blutross die Fähre. Wogar löste die Leinen und begab sich an die Drehkurbel, um entlang des Führseiles zum andern Ufer zu gelangen. Ich beobachtete die Wasseroberfläche und ritt sorglos auf sie zu, gab einen kurzen Gedanken an meinen Egniaygir und er löste sich vom Boden. Neben dem Floss fliegend überquerten wir das Wasser. Yana hinter mir hatte ihre Arme um meine Taille gelegt und hielt sich fest. Aus ihrem Rucksack hörte ich das beängstigte Maunzen ihres Katers.

Das Blutross wurde unruhig und rannte hektisch auf dem Floss umher. Unter seinem rostroten Fell zuckten die Muskeln. Es war offensichtlich nervös. Das Klappern der Hufe erinnerte mich an ein schnell pumpendes Herz. Aus stumpfen Augen beobachtete die Düsterdogge die Bewegungen. Dunkelgrauer Sabber troff von ihren Lefzen herab.

Dann trat Moi’ra an die Stelle, wo ihr Blutross am Holz leckte. Sie fand Blut und rief uns ihre Beobachtung zu. Wogar untersuchte den Fleck und schätzte das Blut auf zehn Tage alt.

Ich nahm das andere Ufer als erste ein und wartete, bis das Floss anlegte. Dann näherten wir uns der Fährmannshütte. Sie war verlassen und wir fanden angeschimmeltes Essen, das Wogar ebenfalls auf ein Alter von zehn Tagen schätzte.

Mein Blick erhaschte die Petroleumlampe. Sie hatte keinen Docht mehr, musste also gebrannt haben, als der Fährmann seinen vermeintlichen Mörder übersetzte. Hier konnten wir nichts mehr ausrichten und wir folgten weiter der Handelsstraße.

Nach knapp drei Stunden hörten Moi’ra und ich, wie sich in weiter Ferne etwas Großes, Riesiges durch den Wald bewegte. Da wir nicht bis zum Einbruch der Nacht die Stadt Ostmark erreichen konnten, ritten wir weiter über den Trampelpfad, bis wir an einer Verbreiterung rasteten, die auch als Ruheplatz gedacht war. Mehrere ältere Feuerstellen fanden sich hier und auch einige zurück gelassene, aber beschädigte Gefäße.

Als Wogar gerade in sein Trockenfleisch beißen wollte, bemerkte er neben sich ein kleines Tier mit langem Schwanz und roten Schuppen. Es sah aus wie ein kleiner, roter Drache, und seine winzigen Klauenhände waren hoch gereckt.

»Äffz«, krächzte das Wesen, »Hung, Hung.«

Verdutzt sahen wir hinab. Die kindlich großen Augen mussten in dem stattlichen Halbdrachen Vatergefühle geweckt haben, denn nach kurzem Blinzeln reichte er dem Drachenkind einen Streifen vom Dörrfleisch.

»Mpf«, kaute der Kleine und schon war die Ration verschwunden. Die Kulleraugen gierten nach mehr. »Leck! Leck! Äffz?«

»Hm«, dachte Wogar laut, »wenn der weiter so frisst, wird er so dick werden, dass er nicht fliegen kann.«

»Flie? Flie? Uh!«, eifrig wedelte das Wesen mit seinen kleinen Flügeln, doch an ein Abheben war gar nicht zu denken.

»Ha«, lachte unser Gefährte, »für den Anfang gar nicht schlecht. Bestimmt ist der Odem schon furchterregend!«

»Pfft«, pustete der kleine Drache und eine winzige Flamme bildete sich vor der breiten Schnauze.

Jetzt waren wir es, die lachten.

»Ich glaube, da haben sich die beiden richtigen gefunden«, befand ich und erntete von meinen Weggefährtinnen zustimmendes Nicken. »Du solltest dich seiner annehmen, Wogar, sonst fackelt er noch aus Versehen den ganzen Wald ab.«

»Wie heißt denn du, Kleiner?«, grunzte der Halbdrache.

»To?«, zuckte das Geschöpf mit den Schultern und legte seine Flügel an.

»Gib du ihm doch einen Namen«, schlug Moi’ra vor.

»Das hätten eigentlich deine Eltern machen sollen«, sagte der neue Ziehvater.

»Vielleicht bist du …«, deutete ich an und wir Frauen lachten, bis uns die Tränen kamen.

»Ja, lacht nur«, fauchte der Halbdrache, »ich werde mich jedenfalls um den Kleinen kümmern. Legt euch schlafen, ich übernehme die erste Wache.«

Immer wieder von kurzen Lachkrämpfen geschüttelt kuschelte ich mich mit Yana und ihrem schwarzen Kater unter eine Decke und schlief wohlig gewärmt ein.

Mitten in der Nacht hörte ich Wogar reden, und eine sehr tiefe Stimme schallte aus großer Höhe zu uns hinab. Ich richtete mich auf und sah den Glaubenskrieger neben einem gewaltigen Bein stehen.

Ein Waldriese hatte sich unbemerkt genähert und das Gespräch aufgenommen.

»… und mein Name ist Wulock«, donnerte der Riese freundlich. »Ich streife hier mit zwei weiteren Hütern durch den Wald, und als ich die Spuren der Reittiere fand, war ich neugierig, wer denn Neues in den Wald gekommen ist.«

»Geht denn eine Bedrohung von dem Wald aus, dass Ihr hier Streife geht?«, fragte Wogar.

»Nein«, kam dröhnend die Antwort, »der Wyrm schläft schon seit langem und so ist der Wald sehr friedlich.«

»Hallo, Wulock«, gab ich mein Erwachen zu erkennen, »wie schön, Eure Bekanntschaft zu machen. Ihr seid ein Hüter des Waldes?«

»Dem ist so.« Er überblickte unser kleines Lager. »Und von wem kann ich meinem Dorf berichten?«

»Sagt ihnen, die neuen Herren der Ostmark sind eingetroffen. Ich bin Crish, und mit Wogar habt Ihr bereits gesprochen. Die Markgräfin Moi’ra befindet sich dort, und Yana hier ist meine Gefährtin.«

»Welch überraschend freudige Kunde«, tönte sein tiefer Bass. »Ich werde die Nachricht weitergeben und alsbald mir möglich Ostmark besuchen.«

»Ihr seid gerne eingeladen«, bot ich an. »Da Ihr ein Hüter der Gegend seid, so sind Euch doch sicherlich einige besondere Orte bekannt. Wir haben lediglich eine Karte und einige Informationen über die Dörfer erhalten.«

»Zeigt mir doch bitte die Karte, dann werde ich einige Örtlichkeiten vermerken.« Mühelos setzte sich der Riese auf den Platz und studierte im fahlen Licht einer Fackel das in seinen Händen winzige Stück Papier.

»Hier«, deutete er mit seinem kleinsten Finger an, so groß wie meine ganze Hand, »liegt das Lager der Nachtelben. Und hier unten sind die Trollsiedlungen. Die Ortschaften sind bereits eingetragen, aber die Waldränder stimmen nicht mehr.« Er reichte mir die Karte. »Der Wald ist beunruhigend, neuerdings. Er wächst, viel schneller, als in der Vergangenheit. Dabei sind die Stämme im Norden stark und gesund, im Süden schleicht sich jedoch eine Krankheit durch den Wald. Eine Erklärung dafür kann ich nicht geben, aber die Zeichen sind eindeutig.«

»Das sind wahrlich keine guten Nachrichten«, bestätigte ich betroffen, »aber ich danke Euch für diese Information. Wo können wir Euch finden?«

»Unsere kleine Siedlung liegt hier, Nordöstlich der Stadt, wo neben meinen Hütten auch die einiger Oger zu finden sind. Dort leben auch die drei Hexen der Ostmark.«

»Die Hexen leben unter euch?« Verwundert zog ich eine Augenbraue hoch.

»Nicht ganz«, korrigierte mich Wulock väterlich, »sie hausen in einer Höhle direkt in der Nähe unserer Siedlung. Sie waren schon dort, als ich noch ein kleiner Riese war. Im Süden streunen viele urtümliche Wesen durch den Wald und über offene Felder.«

»Vielleicht wegen der kranken Natur der Narbenlande?«, mischte sich die erwachte Moi’ra in das Gespräch.

»Ja«, brummte Wulock, »das wäre möglich. Aber es sind nicht nur die Narbenlande, die hier Aufmerksamkeit erregen. Es existieren auch einige verwunschene Orte im Wald. Hier, diese alte Zwinge, liegt nun vom Waldrand umringt. Noch vor nicht vielen Jahren lag sie weit vor dem Wald, ein deutliches Zeichen für den Wuchs des Waldes. Sie war schon verlassen, als mein Urgroßvater noch jung war. Einst muss die Zwinge ein Schutz gewesen sein, in der Zeit der großen Kriege, nur gegen was, wurde nicht überliefert.

Und im Waldsee befindet sich eine Bastion, wo einst Magier lebten. Nun ist auch sie verlassen und verfallen.

Von dem Drachen im Wyrmberg habe ich ja bereits erzählt. Er ist alt für einen Drachen. Als mein Urgroßvater noch jung war, erschlug der Wyrm seinen Vater.«

Da wir uns im Wald befanden, hatte ich keinen Zweifel, dass es sich bei dem Wyrm um einen grünen Drachen handelte. Diese liebten dichte Wälder und bewaldete, von Grotten durchzogene Hügel.

»Welchen Namen trägt der Wyrm?«, wollte Wogar wissen.

»Der Name ist mir nicht bekannt. Vielleicht wissen die Hexen davon. Wie dem auch sei, ich muss jetzt weiter.«

»Nochmals Dank für die begrüßenden Worte. Ich freue mich schon auf unser nächstes Zusammentreffen«, verabschiedete ich mich höflich.

»Eine gute Weiterreise wünsche ich« und der Waldriese verneigte sich kurz. Seine ausholenden Schritte hörte ich kaum und mir schien, kein Halm wurde dauerhaft unter den Tritten gekrümmt.

Als nach den weiteren Wachwechseln der Morgen graute und wir um ein kleines Feuer herum das Frühstück einnahmen, tätschelte Wogar seinen neuen, kleinen Freund.

»Ich habe mich entschieden«, verkündete uns der Halbdrache, »den Drachen Turgan zu nennen.«

»Na denn, guten Morgen, Turgan«, grinste ich und zog meinen Finger zurück, als das garstige Tier danach schnappte.

»Vorsicht, Crish, er ist hungrig«, warnte mich mein Gefährte.

»Na, dann pass auf, dass er nicht das leckerste Fleisch vor dir verzehrt«, deutete ich die Verlockungen meiner Haut an.

»Das ist eh schon vergeben«, säuselte Yana, schnappte sich meinen Finger und knabberte verspielt daran.

Moi’ra verdrehte die Augen, Wogar lachte und reichte seinem Mündel einen weiteren Streifen Dörrfleisch.

Die Heiterkeit konnte das unruhige Gefühl in mir nicht auslöschen. Blut anstelle eines Fährmannes. Ein schlafender Wyrm und ein unnatürlich wachsender Wald. Um mich zu beruhigen glitt ich mit den Fingerspitzen über die in meine Haut eingebrachten Tätowierungen. Sie stellten nicht nur eine aufregende Zierde dar sondern trugen in sich auch Kräfte meines Geistes. Daher war es möglich, eine Tätowierung zu verschieben und diese sogar durch Berührung in Verbindung mit einem kurzen Gedankenimpuls aufzulösen. Dadurch entfaltete sich die in ihr gespeicherte heilende Wirkung.

Auch meine Gefährten hatte ich mit einer Hautmalerei versehen. Im Kampf sollten sie mich lange schützen. Und irgendwie hatte es für mich auch die Wirkung einer Duftmarke. Meiner Duftmarke.

Vergnügt spülte ich das durchgekaute Fleisch mit frischem Quellwasser die Kehle hinab.

Frisch gestärkt kamen wir gut auf dem Trampelpfad voran und erreichten die Stadt Ostmark zur Mittagsstunde.

Die gesamte Stadt war von einer Steinmauer mit darauf befindlicher Holzpalisade umgeben. Eine ansehnliche Steinburg erhob sich über die Dächer hinweg. In der lauen Brise flatterten Banner auf den Turmspitzen. Sie zeigten einen vom Baum eingerahmten Fluss auf grünem Grund.

Auffällig hoch erstreckte sich ein Turm mitten in der Stadt. Auf unserem Weg zur Burg wurden wir von dort aus beobachtet. Ich erkannte einen lässig mit verschränkten Armen am Türrahmen lehnenden Rakshasa. Seine Kleidung war von ausgewähltem Prunk, und ich hatte keinen Zweifel, dass sich hinter dem Tigerkopf und den Tigertatzen ein geschickter und intelligenter Chauvinist befand.

Als wir in Sichtweite der Garde am Burgtor kamen, hatten sie schnell erkannt, wer dort auf sie zu ritt. Ein Gardist gab zwei anderen offenbar Befehle, da sie sich schnell entfernten.

»Ich heiße die neuen Herren der Mark willkommen«, verneigte sich der Mann.

»Bis auf einen sind wir Damen, und als solche auch zu begrüßen«, bestand Moi’ra.

»Mit ›Herren‹ hatte ich Euch nicht ausschließen wollen«, erklärte sich die Wache, »aber da Ihr darauf besteht, seid willkommen, Herrschaften und Dame der Ostmark.«

Noch verdutzt über den besonderen Wunsch meiner Gefährtin musste ich nun bei der spitzfindigen Bemerkung des Mannes ein Kichern unterdrücken. Zu seinem Pech befand Moi’ra das nicht für lustig und zwischen ihren Brauen zeichnete sich deutlich eine Zornesfalte ab.

»Wie ist dein Name, Gardist?«, verlangte die Markgräfin barsch.

»Umbold«, antwortete dieser umgehend.

»Bringt uns zum Markverweser, Umbold«, befahl ich, bevor Moi’ra sich unnötig vor den Toren mit dem Mann befasste.

»Und holt einen Stallburschen, der sich um unsere Reittiere kümmert!«, fügte Wogar dem Befehl hinzu.

»Jawohl, bitte, folgt mir«, verneigte sich der Gardist und führte uns in den umschlossenen Burgbereich.

Über die Mauern und Gebäude der Burg hinweg ragte der Bergfried auf, dessen Zugang über eine Holztreppe erreichbar war. Zielstrebig wurden wir zu dem Zentralgebäude geführt und stiegen die knarrenden Stufen hinauf. Im Inneren erwartete uns ein alter Mann mit kurz geschorenen, grauen Haaren. Er trug eine Robe in den Farben des Banners und hielt einen langen Holzstab in der Hand. Seine tiefe Verneigung ließ mich schmunzeln.

»Ich begrüße die Markgrafen der Ostmark. Ich bin Barnus, Ihr Haus- und Hofmeister.«

»Dann führt uns ein wenig herum«, forderte Moi’ra.

Er drehte sich zur Seite und verneigte sich erneut. »Sehr wohl. Wie Ihr seht, führt von dem Empfangssaal eine Treppe in die oberen Geschosse. Dort befinden sich die privaten Gemächer. Markgräfin, Markgraf, bitte, folgt mir.«

Sein Stab pochte in regelmäßigen Abständen auf den Boden. Behäbig verschafften wir uns einen ersten Eindruck des neuen Domizils. Die Burg hatte zahlreiche Räume und war rustikal aus Holz eingerichtet. An den Verzierungen konnte ich die Kunstfertigkeit der Einwohner dieses Ortes bewundern.

»Zunächst«, erklärte Barnus, »stehen für den Empfang der Gäste der Rittersaal und das angrenzende Kaminzimmer zur Verfügung. Im Saal wird gewöhnlich auch gespeist. Selbstverständlich servieren die Bediensteten die Speisen, wo immer es Euch genehm ist.«

Nur mit Druck konnte der Haus- und Hofmeister eine sehr stabile Holztür öffnen. Lediglich eine Schießscharte flutete das nun von uns betretene Kaminzimmer mit gerade ausreichendem Licht, um den gewaltigen Kamin am Ende des Raumes zu erkennen. Jagdtrophäen mit Hörnern und Geweihen blickten auf den Gast hinab. Die beeindruckende Kriegsaxt eines Minotauren befand sich direkt über dem Kamin an der Schlotvorderseite, die beiden Seiten trugen jeweils einen Minotraurenschädel. Der Holzboden bestand aus schwarzem Buchenholz und war mit Tierfellen übersät. Vor dem Kamin befanden sich sechs breite, gepolsterte Sessel mit dunkelrotem Bezug. Schräg im übrigen Raum stand ein schwarzer Tafeltisch mit drei mehrarmigen Kerzenhaltern. Um ihn verteilten sich acht schwere Holzstühle mit hoher Rückenlehne. Alle zierte das Symbol der Ostmark.

»Torvac hätte keinen Gefallen an diesen Trophäen«, flüsterte ich meiner Geliebten zu.

»Aber nur«, betonte sie, »weil er sie nicht selbst erschlagen hat. Und die Axt wäre nach seinem Geschmack.«

»Von hier«, erhob Barnus seine Stimme, »führt die Dusterkammer zu den im zweiten Obergeschoss befindlichen Gemächern. Der Lichtflur zur anderen Seite führt zum Rittersaal.«

Beide Gänge waren geprägt von Rüstungen, Waffen und Schilden aller Art sowie Büsten und Statuen der Markgrafen von Ostmark samt Gemahlinnen.

»Sollten Eure Herrschaften Änderungen wünschen«, gab unser Führer auf seinem Weg die Treppen hinauf zu verstehen, »so lasset sie mich wissen. Dank der zahlreichen Rohstoffe in der näheren Umgebung sind nahezu alle Umbaumaßnahmen möglich. Ah, hier ist das Gemach, dass der vorherige Markgraf für sich beanspruchte.«

Barnus öffnete eine Doppeltüre aus dunklem Holz und führte uns in ein sehr ausladendes Gemach mit einem Luxus an Schnitzarbeiten und Stoffen, ausgesuchten Möbeln und angrenzenden Zimmern. Mehrere Stellwände in Form hölzerner Gitter teilten das Zimmer des vorigen Grafen und seiner Frau auf, ohne das Licht durch die hohen Bleikristallfenster abzuhalten. Auf einem quadratischen Tisch mit zwei einfachen Stühlen stand eine verzierte Vase mit frischen Mohnblumen. Direkt am Fenster wartete ein Schaukelstuhl mit dicker, dunkelblauer Decke auf einen Leser der Bücher aus dem schmalen Regal daneben. Über einer Truhe an der Wand funkelte ein Langschwert in seiner von Amethysten gezierten Scheide. Hinter den Wandschirmen wartete ein Himmelbett mit bauschigen, weißen Vorhängen auf das Herrscherpaar. Decken und Kissen waren in einem zarten Orange gehalten und mit Silberfäden durchzogen, deren Muster arkane Symbole formten.

»In dem Oberbett«, flüsterte mir Yana zu, »sind Zauber eingewoben. Sie sollen den Schlafenden behüten und seine Zeugungskraft stärken.«

Erheitert zwinkerten meine glänzenden Augen ihr zu. »Das nehmen wir!«, sagte ich und zog Yana an mich heran. Niemand erhob Einspruch.

Wenngleich die weiteren Räume nicht so groß waren, so hatten viele ein nicht minder ansprechendes Innenleben. Wogar nahm sich ein rustikal eingerichtetes Zimmer auf dem gleichen Flur wie dem unsrigen und warf erst mal seinen Drachen heraus. Dieser wimmerte so herzzerreißend, dass sich der Halbdrache erweichen ließ und den Kleinen wieder in sein Gemach trug.

Moi’ra verzichtete auf jeglichen Luxus. Ihre Kammer bot einer harten Liege und einer einfachen Kiste Platz.

»Hofmeister?«, herrschte Moi’ra. »Wo ist der Baderaum? Die Reise war lang und beschwerlich.«

»Ein guter Vorschlag, Moi’ra«, pflichtete ich ihr bei.

»Der Baderaum für die Herrschaften befindet sich im zweiten Obergeschoss. Ich werde alles für ein Bad veranlassen.« Barnus verneigte sich und wandte sich zum Gehen.

»Holt uns in einer halben Stunde ab«, gab ich ihm noch zu verstehen, »nachdem wir die Zimmer bezogen haben.«

»Sehr wohl«, verneigte er sich und ging.

Wie verabredet fanden wir uns in dem Baderaum wieder. Mehrere, großzügig gehaltene Waschtröge standen zur Verfügung. Trennwände boten die Möglichkeit, ungestört zu sein, aber wir verzichteten darauf und verteilten uns in dem wohlig gewärmten Wasser. Die Bediensteten gaben immer wieder neues, erhitztes Wasser hinzu und sorgten für einen angenehmen Badeverlauf.

»Ich hoffe, alles ist Euren Wünschen entsprechend«, erkundigte sich unser Haus- und Hofmeister.

»Nicht schlecht«, grummelte Wogar, »vielleicht etwas kühl, das Wasser.«

Yana und ich kicherten, Moi’ra schüttelte verständnislos über den Luxus erwärmten Wassers den Kopf.

»Wenn es den Herrschaften genehm ist, kann das Essen aufgetischt werden«, berichtete Barnus.

»Essen?«, horchte unser Halbdrache auf.

»Oder haben die Herrschaften schon unsere Sauna kennen gelernt?«, führte der Haus- und Hofmeister seine Vorschläge fort.

»Sauna? Das hört sich interessant an«, gab ich zu verstehen, »erzählt mir mehr davon.«

»Es ist eine Besonderheit am Ort. Wir verdampfen Wasser auf einen Rost und fügen anregende Duftstoffe hinzu, die zur Entspannung beitragen. Die Wärme sorgt dafür, dass Müdigkeit und sogar tief verborgene Unreinheiten aus dem Körper geschwitzt werden. Üblicherweise wird die Sauna gemeinsam genutzt.«

»Oh, das scheint mir vielversprechend zu sein«, lachte ich. »Essen kann ich immer noch.«

Ich sah Yana an. Sie hatte den gleichen Gedanken und das gewisse Glitzern in den Augen. Zusammen gingen wir in die Sauna, verpassten lieber das Essen und labten uns einander. Bald glänzten unsere Körper im gemeinsamen Schweiß und ich leckte das Salz von der Haut meiner Geliebten. Nachdem wir unserem fleischlichen Appetit nachgekommen waren, machte sich ein Grummeln in unseren Mägen breit.

Im Rittersaal wurden die Speisen an einer großen Tafel eingenommen. Unsere Gefährten hielten bereits ihre gesättigten Bäuche als wir eintrafen. Ich nahm mit Yana an einer Seite Platz. Bedienstete schoben unsere Stühle zurecht und reichten die üppige Mahlzeit an. Es gab viel Fisch von der Küste, dazu Fleisch vom Wild und Waldfrüchte. Zum Hinunterspülen stand süffiges Bier und im Hals brennender Korn bereit. Die Burg verfügte über gute Köche. Als Nachtisch gab es dank der Herbstmonate einen dampfenden Apfelkuchen.

»Ich habe mir die Bücher zeigen lassen«, flüsterte mir Wogar zu, »die Finanzen umfassen lediglich das Gold, das wir mitgebracht haben. Alles andere wurde von den Kriegsvorbereitungen aufgezehrt. Hier gibt es nichts zu holen!«

Seine Feststellung überraschte mich nicht. Aber es gab einige, noch ungeklärte Fragen.

»Barnus«, erhob ich meine Stimme, »was ist mit den Verwandten des vorherigen Markgrafen? Sind sie noch in der Ostmark?«

»Oh, nein, Markgräfin«, entgegnete er sofort. »Als sie von dem Tod des Markgrafen erfuhren, haben sie sich in die Hauptstadt der Provinzen aufgemacht.«

»Welch eine Überraschung«, konstatierte Moi’ra monoton. »Sicherlich haben sie alles, was nicht in den Büchern verzeichnet war, ebenfalls mit sich gehen lassen. Wir sollten unser Gold nehmen und es besser anlegen.«

»Ich erinnere dich nur ungern daran, aber wir haben das Gold für die Ostmark bekommen, und nicht für uns persönlich. Gerade von dir hätte ich mehr Loyalität erwartet«, sagte ich und richtete mein Wort wieder an den Haus- und Hofmeister.

»Auf dem Weg zur Burg haben wir einen ungewöhnlich hohen Turm in der Stadt gesehen. Wer wohnt dort?«

»Das ist der Turm von Shirkan, dem Magier der Stadt. Er bietet allerlei Dienste an und war der Berater und Hausmagier des bisherigen Markgrafen.«

»Dann soll er uns vorstellig werden«, donnerte Wogar seine Forderung, »und auch alle Obrigkeiten aus den Dörfern in der Ostmark sollen hierher zur Burg kommen.«

»Ich werde alles Notwendige veranlassen, aber die Obrigkeiten werden ihre Zeit brauchen, bis sie hier ihre Aufwartung machen können.«

»Ist mir egal, wie lange sie brauchen«, der Halbork gab einen Rülpser von sich, »Hauptsache, sie erscheinen!«

»Erzählt uns etwas über die Handelsbeziehungen der Ostmark«, brachte ich das Thema wieder auf unsere Markgrafschaft.

»Der überwiegende Handel erfolgt über Wasser mit der Provinzhauptstadt. Als Markgrafen stehen Euch Abgaben der Handwerker und Bauern zu, diese erfolgen in Naturalien. Zusammen mit den Gütern der Mark werden sie auf den Handelsplätzen der Provinz gegen Waren oder Gold getauscht.«

»Was ist mit dem Fluss?«, grummelte Wogar, »als wir diesen überquerten wollten, konnten wir den Fährmann nicht finden. Lediglich ein Blutfleck auf dem Floß.«

»Das wundert mich doch sehr«, sagte Barnus, »denn er ist ein erfahrener Fährmann und Übergriffe sind mir nicht bekannt. Er lebt zwar alleine, ist dafür aber ein sehr fähiger, kräftiger Troll. Ich werde Büttel aussenden.«

»Wir haben auch«, setzte ich fort, »von Siedlungen gehört, die nicht von Menschen allein bewohnt werden. Wulock hat uns schon begrüßt, aber was ist mit den Nachtelben und den Trollen? Gibt es Probleme mit ihnen?«

»Durchaus nicht, werte Markgräfin«, berichtete der alte Mann, »als Hüter der Wälder stellt der Waldriese an sich selbst die größten Ansprüche. Besuche aus der Trollsiedlung sind sehr selten, aber sie sind gute Jäger und halten ihre Abgaben ein. Die Nachtelben, nun ja, die sind unter sich. Ein sehr zurückgezogenes Volk, aber sie machen keinen Ärger, wenn Eure Sorge danach ist.«

»Und wer ist für die Stadtwache verantwortlich?«

»Hauptmann der Wachen ist Umbold«, Moi’ra sah auf, ihr spezieller ›Freund‹ vom Burgtor hatte demnach eine hohe Stellung inne. Unbekümmert berichtete Barnus weiter. »Es hat uns sehr viel Mühen gekostet, ihn nicht mit auf den Feldzug zu schicken.«

»Wie das?«, grunzte Wogar.

»Nun, wie soll ich es sagen? Er ist der beste Kämpfer in der Stadt, und war auch in der Provinzhauptstadt ein Begriff. Als die Anforderung kam, die Truppen für den Feldzug abzustellen, stand sein Name auf einer gesonderten Liste. Wir haben viele gute Gardisten entsenden müssen, und Umbold wollte sogar freiwillig gehen. Letztlich konnte ihn der Markgraf überzeugen, hier nach dem Rechten zu sehen.«

»Der beste Krieger?«, schrie Moi’ra fast und der Haus- und Hofmeister zuckte zusammen, fürchtete, etwas Falsches gesagt zu haben. »Das will ich sehen!«

»Lasst ihn rufen«, befahl Wogar, »und mit ihm den besten Bogenmacher!«

»Seit wann führt Umbold denn die Stadtwache?«, hakte ich nach, als die Befehle weitergegeben wurden.

»Oh, das müssen jetzt gut und gerne sieben Jahre sein, werte Markgräfin«, antwortete der alte Mann, »und wie ich schon erwähnte, rankten sich schon Sagen um ihn als fähigsten Kämpfer der Stadt, das machte es schwierig, einen guten Grund zu finden, ihn in der Stadt zu belassen. Die Ostmark hat ganz allgemein sehr viele Kämpfer in den Feldzug geschickt und auch zu einem großen Teil der Ausrüstung beigetragen. Nahezu alle Pfeile und Bögen stammen aus diesen Wäldern. Zudem trugen wir zum Bau der Belagerungsmaschinen bei. Das Holz in unseren Wäldern, besonders aus dem Nordwald, hat eine sehr gute Qualität.«

Umbold trat in den Rittersaal ein und verbeugte sich tief vor uns. Unser Mönch schnaufte.

»Ich will testen, wie gut der Hauptmann der Wache wirklich ist«, sie betonte seinen Titel abfällig.

»Wie ihr wünscht, Markgräfin.« Umbold verneigte sich gehorsam. »Wir haben einen Übungsraum in der Wache. Dort stehen uns auch sämtliche Waffen zur Verfügung …«

»Nehmt Ihr nur die Waffe, die Ihr wünscht«, fiel sie ihm ins Wort, »los, ich habe nicht den ganzen Tag Zeit!«

»Das will ich sehen«, erklärte Wogar.

»Ich auch«, sagte ich und zog Yana mit.

Gemeinsam gingen wir in den Wachbereich. Der besagte Raum bestand aus einem Halbrund mit Tribüne, wo wir uns als Zuschauer setzen konnten.

Moi’ra brauchte nicht viel ablegen. Sie löste lediglich die beiden Ketten um ihre Hüfte und breitete sie aus. Knackend lockerte sie ihre Gelenke.

Der Hauptmann erschien mit einer Hellebarde in den Händen, seiner bevorzugten Waffe, als Gardist nicht anders zu erwarten. Beide Krieger hatten genug Platz, ihre Waffen uneingeschränkt zum Einsatz zu bringen, auch wenn ich an der Überlegenheit des Mönches keinen Zweifel hatte.

Ich konzentrierte mich auf die Gedanken von Umbold und erkannte seinen geschulten, kriegerischen Geist. Auf Grund schlechter Erfahrungen mit dem Sohn des Markgrafen fürchtete der Gardist, Moi’ra zu verletzten und dafür schwer bestraft zu werden. Ich flüsterte Wogar und Yana meine Erkenntnisse zu, dann wurden wir vom ersten Geräusch der Waffen abgelenkt.

Moi’ra griff mit ihrer Adamantkette an, die so verzaubert war, dass sie gegen Menschen besonders üble Verletzungen verursachte. Die Kettenenden wirbelten schlangengleich an der zur Parade geführten Hellebarde vorbei, trafen zweimal in schneller Folge und rissen blutige Fleischklumpen aus Brust und Oberschenkel des Gardisten.

Krampfhaft den Schmerz unterdrückend setzte Umbold zu einem gut platzierten Stich an. Geschmeidig wie eine Raubkatze wich der Mönch aus, rollte sich über den Boden ab und jagte die Ketten gezielt auf die Arme des Mannes. Dieser konnte nicht mehr rechtzeitig aus der Reichweite treten und wurde förmlich gefesselt.

Moi’ra erkannte ihren Sieg und in ihren Augen stand blinder Zorn. Ein Ruck, und die Arme ihres Opfers wären abgetrennt gewesen.

»Nicht!«, riefen Wogar und ich gleichzeitig.

»Sein Tod wäre nur Verschwendung«, ergänzte ich unseren Einwand.

»Wenn Ihr demnächst das Wort an uns richtet, dann mit der gebührenden Unterwürfigkeit!«, funkelte Moi’ra Umbold an. »Ihr werdet weiterhin als Hauptmann der Wachen tätig sein, aber ich werde die Wache persönlich beaufsichtigen. Und jetzt, geht!« Mit einem Ruck gab sie den Mann frei und er humpelte hinaus.

»Das war ja eine enttäuschende Vorstellung. Und der soll der beste Kämpfer sein?«, sagte Wogar.

»Was habt ihr erwartet?«, entrüstete ich mich. »Eine Elitearmee? Es sind einfache Menschen. Meines Erachtens handelt es sich bei Umbold um eine sehr gute Wahl, er wird uns nicht enttäuschen.«

»Das rate ich ihm«, dräute Moi’ra.

Kopfschüttelnd zog ich mich mit Yana zurück. Aufgebracht von der Dummheit meiner Abenteuergefährtin brauchte ich meine Partnerin zum Reden. Bald darauf war ich wieder heiter und wir lachten bei den Possen, die wir einander erzählten. Dann bezog ich sie in die einstündige Huldigung meines Patrons und Vaters Arkhmandeo mit ein. Als Dämonenprinz gewährte er mir für meine rituelle Unzucht zauberähnliche Kräfte des Abyss.

Erschöpft aber unglaublich befriedigt lagen wir aneinander gekuschelt in den verschwitzten Laken. Sie schmunzelte.

»Woran denkst du? Lachst du über mich?«, stupste ich sie heiter.

»Ich finde es einfach nur wundervoll, hier mit dir allein im Bett zu liegen.« Sie drückte mich liebevoll und seufzte. »Endlich muss ich dich mit niemand mehr teilen!«

Damit spielte sie auf Torvac an und ich gab meiner Geliebten einen spielerischen Klaps auf den perfekt geformten Oberschenkel.

»Hey, mein Schatz, gewöhn dich nicht daran«, lachte ich, »es gibt hier eine ganze Stadt voller möglicher Affären. Immerhin bin ich die Markgräfin und kann sie in mein Bett befehlen!«

»Mit wem willst du denn anfangen?«, stichelte sie, »vielleicht Barnus, so auf seine letzten Tage?«

»Na warte«, drohte ich und wir begannen eine Rangelei. Zwischen unserem Lachen neckte sie mich weiter.

»… oder dieser Shirkan? Miau!«, maunzte sie und kratzte verspielt über meine Arme. Ich packte ihre ›Krallen‹, presste ihre Hände auf das Bett, drückte ihren Körper mit dem meinen herunter und konnte der Einladung ihrer bebenden Lippen nicht widerstehen …

Genau zur Frühstücksstunde am nächsten Tag erschien der Rakshasa. Wogar war an diesem Morgen mürrisch und hielt sich mit verständlichen Worten zurück.

»Shirkan, vom Turm des Magus zu Ostmark«, kündigte der Haus- und Hofmeister unseren Gast an, der sich in perfekter Manier verneigte. Seine edle Kleidung zeugte von ausgesuchtem Luxus, ebenso die glänzenden Schmuckstücke um seinen Hals oder an den Tigerpranken. Eine Pfote umfasste einen ebenholzfarbenen Stock mit goldenem Knauf. Wenn ich mich nicht täuschte, hatte er seine Krallen maniküren lassen und das Fell glänzte. Ein sanfter Hauch Parfum ging von ihm aus, dezent und doch deutlich wahrnehmbar.

Ich wusste um den Wert des Rakshasa, denn ihre Art stammte ebenso wie ich aus den äußeren Ebenen. Ihre Verbundenheit mit der Magie machte sie immun gegen jegliche Zauberwirkung oder einer vergleichbaren Kraft. Gleichzeitig ermöglichte ihre Intelligenz einen Aufstieg zu den mächtigsten Magiern überhaupt. Noch wusste ich nicht, wie gut Shirkan war und ich hatte auch nicht mit einem so frühen Besuch gerechnet, so dass ich meine Gedanken nicht abgeschirmt hatte. Wenn es ihm gelang, diese zu lesen, bestand die Gefahr, dass er Informationen an Moi’ra gab, die meinen Plänen schaden konnten. Mein Misstrauen konnte ich kaum verhehlen.

»Wir freuen uns«, begann ich meine Begrüßung, »einen Meister Eurer Kunst in unserer Stadt zu haben und sind uns über die besondere Stellung, die Ihr unter dem bisherigen Markgrafen innehattet, bewusst.«

»Nett geschnurrt, Sukkubus«, erwiderte er charmant. Nur sehr machtvolle Zauber konnten meine wahre Natur enthüllen. Oder eine sehr gute Beobachtungsgabe. Ich nickte anerkennend, bevor ich meine Worte weiterführte.

»Um uns einen Eindruck von Euren Möglichkeiten zu verschaffen, haben wir Euch zu uns rufen lassen. Welchen Beschäftigungen geht Ihr in Ostmark nach?«

»Nun«, maunzte Shirkan und stütze sich auf seinen Stock, »ich arbeite für Geld.« Eine Kunstpause unterstrich seine Aussage. »Meine Fähigkeiten umfassen alle Arten der Verzauberung. Wenn Euch an Tränken, Stäben und allem was sonst noch magische Energie aufnehmen kann, gelegen ist, dann bin ich gerne bereit, über den Preis zu verhandeln.«

Hinter ihm versuchte gerade, der kleine rote Drache ein Loch in das Gewand des Gastes zu ritzen, um an eine darin versteckte Leckerei oder Ähnlichem zu kommen. Der Rakshasa sah auf den Schlingel hinab.

»Oh, wie interessant, ein Hypodrache«, entlarvte Shirkan das vermeintliche Drachenkind.

»Pah«, schnaufte Turgan und formte mit seinen kleinen Klauen obszön wirkende Gesten. Wogar packte ihn weg.

»Seid wie vielen Jahren«, säuselte ich mit aneinander gelegten Fingern, »werter Shirkan, befindet Ihr Euch schon in Ostmark?«

»Wenn der Winter vorbei ist, Markgräfin, bin ich seit drei Jahren hier.«

»Und was hat Euch seinerzeit an diesen Ort verschlagen?« Süffisant fügte ich hinzu: »Es war doch sicherlich nicht der Handel an so einer entlegenen Stelle.«

»Nein, wie Euch schon aufgefallen ist, gibt es nicht viele Kunden für meine exquisiten Waren in dieser Stadt.« Seine Andeutung umfasste uns direkt mit. »Ich bin an diesem entlegenen Ort, weil er so entlegen ist, oder anders gesagt, weil er so nahe an den Narbenlanden liegt. Die Narbenlande sind mein Forschungsobjekt, ich studiere sie schon lange«, ein Maunzen folgte, »leider sind Informationen so was von kostspielig, dass ich sehr viel Geld verlangen muss, um eine Weitergabe zu rechtfertigen.

Wobei«, er hob eine Kralle an, »es nicht unbedingt Gold sein muss als Bezahlung. Ich akzeptierte durchaus auch Zutaten, an die ich sonst nicht so leicht heran komme. Wenn Eure Herrschaften zum Beispiel an das Silber gelangen, das die Nachtelben herstellen, könnten wir ins Geschäft kommen.« Ein Schnurren mischte sich in seine feinen Worte. »Mondsilber nennt es sich.«

»Wir werden sicherlich auf das Angebot zurückkommen«, bemerkte ich trocken. »Ihr dürft Euch entfernen.«

Unter zahlreichen, höfisch gekonnten Verneigungen stolzierte der Kater wieder hinaus. Ich musste mich schütteln, um seine Arroganz abzustreifen. Andererseits waren seine Hände sicherlich sehr geschickt. Mein Kopfschütteln vertrieb weiterführende Gedanken und ich zog mich mit Yana in unser Gemach zurück. Sollen meine Gefährten diese Stadt verwalten, für heute hatte ich genug von mir als Markgräfin.

Sündige Herrschaft

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