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2. Kapitel

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Als ich am nächsten Morgen in der Burg von Ostmark zu Tisch saß, fiel das Frühstück nicht mehr so üppig aus.

»Was ist los? Ist die große Armut ausgebrochen?«, fragte ich spitzfindig.

»Es fehlt am Gold, werte Markgräfin«, antwortete unser Haus- und Hofmeister betrübt, »der Handel ist auf Grund des Krieges völlig zum Erliegen gekommen. Viele unserer potentiellen Käufer sind nicht mehr da. Die Waren Eurer Untertanen sind vorhanden, es fehlt jedoch an Abnehmern.«

»Hm«, überlegte ich, »dafür haben wir ja auch das Gold mitgebracht.«

»Was?«, trotzte Moi’ra. »Du willst diesem armseligen Haufen auch noch unser Gold in den Rachen werfen?«

»So, wie ich die Provinzverwaltung verstanden habe, dient das Gold als Unterstützung der Markgrafschaft, und nicht, um uns zu bereichern.« Meine Stimme nahm einen höhnischen Ton an. »Außerdem, was willst du sonst mit dem Gold hier anfangen? Darin baden?«

»Wir könnten von diesem Magier was kaufen«, grunzte Wogar.

Ich verdrehte meine Augen. »Das können wir doch immer noch«, tadelte ich, »das Gold ist doch nicht weg, es kommt in die Schatzkammer und wird bis auf das letzte Stück nachgehalten. Stimmt’s, Barnus?«

»Äh«, stotterte er von unserem Streit verwirrt, »natürlich, Markgräfin, jede Ausgabe wird peinlich genau überwacht.«

»Wehe nicht«, drohte Moi’ra, »dann rollen hier Köpfe!«

»Sehr wohl«, verneigte sich der alte Mann.

»Nachdem wir das geklärt haben«, versuchte ich, die Wogen wieder zu glätten, »will ich mir die Stadt ansehen. Insbesondere, was dort von wem hergestellt wird.«

»Hofmeister«, befahl Moi’ra, »sorgt dafür, dass uns jemand zur Seite gestellt wird, der über örtliches Wissen verfügt.«

»Ich werde es arrangieren, Markgräfin.«

»Wir treffen uns in einer Stunde am Tor«, sagte ich und verließ in Begleitung von Yana den Rittersaal.

Für einen Rundgang durch die Stadt wollte ich mich fein machen. Eine kunstvoll hochgesteckte Frisur und das zur adligen Stellung passende, elegant um meine Hüften fließende Gewand aus dunkelroter Seide bildeten in Kombination mit dem teuren Schmuck das Bild einer Göttin. Zumindest betrachtete ich mich als diese im Spiegel.

»Hübsch« flüsterte Yana und trat hinter mir ins Spiegelbild. Ihr Schmunzeln erzeugte kleine Grübchen auf ihren Wangen. Ich schenkte ihr mein Lächeln. Sie hatte ihre Magierrobe angezogen, die jedem untrüglich ihren Status bewies. Auf dem dunkelblauen, samtigen Stoff waren arkane Symbole mit Silberfäden gestickt.

Als ich im Flur auf Wogar traf, strahlte er in einem besonders auffälligen Licht. Er hatte ganz offensichtlich auf eine göttliche Kraft zurückgegriffen. Völlig eingenommen von seiner Erscheinung küsste ich seine prächtigen Muskeln zur Begrüßung. Grinsend genoss er meine Aufwartung.

Pochend hörten wir einen alten Mann auf seinem Stock die Treppe hinauf mühen. Keuchend hielt er vor uns inne.

»Ich bin Ukar«, krächzte er, »und soll Euch führen.« Er stützte sich zitternd auf seine Gehhilfe.

»Na dann«, zwinkerte ich dem Greis zu, »zeigt uns die Stadt.«

Gemächlich gingen wir hinaus. Moi’ra trafen wir am Tor und ihr Blick auf den faltigen Stadtführer war unmissverständlich. Schwäche, und sei sie durch das Alter, hatte in ihrem Leben keinen Platz.

Unter den Blicken der Wachen paradierte ich hinaus und sie mussten sich sehr konzentrieren, um nicht meinen schwingenden Hüften nachzustieren.

»Rühren!«, befahl ich ihnen schmunzelnd und ihr strammer Schritt beulte sich umso mehr.

Unbeachtet meiner Possierlichkeiten erzählte der alte Mann von den Gegebenheiten in der Stadt.

»Hier in Ostmark findet sich alles, was den Durchreisenden ihren Aufenthalt erleichtert. Und auch ihre Geldbörse. Wir haben drei Tavernen und zwei Gasthöfe, jeder mit der Möglichkeit, seine Reittiere unterzustellen. Was diesen Rakshasa anbelangt – der ist wirklich ein habgieriges Exemplar. Aber zurzeit …«, einem Kichern folgte ein übler Hustenanfall, »… zurzeit hat er nur wenig Kunden.

Ein großer Teil der Einnahmen besteht aus den Käufen der Abenteurer, die sich hier für eine Reise in die Narbenlande ausrüsten. Verrückte sind das, aber sie lassen ihr Gold hier. Bis auf wenige Ausnahmen gehören sämtliche Läden entweder diesem Rakshasa oder dem Ghorrn-Schrein.

Von den Tavernen hat sich die ›Zum Grünen Wyrm‹ auf Waldfrüchte spezialisiert. Ein Gaumenschmaus, den ich Euch nahe legen möchte.

Im Moment befinden sich nur zwei Reisende in der Stadt, ein Barde und ein bärtiger Mann, der aus dem Süden kam. Letzterer ist im Gasthof ›Pralle Birne‹ eingekehrt, der für seinen ausgezeichneten Birnenschnaps bekannt ist.«

»Na, dann wollen wir diesen mal probieren«, donnerte Wogar unternehmungslustig.

Wir schwenkten in eine breite Gasse. Auch hier bestanden nahezu alle Gebäude aus Holz.

»Auf das Holz«, fasste der alte Mann meinen Gedanken auf, »sind wir sehr stolz. Es ist der vorwiegende Baustoff. Ja, die ostmarkischen Eichen liefern das beste Holz weit und breit. Und durch einen nur uns bekannten Prozess wird es zudem noch recht resistent gegen Feuer. In meiner Jugend habe ich als Holzfäller ein gutes Auskommen gehabt. Ja. Oh, wir sind schon an der Prallen Birne angelangt.«

Völlig überrascht versuchte eine Bedienstete im Schankraum, unsere Wünsche entgegen zu nehmen.

»Wir wollen den Schnaps testen!«, erklärte Wogar herrisch.

»Sind Gäste eingekehrt?«, erkundigte ich mich.

»Ein Zimmer ist belegt, Hoheit«, stotterte die dralle Frau, »bitte, nehmt doch Platz.« Schweiß bildete sich auf ihrer Stirn und sie war froh, uns hinter sich lassen zu können.

Nur Augenblicke, nachdem sie hinter der Theke verschwand, kam ein Mann mit auffälligem Doppelkinn und frisch gescheiteltem Haar auf uns zu. In seiner Hand hielt er ein Tablett mit Gläsern und grün schimmernden Flaschen.

»Welch große Ehre für mich, Euch hier in der Prallen Birne bewirten zu dürfen! Ich bin der Wirt, William Holzbearn. Bitte«, der Wirt stellte das Tablett ab und verteilte die Gläser, »probiert meinen Birnenschnaps. Er geht auf Kosten des Hauses.«

»Na dann, schenkt gut ein, Wirt!«, lachte Wogar kehlig.

Moi’ra roch zunächst an dem grünlich schimmernden Getränk, nahm einen großen Schluck und atmete mehrere Sekunden lang beschwerlich ein und aus.

Ich nippte und roch schon bevor meine Zunge brannte, wie stark der Schnaps war. Das Birnenaroma war sehr lecker und mundete angenehm frisch und beständig.

»Nicht schlecht«, bewertete unser Halbdrache heiser, nachdem er in einem Zug sein Glas geleert hatte.

»Hoffentlich verbrennst du nicht von innen«, feixte ich.

Yana hustete und unterdrückte mutig mit einem Schluck weitere Beschwerden. Ihre Wangen wurden rosig.

»Sagt, William, wie läuft das Geschäft im Moment?«, lenkte ich die Aufmerksam des Wirtes auf mich.

»Nicht sehr gut, Markgräfin, gar nicht gut. Ein alter Reisender ist unser einziger Gast.«

»Das ist was für dich«, meinte Moi’ra und füllte ihr Glas bis zum Rand auf.

»Such ihn auf«, ergänzte Wogar, »und lerne ihn kennen.«

Unterbewusst nahm ich eine Veränderung im Fluss der Energien wahr und verspürte ein Kribbeln im Nacken – wir wurden mittels Magie ausgespäht! Yana nickte mir zu. Sie hatte es auch bemerkt.

Während der Wirt für eine neue Runde zur Theke eilte, gab ich meine Erkenntnis telepathisch an die Gefährten weiter.

›Jemand beobachtet uns!‹, flüsterte mein Gedanke.

Moi’ra sah mit bereits wässrigen Augen auf. Offenbar hatte der sehr starke Schnaps sie bereits betrunken gemacht. »Wasch?«, nuschelte sie, »ha… hat… habt ihr … wasch g’sacht?« Sie deutete auf ihr Glas. »Gutes Tscheug!«

Der wieder zurück gekehrte Wirt stellte ihr eine Flasche hin.

»Bitte, nehmt doch eine Flasche mit«, bot er eifrig an. »Ich kann Euch auch auf der Burg beliefern.«

»Unser Schlosch«, wankte der Mönch, schnappte jedoch sicher die angebotene Flasche, »da werde isch jetscht hin geh’n. Ups.«

»Bleibt noch ein wenig«, ersuchte der Wirt gefällig, »es ist doch bald Mittagszeit. Mein Gasthaus bereitet wahrhaft exquisite Mahlzeiten, die müssen Euer Herrschaften probieren!«

»Damen«, warf Moi’ra sturzbetrunken ein, blieb aber sitzen.

»Bringt mir die Mittagsmahlzeit Eures Gastes, Wirt! Ich werde sie persönlich vorbei bringen. In welchem Zimmer befindet sich der Reisende?« Ich zwinkerte Yana und Wogar zu. »Mal sehen, wer dort haust.«

Vom Wirt erhielt ich Tablett und Zimmernummer. Das Servierbrett war gut gefüllt mit einer dampfenden Suppe und frisch duftendem Brot. Langsam stieg ich die Stufen hinauf und trat aus Mangel an freien Händen vorsichtig gegen die Türe des Gastes.

»Herein!«, rief eine tiefe, grummelige Stimme. »Es ist offen!«

Im Zimmer saß ein etwa sechzig Jahre alter, sehr beleibter Mann mit dichtem Bart und Hakennase. Er trug robuste Reisekleidung, seinen Rucksack hatte er an ein Stuhlbein gelehnt. Er sah mich nicht an und hob nur eine Hand, um auf den Tisch neben ihm zu deuten.

»Das Essen«, sprach ich ihn an, »welches Ihr bestellt habt. Wo soll ich es abstellen?«

Als ich ihn ansprach, wandte er mir das Gesicht zu und ich sah seine lebendig wirkenden, grünen Augen. Nun seiner Aufmerksamkeit sicher, stellte ich das Tablett auf den Tisch.

»Mein Name ist Crish, ich bin eine der Markgrafen von Ostmark und heiße Euch in der Stadt willkommen.«

»Oh«, gab er überrascht mit tiefer Stimme von sich, »ich bin Asanael Willebracht Ruhin, ein Reisender und Weiser.« Er musterte mich einen Moment lang. »Und wie komme ich zu der Ehre, von einer Markgräfin das Essen gebracht zu bekommen?«

»Nur wenige Reisende treffen dieser Tage in Ostmark ein«, antwortete ich, »und jene, die mein Interesse wecken, möchte ich persönlich kennen lernen. Woher stammt Ihr? Ich hörte, Ihr reistet von Süden heran?«

»Das stimmt, ich habe einige Zeit am Rand der Narbenlande verbracht. Dieser Teil des Landes ist mir noch unbekannt, und das möchte ich ändern. Ursprünglich stamme ich aus dem Norden, dem Reiche Nylon.«

Nylon wurde von Laird dominiert, einem Gott, der Geheimnisse ebenso liebte wie Intrigen und Hinterlist. Ich musste vorsichtig mit dem sein, was ich sagte. Oder dachte.

»Als Weiser auf Reisen seid Ihr doch sicherlich der Magie kundig?«, hakte ich nach und achtete auf jedes Anzeichen einer Lüge.

»Nur ein wenig, was so die Reise erleichtert«, wiegelte er ab.

»Ihr beherrscht nicht zufällig die Kunst des Ausspähens?«, deutete ich meine Vermutung an.

»Nein«, versuchte er zu lügen, »aber bitte, setzt Euch doch. Das Essen reicht für zwei. In meinem Alter sind solche große Portionen nicht mehr nötig.«

Beim Essen unterhielten wir uns weiter und ich kam auf Abenteuer zu sprechen.

»Nicht doch«, lachte er, »ich bin wissensdurstig, aber bei Weitem nicht lebensmüde.«

»Freudig stelle ich fest, dass eine Unterhaltung mit Euch leicht ist. Als Markgräfin, müsst Ihr wissen, verstellen sich oft die Gesprächspartner und geben keine ehrlichen Antworten. Ich wäre froh, wenn Ihr Euch ein wenig umhört und mir berichtet, was dem einfachen Volk auf dem Herzen liegt.«

»Danach werde ich mich gerne erkundigen. Noch etwas Brot?«, er reichte mir den Brotkorb.

»Ja, danke.« Ich tauchte das Brot in die Suppe und nahm einen guten Bissen. »Als Reisender habt Ihr eine neutrale Position, und auf die lege ich viel Wert. So, jetzt muss ich mich wieder um die Stadt kümmern.«

»Es war mir eine besondere Ehre.« Wir nickten einander zu.

»Ganz meinerseits. Ich freue mich schon auf unsere weiteren Treffen.«

Als ich wieder im Schankraum eintraf, war Wogar bereits mit dem alten Ukar losgezogen, um verschiedene Meisterbetriebe aufzusuchen.

»Na«, witzelte Moi’ra betrunken, »warscht du mit dem Alten im Bett?«

»Es gibt andere Werte«, antwortete Yana für mich und setzte sich demonstrativ auf meinen Schoß, »die wesentlich mehr Bedeutung haben als Sex.« Wir tauschten Zärtlichkeiten aus. Ihre straffe Haut unter der Robe fühlte sich herrlich in meinen Händen an.

»Unser Gast wird wissen«, verkündete ich absichtlich laut, »wen man ausspähen sollte, und wen nicht.« Damit beließ ich es und widmete mich wieder den sanften Küssen und Streicheleinheiten mit Yana.

Wogar kehrte allein zurück.

»Ich habe den Alten nach Hause geschickt. Wirt?« Mit saurer Miene setzte er sich an den Tisch und orderte frischen Schnaps. Moi’ra konnte sich mittlerweile kaum noch aufrecht halten, dafür hielt sie eine Flasche unnachgiebig fest.

»Setzt Euch doch zu uns«, lud ich den Wirt ein, »und erzählt ein wenig über die Ostmark.«

»Ja, denn«, nervös setzte sich der Mann zu uns und wischte seine schwitzende Stirn mit einem Lappen ab. »Wo soll ich anfangen? Ach, nehme ich doch den alten Ukar. Er ist, glaube ich, der älteste Holzfäller in der Stadt. Einst hatte er ein zänkisches Weib, und keiner sah ihn jemals lächeln. Eines Tages kehrte er ohne sie aus dem Wald zurück, dafür aber mit einer gebrochenen Hand, die niemals wieder heilte. Es ist schon einige Zeit her, damals gruselte man sich vor ihm, besonders die Kinder. Es hieß, er müsse Menschenfleisch essen, um nicht seine Hand völlig zu verlieren, aber das ist albernes Gerede.

Wenn es irgendwo nicht mit rechten Dingen zugeht, dann bei der Bastion am Fluss. Dort spukt es! Kröten fressen Menschen bei lebendigem Leib.

Aber wir haben auch verborgene Schätze. In der Zwergenbinge solle ein gewaltiger Schatz liegen, doch das Gestein ist sehr fest, so fest, dass selbst der Meisterhammer des Schmieds Schaden nahm.«

Aufgeregt wischte der Wirt wieder über seine Stirn.

»Hat Euch das Essen gemundet?«, fragte er mit Blick auf die noch halb vollen Schüsseln.

»Oh, ja«, grunzte Wogar zufrieden, »es war ausgezeichnet.«

»Es würde für mich kein Problem darstellen, Euch im Palast zu beliefern«, erneuerte er sein Angebot.

»Das geht?«, erkundigte sich Wogar mit hungrigem Blick.

»Wir werden unseren Haus- und Hofmeister davon berichten«, erklärte ich dem Wirt, »und von uns hören lassen. Für heute haben wir genug erfahren und werden uns wieder zur Burg begeben. Kommt.«

Wogar musste Moi’ra beim Gehen helfen. Ihre Flasche gab sie nicht aus der Hand.

»Ich will noch bei diesem Rakshasa vorbei«, rief mir Wogar zu.

»Was willst du denn bei ihm?«, fragte ich ungehalten.

»Er ist doch Magier, mal sehen, was er anzubieten hat.« Ich verdrehte nur meine Augen, nickte aber und trat vor das Gasthaus.

Auch der Reisende trat hinaus und nickte mir zu.

»Welch gute Gelegenheit, Euch bekannt zu machen«, erhob ich das Wort, »das ist der Reisende, der sich dieser Tage im Gasthaus befindet, Asanael Willebracht Ruhin. Die Markgrafen Wogar und Moi’ra, und das ist meine Partnerin.«

»Yana Abendstern«, stellte sie sich persönlich vor, »von der Schule der Hervorrufung und Beschwörung zu Ustan.«

»Sehr angenehm«, neigte Asanael kurz angebunden den Kopf.

»Gebietet es nicht die Etikette«, erinnerte ihn Yana förmlich, »sich mit seiner Schule vorzustellen?«

Betroffen räusperte sich der alte Mann.

»Nun, ich bin vom Orden der Weisen Männer zu Uben Aluk.«

Genau in diesem Moment erschien Shirkan um die Gasthausecke. Auf seinem Stock gestützt flanierte er auf uns zu.

»Na, wen man nicht so alles trifft«, schwatzte der Rakshasa, »auf einem Spaziergang durch die Stadt. Was habe ich da gehört? Uben Aluk? Wo liegt denn dieser Ort?«

»Ich glaube nicht, dass Ihr die Gegend kennt«, versuchte der angesprochene Magier der Frage auszuweichen.

»Unüberhörbar ein Gebiet, dass ich bisher gemieden habe«, maunzte Shirkan herablassend, »wenn dort kein Benehmen in die Worte gelegt wird.«

»Ich sage meine Meinung lediglich ehrlich heraus.«

»Von Ehrlichkeit habe ich bislang wenig gehört, aber sagt, kennt man in Eurem Land keine guten Schneider? Wenn ich es nicht besser wüsste, hätte ich Euch mit einem Landstreicher verwechselt.«

Ich amüsierte mich köstlich über die Sticheleien, worin der herausgeputzte Shirkan wahrlich ein Meister war. Als die Wogen immer höher schlugen, erhob ich meine Stimme.

»Meine Herren, wir sollten einen angenehmeren Ort für unsere Konversation aufsuchen, als die Straße. Shirkan, Ihr kennt doch sicherlich eine passende Lokalität.«

»Nja«, schnurrte der Kater, »für so edle Gäste ist der Grüne Wyrm hervorragend geeignet.«

Auf dem Weg zum Lokal herrschte eine angespannte Ruhe, die erst von den bereits in der Taverne befindlichen Gästen unterbrochen wurde. Sofort eilte der etwas rundliche Wirt auf uns zu. Seine Kleidung war ordentlich und vom guten Stoff, was für die bessere Stellung der Schenke sprach.

»Ehrenwerte Gäste, nehmt doch hier Platz, das ist der beste Tisch in meinem bescheidenen Haus.« Schnell wischte der Wirt mit einem Tusch über das dunkle Holz. »Mein Name ist Justus Grunewald, ich bin der Wirt vom Grünen Wyrm.«

Soweit ich die Getränke der anderen Gäste überblicken konnte, gab es primär Bier zu trinken.

»Wir möchten Bier in großen Humpen«, orderte ich. »Und natürlich Eure bekannten Waldfrüchte probieren.«

»Sehr wohl, Markgräfin«, grinsend betrachtete er mich und meine Begleiterin.

»Der Rakshasa zahlt für sich selbst!«, grölte Wogar und lachte. »Orkscherz!« Der Halbork hatte seinen Spaß und Shirkan bedachte ihn mit einem eindeutig abwertenden Blick.

Wir verteilten uns um den Tisch, Yanas Beine baumelten über den meinen und ich hielt ihre Taille mit der linken Hand fest, um eine Hand für den Krug frei zu haben, der eifrig auf den Tisch gestellt wurde. Eine kleine Schale mit erlesenen Waldfrüchten gesellte sich dazu. Das Bier war würzig und rann wohlschmeckend über meine Zunge.

»Shirkan«, sprach ich den Magier an, »wie ich bei meinem ersten Gang durch die Stadt erfahren habe, lassen die Besuche von Abenteurern zu wünschen übrig. Ihr seid doch an den Verkäufen in den Läden für Abenteurerausstattung beteiligt. Es liegt also in unserem gemeinsamen Interesse, für mehr Abenteurer in der Stadt zu sorgen.«

»Ich fürchte, der Krieg im Westen wird so schnell keine neuen Abenteurer in die Stadt bringen, Markgräfin. Aber vereinzelt finden sich ja Unwissende.« Bei seinen Worten sah er Asanael hämisch an.

Als sich der weise Mann nur nachdenklich über den langen Bart fuhr, setzte der Rakshasa in seiner gepflegten Pracht seine Sticheleien fort.

»Fand sich keine Schere, um dieses grässlich wuchernde Haar im Gesicht zu stutzen?« Stolz zwirbelten zwei Klauen die eigenen Schnurrbarthaare.

Ein Wortgefecht zwischen den beiden entbrannte, dem ich nicht weiter meine Aufmerksamkeit schenkte. Als beide wieder zur Ruhe kamen, versuchte ich, dem Stadtmagier weitere Informationen zu entlocken.

»Was gibt es denn in Eurem Turm alles zu sehen?«

»Ich gewähre niemanden Zutritt zu meinem Turm«, winkte Shirkan ab, »auch nicht der Markgräfin. Aber wenn Ihr mir sagt, wonach Ihr sucht, bin ich gerne bereit, Eure Wünsche zu erfüllen.«

»Was hat es mit der Zwergenbinge auf sich?«, sprach Wogar den Rakshasa an. »Sie ist verschlossen, so wurde uns berichtet, und lässt sich durch nichts öffnen.«

»Das ist nicht ganz korrekt. Ein starker Zauber bewahrt die Tore vor jedwedem Schaden, denn es handelt sich dabei um ein ›Ding-Tor‹. Nur ein speziell dafür angefertigter Gegenstand, ein Ding, kann das Tor öffnen und erlaubt seinem Träger, die Zwergenbinge zu betreten.«

Überheblich wischte er eine Kralle an seinem Rock sauber, betrachtete das Ergebnis und sah dann wieder zu uns.

»Ich kenne den vermutlichen Ort des Dings«, säuselte er süffisant.

»Nennt Euren Preis!«, knurrte ich.

»Fünfzehntausend Goldmünzen«, schnurrte der Rakshasa blasiert, »und ich werde Euch zur Zwinge begleiten, wenn der Gegenstand in Eurem Besitz ist.«

»Huh«, machte Wogar, »ein ganz schönes Sümmchen, nur für eine Information.«

»Der Preis ist nicht verhandelbar«, die rechte Tatze unterstrich seine Forderung.

»Wir werden uns das Angebot überlegen«, gab ich dem Rakshasa zu verstehen.

»Ruft nach mir, wann immer es Euch genehm ist«, verneigte sich unser selbstgefälliger Gast und zog sich höflich zurück.

»Und wie sieht es mit Euch aus, Asanael?«, erkundigte ich mich bei unserem zweiten Gast.

»Diese Binge scheint ausgesprochen interessante Geheimnisse zu verbergen. Einer näheren Untersuchung wäre ich nicht abgeneigt. Im Gegensatz zu Shirkan bin ich jedoch nicht an Bezahlung oder Schätze interessiert. Das Wissen interessiert mich.«

»Das höre ich gerne, aber wir sollten nicht sofort aufbrechen. Dennoch bin ich bereit, das Wagnis einzugehen und die Information zu kaufen, was immer sich auch dort verbirgt.«

»Genau«, gähnte Wogar, »doch heute ist es schon spät. Lasst uns schlafen gehen.« Etwas neidisch sah er Yana an, deren Hand sanft entlang meiner Taille streichelte.

Gemeinsam gingen wir ein Stück durch die Straßen, dann wandte sich Asanael seinem Gasthaus zu. Die Burg war bald darauf erreicht und ich fiel mit Yana in einen sanften Schlaf.

Zunächst verlief die Nacht ruhig, dann hörte ich einen grellen Schmerzensschrei durch den Ort hallen und schreckte auf. Ich sah hinaus und hatte einen guten Überblick auf die Stadt. Fackeln eilten durch die dunklen Gassen. Yana schlief, während ihr Kater mich mit seinen reflektierenden Augen beobachtete. Leise ging ich auf den Flur und traf dort auf Moi’ra und Wogar. Auch sie hatten den Schrei gehört. Wir gingen hinaus. Das Tor war geschlossen, während Lanzenträger auf der Brüstung Wache hielten.

»Was ist geschehen? Macht Meldung!«, verlangte ich herrisch von dem nächstbesten Wachmann.

»Herrin, wir hörten einen Schrei aus der Stadt. Hauptmann Umbold befahl uns, die Tore zu schließen und ist selbst in die Stadt hinaus.«

»Gut. Lasst unsere Reittiere satteln, wir werden uns selbst ein Bild von der Situation machen!«

»Sofort, Herrin.« Der Mann bemühte sich, seinem Befehl nachzukommen.

Kurz darauf befanden wir uns auf den Rücken unserer Reittiere und stoben hinab in den Ort. Noch auf dem Weg stärkte ich mich für eine mögliche Auseinandersetzung durch die Kräfte des Abgrundes. Das spürbare Pochen in den Muskeln gab mir für kurze Zeit nicht nur körperliche Kraft. Ich fühlte mich auch überlegen.

Mehrere Gardisten bewegten sich in kleinen Gruppen mit Fackeln durch die Gassen. Ich hielt neben drei Männern und sah von Gargarhaykal auf sie hinab.

»Wo ist Hauptmann Umbold?«, verlangte ich zu wissen.

»Beim Haus des Tischlers. Von dort kam der Schrei.« Eifrig zeigte die Wache ins Stadtinnere.

»Bringt uns dorthin!«, befahl ich der kleinen Gruppe und sie nickten gehorsam, marschierten voraus und wir folgten in langsamen Schritt.

Am Haus des Tischlers angekommen sahen wir den Hauptmann neben einem ausgestreckt auf dem Boden liegenden Toten stehen. Der Leichnam hielt noch eine große Holzfälleraxt in der Hand und war übersät von Wunden, die ihm scharfe Klauen zugefügt hatten. Holzsplitter verteilten sich bei der Haustüre, die gewaltsam aufgebrochen worden war.

»Gebt einen kurzen Bericht, Hauptmann!«, wies ich Umbold an, während ich geschmeidig von dem Egniaygir abstieg.

»Herrin«, neigte er sein Haupt, »als unser Trupp hier eingetroffen ist, fanden wir den Tischler bereits an seinen Wunden erlegen. Ich mag mich irren, denn das Licht war sehr schwach, aber ich glaube, einen Ork gesehen zu haben, der in die Gassen floh. Ein Schwarzpelz, nur schwer zu erkennen in den Schatten der Nacht.«

Wogar führte sein Reittier an die Leiche heran, wo es laut schnüffelte, sich aber auf keine Spur einigen konnte. Seine Düsterdogge schnaufte noch mehrmals und knabberte gelangweilt an der freien Hand des Erschlagenen.

»Nicht jetzt«, herrschte Wogar das Tier an und zog scharf an den Zügeln.

»Hauptmann«, lenkte ich dessen Aufmerksamkeit auf mich, »lasst die Wachen feststellen, ob etwas entwendet wurde, nicht nur beim Tischler, sondern in der ganzen Stadt.«

Ich selbst folgte Umbold in das Haus. Umgestürzte Stühle und zerbrochene Tongefäße waren ein deutliches Zeichen für einen heftigen Kampf. Blutspritzer verteilten sich auf dem Boden. Ich ging die Treppen hinauf und gelangte in das Schlafzimmer, wo sich ebenfalls Blutspuren befanden. An verschiedenen Stellen kniete ich nieder und nahm etwas Blut auf meinen Finger, schleckte daran und war mir schnell sicher, dass hier unterschiedliches Blut geflossen war.

»Der Tischler muss seine Familie verteidigt haben«, erklärte ich meinen Gefährten, »denn hier haben weitere Menschen ihr Blut verloren, doch ihre Leichen sind fort.«

»Zur Familie des Tischlers zählte seine Frau und seine zwei Kinder«, berichtete der Hauptmann.

»Gib meinem Blutross eine Probe von ihrem Blut, Crish«, machte Moi’ra den Vorschlag, »vielleicht kann er der Spur folgen.«

Kaum hatte das Blutross an dem Blut geschmeckt, zog es uns durch die Gassen einer unsichtbaren Fährte folgend zum Palisadenzaun. Dort hielt es an und starrte direkt auf die Holzwand.

»Wartet, ich werde auf der anderen Seite nach der Fährte suchen«, und schon trieb Moi’ra ihr Reittier auf das Tor zu.

Nur wenige Minuten später kam sie zu uns zurück und schüttelte enttäuscht den Kopf.

»Ich konnte zwar die Fährte aufnehmen«, berichtete sie, »doch im nahen Wald verlor sich die Spur völlig.«

Unruhig zappelte Wogar auf der Dogge hin und her. Mit einem Satz kletterte das Tier senkrecht an der Wand hoch und hielt auf einen Wachturm am Tor zu.

»Es befindet sich keine Wache hier oben«, rief er zu uns hinab, »dafür aber frische Blutflecken. Jetzt ist guter Rat angebracht.«

»Wir haben doch einen schlauen Gast in der Stadt«, erwähnte ich den Reisenden, »kommt, gehen wir ihn wecken.«

Im Galopp erreichten wir schnell das Gasthaus und klopften lautstark gegen die Zimmertüre. Noch wesentlich lauter tönte ein ausgelöster, magischer Alarm. Ziemlich verschlafen öffnete Asanael.

»Kommt mit, wir haben etwas, das Ihr besser mit eigenen Augen begutachten solltet. Und wenn Ihr darüber schon etwas in anderen Ländern gehört habt, so wären wir über diese Information sehr dankbar«, erklärte ich in knappen Worten.

»Dann lasst mich noch schnell etwas Passendes anziehen«, bat er in seiner ruhigen Art. Kurz darauf stand er vor dem Gasthaus unseren Reittieren gegenüber.

»Kommt, steigt auf«, bot ich ihm an, auf den Rücken von Gargarhaykal Platz zu nehmen, wohl wissend, dass er ihn nicht dulden würde, »dann sind wir schneller am Ort des Geschehens.«

Ob es das lodernde Feuer der Hufe war oder der Blutgeruch, den das letzte Mahl hinterlassen hatte: beim Anblick unserer Reittiere sträubten sich dem Gelehrten sichtbar die Haare.

»Nein, danke«, wies er voller Abscheu und doch um Höflichkeit bemüht mein Angebot zurück, »ich gehe lieber zu Fuß.«

Während des Weges achtete Asanael sehr darauf, genug Abstand zwischen sich und den Tieren zu halten.

Sehr ausgiebig widmete er sich dann der Begutachtung des Tatortes.

Wogar untersuchte in der Zeit die Leiche des Tischlers.

»Klauen wie bei wilden Tieren«, murmelte er seine Erkenntnisse, legte dabei einzelne Verletzungen frei, prüfte sie mit seinen Fingern oder nahm einen Dolch zu Hilfe, »nur hatte das Wesen in etwa die Größe eines Menschen. Aber das hier ist eigenartig. So tief, wie die Wunden gehen, hätte mehr Blut fließen müssen.«

Moi’ra bückte sich und hob die Axt auf. Aus dem Augenwinkel sah ich etwas von dem Axtblatt abfallen.

»Warte«, rief ich, »da ist etwas abgefallen, leider konnte ich nicht genau sehen, wo es auf dem Boden gelandet ist.«

Ohne sich zu rühren schweifte der Blick des Mönches über den aufgewühlten Untergrund. Ich kniete mich hin und versuchte, in dem Gewirr von Steinen, Erde und Fußabdrücken etwas zu finden, wobei ich nicht wusste, wie es genau aussah. Nachdem ich mehrere Minuten lang erfolglos geblieben war, konzentrierte ich mich, berührte mit meiner Hand meine Stirn und aktivierte das dort befindliche, psionische Dritte Auge. Es schimmerte sanft grün und klärte meinen Blick für das Verborgene. Zwischen dem Dreck steckte ein nahezu schwarzer Holzsplitter, den ich vorsichtig aufnahm. An einem Ende des Splitters befand sich eine Kerbung mit Loch.

Zwischen meinen Fingern hielt ich das Fundstück hoch und rief nach dem Gelehrten.

»Die Leiche ist noch warm«, schloss Wogar seine Untersuchung ab und erhob sich, »aber tot. Sehr eigentümlich. Und was hast du gefunden, Crish?«

Alle konnten einen Blick auf den Splitter werfen, aber keiner hatte eine Vorstellung, um was es sich dabei handeln konnte.

»Vielleicht eine Schuppe, die abgeschlagen wurde«, spekulierte Moi’ra.

»Und was bedeutet das Loch«, warf ich ein, »wenn es nicht von vorn herein vorhanden war?«

»Sehen wir im Haus nach, ob sich weitere Splitter finden«, grummelte der Halbork.

Nachdem wir wussten, worauf wir achten mussten, fanden sich noch zahlreiche weitere Holzsplitter im Hauptraum, die jedoch kein Loch aufwiesen. Die Haustüre war von Innen herausgedrückt worden, was auf eine überstürzte Flucht deutete. Hinweise, wie die Angreifer unbemerkt in das Gebäude gelangt waren, fanden sich zu meinem Ärgernis nicht.

»Darf ich die Stücke kurz haben?«, bat der Gelehrte. Moi’ra musterte ihn kühl, presste ihm dann aber ein ganzes Dutzend der Splitter in die Hand. Mehrere Minuten lang konzentrierte sich Asanael, murmelte leise vor sich hin und hielt die Augen geschlossen. Als er uns wieder ansah, schüttelte er enttäuscht den Kopf.

»Anhand der Splitter konnte ich eine Verbindung zu ihren Trägern aufbauen und den Ort ihres Aufenthaltes bestimmen«, erklärte er nüchtern, »leider wird uns dieses Wissen nicht viel nutzen, denn alles, was ich berichten kann, ist, dass wir im Wald der Ostmark nach ihnen suchen müssen.«

»Und der ist groß«, fügte ich mehr an mich selbst gerichtet hinzu.

»Herrin«, näherte sich aufgeregt ein Gardist und stand vor mir stramm, »wir haben nun das ganze Stadtgebiet durchsucht und die Bevölkerung befragt. Zehn weitere Personen werden vermisst, doch nichts wurde gestohlen.«

»Hat sich schon einmal eine Entführung von solchem Ausmaß ereignet?«

»Nein, Herrin, so etwas ist in Ostmark noch nie geschehen. Zudem fanden diese Verbrechen alle nahe des Tores statt, das östlich in den Wald führt.«

»Wir müssen mehr über diese Splitter herausfinden«, forderte Moi’ra.

»Vielleicht weiß der alte Holzfäller mehr«, schlug Wogar vor, »wenn sich jemand mit Holz auskennt, dann er.«

Wir folgten dem Halbork zum Haus des alten Mannes. Es brauchte langes Klopfen, bis wir ihn aus tiefem Schlaf wecken konnten. Ohne viele Worte hielt Wogar ihm die Splitter hin.

»Könnt Ihr mir sagen, Ukar, was das für ein Holz ist?«

Bei seinen langsamen Bewegungen mühsam ächzend besah sich der Holzfäller die dargebotenen Stücke und holte ein geschliffenes Glas hervor, um Einzelheiten für seine betagten Augen zu offenbaren.

»Nein«, schüttelte er sein Haupt, »solch ein Holz habe ich noch nie gesehen.«

»Und was könnte der Grund für das Loch sein?«, deutete Wogar mit breitem Finger auf den Splitter.

»Oh, das ist einfach erklärt.« Der Holzfäller wandte sich um und ging zu einer kleinen Werkbank, hob eine Axt mühsam auf und steckte den Splitter an eine Ecke der Schneide. »Wenn ein Hieb schräg auftrifft, werden ganze Splitter abgelöst. Doch gelegentlich passiert es, dass sich ein Schlag verkeilt und das Holz durchbohrt. Jedoch, wovon das Holz abgeschlagen wurde, kann ich nicht sagen. Aber ich kenne einen Ort, wo Ihr Antwort finden könnt. Bei den Waldriesen, ihr Lager befindet sich tief im Wald und sie kennen Baum und Strauch weit besser als der alte Ukar.«

Wir dankten und ritten zum Haus des Tischlers zurück.

»Dann werden wir den Rat der Riesen einholen müssen«, sagte ich enttäuscht.

»Ich habe etwas Anderes vor, doch dafür muss ich mich vorbereiten. Ihr dort, tragt die Leiche zur Burg.« Bei seiner herrischen Stimme zuckten die von Wogar angesprochen Stadtwachen zusammen. Zu uns gewandt ergänzte er: »kommt in zwei Stunden in den Kellerraum der Burg. Dann wird der Geist des Erschlagenen mir vier Fragen beantworten!«

Neugierig näherte ich mich zur verabredeten Zeit den Kellerräumen der Burg. Manche Riten der Orks waren sehr barbarisch, insbesondere wenn menschliche Körper eine Rolle darin spielten. Rauchschwaden sammelten sich an der niedrigen Decke und reizten meine Lunge. Im schummrigen Licht flackernder Kerzen blickte ich in den Ritualraum.

Von zahlreichen Runen überzogen lag der nun kalte Körper des Verstorbenen nackt auf dem grauen Steinboden. Wogar hatte sich in der Zeit viel Mühe gemacht, seinem Gott zu gefallen. Gutturale Laute echoten durch das Gewölbe, riefen nach Buu-naa und seinem Segen und baten um ein Gespräch über die Grenzen unserer Zeit hinweg. Die noch frische Verbindung des Geistes mit seinem früheren Körper nutzte unser Kleriker, mit dem Totenreich in Kontakt zu treten.

Auf dem starren Gesicht der Leiche bildete sich ein grüner Nebel und ahmte die Mimik nach, die zu Lebzeiten Bedeutung hatte. Sie sah ärgerlich aus.

»Wer stört mich?« Von weit her und von einem Echo verzerrt erklang die Stimme des Geistes.

»Wogar, Diener des Buu-naa«, zelebrierte der Halbork mit strenger Stimme. »Du wirst meine Fragen aus den letzten Minuten deines Lebens beantworten!«

»Nenne sie mir!«, hauchte die ausdruckslose Stimme gedehnt.

»Wie sahen die Angreifer aus?«

»Schwarze Orks aus Holz.« Der knappen Antwort folgte eine kurze Pause, bis klar war, dass der Geist nicht mehr sagte.

»Wie viele waren es?«

»Drei.« Schmerzhaft rang sich der Beschworene die Zahl ab.

»Welche Waffen führten sie?«

»Sie trugen keine Waffen.«

»Haben sie sich unterhalten?«

»Hatten keine Münder, um zu sprechen.«

Das schemenhafte Gesicht verblasste und zog sich aus dieser Welt zurück.

»Na toll. Jetzt wissen wir auch nicht mehr.« Unser Mönch sprach nüchtern aus, was meine Enttäuschung verbarg.

»Lasst uns schlafen gehen. Morgen sieht alles wieder anders aus.« Mein Angebot nahmen alle gerne an. »Wir sehen uns zum Frühstück.«

Da die Nacht noch nicht vorbei war, begab ich mich in das geräumige Gemach und kuschelte mich wieder an Yana.

»Was war denn los?«, murmelte sie verschlafen.

Ich erzählte ihr von dem Überfall.

»Du kennst Dich doch in Alchimie gut aus«, deutete ich an. »Ich habe eine Blutprobe genommen, vielleicht kannst du ja etwas über die Gestalten herausfinden.«

»Dann musst du mir erst einmal helfen, mein Labor aus dem nimmervollen Beutel zu packen.«

Nach einigen Minuten hatten wir alles Notwendige aufgebaut. In Ruhe untersuchte sie die mitgebrachte Blutprobe, destillierte sie, teilte sie auf und gab den einzelnen Proben unterschiedliche Stoffe hinzu. Interessiert sah ich ihr bei der Arbeit zu, lag dabei mit dem Bauch auf dem Bett und wackelte mit meinen Füßen.

»Auch wenn ich für genauere Angaben mehr Zeit benötige«, erläuterte sie mir, »bin ich mir sicher, dass im Blut ein pflanzliches Gift enthalten ist. Sehr merkwürdig. Es hält den Körper warm und stoppt die Blutung. Das ist nicht gerade mein Fachgebiet. Der Rakshasa weiß bestimmt mehr.«

Dankbar zog ich sie in meine Arme.

»Diese Erkenntnis ist schon sehr viel. Und ich weiß auch, wie ich dir dafür danken kann.« Zärtlich küssten wir uns. Unsere Leidenschaft wuchs mit jedem Zungenschlag. Bevor der Tag begann, widmeten wir uns ausgiebig meiner befriedigenden Spruchvorbereitung.

Am Frühstückstisch hielten wir gerade unsere Besprechung ab, als der Rakshasa klopfte.

»Wie gerufen!«, meinte ich trocken.

»Ich spürte, mein Wissen würde hier gebraucht, und so machte ich mich auf den Weg durch den frischen Morgen.« Seine spitzen Ohren drehten sich leicht.

Zwischen meinen Fingernägeln hielt ich ihm den gefundenen Splitter hin. Er öffnete seine Hand, damit ich unsere Ausbeute der letzten Nacht hinein legen konnte. Aus einer kleinen Tasche zog er ein Monokel, hielt es vor seinem Auge und betrachtete das Fundstück.

Ohne Forderungen zu stellen erläuterte er seine Erkenntnisse.

»Dieser kleine Splitter gehört zu den ausgewachsenen Früchten einer Orkwaide, auch Waidling genannt. Es handelt sich um eine parasitäre Pflanze.«

Begleitet von einem kurzen Schnurren und dem Zucken seiner langen Schnurrbarthaare bildete sich eine Illusion über seiner Handfläche, um uns eine Vorstellung zu geben. Sie zeigte einen Baum mit dunklen Früchten.

»Entgegen normaler Bäume ernährt sich diese Gattung von Fleisch. Ihre Sprösslinge sind die benannten Waidlinge, deren Aussehen auf dem ersten Blick Orks gleicht. Daher auch die Verwechslung und der Name Orkwaide. Der Baum zieht weiter, wenn er satt ist. Das ist erst der Fall, wenn sich kein Leben mehr in der Nähe befindet. Es handelt sich um eine Pflanze aus den Narbenlanden, der man Herr werden muss. Sie trägt matschige Früchte in der Krone, verfügt über ein riesiges Maul und es stinkt in ihrer Nähe nach Verwesung. Dort liegen in der Regel auch die Knochen der verdauten Opfer. Das betäubende Gift der Waidlinge hält drei Stunden lang den Körper warm. Dann ist er zu kalt und nicht mehr schmackhaft für die Pflanze.«

»Wie können wir den Baum aufspüren?«, erkundigte ich mich interessiert.

»Pflanzen zeichnen sich nicht durch Intelligenz aus. Wenn Ihr eine Richtung habt, findet Ihr auch die Orkwaide. Berichten zufolge sind zwischen fünf und zwanzig Sprösslinge ständig aktiv. Sie sollten alle auf einen Schlag erwischt werden.«

»Wie empfindlich reagieren sie auf Feuer?«, kam bei mir die Frage nach ihrer Verletzbarkeit auf.

»Ihre Rinde ist sehr widerstandsfähig. Feuer schadet ihnen wie jedem anderen Wesen auch. Hinzu kommt ihre besondere Beziehung zu Holz. Die Sprösslinge können sich ungehindert durch Holz hindurch bewegen. Waffen aus Holz verletzen sie nicht. Auch Stichwaffen können ihnen keinen Schaden zufügen. Hacken und Trümmern hilft, ihre Struktur zu zerstören, so wie auch dieser Splitter von einem Beil abgeschlagen wurde. Ein Biss oder ein Hieb mit ihren Krallen überträgt das lähmende Gift. Der Getroffene fällt in einen tiefen Schlaf, damit er lebendig verzehrt werden kann. In der letzten Nacht wurden neunzehn Personen entführt. Mit der Leiche macht das genau zwanzig Waidlinge, einer für jedes Opfer.«

Bedeutungsvoll sahen wir einander an. Nun lag es an uns, die Markgrafschaft vor weiterem Übel zu bewahren. Einen solchen Schmarotzer konnten wir uns nicht in der Nähe erlauben.

Wogar und Moi’ra kümmerten sich darum, den Wachen neue Weisungen zu erteilen. Die Wachposten wurden verstärkt und mit Äxten ausgestattet. Unsere Tatkraft bestärkte das Vertrauen unserer Bevölkerung, die folgsam kleine Gruppen bildete, damit ein erneuter Angriff sofort eine Alarmierung zur Folge hätte.

In der Burg verblieben zog ich Yana zur Seite.

»Kannst du dir einen Überblick verschaffen, was um die Stadt herum passiert? So weit können die Angreifer nicht weg sein.«

»Ich werde sehen, was die Kristallkugel mir offenbart. Dazu brauche ich jedoch einiges an Zeit.«

»Der kleinste Hinweis kann entscheidend sein. Ich fürchte, wir müssen erneut auf Shirkan zurückgreifen. So arrogant wie er ist, so groß ist auch sein Wissen.«

Ohne weitere Worte küssten wir uns innig und trennten uns. In der Stadt traf ich auf die anderen Markgrafen. Gemeinsam machten wir uns zum Magierturm auf.

Unser Klopfen wurde schnell beantwortet.

»Ah!« Weiches Schnurren begleitete Shirkans Worte. »Den hohen Herren ist an weiteren Informationen gelegen.«

»Euer Wissen«, umschmeichelte ich ihn, »wird entscheidend sein, die Gefahr richtig einzuschätzen. Womit haben wir zu rechnen?«

Entgegen meiner Erwartungen begann der Rakshasa ohne finanzielle Forderungen, dafür in einer belehrenden Stimme, seine ersten Informationen auszuweiten.

»Wenn es darum geht, die Orkwaide zu beschreiben, die hier ihr Unwesen treibt, ist gigantisch noch untertrieben. Ihre schiere Größe überragt alle bisher da gewesenen Exemplare. Ihre Zöglinge ernähren sie, und sie gibt ihnen Kraft. Sie handeln zusammen, dabei vermag sie während einer einzigen Nahrungsaufnahme die Population eines kleinen Dorfes aufzunehmen. Sollte es notwendig sein, wachsen ihre Sprösslinge in zwei bis fünf Tagen nach. Aufgenommene Nahrung wird sehr schnell verdaut. Das dunkle Holz begünstigt die überwiegend nächtliche Jagd. Neben den Waidlingen sind es die Äste, von denen Gefahr ausgeht. Sie kann sie wie Tentakeln einsetzen. Jede mit der Kraft eines Baumes. Eines gewaltigen Baumes. Da es eine Pflanze ist, lässt sie sich geistig nicht beeinflussen.«

»Welche Strecken kann sie zurücklegen?«, hakte ich nach.

»Am Tag kann sie mehr Wegstrecke als ein Mensch zurücklegen. Hindernisse existieren für sie nicht und sie muss nicht ruhen. Aufzeichnungen zufolge sind Waidlinge im Umkreis von fünfzehn Tausendschritt zum Stamm gesehen worden. Es wurde auch beobachtet, wie zweiunddreißig Menschen auf einmal verschlungen wurden.«

Mit seinen Tigeraugen sah er jeden nacheinander an. Lächelnd hoben sich einige Schnurrbarthaare. Über den entblößten Fangzähnen zwirbelte er drei Haare.

»Wenn Ihr den Rat eines alten Haudegen hören wollt«, süffisant tröpfelten seine Worte dahin. Es war keine Frage. Dennoch lächelte ich dankbar.

»Lasst die kleinen Waidlinge kommen«, empfahl er blasiert. »Vernichtet sie als erstes und nutzt die Zeit, bis neue nachgewachsen sind, um den Stamm zu finden und zu zerschlagen.«

»Habt Dank für den ausführlichen Rat«, beendete ich unsere Unterredung, »es wird für uns Zeit, Vorbereitungen für die Nacht zu treffen.«

Nach einer kurzen Verneigung schloss Shirkan die Türe zu seinem Turm. Ich mochte ihn nicht, aber er war nützlich.

Der Stadtwache wurde der Befehl erteilt, in kleinen Gruppen entlang der Holzpalisaden auf Streife zu gehen. Kein Einwohner durfte sich allein in der Stadt aufhalten. Wer sich nicht daran hielt, würde von uns bestraft werden. Und sobald jemand auf die schwarzen Orks traf, sollten sie schreien. Je eher und je lauter sie schrieen, umso schneller eilten wir zur Hilfe. Die Bevölkerung schien davon angetan, dass sich ihre Herren persönlich um ihr Wohl kümmerten.

In der Burg suchte ich Yana auf. Sie wirkte enttäuscht und erschreckt zugleich.

»Was ist, meine Liebste? Konntest du den Baum ausmachen?«

»Nein, aber damit habe ich auch nicht gerechnet. Die Kugel der Ausspähung kann nur benannte Personen finden, keine Pflanzen. Anhand der Karten habe ich dann den Ort östlich von uns angesehen, Mithol.« Sie sah mich mit großen Augen an und flüsterte: »er existiert nicht mehr.«

Verwirrt erwiderte ich den Blick.

»Ist er verwüstet? Gab es einen Angriff?«

»Nein, als ich ihn zum ersten Mal erblickte, erschien er mir völlig unberührt. Dann bemerkte ich, dass sich niemand in dem Ort bewegte. Er wirkt verlassen, ausgestorben. Nicht einmal Tiere blieben zurück.« Sie atmete tief ein. »Dort hat nichts überlebt.«

In meinen Gedanken ging ich die Informationen über den Ort durch. Mehrere Hundert Menschen lebten dort.

»Nein, ihr könnt hier nicht einfach so herein!« Die verzweifelte Stimme einer der Wachen tönte vom Eingang zu uns herüber. Stimmengewirr zeugte von einigem Tumult vor dem Tor. Leicht schwankend kam eine gebeugte, sehr dürre Gestalt von hohem Wuchs mit verfilzten, grünbraunen Haaren und vergleichbar gefärbter, runzeliger Haut herein. Das Gesicht war eine hässliche Fratze mit spitzen Zähnen. Ein Troll. Wenige Schritt vor unserer Tafel blieb er stehen.

»Was soll der Aufruhr? Nennt uns Euren Namen und warum Ihr so unangemeldet in unsere Runde platzt?« Die Forderung in meinen Worten war unmissverständlich, beruhigte aber zugleich die Zuhörer vor dem Tor.

»Ich Turlak, aus den Wäldern. Habe meine Trolle mitgebracht, ja.« Für seine dürre Gestalt hatte Turlak eine tiefe, kraftvolle Stimme.

»Nun gut, Turlak. Ihr seid der Anführer?«, schloss ich aus seinem Auftreten.

»Alle hören darauf, was ich sage«, antwortete er.

»Euer Stamm hat eine Siedlung im Westen der Stadt, nicht wahr?«

»Ja, dort war unsere Siedlung, doch diese nicht mehr sicher. Haben uns gewehrt gegen böse Bäume. Einen haben wir gefällt, doch sind noch viele da, groß wie die höchsten Bäume.« Überschwänglich machte er eine ausholende Bewegung mit beiden Armen zur Decke. »Und andere, klein und knorrig, aber nicht so stark wie Bäume. Viele gefällt davon, war ganz leicht.«

Am Tisch tauschten wir wissende Blicke aus. Es handelte sich also nicht nur um ein Problem der Stadt. Und es waren mehrere dieser Parasiten in der Gegend.

»Wollen Stadt helfen gegen garstiges Holz«, bot uns der Trollanführer an, »meine Trolle alles Krieger. Gute Krieger.«

»Dann heiße ich Euch und Eure Krieger im Namen der Markgrafen willkommen in Ostmark.« Ich nahm Yana an die Hand und stand auf. Gemeinsam mit Turlak und meinen Gefährten traten wir vor das Tor zur Stadt. Misstrauisch von unseren Wachen beäugt warteten die Trolle auf unser Erscheinen. Sie jubelten ihrem Anführer zu, Wogar gebot mit erhobener Hand zum Schweigen. Insgesamt zählte ich fünfzig Trolle.

»Verteilt euch am Westtor«, gellte unser Halbork über die Menge. Unschlüssig sahen sich die Trolle um, bewegten sich dann in Richtung Osten.

»Nein, nein!«, herrschte er sie an. »Nach Westen, das ist dort.« Sein ausgestreckter Arm deutete über die Dächer hinweg.

»Glaubt Ihr, wir wüssten das nicht?«, meldete sich ein in Felle und Knochen gekleideter Troll intelligent zu Wort. Er musste der Schamane sein. »Natürlich werden wir dorthin gehen.« Er hob seinen knotigen Stab, an dem getrocknete Köpfe hingen, und schüttelte ihn, begleitet von einem schrillen Johlen. Munter grölten und stampften die Krieger. Bereitwillig machten die Stadtwachen dem Haufen Platz.

»Wir werden sie bei Laune halten müssen«, murmelte ich den anderen dreien zu.

»Und sie werden etwas futtern wollen.« Wogar wendete sein Gesicht mir zu. »Wir sollten einige Opfer in der Stadtbevölkerung einkalkulieren.« Ich nickte und sah zu Moi’ra.

»Besser die Trolle als diese Pflanze«, stellte ich nüchtern fest. »Sie kamen gerade recht.«

»Bereiten wir uns auf die Nacht vor.« Sie winkte Umbold herbei. »Ich werde den Stadtwachen noch Weisungen geben. Kümmern wir uns um das Osttor?«

»Von dort wird die große Orkwaide ihre Schergen senden.« Ich blickte über die Dächer zum Tor.

»Gut«, befand Moi’ra, »bleibt für die Wache der Norden und Süden, das sollte ausreichen.«

Als die Dämmerung hereinbrach, rüstete ich mich für die Nacht. Gemeinsam mit Moi’ra und Wogar ritt ich zur Ostseite der Stadt. Yana blieb auf der Burg – ihre Zauber und geistigen Kräfte konnten in den Gassen nicht zur vollen Wirkung kommen oder waren sogar gegen unsere Gegner wirkungslos.

Zwischen den Häuserwänden lauerten wir auf den Gegner und nutzten die Zeit des Wartens, um uns für den Kampf zu stärken. Ich rief meinen Patron um Kraft für den Kampf an und spürte meine Muskeln anwachsen.

Erwartungsvolle Stille legte sich über die Stadt. Dann hörten wir das Grunzen der Trolle. Klauen schlugen auf Holz, sie hatten ihre Gegner gefunden. Kurz darauf drang vom Süden der Stadt Kampflärm zu uns. Die Stadtwache formierte sich. Auch im Norden begann die Auseinandersetzung. Moi’ra wurde unruhig.

»Sollen wir nicht zur Hilfe reiten?«, fragte sie uns.

Ich schüttelte energisch den Kopf. »Warten wir ab, was passiert.« Im langsamen Trab patrouillierten wir weiter den Osten der Stadt.

Dann hörten wir vom Westen ein lautes »Oh, oh!«, dem ein geräuschvolles Krachen und Knarren folgte. Ich stellte mich in die Steigbügel und schloss die Augen, nutzte meine Kräfte der Hellsicht, um meinen Blick zu versetzten. Im Westtor konnte ich etwas sehr großes ausmachen, was nicht dorthin gehörte, aber zu gewaltig war, um es ganz zu erkennen.

»Etwas steht im Westtor«, murmelte ich meinen beiden Begleitern zu.

»Los, reiten wir hin!« Moi’ra gab ihrem Reittier die Sporen. Ich fluchte und trieb Gargarhaykal an. Wir folgten ihr und konnten bald einen riesigen Baum mitten in den Resten des Tores sehen. Die Trolle gaben ihr bestes und hingen an dem Waidling wie Kletten am Fell, bissen und kratzten in das Holz, rissen Rindenstücke ab. Noch bevor wir auf Kampfentfernung heran waren, ertönte ein mehrstimmiges Kreischen vom Osttor. Sofort stoppte ich Gargarhaykal im Galopp. Erde spritzte auf, als er mit seinen Hinterbeinen den Boden aufwühlte. Beinahe auf der Stelle drehten wir uns um und ritten so schnell wir konnten auf die neue Bedrohung zu.

Schon von weitem konnten wir das wilde Rudel sehen. Die einzelnen Exemplare waren von größerem Wuchs als jene beim Westtor. Gemeinsam bewegten sie sich im Pulk voran, durch das Holz der Gebäude zu beiden Seiten der langen Gasse. Nichts konnte sie aufhalten.

Noch im Reiten formte ich meine geistige Kraft zu einer brennenden Kugel und schleuderte sie mitten in die Menge. Wogar neben mir hielt sein Symbol des Buu-naa hoch, rief seine Gottheit um eine Zauberkraft an. Krachend fuhr eine Flammensäule auf die Holzwesen nieder. Splitter und Körperteile schleuderten umher.

Bevor ich vom Rücken meines Vertrauten sprang, hatte ich genug Energie gesammelt, um einen zweiten sengenden Ball auf die Meute abzugeben. Ein kurzes Fingerschnippen beförderte meinen Krummsäbel aus dem Aufbewahrungshandschuh in meine Faust. Angriffslustig schwang ich die elegante Waffe. Neben mir schoss ein Blitzstrahl aus Wogars Waffe vorbei. Drei Waidlinge blieben verschmort und zerborsten auf ihrem Weg zurück, dann trafen wir aufeinander. In schneller Folge prasselten Moi’ras Ketten auf das Holz ein. Siebzehn Gegner strömten über uns her, umgaben uns wie die Luft einen Vogel. Ich zählte fünf bei mir. Nacheinander schlug ich auf sie ein, konnte zwei herbe Schläge landen und meinen ersten Gegner zerteilen, wurde aber selbst von ihren scharfen Krallen verletzt. Sie durchdrangen meine unheilige Haut, Blut tropfte an meinen Armen hinab. Je enger ich bedrängt wurde, umso mehr steigerte ich mich in einen Rausch.

Dank seiner dicken Muskeln durchschlug Wogar reihenweise die hölzernen Körper. Splitter flogen in alle Richtungen. Er ignorierte ihre Schläge, die von allen Seiten auf uns einprasselten. Selbst die geschickt ausweichende Moi’ra wurde an ihrem Oberarm getroffen und das schläfrige Gift sickerte in die blutige Wunde. Ihr Leib widerstand dem verdorbenen Saft und regenerierte die Verletzung. Mit wirbelnden Ketten baute sie einen eisernen Schutz auf und durchstieß das schwächere Holz.

Mir konnte das Gift nichts anhaben – das Blut des Abyss galt selbst als unrein in dieser Welt. Tief gruben sich die dunklen Klauen in meinen Rücken, ich wirbelte herum und versenkte meinen Säbel in eine starre Brust. Kein Mienenspiel zeigte sich, als meine Schneide die Borke durchtrennte und das Leben auslöschte. Ich fauchte meinen letzten Gegner an.

Wogar hatte Kleinholz aus den Waidlingen gemacht und lief in meine Richtung. Bevor er mich erreichte, zerhackte ich mit vernichtenden Hieben den bei mir verbliebenen Waidling. Voller Adrenalin packte ich den Halbork und gab ihm einen heißblütigen Kuss. Mein Blut tropfte auf seine Rüstung. Er leckte es von meinen Armen und seine Augen leuchteten feurig rot.

Dumpf schallte der letzte Schlag der Mönchsketten zu uns herüber. Der Angriff war vorüber.

Freudig brüllte ich in die Nacht, ging zu meinem wartenden Ross und streichelte das nachtschwarze Fell. Seine Nähe beruhigte mich. Interessiert sah ich mir die langen Striemen an meinen Armen an – mehr war von den tiefen Rissen in meinem Fleisch nicht verblieben. Dennoch spürte ich mein getrocknetes Blut in meinem Rücken und alle Kleidungsstücke wiesen Risse auf. Ich benötigte dringend eine neue Garderobe.

Unter den Triumphschreien in der Stadt konzentrierte ich mich auf die in mir wohnenden Kräfte, umspülte meine oberflächlichen Wunden mit geistiger Energie und erneuerte so durchtrenntes Gewebe. Den trockenen Schorf leckte ich ab.

Wir stiegen auf unsere Reittiere. Begleitet von jubelnden Bewohnern trabten wir zur anderen Seite. Am Westtor rührten sich nur noch die Trolle, auch hier war die Gefahr vorüber. Wogar winkte Turlak zu.

»Großer Baum sich nicht mehr rührt. Wir ihn zerschlagen.« berichtete der Trollanführer stolz.

An der knorrigen Nase machte sich derweil der Trollschamane zu schaffen. Seine drahtigen Arme zerrten und rissen, nur langsam lockerte sich die Verbindung zum Stamm. Knirschend und knackend brach der Zinken ab. Johlend hielt er ihn über seinen Kopf hoch. Ein ganzer Chor antwortete ihm. Bei meiner Zählung fehlten acht Trolle. Die Verdauungssäfte mussten sie zersetzt haben.

Begleitet von einem Dutzend Stadtwachen mit Fackeln näherte sich Umbold. Er verbeugte sich vor uns, seine Stimme war fest und zuversichtlich.

»Kein Holzwesen bewegt sich noch in der Stadt, Markgrafen. Wir haben fünfzehn der Wache verloren, fünf blieben bis jetzt verschwunden.« Ich leckte über meine Lippen und fragte mich, ob da nicht die Trolle eine Stärkung zu sich genommen hatten. »Angesichts der erschlagenen Gegner müssen sich drei kleine Bäume und ein großer Baum in der Gegend um Ostmark befinden.«

»Bäume sicher nicht weit von hier«, meldete sich Turlak zu Wort, »werden auf Patrouille gehen und sie jagen.« Entschlossen stampfte er zu seinen Trollen.

»Beeindruckend«, säuselte Shirkan mit einem Blick auf das zerstörte Tor. Mit lächelnd gefletschten Zähnen sah ich von Gargarhaykal auf unseren neuen Gast herab. Er glich den Höhenunterschied mit einem geschickten Sprung auf den Stamm der Orkwaide aus. Nun hatte er die höhere Position. Seine edle Kleidung wirkte deplatziert am Ort des Kampfes. Auf seinen Gehstock gelehnt musterten seine Katzenaugen uns aufmerksam.

»Es war mir eine Ehre, an der Seite der Stadtwachen zu kämpfen. Sie haben sich wirklich gut geschlagen. Mit meiner Unterstützung konnten sie die Angreifer schnell bezwingen.« Seine Worte waren nicht an uns allein gerichtet, er wollte gehört werden, auch von sich selbst. Sein Tigerkopf verneigte sich übertrieben. »Ich wünsche den hohen Herren noch eine gute Jagd.«

»Lasst uns reiten!«, forderte Moi’ra und nahm ihr Reittier eng am Zügel.

»Du willst sofort los?«, protestierte Wogar »Ich muss neue Gebete vorbereiten, dazu brauche ich die Nacht.«

»Es ist ja nicht so, dass ich alle meine Kräfte eingesetzt habe. Für einen Baum in dem Format«, ich deutete auf die Reste im Westtor, »sollte es reichen, aber nach einer erholsamen Nacht könnte auch ich meine Zauber auffrischen.«

»Wenn Ihr mir einen Rat erlaubt, Markgrafen«, verbeugte sich Shirkan bei seiner Anmerkung, »dann sollte die Nacht zur Ruhe genutzt werden. Die zerstörten Waidlinge werden nicht so schnell nachwachsen, aber das bedeutet nicht, dass die gigantische Orkwaide schutzlos ist. Bedenkt, dass sie alles bislang Gesehene übertrifft.«

Unser Mönch sah sich um und schüttelte dann den Kopf. Ihr gefiel die Verzögerung nicht. »Na gut, ich kann warten. Wenn ihr es für besser haltet, warten wir bis der Morgen graut.«

Dankbar nickte ich meiner Gefährtin zu und drückte meinen Schenkel gegen die Seite von Gargarhaykal. Er verteilte Rauch bei seiner Drehung.

»Eine ruhige Nacht, Shirkan.« Kraftvoll trabte mein Vertrauter los. Der Magier hob seine Tatze zum Abschied.

Schnell hatten uns die Burgmauern wieder und wir gingen wortlos zu unseren Gemächern, wo Yana mich freudig erwartete.

Wir nutzten die verbliebene Nacht. Ich machte das Bett fertig und frischte in einer ausgiebigen Ehrung Arkhmandeos und Yanas Teilnahme meine gewährten Zauberkräfte auf. Dann nahm ich leidenschaftlich Abschied von Yana.

»Halt das Bett warm, ich bin bald wieder in deinen Armen.« versprach ich.

Liebe und Sorge stand in ihren Augen.

»Pass auf dich auf, lass es nicht darauf ankommen.« riet sie mir.

»Das werde ich. Wenn unser Kampf aussichtslos erscheint, werde ich mich direkt in unser Gemach teleportieren.« Diese besondere Kraft meines dämonischen Blutes bewies sich oft als lebensrettend.

Unseren zärtlichen Kuss behielt ich so lange es eben möglich war auf meinen sehnsüchtigen Lippen.

Noch vor den ersten Sonnenstrahlen des grauenden Tages ritt ich in Begleitung von Moi’ra und Wogar los. Unter dem Jubel der Bevölkerung verließen wir die Stadt, passierten das zerstörte Tor und trabten in Richtung Osten, auf dem Weg zum Ort Mithol.

Auf unseren großen Reittieren kamen wir gut voran. Nach drei Stunden erreichten wir die Ortschaft. Auf dem ersten Blick konnten wir keine Beschädigungen feststellen. Wir sahen uns um und mussten feststellen, dass der Ort völlig verlassen war. Und nicht nur das rege Treiben eines sonnigen Tages fehlte, es war auch absolut still. Totenstill.

Um uns ein besseres Bild der Vorgänge zu machen, verglichen wir die Beobachtungen mit der Karte. Nach einer kurzen Beratung schlugen wir die nördliche Richtung ein.

Der Weg führte uns mitten durch den dichten Wald. Wir mussten unsere Reittiere im Dorf zurücklassen. Nur unsere eigenen Schritte waren zu hören und das Knirschen des Herbstlaubes unter unseren Füßen erschien mir viel zu laut. Alle Stimmen des Waldes waren verschwunden: eine gespenstische Stille hatte sich über das Land gelegt. Kein Tier war zu sehen oder zu hören – sie mussten geflohen sein. In meiner Nase kitzelte ein leicht säuerlicher Geruch.

Während einer kurzen Pause rezitierten wir unsere unterstützenden Zauber für den Kampf. Vorsichtig gingen wir weiter. Nach einer halben Stunde kamen wir an einen Platz, wo eine Unzahl von Gerippen lag und aufgeplatzte Kokons verteilt waren. Die Erde war vermodert, übersäuert. Säuresprenkel waren auf einigen Bäumen zu sehen und wiesen uns den Weg weiter nach Norden.

Immer stechender wurde der Geruch. Nur mühsam konnte ich noch atmen. Aus einem leisen Summen wurde ein Gluckern und Knattern. Holz ächzte, der Boden rülpste. Wir schlichen durch den dichter gewordenen Wald, umrundeten eine Baumgruppe und sahen inmitten einzelner Bäume das gigantische Baummonster. Skelette lagen zu seinen Wurzeln. In der Krone waberten grün schimmernde Früchte.

Auch auf die knapp achtzig Fuß, die wir von der Orkwaide entfernt waren, wirkte sie überwältigend und übertraf die Angreifer der letzten Nacht bei weitem. Um ihre Spitze zu erkennen, musste ich meinen Kopf in den Nacken legen. Shirkan hatte noch untertrieben in seiner Beschreibung. Ich fluchte leise.

Geschützt durch die Baumgruppe sprachen wir unsere letzten Vorbereitungszauber und lockerten die Waffen. Ich nutzte meine psionischen Energien und aktivierte für kurze Zeit die von meinem Patron gewährte Kraft leichter Regeneration. Moi’ra begab sich ins Unterholz, ich trat neben Wogar aus unserem Versteck hervor. Er hielt sein Symbol des Buu-naa hoch, rief die göttlichen Mächte herbei und jagte einen donnernden Flammenschlag in den Stamm. Ich sammelte meine Kräfte des Abyss, formte die unheilige Macht und setzte einen rauchenden Blitz in die Krone des Ungetüms.

Das Brüllen des riesigen Maules erfüllte die stinkende Luft. Ein zweites Mal ertönte Wogars fordernde Stimme, mit lautem Krachen fuhr erneut ein Flammenschlag in den Stamm. Dunkler Rauch quoll in den Himmel empor.

Ganz in mich versunken formte ich aus der Kraft meines Geistes ein heißes, weiß glühendes Plasma und schleuderte es von mir fort auf die Orkwaide zu. Flammen züngelten entlang der Rinde und hüllten den Stamm in rote Glut.

Der Baum hob seine Wurzeln, löste sich vom bebenden Boden, drehte sich in unsere Richtung und bewegte sich auf uns zu. Die Sonne verdunkelte sich, sie wurde gänzlich von der nahenden Gestalt verschluckt.

Wogar richtete seine Waffe auf den Stamm und löste einen Blitzstrahl aus. Krachend jagte dieser in das Holz, begleitet von meiner zweiten Plasmakugel. Mit wenigen stampfenden Schritten war der Baum nun sehr nahe.

An der ausgestreckten Hand baumelte das Symbol des Buu-naa, mit donnernder Stimme löste Wogar einen grellen Lichtstrahl aus seiner ausgestreckten Hand und sandte ihn gegen unseren Gegner, was dessen Rinde versengte. Zugleich kam eine weitere brennende Kugel reiner geistiger Energie von mir. Nichts hielt die riesige Pflanze auf, sie wirkte eher bestärkt, uns ein schnelles Ende zu bereiten.

Wogar umfasste seine Waffe so sehr, dass seine Fingerknochen knirschten, und ging festen Schrittes vor. Ich leerte meinen Körper, sammelte Energie und feuerte einen weiteren glühenden Ball ab. Prasselnd zerstob dieser an der harten Rinde.

Bis der Halbork nah genug heran war, hatte ich erneut die notwendigen Kräfte gesammelt. Wogar brüllte und spie die Glut seines Erbes hinaus. Gemeinsam mit seinem Drachenodem prallte die leuchtend rot wabernde Materie gegen das Holz und verkohlte große Bereiche. Rußgeruch mischte sich in die säuerliche Luft.

Unser Ziel war nun nah genug heran, dass meine unheiligen Kräfte zur Wirkung kommen konnten. Ich rief Arkhmandeos dunkle Macht herbei, formte daraus eine schwarze Kralle und warf sie von mir weg. Sie jagte durch die Luft, versenkte sich in den Stamm und riss eine tiefe Wunde in die Borke.

Moi’ra hatte sich unentdeckt dem Baum genähert und ging gemeinsam mit Wogar in den Nahkampf über. Beide schlugen in schneller Folge so kraftvoll sie konnten zu. Holzsplitter wirbelten durch die Luft. Das Stakkato der Schläge hallte in meinen Ohren.

Aus meinem Innersten zog ich dunkle Energie zusammen, gab ihr eine Form und sandte sie von mir fort. Meine zweite Kralle flog, der alles überragende Baum war nicht zu verfehlen.

Dann kamen die riesigen Äste. Das unnatürliche Wesen der Pflanze gab dem Geäst eine Beweglichkeit, die eher an Peitschenstränge erinnerte. Ausweichen war kaum möglich. Auf jeden von uns droschen zwei Äste mit Brachialgewalt ein. Wir mussten herbe einstecken. Knochen brachen. Meine Brüche heilten zwar sofort, hinterließen dennoch schmerzhafte Quetschungen und presste die Luft aus meinen Lungen. Zudem wurden wir alle von den Ästen umschlungen und zum Maul geführt. Der Kraft des Baumes konnten wir nichts entgegensetzen.

Wogar gab seinen zweiten Odem auf die Äste ab, verbrannte die Rinde und wurde losgelassen. Ich nutzte eine dämonische Kraft, wechselte in meine ätherische Gestalt und entfloh so dem Griff.

Im Astralraum konnte ich große Risse in der Struktur dieser Parallelwelt erkennen, Nordwestlich unserer Position, etwa vierzig Meilen entfernt. In meinem Kopf hatte ich die Karte mit der Insel im See vor den Augen. Ich wollte es später den anderen berichten, lief nun aber los in die Richtung, aus dem die Orkwaide kam.

Moi’ras Ketten prasselten auf den Stamm ein, dann wurde sie von den Ästen gepackt und verschluckt. Wogar schlug wieder zu, das Metall durchdrang die harte Rinde. Durch die Wucht splitterten einige Späne ab.

Außerhalb der Astreichweite des Baumes wechselte ich wieder zur Materiellen Ebene und gab eine psionische Plasmakugel ab.

Aus dem Inneren des Stammes vernahm ich dumpfe Schläge. Moi’ra musste dem lähmenden Gift widerstand haben und ich hoffte, ihr zuvor göttlich gewährter Säureschutz hielt die Magensäfte lange genug von ihrer tödlichen Arbeit ab, bis sie sich aus dem Magen befreit hatte.

Wogar, direkt vor dem wütenden Baum, bekam es übel ab. Mehrere Äste schlugen gleichzeitig auf ihn ein. Einen Teil des Schadens konnte seine Rüstung absorbieren, dann wurde er aber wieder gepackt.

Moi’ra hatte sich herausgeschlagen und rollte über den Boden. Ich feuerte ein weiteres Mal das sengende Feuer ab. Wogar löste eine von mir angebrachte, heilende Tätowierung aus, wurde dabei aber von dem riesigen, mit Zähnen bespickten Mault geschluckt.

Meine nächste Feuerkugel flog, zerbarst und hinterließ eine rauchende, schwarze Stelle. Der Baum drehte sich in meine Richtung. Moi’ra hatte sich aufgerappelt und begann, mit den Ketten einen Hagel von Schlägen gegen das Holz zu führen.

Wogar musste sich zunächst aus dem Magen befreien. Ich feuerte wieder mit meiner geistigen Kraft, die ich nahezu vollkommen aufgebraucht hatte. Ich brauchte dringend Ruhe, mein Kopf schmerzte. Moi’ra sah die Äste auf sich zu kommen, riss noch die Ketten hoch, konnte die Wucht aber nicht aufhalten. Sie taumelte von den schweren Treffern. Ein Ast packte sie und führte ihren vergeblich zappelnden Körper zum Maul.

Mit einem kräftigen Hieb hatte sich Wogar aus dem Inneren befreit und hämmerte wieder von außen auf den Stamm ein. Ich war nahe genug, um meine dritte und letzte vorbereitete Kralle dunkler Macht los zu jagen. Knarrend riss sie ein langes Stück aus der Borke. Moi’ra schlug wütend in einem furiosen Stakkato zu, bevor sie erneut verschluckt wurde. Diesmal folgten keine befreienden Schläge – die Magensäure musste sie betäubt haben und der Baum begann nun, sie zu verdauen.

Wogar hämmerte wild weiter auf die Rinde ein, bekam die peitschenden Äste zu spüren, dass er taumelte und unter den zahlreichen Treffern von der Wucht zermatscht wurde. Knochen und Blut lagen wild verteilt.

Allein vor dem gigantischen Gegner stehend ging ich vor Verzweiflung brüllend in den Nahkampf über, löste schnippend die Waffe aus meinem Aufbewahrungshandschuh und hämmerte zweimal hintereinander mit meinem verzauberten Krummsäbel auf den Stamm ein. Doch die Rinde war sehr hart – meine Klinge konnte sie kaum durchdringen. Ich hoffte, mit meinem zweiten Hieb weit genug eingedrungen zu sein, und löste die in der Waffe geladene schwarze Kralle aus.

Das war der entscheidende letzte Akt. Unter ohrenbetäubendem Splittern wurde der Baum zerrissen. Grinsenst ignorierte ich die gegen mich prasselnden Späne. Erschöpft sank ich in die Knie.

Aus dem Stammesinneren quollen Magensäfte und Verdautes heraus. Auch Moi’ras Körper wurde ausgeschwemmt. Schwer atmend kroch ich zu ihr und erschuf mit Hilfe einer kurzen Anrufung dunkler Kräfte einige Liter Wasser. Damit wusch ich notdürftig die Säure von Moi’ra ab.

Dann sammelte ich Wogars zermanschte Reste ein und steckte sie in einen Beutel, der schnell vor Blut triefte. Ich wusste, dass mächtige Wesen des Abyss noch Verwendung für den Halbork hatten und ich ihn bald wiedersehen würde. Daher kümmerte mich sein Tod nicht weiter. Buu-naa besaß nun seine Seele und würde schon einig werden mit den dunklen Lords.

Die Ausrüstung meines Kampfgefährten, darunter sein Schwert und einen klerikalen Stecken mit Heilkräften, packte ich in meinen Rucksack.

Die Reste der Orkwaide stanken, daher verzichtete ich auf ein Andenken an den Sieg.

Moi’ra sah übel mitgenommen aus. Die Säure hatte ihre Haut ziemlich zerfressen. Diese Verletzungen konnten ihre eigenen Regenerationskräfte nicht beheben. Ich reichte ihr den eingepackten Klerikerstab und sie nutzte die darin noch gespeicherte Energie, um zumindest einen Teil des Schadens zu beheben.

So weit möglich säuberte ich meine Ausrüstung, dann machten wir uns auf den Weg zurück zu unseren Rössern in Mithol.

Sündige Herrschaft

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